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VerfGBbg, Beschluss vom 17. Februar 2023 - VfGBbg 33/22 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - VerfGGBbg, § 20 Abs. 1 Satz 2; VerfGGBbg, § 46
Schlagworte: - Begründungsanforderungen, formale
- Anlagen, Unterlagen

Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 17. Februar 2023 - VfGBbg 33/22 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 33/22




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

VfGBbg 33/22

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

B.,

Beschwerdeführer,

wegen

Strafbefehl des Amtsgerichts Potsdam vom 23. März 2022 ‌‑ 82 Cs 4132 Js 736/22 ‑‌; Beschluss des Amtsgerichts Potsdam vom 19. April 2022 ‌‑ 82 Cs 4132 Js 736/22 ‑‌; Beschluss des Amtsgerichts Potsdam vom 5. Mai 2022 ‌‑ 82 Cs 4132 Js 736/22 ‑‌; Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 30. Mai 2022 ‌‑ 25 Qs 31/22 ‑‌; Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 3. August 2022 ‌‑ 1 Ws 85/22

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 17. Februar 2023

durch die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter Möller, Dresen, Dr. Finck, Heinrich-Reichow, Kirbach, Müller, Richter und Sokoll

beschlossen: 

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.


Gründe:

A.

Gegenstand der Verfassungsbeschwerde sind verschiedene, dem Verfassungsgericht unvollständig bzw. nicht geordnet vorliegende Gerichtsentscheidungen.

I.

Der Beschwerdeführer hatte sich am 10. Oktober 2022 an die Verwaltung des Verfassungsgerichts mit der Beschwerde gewandt, es sei ihm aufgrund einer beim Verfassungsgericht vermuteten Störung nicht möglich gewesen, eine Verfassungsbeschwerde zu übermitteln. Dem Verfassungsgericht war am selben Tag - ohne weitere Schreiben oder Unterlagen - ein Strafbefehl per Telefax zugegangen, demzufolge das Amtsgericht Potsdam am 23. März 2022 (82 Cs 4132 Js 736/22) gegen den Beschwerdeführer wegen einer am 30. Dezember 2021 begangenen Beleidigung, §§ 185, 194, 52 Strafgesetzbuch (StGB), eine Geldstrafe von 35 Tagessätzen zu je 25,00 Euro verhängt hatte. Mit Schreiben vom 12. Oktober 2022 ist dem Beschwerdeführer anheimgestellt worden, (erneut) beim Verfassungsgericht seine Verfassungsbeschwerde einzureichen.

II.

Mit seiner sodann am 16. Oktober 2022 per Telefax eingereichten Verfassungsbeschwerde vom 7. Oktober 2022 wendet sich der Beschwerdeführer gegen den Strafbefehl des Amtsgerichts Potsdam vom 23. März 2022 (82 Cs 4132 Js 736/22), die zu diesem Aktenzeichen ergangenen Beschlüsse des Amtsgerichts Potsdam vom 19. April 2022 und vom 5. Mai 2022, den Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 30. Mai 2022 (25 Qs 31/22) sowie den Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 3. August 2022 (1 Ws 85/22).

Er rügt - unter Berufung auf Bestimmungen der Verfassung des Landes Brandenburg (LV), des Grundgesetzes (GG) und auf Art. 6 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) - insbesondere eine Verletzung seines Grundrechts auf wirksamen Rechtsschutz, die Verletzung seines Rechts auf Akteneinsicht, „Lug und Betrug“ durch Richter, die Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren sowie Verstöße gegen das Willkürverbot. Dazu trägt er im Wesentlichen vor, das Amtsgericht Potsdam und das Landgericht Potsdam hätten sein Grundrecht auf wirksamen Rechtsschutz verletzt, indem ihm kein Pflichtverteidiger bestellt worden sei. Ferner sei er durch die Gerichte nicht gehört worden. Die Entgegennahme von Schreiben und Ignoranz von Missständen sei kein „gerichtliches Gehör“. Das Oberlandesgericht habe seine Einwände ignoriert. Ohne Rechtsanwalt habe er im Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft keine Akteneinsicht nehmen können. Ein unfaires Verfahren liege in der Nötigung zur Verfahrensbetreibung während seiner Erkrankung. Er versichere an Eides statt, dass er am 16. August 2022 zur Untersuchung in einer Arztpraxis gewesen sei. Zurzeit sei er erkrankt, seit 2021 nicht belastungsfähig, und mache daher keine weiteren Ausführungen.

