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VerfGBbg, Beschluss vom 21. Oktober 2022 - VfGBbg 60/21 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - VerfGGBbg, § 20 Abs. 1 Satz 2VerfGGBbg, § 46
- LV, Art. 10; LV, Art. 52 Abs. 1 Satz 2; LV, Art. 52 Abs. 3 Alt. 1
- ArbGG, § 78 Satz 2 i. V. m. ArbGG, § 72 Abs. 2 entsprechend
Schlagworte: - Verfassungsbeschwerde, teilweise unzulässig
- Verfassungsbeschwerde, im Übrigen unbegründet
- Arbeitsgerichtliches Verfahren
- Lohnnachweiskarte
- Zwangsvollstreckung
- Zwangsvollstreckungsverfahren
- Begründungsmangel
- Garantie effektiven Rechtsschutzes
- Eröffnung eines Rechtszugs/ Instanzenzugs
- Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde
- Zulassungsgründe
- (keine) entscheidungserhebliche Rechtsfrage
- (keine) Divergenz
- Auslegung eines Urteilstenors, Einzelfallcharakter
amtlicher Leitsatz:
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 21. Oktober 2022 - VfGBbg 60/21 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 60/21




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

Im Namen des Volkes

Beschluss

 

VfGBbg 60/21

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

Z.,

Beschwerdeführer,

Verfahrensbevollmächtigter:              Rechtsanwalt
                                                           H.
 

wegen

Beschluss des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 7. Juli 2021 ‌‑ 7 Ta 723/21


hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 21. Oktober 2022

durch die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter Möller, Dresen, Heinrich‑Reichow, Kirbach, Müller, Richter, Sokoll und Dr. Strauß

beschlossen: 

Die Verfassungsbeschwerde wird teilweise verworfen und im Übrigen zurückgewiesen.

 

Gründe:

A.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg im Rahmen eines Vollstreckungsverfahrens.

I.

Der Beschwerdeführer unterhält einen Maler- und Lackierhandwerksbetrieb in X. Ein ehemaliger Arbeitnehmer des Beschwerdeführers hatte Klage zum Arbeitsgericht Cottbus mit dem Ziel der Berichtigung der Lohnnachweiskarte für das Jahr 2018 erhoben. Die Lohnnachweiskarte wies unrichtigerweise aus, der Beschwerdeführer habe dem Arbeitnehmer Urlaubsentgelt in Höhe von 3.152,40 Euro gezahlt, es bestünde noch ein Entgeltanspruch für Resturlaub in Höhe von 326,10 Euro. Tatsächlich hatte der Beschwerdeführer dem Arbeitnehmer nur 1.669,36 Euro ausgezahlt. Der Resturlaubsentgeltanspruch betrug 1.809,14 Euro. Der Arbeitnehmer klagte auf entsprechende Berichtigung.

Mit Versäumnisurteil vom 10. September 2020 (6 Ca 1011/19) verurteilte das Arbeitsgericht Cottbus den Beschwerdeführer,

„die auf den Kläger ausgestellte Lohnnachweiskarte 2018 zur Sozialversicherungsnummer 38020571P015 und der Arbeitnehmernummer 02057116221 zu korrigieren und für das Jahr 2018 in der Spalte 5a erhaltenes Urlaubsentgelt sowie als Summe des gewährten Urlaubsentgeltes einen Betrag in Höhe von jeweils 1.669,36 Euro sowie ein Resturlaubsentgelt i. H. v. 1.809,14 Euro auszuweisen.“

Dagegen legte der Beschwerdeführer Einspruch ein. Unter dem 15. Dezember 2020 beantragte der Arbeitnehmer die Festsetzung eines Zwangsgelds gegen den Beschwerdeführer - ersatzweise Zwangshaft - zur Erzwingung der sich aus dem Versäumnisurteil ergebenden Verpflichtung. Einen Tag vor dem Einspruchstermin teilte der Verfahrensbevollmächtigte des Beschwerdeführers mit, die ihm vom Arbeitnehmervertreter im Termin übergebene Lohnnachweiskarte sei nicht das Original. Ungeachtet dessen versichere er anwaltlich, die Änderungen dem Tenor gemäß soeben auf der Lohnnachweiskarte vorgenommen zu haben; diese nehme er zur Akte. Das Arbeitsgericht Cottbus erhielt das Versäumnisurteil mit Urteil vom 16. März 2021 aufrecht. Die Klage sei begründet. Die Lohnnachweiskarte sei unstreitig unrichtig ausgestellt worden.

