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VerfGBbg, Beschluss vom 17. Juni 2022 - VfGBbg 6/22 EA -

 

Verfahrensart: sonstige Verfahren
EA
entscheidungserhebliche Vorschriften: - VerfGGBbg, § 20 Abs. 1 Satz 2; VerfGGBbg, § 30 Abs. 1; VerfGGBbg, § 46
Schlagworte: - Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, unzulässig
- Nicht erreichbares Rechtsschutzziel
- Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis
- laufendes Ermittlungs- und Ordnungswidrigkeitenverfahren
- Datenauswertung
- schwere, irreversible Nachteile, fehlend
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 17. Juni 2022 - VfGBbg 6/22 EA -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 6/22 EA




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

VfGBbg 6/22 EA

In dem verfassungsgerichtlichen Verfahren

K.,
 

Antragsteller,

wegen

Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung; Untersagung der Auswertung und sonstigen Verwertung der im Rahmen der Wohnungsdurchsuchung beim Antragsteller am 14. Januar 2021 sichergestellten Datenträger durch die Zentrale Bußgeldstelle u. a.

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 17. Juni 2022

durch die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter Möller, Dresen, Dr. Finck, Müller, Richter, Sokoll und Dr. Strauß

beschlossen: 

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

 

Gründe:

A.

Der Antragsteller sucht im Wege des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach Einstellung eines Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft und Abgabe des Verfahrens an die Bußgeldbehörde zu erreichen, dass im Ermittlungsverfahren gewonnene Daten nicht von der Bußgeldbehörde ausgewertet bzw. sonst verarbeitet werden.

I.

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) führte ursprünglich gegen den Antragsteller als Mitbeschuldigten ein Ermittlungsverfahren wegen Urkundenfälschung und anderer Delikte. Das Amtsgericht Frankfurt (Oder) erließ eine gegen Unbekannt gerichtete Durchsuchungsanordnung für die Wohn- und Geschäftsräume des Antragstellers zur Auffindung von Beweismitteln. Am 14. Januar 2021 wurde die Durchsuchungsanordnung vollzogen und Datenträger des Antragstellers sichergestellt.

Noch während des laufenden Ermittlungsverfahrens legte der Antragsteller im Oktober 2021 Verfassungsbeschwerde ein, mit der er sich unter anderem gegen den Durchsuchungsbeschluss wandte und insbesondere eine Verletzung seines Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 15 Abs. 1, Abs. 2 Verfassung des Landes Brandenburg (LV) rügte. Das Verfahren ist noch anhängig.

Der Antragsteller stellte ferner beim Verfassungsgericht im Dezember 2021 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, den Strafverfolgungsbehörden die Auswertung und sonstige Verwertung von Datenkopien zu untersagen, die von den im Rahmen der Wohnungsdurchsuchung bei ihm sichergestellten Computern, Datenträgern und Mobiltelefonen angefertigt worden waren. Die Bundespolizeiinspektion Frankfurt (Oder) teilte im verfassungsgerichtlichen Verfahren mit, die Auswertung der von den sichergestellten Speichermedien angefertigten Datenkopien sei abgeschlossen. Das Verfassungsgericht lehnte den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 18. Februar 2022 (VfGBbg 26/21 EA) ab und führte im Wesentlichen aus: Soweit der Antrag auf die einstweilige Untersagung der Auswertung der Datenkopien gerichtet sei, fehle es an einem Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers. Sein Rechtsschutzziel lasse sich nicht mehr erreichen, nachdem die Datenkopien inzwischen vollständig ausgewertet seien. Soweit der Antrag auf die Anordnung eines Verwertungsverbots gerichtet sei, sei er wegen Vorwegnahme der Hauptsache unzulässig, da er auf eine endgültige Sachentscheidung ziele.

Am 2. Mai 2022 benachrichtigte die Staatsanwaltschaft den Antragsteller über die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gemäß § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) und teilte ihm mit, das Verfahren sei an die zuständige Bußgeldbehörde abgegeben worden, soweit eine Ordnungswidrigkeit begangen worden sein könnte.

II.

Mit seinem am 9. Mai 2022 eingegangenen Schriftsatz begehrt der Antragsteller neuerlich den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 30 Abs. 1 Gesetz über das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg (VerfGGBbg) und beantragt wörtlich,

1.   es der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) zu untersagen, die im Rahmen der Durchsuchung der Wohnung des Antragstellers am 14.01.2021 und der vorübergehenden Beschlagnahme von Datenträgern angefertigten vollständigen Auswertung, zur Vermeidung des realen Risikos dem Antragstellers entstehenden irreparablen Nachteilen, an den Beteiligten zu 1. die Zentrale Bußgeldstelle der Polizei in Gransee, zur Möglichkeit der eigenen Auswertung abzugeben,

2.   es der Zentralen Bußgeldstelle Gransee aufzugeben, falls sie die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) bereits erhalten hat, die darin enthaltene - im Rahmen der Durchsuchung der Wohnung des Antragstellers am 14.01.2021 und der vorübergehenden Beschlagnahme von Datenträgern angefertigten vollständigen Datenauswertung - zur Vermeidung des realen Risikos dem Antragsteller entstehenden später irreparablen Nachteilen, an das Amtsgericht Frankfurt (Oder) zur weiteren Aufbewahrung zu übersenden,

3.   es der Zentralen Bußgeldstelle zu untersagen, mit der eigenen Auswertung der durch die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) übersandten vollständigen Auswertung der Daten des Antragstellers zu beginnen oder diese fortzusetzen,

4.   der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) die Weitergabe der bereits erfolgten Auswertung von bei dem Antragsteller bei der Durchsuchung am
12. Januar 2021 sichergestellten Speichermedien an die Zentralen Bußgeldstelle der Polizei in Gransee herauszugeben,

5.   die Bußgeldstelle anzuweisen die ggf. zwischenzeitlich im Zusammenhang mit der Übersendung der Verfahrensakte bereits erhaltene Auswertung der Daten des Antragstellers, einschließlich bereits dort angefertigter Kopien, an die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) zurück zu übersenden.

