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VerfGBbg, Beschluss vom 19. November 2021 - VfGBbg 31/20 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - VerfGGBbg, § 20 Abs. 1 Satz 2; VerfGGBbg, § 21 Satz 1; VerfGGBbg, § 46; VerfGGBbg, § 50 Abs. 1 Satz 1
Schlagworte: - Verfassungsbeschwerde unzulässig
- Begründungsmangel
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 19. November 2021 - VfGBbg 31/20 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 31/20




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

VfGBbg 31/20

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

S.,

Beschwerdeführerin,

Verfahrensbevollmächtigter:              Rechtsanwalt W.,

 

wegen

Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 9. März 2020 ‌‑ 1 Ws 16/20

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 19. November 2021 

durch die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter Möller, Dresen, Heinrich‑Reichow, Kirbach, Müller, Sokoll und Dr. Strauß

beschlossen: 

 

                        Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

 

Gründe:

A.

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die vorläufige Entziehung ihrer Fahrerlaubnis im Rahmen eines gegen sie geführten Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts der Trunkenheit im Straßenverkehr und des unerlaubten Entfernens vom Unfallort am 4. Februar 2019.

I.

Das Amtsgericht Neuruppin wies mit Beschluss vom 23. Juli 2019 (89 Gs 466/19) den Antrag der Staatsanwaltschaft Neuruppin auf vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 111a Strafprozessordnung (StPO) als unbegründet zurück. Auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Neuruppin hob das Landgericht Neuruppin mit Beschluss vom 7. Januar 2020 (13 Qs 75/19) die Entscheidung des Amtsgerichts Neuruppin auf und entzog der Beschwerdeführerin vorläufig die Fahrerlaubnis.

Die anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin legte mit Schriftsatz vom 17. Januar 2020 gegen den Beschluss des Landgerichts „Beschwerde/Rechtsmittel“ ein. Die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis sei unverhältnismäßig. Die Beschwerdeführerin sei bislang weder angeklagt worden noch sei ein Verwaltungsverfahren eingeleitet worden. Seit der vermeintlichen Tat seien elf Monate vergangen. Mit einer Entscheidung demnächst sei nicht zu rechnen. Allein die Verfahrensdauer rechtfertige die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nicht mehr. Auch die Aktenlage trage die Gründe der Landgerichtsentscheidung nicht. Die Beweismittel seien nicht verwertbar. Das Amtsgericht habe richtig erkannt, dass es aufgrund der unverwertbaren Ermittlungsergebnisse zu keiner Verurteilung der Beschwerdeführerin kommen werde. Diese habe mit einer Abänderung der amtsgerichtlichen Entscheidung auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft hin nicht rechnen müssen, da das Amtsgericht korrekt entschieden habe. Nach nahezu einem Jahr sei eine solch einschneidende Entscheidung des Landgerichts unverhältnismäßig.

Die Beschwerdeführerin ergänzte diesen Vortrag mit Schriftsatz vom 21. Februar 2021. Das gegen den Beschluss des Landgerichts eingelegte Rechtsmittel sei nicht nach § 310 StPO unzulässig. Durch die überlange Verfahrensdauer werde die Beschwerdeführerin in ihren Grundrechten nach Art. 19 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verletzt. Daher sei das Rechtsmittelgericht berechtigt, eine erstmalige Beschwer aufzuheben. Es gelte ferner der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Demnach sei eine Maßnahme unangemessen, wenn sie zu Nachteilen führe, die zu dem erstrebten Zweck erkennbar außer Verhältnis stünden. Das sei der Fall, da ungewiss und nicht absehbar sei, wann und ob überhaupt eine Eröffnung des Hauptverfahrens erfolgen werde. Dies könne noch Jahre dauern.

Mit Beschluss vom 9. März 2020 (1 Ws 16/20) verwarf das Oberlandesgericht das als weitere Beschwerde (§ 300 StPO) ausgelegte Rechtsmittel als unzulässig. Die weitere Beschwerde nach § 300 StPO sei das einzig denkbare Rechtsmittel, sie sei jedoch nicht statthaft. § 310 Abs. 1 StPO lasse die weitere Beschwerde nur bei Verhaftung, einstweiliger Unterbringung und Anordnung dinglicher Arreste von mehr als 20.000,00 Euro zu. Einer dieser in § 310 Abs. 1 StPO genannten Ausnahmefälle liege nicht vor, was in § 310 Abs. 2 StPO ausdrücklich hervorgehoben sei. Die weitere Beschwerde sei entgegen der Rechtsauffassung der Beschwerdeführerin auch dann ausgeschlossen, wenn ein Beschwerdeführer durch die angegriffene Entscheidung erstmals beschwert sei oder ein Verstoß gegen Verfassungsrecht geltend gemacht werde.