Mit Beschluss vom 10. Mai 2021 setzte das Arbeitsgericht gegenüber dem Beschwerdeführer ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,00 Euro und ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden könne, eine an dem Beschwerdeführer zu vollziehende Zwangshaft von einem Tag je 250,00 Euro fest.

Dagegen legte der Beschwerdeführer sofortige Beschwerde ein und beantragte die Zulassung der Rechtsbeschwerde. Zur Begründung trug er vor, er sei nicht im Besitz einer Originalurkunde, so dass er die zu erzwingende Handlung nicht vornehmen könne. Sein Verfahrensbevollmächtigter besitze nur eine Kopie der Originalurkunde, an der er die Änderungen aus dem Versäumnisurteil vorgenommen habe. Zur Herausgabe der geänderten Kopie sei er nicht verpflichtet, weil er nur zur Korrektur einer genau bezeichneten Urkunde verurteilt worden sei. Im Übrigen sei eine Herausgabe nicht nach § 888 Zivilprozessordnung (ZPO) zu vollstrecken und hänge zudem nicht ausschließlich vom Willen des Beschwerdeführers ab.

Das Arbeitsgericht half der sofortigen Beschwerde unter Hinweis darauf nicht ab, dass die Lohnnachweiskarte elektronisch erstellt sei und damit eine Korrektur derselben auch elektronisch zu erfolgen habe; es legte die Sache dem Landesarbeitsgericht vor.

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg wies die sofortige Beschwerde mit dem Verfahrensbevollmächtigten am 31. Juli 2021 zugestellten Beschluss vom 7. Juli 2021 (7 Ta 723/21) zurück und ließ die Rechtsbeschwerde nicht zu. Zur Begründung führte es aus, das Arbeitsgericht habe zu Recht zur Durchsetzung der Verpflichtungen des Beschwerdeführers aus dem Versäumnisurteil, nämlich die auf den Arbeitnehmer ausgestellte Lohnnachweiskarte 2018 nach bestimmten Maßgaben zu korrigieren, ein Zwangsgeld nach § 888 ZPO festgesetzt. Mit dem Versäumnisurteil sei der Beschwerdeführer zu einer unvertretbaren Handlung verurteilt worden, die nach § 888 ZPO zu vollstrecken sei. Der Beschwerdeführer habe diese Handlung nicht bereits vorgenommen, sie sei ihm auch nicht unmöglich. Die allgemeinen Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen lägen vor. Der mit dem Versäumnisurteil begründete Titel auf Berichtigung der Lohnnachweiskarte 2018 sei gemäß § 888 ZPO zu vollstrecken. Der Beschwerdeführer sei mit dem Versäumnisurteil nicht nur zur Herausgabe derselben verurteilt worden, sondern zur Korrektur der von ihm bereits einmal erstellten Lohnnachweiskarte. Die Korrektur erfordere eine Erklärung bzw. Handlung des Beschwerdeführers, die - da dieser sie nicht freiwillig abgeben wolle - nach § 888 ZPO durch Festsetzung eines Zwangsgeldes zu vollstrecken sei. Es handele sich auch nicht um nach § 887 ZPO zu vollstreckende, von Dritten zu erbringende Handlungen. Zum einem richte sich die Verpflichtung in dem Versäumnisurteil an den Beschwerdeführer. Zum anderen sei es Aufgabe des Beschwerdeführers, die Lohnnachweiskarte ordnungsgemäß zu erstellen und zu korrigieren und damit entsprechende Angaben auch gegenüber der Sozialkasse des Malerhandwerks zu machen. Diese Angaben könnten nicht durch externe Dritte für den Beschwerdeführer abgegeben werden.

Der Titel sei hinreichend bestimmt. Er enthalte die Handlungen, die vom Beschwerdeführer vorzunehmen seien. Danach habe dieser die von ihm erstellte Lohnnachweiskarte 2018 zu korrigieren und für das Jahr 2018 in der Spalte 5a erhaltenes Urlaubsentgelt sowie als Summe des gewährten Urlaubsentgelts einen Betrag in Höhe von jeweils 1.669,36 Euro sowie ein Restguthaben in Höhe von 1.809,14 Euro auszuweisen.

