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VerfGBbg, Beschluss vom 22. Januar 2021 - VfGBbg 22/20 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 52 Abs. 3 Alt. 1
- VerfGGBbg, § 20 Abs. 1 Satz 2; VerfGGBbg, § 21 Satz 1; VerfGGBbg, § 46
- FamFG, § 81 Abs. 1 Satz 1; FamFG, § 81 Abs. 2
Schlagworte: - Verfassungsbeschwerde unzulässig
- Kostenentscheidung
- Familienrecht
- Willkür
- unzureichende Begründung
- Billigkeitsentscheidung
- billiges Ermessen
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 22. Januar 2021 - VfGBbg 22/20 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 22/20




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

VfGBbg 22/20

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

S.,

Beschwerdeführer,

Verfahrensbevollmächtigte:               Rechtsanwältin
B.-F.,

wegen

Beschlüsse des Amtsgerichts Eberswalde vom 4. Dezember 2019
- 3 F 450/19 - und 17. Dezember 2019 ‑ 3 F 450/19

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 22. Januar 2021

durch die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dresen, Dr. Finck, Heinrich‑Reichow, Kirbach, Dr. Lammer, Sokoll und Dr. Strauß

beschlossen: 

 

Das Verfahren wird hinsichtlich des Beschlusses des Amtsgerichts Eberswalde vom 4. Dezember 2019 ‑ 3 F 450/19 - eingestellt.

Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde verworfen.

Gründe:

 

A.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Kostenentscheidung in einem familiengerichtlichen Verfahren.

I.

Der Beschwerdeführer und die Kindesmutter sind gemeinsam sorgeberechtigt für ihre 2015 geborene Tochter, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt bei der Kindesmutter hat.

In der vorläufigen Elterneinigung vom 13. Dezember 2018 konnte noch keine Regelung über die Urlaubszeiten getroffen werden. Den Sommerurlaub 2019 musste der Beschwerdeführer mit einer einstweiligen Anordnung erstreiten. Die Kosten dieses Verfahrens wurden gegeneinander aufgehoben.

Da Versuche einer einvernehmlichen Regelung des Urlaubswunsches des Beschwerdeführers um die Weihnachtsfeiertage 2019 scheiterten, beantragte der Beschwerdeführer eine Regelung beim Amtsgericht Eberswalde im Wege der einstweiligen Anordnung.

Das Amtsgericht Eberswalde erließ mit Beschluss vom 4. Dezember 2019‌‑ 3 F 450/19 - eine einstweilige Anordnung zum Umgang auf der Grundlage einer Elterneinigung und eines weiteren Zugeständnisses der Kindesmutter, lehnte aber den darüberhinausgehenden Antrag des Beschwerdeführers auf Umgang von einer Woche in der Vorweihnachtszeit und über Heiligabend und die Weihnachtstage ab. Die Ablehnung begründete das Gericht damit, dass ein schützenswertes Interesse des Beschwerdeführers für die Abänderung der Elterneinigung nicht erkennbar sei. Triftige, das Wohl des Kindes nachhaltig berührende Gründe im Sinne des § 1696 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) seien nicht bekannt geworden. Der Beschwerdeführer trage die Kosten des Verfahrens. Die Kostenentscheidung beruhe auf § 51 Abs. 4, § 81 Abs. 1 Satz 1 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG). Für die Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung gälten die allgemeinen Vorschriften. Da der Beschwerdeführer, soweit die aktuelle Umgangsreglung streitig gewesen sei, mit seinen Anträgen nicht durchgedrungen sei, erscheine es unbillig, die Kindesmutter mit den Kosten zu belasten.

Der Beschwerdeführer beantragte daraufhin gemäß § 54 Abs. 2 FamFG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Das Amtsgericht Eberswalde lehnte sodann auf die mündliche Verhandlung vom 17. Dezember 2019 den Antrag des Beschwerdeführers mit Beschluss vom selben Tag ab. Der Beschwerdeführer habe kein schützenswertes Interesse an einem Urlaub in der Weihnachtszeit und auch nach seinem zwischenzeitlichen Vorbringen seien keine triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründe bekannt geworden. Der Antragsteller trage die Kosten des Verfahrens. Hinsichtlich der Kostenentscheidung werde auf die Gründe der Entscheidung vom 4. Dezember 2019 Bezug genommen. In der Regel orientiere sich die Billigkeitsentscheidung zu den Kosten am Maß des Unterliegens, wenn sich aus den Besonderheiten des Einzelfalls nichts anderes ergebe. In Kindschaftssachen ergebe sich zwar in der Regel etwas anderes, da hier der Prüfungsmaßstab die Wahrung des Kindeswohls (§ 1697a BGB) sei. Vorliegend seien triftige, das Wohl des betroffenen Kindes nachhaltig berührende Gründe zu prüfen gewesen, die der Beschwerdeführer nicht vorgetragen habe und für deren Vorliegen auch nichts ersichtlich sei.

II.