II.

Mit der am 17. März 2020 eingegangenen Verfassungsbeschwerde hat die Beschwerdeführerin „gegen die Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts“ vom 9. März 2020 (1 Ws 16/20) Verfassungsbeschwerde eingelegt. Sie rügt eine Verletzung von Art. 52 Abs. 4 Satz 1 Verfassung des Landes Brandenburg, Art. 12 LV sowie der in Art. 5 Abs. 2 LV „enthaltenen Rechte“ durch den Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts und durch die Fortdauer der Entziehung der Fahrerlaubnis ohne Anklage. Dies bewiesen die übersandten Unterlagen. In der Begründung zitiert die Beschwerdeführerin im Wesentlichen den Inhalt der im gerichtlichen Verfahren eingelegten Beschwerden sowie des zur Akte gereichten Beschlusses des Landgerichts Neuruppin vom 7. Januar 2020 (13 Qs 75/19) und des Beschlusses des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 9. März 2020 (1 Ws 16/20).

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 1, § 50 Abs. 1 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) zu verwerfen. Sie ist unzulässig.

Die Verfassungsbeschwerde genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung. Erforderlich ist nach § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg eine Begründung, welche umfassend und aus sich heraus verständlich die mögliche Verletzung der geltend gemachten Grundrechte des Beschwerdeführers hinreichend deutlich aufzeigt. Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung, bedarf es einer argumentativen Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung und ihrer konkreten Begründung, um dem Gericht eine sachgerechte Auseinandersetzung mit dem Begehren zu ermöglichen. Dabei ist darzulegen, inwieweit die bezeichneten Grundrechte durch die angegriffene Entscheidung verletzt sein sollen und mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen die Entscheidung kollidiert. Dazu bedarf es einer umfassenden Aufarbeitung der einfachrechtlichen und verfassungsrechtlichen Rechtslage. Demnach muss der Beschwerdeführer ausgehend vom Entscheidungsinhalt aufzeigen, worin der Grundrechtsverstoß aus seiner Sicht im Einzelnen liegt (st. Rspr., vgl. Beschlüsse vom 20. August 2021 ‌‑ VfGBbg 68/20 ‑‌, Rn. 20 m. w. N., vom 19. Juni 2020 ‌‑ VfGBbg 10/19 ‑‌, Rn. 7, und vom 19. März 2021 ‌‑ VfGBbg 83/19 ‑‌, Rn. 10 m. w. N., https://verfassungsgericht.brandenburg.de).

Diese Voraussetzungen erfüllt die Beschwerdeschrift im Hinblick auf den ausdrücklich angegriffenen Beschluss des Oberlandesgerichts vom 9. März 2020 (1 Ws 16/20) nicht. Sie setzt sich nicht mit der rechtlichen Begründung des Oberlandesgerichts im angegriffenen Beschluss auseinander, der aufzeigt, aus welchen Gründen die als „weitere Beschwerde“ im Sinne des § 310 Abs. 1 StPO ausgelegte „Beschwerde/Rechtsmittel“ der Beschwerdeführerin nicht statthaft ist. Die Begründung der Verfassungsbeschwerde beschränkt sich auf Zitate aus den Beschwerdeschriften und den vorgelegten Entscheidungen. Auf die rechtlichen Erwägungen in der Begründung der Oberlandesgerichtsentscheidung, wonach die weitere Beschwerde nur in den in § 310 Abs. 1 StPO genannten Ausnahmefällen statthaft sei und auch im Falle einer erstmaligen Beschwer oder der Geltendmachung eines Verfassungsverstoßes nach der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht statthaft sei, geht die Verfassungsbeschwerde hingegen nicht ein. Ausführungen zu den als verletzt gerügten Artikeln der Landesverfassung fehlen insgesamt.

Vor diesem Hintergrund kann offen bleiben, ob sich die Verfassungsbeschwerde auch gegen den Beschluss des Landgerichts Neuruppin vom 7. Januar 2020 (13 Qs 75/19) richten soll. Diesbezüglich fehlte es ebenfalls an einer den Begründungserfordernissen des § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg genügenden Darlegung einer möglichen Verletzung in Grundrechten.

C.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

 

 

Möller

Dresen

Heinrich-Reichow

Kirbach

Müller

Sokoll

Dr. Strauß