Der Titel sei nicht dadurch erfüllt, dass der Beschwerdeführer händisch auf einem ihm überreichten Exemplar Eintragungen vorgenommen habe und diese Unterlagen in den Akten seines Verfahrensbevollmächtigten verwahren lasse. Die Korrektur sei kein interner Akt. Vielmehr werde die Lohnnachweiskarte gegenüber der Urlaubskasse erstellt. Der Beschwerdeführer habe sie auch elektronisch erstellt, wie sich aus dem von ihm überreichten Ausdruck ergebe. Da „korrigieren“ „berichtigen“, „richtigstellen“ bedeute, setze die tenorierte Korrektur voraus, dass der Beschwerdeführer diese Eintragungen elektronisch im dafür vorgesehenen System gegenüber der Urlaubskasse vornehme und diese gegenüber dem Arbeitnehmer mit einem entsprechenden Ausdruck kommuniziere. Dies habe der Beschwerdeführer bisher unstreitig nicht getan. Die Korrektur, zu der der Schuldner verurteilt worden sei, sei ihm nicht unmöglich. Es könne dahinstehen, ob der der Beschwerdeführer ein „Original“ erhalten habe. Denn auch ohne dieses könne er die geforderten Korrekturen im System vornehmen.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde komme nicht in Betracht, da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorlägen. Es handele sich um eine auf den Einzelfall bezogene Entscheidung, die keine grundsätzliche Bedeutung entfalte.

II.

Mit der am 30. September 2021 erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung der Garantie effektiven Rechtsschutzes aus Art. 10 Verfassung des Landes Brandenburg (LV) „in Verbindung mit Art. 2 Abs. 5 Satz 2 LV und Art. 6 Abs. 1 LV“, einen Verstoß gegen das Willkürverbot aus Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 LV und eine Verletzung der Garantie des gesetzlichen Richters aus Art. 52 Abs. 1 Satz 2 LV durch die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde im Beschluss des Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg vom 7. Juli 2021 (7 Ta 723/21).

Er meint, das Landesarbeitsgericht habe durch eine aus Sachgründen nicht zu rechtfertigende Handhabung von § 574 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO den Zugang des Beschwerdeführers zur nächsten Instanz unzumutbar eingeschränkt. Die Garantie effektiven Rechtsschutzes beeinflusse auch die Auslegung und Anwendung derjenigen gesetzlichen Bestimmungen, die für die Eröffnung des Rechtszugs und die Beschreitung eines Instanzenzugs von Bedeutung seien. Habe sich der Gesetzgeber für die Eröffnung einer weiteren Instanz entschieden und sehe die betreffende Prozessordnung dementsprechend ein Rechtsmittel vor, dürfe ein Gericht dieses Rechtsmittel nicht ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer leerlaufen lassen. Bei der Auslegung und Anwendung der verfahrensrechtlichen Vorschriften dürfe insbesondere der Zugang zur nächsten Instanz nicht von Voraussetzungen abhängig gemacht werden, die unerfüllbar oder unzumutbar seien oder den Zugang in einer Weise erschwerten, die aus Sachgründen nicht zu rechtfertigen sei. § 78 Satz 1 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG), § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO eröffne den Zugang zu einer Rechtsmittelinstanz, wenn die Rechtsbeschwerde zugelassen werde. Die Rechtsbeschwerde sei gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung habe oder gemäß § 78 Satz 1 ArbGG, § 574 Abs. 3, Abs. 2 Nr. 2 ZPO die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordere. Diese Zulassungsgründe seien gegeben.

Das Landesarbeitsgericht habe seiner Entscheidung folgende drei Rechtsansichten zu Grunde gelegt, die schon jede für sich grundsätzliche Bedeutung hätten. Das Landesarbeitsgericht gehe erstens davon aus, ein ausschließlich auf Korrektur einer Urkunde gerichteter Tenor verpflichte den Verurteilten auch dazu, gegenüber nicht am Verfahren beteiligten Dritten - der Sozialkasse des Malerhandwerks - Erklärungen abzugeben. Eine solch weitreichende Auslegung gebe weder der Wortlaut des Tenors noch die Rechtslage her. Zweitens meine das Gericht, aus einem ausschließlich auf die Korrektur einer eindeutig bestimmten Urkunde gerichteten Tenor könne zugleich die Herausgabe der korrigierten Urkunde vollstreckt werden und drittens vertrete das Landesarbeitsgericht, ein nicht ausdrücklich titulierter Herausgabeanspruch sei auch gemäß § 888 ZPO als nicht vertretbare Handlung zu vollstrecken. Diese Frage sei in der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht unumstritten, worauf der Beschwerdeführer bereits in seiner Beschwerdeschrift konkret hingewiesen habe. Damit habe sich das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg nicht auseinandergesetzt.