Der Beschwerdeführer hat am 17. Februar 2020 Verfassungsbeschwerde gegen die Kostenentscheidungen der Beschlüsse des Amtsgerichts Eberswalde vom 4. und 17. Dezember 2019 ‑ 3 F 450/19 - erhoben. Später hat er präzisiert, dass sich die Verfassungsbeschwerde ausschließlich gegen den Beschluss vom 17. Dezember 2019 richten solle, der die Kostenentscheidung des Beschlusses vom 4. Dezember 2019 aufrechterhalten habe.

Der Beschwerdeführer trägt vor, dass die Kostenentscheidung gegen Art. 12 Abs. 1 Satz 2 Verfassung des Landes Brandenburg (LV) verstoße. Sie sei willkürlich, weil sie unter keinem denkbaren Gesichtspunkt mehr verständlich sei. Es liege ein eindeutiger und nicht nachvollziehbarer Verstoß gegen die Grundsätze der Kostentragungspflicht nach § 81 FamFG vor. Gemäß § 81 Abs. 1 FamFG könne das Gericht die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es könne auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen sei. Gemäß § 81 Abs. 2 FamFG solle das Gericht unter den Voraussetzungen der Nummern 1 bis 5 die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen. Keiner der Fälle sei hier erfüllt. Das Amtsgericht habe sich in seiner Kostenentscheidung nicht mit der Regelung des § 81 Abs. 2 FamFG auseinandergesetzt und nicht ausgeführt, warum ein ähnlich schwerwiegender Verstoß des Beschwerdeführers vorgelegen haben solle, der mit der Kostentragung sanktioniert werden müsse. Es weiche ohne Begründung vom eindeutigen Gesetzeswortlaut ab. Insbesondere orientiere sich die Kostenentscheidung in einer Umgangssache nicht am Maß des Unterliegens. Der Kindesmutter seien auch nicht alle Kosten des Verfahrens auferlegt worden, als sie wegen des Sommerurlaubs unterlegen gewesen sei. Das Brandenburgische Oberlandesgericht habe in seinem Beschluss vom 29. Oktober 2019 - 15 WF 167/18 - ausgeführt, dass in familiengerichtlichen Verfahren besondere Zurückhaltung geboten sei, die Erstattung außergerichtlicher Kosten anzuordnen. Der Gedanke der Zurückhaltung führe in Kindschaftssachen regelmäßig dazu, dass die Gerichtskosten zwischen den Eltern hälftig geteilt würden. Das Gericht habe im Gegensatz zu der Entscheidung zum Sommerurlaub seine Rechtsansicht geändert und sei nun der Meinung, dass der Urlaub in der Elterneinigung bereits geregelt sei und diese Regelung nur aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen geändert werden könne. Unabhängig von weiteren Verfahrens- und Rechtsfehlern habe das Gericht zwei gleich gelagerte Urlaubsanliegen des Beschwerdeführers bei unveränderter Sach- und Rechtslage ungleich behandelt.

B.

1. Das Verfahren ist hinsichtlich der Kostenentscheidung des Beschlusses des Amtsgerichts Eberswalde vom 4. Dezember 2019 - 3 F 450/19 ‑ gemäß § 13 Abs. 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) in Verbindung mit § 92 Abs. 3 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung einzustellen, nachdem die diesbezüglich ausdrücklich erhobene Verfassungsbeschwerde mit Schriftsatz vom 23. März 2020 zurückgenommen worden ist.

2. Hinsichtlich der angegriffenen Kostenentscheidung im Beschluss des Amtsgerichts Eberswalde vom 17. Dezember 2019 ‑ 3 F 450/19 - ist die Verfassungsbeschwerde nach § 21 Satz 1 VerfGGBbg zu verwerfen. Sie ist unzulässig. Sie genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung.

a) Erforderlich ist nach § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg eine Begründung, welche schlüssig die mögliche Verletzung des geltend gemachten Grundrechts des Beschwerdeführers aufzeigt. Sie muss umfassend und aus sich heraus verständlich sein. Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung, bedarf es in der Regel einer argumentativen Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung und ihrer konkreten Begründung. Dabei ist auch darzulegen, inwieweit das bezeichnete Grundrecht durch die angegriffene Entscheidung verletzt sein soll und mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen sie kollidiert (st. Rspr., vgl. Beschluss vom 22. März 2019 ‑ VfGBbg 38/18 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Es bedarf einer umfassenden einfachrechtlichen und verfassungsrechtlichen Aufarbeitung der Rechtslage. Demnach muss der Beschwerdeführer ausgehend vom Entscheidungsinhalt aufzeigen, worin der Grundrechtsverstoß aus seiner Sicht im Einzelnen liegt (vgl. Beschlüsse vom 19. Mai 2017 ‌‑ VfGBbg 9/17 - und vom 16. Dezember 2016 ‑ VfGBbg 33/16 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de, jeweils m. w. N.).