Mit der Verfassungsbeschwerde „fordert“ der Beschwerdeführer die „Aufhebung des Termins der Hauptverhandlung zum 16. August 2022“, die Bestellung eines „Pflichtanwalts“, die Verwerfung der Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, die „Erfüllung des Gebots des Ruhens“ während seiner Erkrankung und die Verwerfung der Bestrafung von Beleidigungen als straflos im Falle einer Erkrankung zur Tatzeit. Er beantragt ferner das „Ruhenlassen“ des Verfassungsbeschwerdeverfahrens mit der Begründung, er habe keine Zeit für weitere Ausführungen und beruft sich auf seine Gesundheit.

Mit Schreiben vom 17. Oktober 2022 hat der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Er habe wegen einer anhaltenden Störung am 8. Oktober 2022 seine Verfassungsbeschwerde nicht per Telefax übersenden können. Er vermute als Störer seinen Telefonanbieter. Die dem Schreiben beigefügten ‑ durchweg ungeordneten, nicht zuordenbaren - Anlagen sortiere er nicht erneut. Hätte das Verfassungsgericht das Telefax korrekt eingerichtet, hätte es alles sortiert erhalten.

Das Verfassungsgericht hat den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 18. Oktober 2022, dem Beschwerdeführer am 25. Oktober 2022 zugegangen, darauf hingewiesen, dass die in seiner Beschwerdeschrift aufgelisteten Entscheidungen des Amtsgerichts Potsdam, des Landgerichts Potsdam und des Brandenburgischen Oberlandesgerichts beim Verfassungsgericht nicht bzw. nicht vollständig eingegangen sind, und Gelegenheit gegeben, diese nachzureichen. Dem ist der Beschwerdeführer nicht nachgekommen.

B.

1. Dem Antrag des Beschwerdeführers, das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, war nicht zu entsprechen. Es kann dahinstehen, ob die Anwendung einer Ruhensvorschrift (§ 13 Abs. 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg, VerfGGBbg, i. V. m. § 251 Zivilprozessordnung, ZPO) im Verfassungsbeschwerdeverfahren sachgerecht erscheint. Jedenfalls ist die Anordnung eines Verfahrensstillstands angesichts der Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde nicht zweckmäßig.

2. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig. Sie genügt nicht den Begründungsanforderungen des § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg.

Erforderlich ist danach eine Begründung, welche umfassend und aus sich heraus verständlich die mögliche Verletzung der geltend gemachten Grundrechte des Beschwerdeführers hinreichend deutlich aufzeigt. Dabei ist darzulegen, inwieweit die bezeichneten Grundrechte durch die angegriffene Entscheidung verletzt sein sollen und mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen die Entscheidung kollidiert. Dazu bedarf es einer umfassenden Aufarbeitung der einfachrechtlichen und verfassungsrechtlichen Rechtslage. Demnach muss der Beschwerdeführer ausgehend vom Entscheidungsinhalt aufzeigen, worin der Grundrechtsverstoß aus seiner Sicht im Einzelnen liegt (vgl. Beschluss vom 18. Februar 2022 ‌‑ VfGBbg 48/20 ‑‌, Rn. 20, https://verfassungsgericht.brandenburg.de).

In formaler Hinsicht gehört zum Begründungserfordernis nach § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg, dass die angegriffenen Entscheidungen sowie die zugrundeliegenden Rechtsschutzanträge und andere Dokumente, ohne deren Kenntnis sich nicht beurteilen lässt, ob Grundrechte oder grundrechtsgleiche Rechte des Beschwerdeführers verletzt wurden, vorzulegen oder wenigstens durch inhaltliche Wiedergabe zur Kenntnis zu bringen sind (st. Rspr., Beschluss vom 19. November 2021 ‌‑ VfGBbg 30/21 ‑‌, Rn. 14, https://verfassungsgericht.brandenburg.de).

Diesen Anforderungen wird die Beschwerdeschrift nicht gerecht. Eine geordnete Darstellung des den genannten Entscheidungen zugrundeliegenden Sachverhalts und des Verfahrensgangs fehlt. Die Beschwerdeschrift lässt auch eine nachvollziehbare Schilderung des Inhalts der beanstandeten Entscheidungen insgesamt vermissen. Das Vorbringen des Beschwerdeführers beschränkt sich im Wesentlichen darauf, die Verfahrensweise der beteiligten Gerichte als falsch und willkürlich zu beanstanden. Dies genügt den aufgezeigten Begründungsanforderungen nicht. Es ist insbesondere nicht Aufgabe des Verfassungsgerichts, Anlagen umzusortieren oder eingereichte Anlagen auf diejenigen Gesichtspunkte zu durchsuchen, die unzureichendes Vorbringen in der Beschwerdeschrift substantiieren könnten.

3. Auf die Einhaltung der Beschwerdefrist kommt es angesichts der aufgezeigten Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde nicht an. Über den Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers war mangels schutzwürdigen Interesses daher nicht zu entscheiden.

C.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

 

 

Möller

Dresen

Dr. Finck

Heinrich-Reichow

Kirbach

Müller

Richter

Sokoll