Die dargestellten Rechtsfragen gäben Anlass, Leitsätze für die Auslegung unter anderem von § 888 ZPO und „von Urteilstenoren“ aufzustellen. Damit habe die Rechtsbeschwerde unter dem Gesichtspunkt der Rechtsfortbildung zugelassen werden müssen.

Auch der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung sei gegeben. Danach sei eine Entscheidung des Beschwerdegerichts zum einen erforderlich, wenn einem Gericht bei der Anwendung von Rechtsnormen Fehler unterlaufen seien, die die Wiederholung durch dasselbe Gericht oder die Nachahmung durch andere Gerichte erwarten ließen, und dadurch so schwer erträgliche Unterschiede in der Rechtsprechung zu entstehen oder fortzubestehen drohten, dass eine höchstrichterliche Leitentscheidung notwendig sei, und zum anderen, wenn die angefochtene Entscheidung sich als objektiv willkürlich darstelle oder Verfahrensgrundrechte einer Partei verletze und die Entscheidung darauf beruhe. Würde die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg Bestand haben, wäre die Rechtslage und Vollstreckungspraxis in Baden-Württemberg vollkommen gegensätzlich zu der in Brandenburg. Da es zu der Problematik auch keine große Anzahl an Entscheidungen gebe, sei zu erwarten, dass dieser falsche Beschluss der Orientierung dienen werde und zukünftig Anwälte dazu verleite, Anträge in Arbeitssachen nachlässiger zu formulieren, da sie sich darauf verließen, dass Anwaltsfehler durch ausufernde Auslegungen durch die Arbeitsgerichte kompensiert würden. Es sei auch zu befürchten, dass das Landesarbeitsgericht und das Arbeitsgericht Cottbus auch zukünftig in dem Sinne entscheiden würden.

Dadurch, dass das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg trotz des Vorliegens von Zulassungsgründen die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen habe, habe es gegen die Garantie effektiven Rechtsschutzes verstoßen und den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt.

Das Landesarbeitsgericht habe die Rechte des Beschwerdeführers auch dadurch verletzt, dass es den ausführlich begründeten Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde nur mit der Begründung abgelehnt habe, es handele sich um eine auf den Einzelfall bezogene Entscheidung, die keine grundsätzliche Bedeutung habe. Lasse ein Fachgericht ein Rechtsmittel nicht zu, müssten die Entscheidungsgründe das Verfassungsgericht in die Lage versetzen zu überprüfen, ob das Gericht dabei ein von der jeweiligen Rechtsordnung grundsätzlich eröffnetes Rechtsmittel ineffektiv gemacht habe. Gebe das Fachgericht keine nachvollziehbare Begründung seiner Nichtzulassungsentscheidung, komme eine Aufhebung durch das Verfassungsgericht dann in Betracht, wenn die Zulassung des Rechtsmittels nahegelegen habe.

Wegen der ausufernden Auslegung des Landesarbeitsgerichts sei zu befürchten, dass das Landesarbeitsgericht seiner Entscheidung sachfremde Erwägungen zugrunde gelegt und damit auch gegen das Willkürverbot verstoßen habe.

III.

Der Beschwerdeführer hat am 18. Mai 2022 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt und die Aussetzung der Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Cottbus vom 10. September 2020 (6 Ca 1011/19) begehrt. Diesen Antrag hat das Verfassungsgericht abgelehnt (Beschluss vom 17. Juni 2022 ‌‑ VfGBbg 7/22 EA ‑‌, https://verfassungsgericht.brandenburg.de).

B.

Die Verfassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.

1. Sie ist nur teilweise zulässig.

Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung des Grundrechts auf den gesetzlichen Richter aus Art. 52 Abs. 1 Satz 2 LV und einen Verstoß gegen das Willkürverbot aus Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 LV rügt, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, denn sie genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung. Erforderlich ist nach § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg eine Begründung, welche umfassend und aus sich heraus verständlich die mögliche Verletzung der geltend gemachten Grundrechte des Beschwerdeführers hinreichend deutlich aufzeigt (st. Rspr., vgl. zuletzt Beschluss vom 29. April 2022 ‌‑ VfGBbg 11/22 ‑‌, Rn. 6 m. w. N., https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Dies ist hinsichtlich der genannten Rügen nicht der Fall.