b) Für das gerichtliche Verfahren ist das Grundrecht auf Gleichheit vor Gericht in seiner Ausprägung als Verbot objektiver Willkür gemäß Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 LV spezieller und damit vorrangig vor dem vom Beschwerdeführer als verletzt bezeichneten allgemeinen Willkürverbot gemäß Art. 12 Abs. 1 LV. Die Auslegung des Gesetzes und seine Anwendung auf den einzelnen Fall sind Sache der dafür zuständigen Fachgerichte und daher der Nachprüfung durch das Verfassungsgericht grundsätzlich entzogen. Ein verfassungsgerichtliches Eingreifen gegenüber Entscheidungen der Fachgerichte kommt nur in Ausnahmefällen unter der Verletzung des Gleichheitssatzes in seiner Ausprägung als Willkürverbot in Betracht. Eine gerichtliche Entscheidung verstößt nicht bereits bei jeder fehlerhaften Anwendung einfachen Rechts gegen das Willkürverbot aus Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 LV, sondern erst, wenn sie unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar und damit schlechthin unhaltbar ist. Sie muss Ausdruck einer objektiv falschen Rechtsanwendung sein, die jeden Auslegungs- und Beurteilungsspielraum außer Acht lässt und ganz und gar unverständlich erscheint. Diese Voraussetzungen liegen unter anderem dann vor, wenn sich ein Gericht mit seiner rechtlichen Beurteilung ohne nachvollziehbare Begründung in Widerspruch zu einer durch Rechtsprechung und Schrifttum geklärten Rechtslage setzt oder das Gericht den Inhalt einer Norm krass missdeutet, so dass sich der Schluss aufdrängt, dass die Entscheidung auf sachfremden Erwägungen beruht. Von einer willkürlichen Missdeutung kann dann nicht gesprochen werden, wenn sich das Gericht eingehend mit der Rechtslage auseinandergesetzt hat und seine Auffassung nicht jedes sachlichen Grundes entbehrt (st. Rspr., vgl. Beschluss vom 20. Oktober 2017 ‑ VfGBbg 20/16 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de, m. w. N.).

c) Die Beschwerdeschrift zeigt die Möglichkeit einer Verletzung des diesbezüglich geltend gemachten Grundrechts auf willkürfreie Entscheidung aus Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 LV nicht hinreichend auf. Sie setzt sich bereits nicht zutreffend mit der einfachgesetzlichen Rechtslage auseinander. Sie berücksichtigt nämlich nicht, dass § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG eine Entscheidung über die Auferlegung der Kosten nach billigem Ermessen vorsieht und dem Gericht damit eine weitgehende Bandbreite von Entscheidungsmöglichkeiten aufgrund heranziehbarer Kriterien einräumt, was Kostenentscheidungen ermöglicht, die auch für den anwaltlichen Berater nicht vorhersehbar sind (vgl. Zimmermann, in: Keidel, FamFG, § 81 Rn. 28). Dies beinhaltet, dass das Gericht im Rahmen des § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG auch nicht an von ihm früher getroffene Kostenentscheidungen gebunden ist. Die Kostenentscheidungen sind in den jeweiligen Einzelfällen nach billigem Ermessen zu treffen. Obwohl § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG vom starren Erfolgsgrundsatz des § 91 Zivilprozessordnung abweicht, ist es auch nach dieser Vorschrift möglich, dass die Kosten im Rahmen der zu treffenden Billigkeitsentscheidung dem unterliegenden Teil auferlegt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 18. November 2015 ‑ IV ZB 35/15 -, juris, Rn. 16; Zimmermann, in: Keidel, FamFG, § 81 Rn. 46). Dies hat das Gericht hier in einer mit Gründen versehenen Entscheidung über die Kosten getan. Die Beschwerdeschrift geht hingegen fehl in der Annahme, dass § 81 Abs. 2 FamFG eine Auferlegung der Kosten in anderen als den in Nummern 1 bis 5 aufgeführten Fällen ausschließe. Soweit die Beschwerdeschrift Rechtsprechung zitiert, nach der in familiengerichtlichen Verfahren grundsätzlich Zurückhaltung geboten sei, die Erstattung der außergerichtlichen Kosten anzuordnen, und der Gedanke der Zurückhaltung in Kindschaftssachen regelmäßig dazu führe, dass die Gerichtskosten zwischen den Eltern hälftig geteilt würden, schließt ein in der Praxis der Gerichte geübtes Gebot der Zurückhaltung nicht aus, dass ein Gericht hiervon auch abweichen kann. Soweit die Beschwerdeschrift die angegriffene Billigkeitsentscheidung an anderen Kriterien ausgerichtet sehen möchte oder andere Kriterien für näherliegend oder angemessener hält, ist darauf hinzuweisen, dass das Landesverfassungsgericht keine Superrevisionsinstanz zur Überprüfung der Fachgerichtsbarkeit ist, sondern allein darüber zu wachen hat, ob gegen die Landesverfassung verstoßen worden ist (st. Rspr., vgl. Beschluss vom 30. November 2018 - VfGBbg 56/16 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de).

C.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

 

Möller

Dr. Becker

Dresen

Dr. Finck

Heinrich-Reichow

Kirbach

Dr. Lammer

Sokoll

Dr. Strauß