Zur Begründung trägt der Antragsteller vor, das Verfassungsgericht habe bei seiner Entscheidung vom 18. Februar 2022 (VfGBbg 26/21 EA) nicht in Betracht gezogen, dass die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren einstellen und die „vollständige Auswertung der Daten“ Dritten - hier: der Zentralen Bußgeldstelle - zur weiteren Verwertung überlassen könne. Der Zentralen Bußgeldstelle werde der Zugriff auf seine Daten und eine eigene Auswertung erlaubt.

Der mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene Durchsuchungsbeschluss, der keine Angaben über seine Stellung als tatsächlich Tatverdächtiger enthalte, werde rechtsstaatlichen Anforderungen nicht gerecht. Es sei daher nicht ausgeschlossen, dass seiner Verfassungsbeschwerde stattgegeben werde. Stelle sich die Verfassungsbeschwerde als unbegründet heraus, verzögere sich lediglich die Auswertung der Daten durch die Zentrale Bußgeldstelle. Ein durch die Verzögerung zu befürchtender erheblicher Nachteil für das Wohl der Allgemeinheit sei nicht erkennbar.

B.

Der Antrag hat keinen Erfolg; er ist unzulässig.

1. Gemäß § 30 Abs. 1 VerfGGBbg kann das Verfassungsgericht einen Zustand durch eine einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Im Hinblick auf den einzelnen Bürger ist ein Anknüpfungspunkt für einen Gemeinwohlbezug allenfalls dann anzunehmen, wenn die Gefahr eines irreversiblen Nachteils für die Freiheit und Unversehrtheit der Person oder für vergleichbare elementare Menschenrechte besteht. Dabei gelten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 30 VerfGGBbg die allgemeinen Begründungsanforderungen des § 20 Abs. 1, § 46 VerfGGBbg (vgl. Beschluss vom 11. März 2022 ‌‑ VfGBbg 1/22 EA ‑‌, Rn. 26, https://verfassungsgericht.brandenburg.de).

2. Daran gemessen ist der Antrag aus mehreren Gründen unzulässig.

Das mit dem Antrag zu 1. und 4. verfolgte Rechtsschutzziel, die Abgabe des Verfahrens an die Zentrale Bußgeldstelle bzw. die Weitergabe der im Ermittlungsverfahren angefertigten „Datenauswertungen“ zu verhindern, ist nicht mehr erreichbar, nachdem das Verfahren bereits an die Zentrale Bußgeldbehörde abgegeben worden ist.

Soweit der Antragsteller das Ziel verfolgt, der Zentralen Bußgeldstelle im Wesentlichen die „Datenauswertung“ bzw. Verarbeitung von im Ermittlungsverfahren gewonnenen Daten zu untersagen (Antrag zu 2., zu 3. und zu 5.), steht dem der auch im Verfahren nach § 30 VerfGGBbg geltende Grundsatz der Subsidiarität (vgl. Beschluss vom 19. Mai 2020 ‌‑ VfGBbg 6/20 EA ‑‌, Rn. 4 m. w. N., https://verfassungsgericht.brandenburg.de) entgegen. Nach dem aus § 45 Abs. 2 Satz 1 VerfGGBbg abgeleiteten Subsidiaritätsgrundsatz hat ein Antragsteller vor Anrufung des Verfassungsgerichts über die formale Erschöpfung des Rechtswegs hinaus alle ihm zur Verfügung stehenden und zumutbaren Möglichkeiten zu ergreifen, um eine etwaige Grundrechtsverletzung in dem unmittelbar mit ihr zusammenhängenden Verfahren zu verhindern oder zu beheben (vgl. Beschluss vom 18. Februar 2022 ‌‑ VfGBbg 48/20 ‑‌, Rn. 23 m. w. N., https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Es ist weder vorgetragen noch den hergereichten Unterlagen zu entnehmen, dass der Antragsteller tatsächliche oder rechtliche Schritte unternommen hätte, um der beanstandeten Datenverarbeitung entgegenzutreten.

Im Übrigen bleibt es dabei, dass es nicht Aufgabe des Verfassungsgerichts ist, jenseits der hier nicht vorliegenden Ausnahmen des § 45 Abs. 2 Satz 1 VerfGGBbg Entscheidungen in noch laufenden Ermittlungs- und Ordnungswidrigkeitenverfahren vorzugreifen (vgl. Beschluss vom 18. Februar 2022 ‌‑ VfGBbg 26/21 EA ‑‌, https://verfassungsgericht.brandenburg.de).

Die Antragsschrift genügt ferner nicht den Begründungsanforderungen des § 20 Abs. 1, § 46 VerfGGBbg. Dem Vortrag des Antragstellers ist nicht zu entnehmen, dass ihm schwere, irreversible Nachteile drohen. Dies ist auch nicht ersichtlich.

C.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

 

 

Möller

Dresen

Dr. Finck

Müller

Richter

Sokoll

Dr. Strauß