Die Beschwerdeschrift lässt in Bezug auf Art. 52 Abs. 1 LV schon jede Auseinandersetzung mit dem Gewährleistungsgehalt des Grundrechts und seiner Verletzung im konkreten Fall vermissen.

Soweit man die Ausführungen zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (auch) als Erwägungen auffasst, die eine Verletzung des Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 LV begründen sollen, sind diese nicht geeignet, einen Willkürverstoß aufzuzeigen. Eine gerichtliche Entscheidung verstößt nicht bereits bei jeder fehlerhaften Anwendung einfachen Rechts gegen das Willkürverbot, sondern erst, wenn sie unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar und damit schlechthin unhaltbar ist (Beschluss vom 19. Februar 2021 ‌‑ VfGBbg 49/20 ‑‌, Rn. 61 m. w. N., https://verfassungsgericht.brandenburg.de). An Ausführungen dazu fehlt es insgesamt. Eine willkürliche Missdeutung ist im Übrigen auch mit Blick auf die nicht zu beanstandende Nichtzulassungsentscheidung (vgl. 2.) nicht erkennbar.

2. Die Verfassungsbeschwerde ist, soweit sie zulässig ist, unbegründet.

Der Anspruch auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 10 LV in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip ist nicht dadurch verletzt, dass das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat.

a. Die Garantie effektiven Rechtsschutzes gewährleistet nicht nur den Zugang zu den Gerichten sowie eine verbindliche Entscheidung durch den Richter aufgrund einer grundsätzlich umfassenden tatsächlichen und rechtlichen Prüfung des Streitgegenstands. Sie beeinflusst vielmehr auch die Auslegung und Anwendung derjenigen gesetzlichen Bestimmungen, die für die Eröffnung des Rechtszugs und die Beschreitung eines Instanzenzugs von Bedeutung sind (st. Rspr., zuletzt Beschluss vom 23. Oktober 2020 ‌‑ VfGBbg 84/19 ‑‌, Rn. 65, https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Hat sich der Gesetzgeber für die Eröffnung einer weiteren Instanz entschieden und sieht die betreffende Prozessordnung dementsprechend ein Rechtsmittel vor, darf insbesondere der Zugang zur nächsten Instanz nicht von Voraussetzungen abhängig gemacht werden, die unerfüllbar oder unzumutbar sind oder den Zugang in einer Weise erschweren, die aus Sachgründen nicht zu rechtfertigen ist (Beschlüsse vom 23. Oktober 2020 ‌‑ VfGBbg 84/19 ‑‌, Rn. 65, und vom 18. Oktober 2019 ‌‑ VfGBbg 36/18 ‑‌, https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de) und sich damit als objektiv willkürlich erweisen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 4. September 2020 ‌‑ 2 BvR 1206/19 ‑‌, Rn. 14, und vom 28. Mai 2019 ‌‑ 1 BvR 2006/16, 1 BvR 2029/16 ‑‌, Rn. 11, www.bverfg.de).

b. Daran gemessen ist der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg nicht zu beanstanden. Die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde erweist sich nicht als objektiv willkürlich. Die Auslegung und Anwendung des hier einschlägigen § 78 Satz 2 ArbGG i. V. m. § 72 Abs. 2 ArbGG ist rechtlich vertretbar; für eine willkürliche Missdeutung der Norm ist nichts ersichtlich.

Für die Zulassungsentscheidung gelten - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - nicht die in § 574 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 ZPO genannten Voraussetzungen. Vielmehr richten sich die Zulassungsanforderungen ausschließlich nach § 78 Satz 2 ArbGG i. V. m. § 72 Abs. 2 ArbGG in entsprechender Anwendung (BAG, Beschluss vom 2. Juni 2008 ‌‑ 3 AZB 24/08 ‑‌, Rn. 7, juris; Koch, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 22. Aufl. 2022, ArbGG § 78 Rn. 9; Klose, in: BeckOK ArbR, Stand: September 2022, ArbGG § 78 Rn. 12). Danach hat das Landesarbeitsgericht die Revision zuzulassen, wenn eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG), eine Divergenz im Sinne von § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG vorliegt, oder ein absoluter Revisionsgrund oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt (§ 72 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG).

Es ist nichts dagegen zu erinnern, dass das Landesarbeitsgericht den Zulassungsgrund des § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG unter Berufung auf den Einzelfallcharakter seiner Entscheidung abgelehnt hat. Die von dem Beschwerdeführer dem Beschluss entnommenen „drei Rechtssätze“ begründen weder den Zulassungsgrund des § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG, noch hat das Gericht die Zulassungsgründe des § 72 Abs. 2 Nr. 2 bzw. Nr. 3 ArbGG in willkürlicher, offensichtlich unhaltbarer Weise außer Acht gelassen.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers vermag schon keine klärungsbedürftige Rechtsfrage im Sinne des § 72 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ArbGG aufzuzeigen. Eine Rechtsfrage im Sinne der genannten Norm ist eine Frage, die die Wirksamkeit, den Geltungsbereich, die Anwendbarkeit oder den Inhalt einer Norm zum Gegenstand hat (BAG, Beschluss vom 3. Dezember 2019 ‌‑ 3 AZM 19/19 ‑‌, Rn. 11 m. w. N., juris; Koch, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 22. Aufl. 2022, ArbGG § 78 Rn. 3a; Klose, in: BeckOK ArbR, Stand: September 2022, ArbGG § 72 Rn. 7.1).

aa. Soweit der Beschwerdeführer beanstandet, dem Beschluss des Landesarbeitsgerichts sei zu entnehmen, dass ein auf Korrektur gerichteter Tenor auch Erklärungen gegenüber am Verfahren nicht beteiligten Dritten (hier: der Sozialkasse) umfasse, betrifft dies weder die Wirksamkeit, den Geltungsbereich, die Anwendbarkeit noch den Inhalt einer Norm. Dass das Landesarbeitsgericht dem auf die Vornahme einer Korrektur gerichteten Tenor des Versäumnisurteils entnommen hat, die vom Beschwerdeführer zu veranlassende Korrektur beinhalte auch Angaben gegenüber der Sozialkasse des Malerhandwerks, ist als Auslegung eines Urteilstenors im Vollstreckungsverfahren zu qualifizieren. Die Auslegung der Urteilsformel ist bei Unklarheiten - unter Heranziehung der Urteilsgründe - statthaft und geboten (Seibel, in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 704, Rn. 5; Götz, in: MüKoZPO, 6. Aufl. 2020, § 704 Rn. 8). Das Landesarbeitsgericht hat die ihm obliegende Deutung eines auf die Vornahme von Korrekturhandlungen gerichteten Tenors in einem konkreten Streitfall vorgenommen. Dies verdeutlicht den Einzelfallcharakter der Titelauslegung. Insofern ist nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde auf den Einzelfallcharakter seiner Entscheidung gestützt hat.

bb. Die Lesart des Beschwerdeführers, das Landesarbeitsgericht habe den Rechtssatz aufgestellt, aus einem auf Korrektur gerichteten Titel könne zugleich auch die Herausgabe als nicht vertretbare Handlung vollstreckt werden, die sich (ebenfalls) nach § 888 ZPO richte, findet keine Stütze in den Gründen des zur Überprüfung gestellten Beschlusses. Sie ist auch der von dem Beschwerdeführer als Beleg für seine Ansicht angeführten Formulierung des Landesarbeitsgerichts nicht zu entnehmen, die lautet: „Der Schuldner wurde mit dem Versäumnisurteil nicht nur zur Herausgabe derselben verurteilt, sondern zur Korrektur der (…) Lohnnachweiskarte.“. Der Beschwerdeführer reißt die zitierte Passage aus dem Zusammenhang. Das Landesarbeitsgericht trifft damit bereits keine Aussage dazu, dass eine Herausgabe zu vollstrecken ist. Das Gericht verhält sich in dem Beschluss nicht zur Herausgabevollstreckung. Das Landesarbeitsgericht hat den Satz erkennbar in einem Kontext verwendet, in dem es sich ausschließlich zu der Frage verhält, welchen Inhalt im konkreten Fall Korrekturhandlungen in Bezug auf eine Lohnnachweiskarte haben und wie ebenjene Korrektur zu vollstrecken ist. Die Herausgabe der Lohnnachweiskarte war auch nicht Streitgegenstand des arbeitsgerichtlichen Verfahrens.

Angesichts dessen kann der Beschwerdeführer weder aus der von ihm beanstandeten Begründungstiefe mit Blick auf die von dem Landesarbeitsgericht verneinte grundsätzliche Bedeutung etwas für sich herleiten noch daraus, dass das Landesarbeitsgericht den Zulassungsgrund der Divergenz nicht näher in Betracht gezogen hat.

C.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

 

 

Möller

Dresen

Heinrich-Reichow

Kirbach

Müller

Richter

Sokoll

Dr. Strauß