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VerfGBbg, Beschluss vom 17. Februar 2023 - VfGBbg 3/23 EA -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
EA
entscheidungserhebliche Vorschriften: - VerfGGBbg, § 20 Abs. 1 Satz 2; VerfGGBbg, § 46; VerfGGBbg, § 30 Abs. 1
Schlagworte: - Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
- unzulässiger Antrag
- Vorwegnahme der Hauptsache
- Begründungsanforderungen
- schweren und irreversible Nachteile nicht aufgezeigt

Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 17. Februar 2023 - VfGBbg 3/23 EA -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 3/23 EA




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

VfGBbg 3/23 EA

In dem verfassungsgerichtlichen Verfahren

K.,

Antragstellerin,

wegen

Antrag auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung; Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 23. September 2022 ‌‑ OVG 5 M 48/21 ‑;‌ Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdams vom 8. September 2021 in Gestalt des Berichtigungsbeschlusses vom 12. November 2021 ‌‑ VG 13 K 4223/17

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 17. Februar 2023

durch die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter Möller, Dresen, Dr. Finck, Heinrich‑Reichow, Kirbach, Müller, Richter, Sokoll und Dr. Strauß

beschlossen: 

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.


Gründe:

A.

I.

Die Antragstellerin studierte in der Zeit vom 1. April 2006 bis zum 31. März 2017 die Fächer Philosophie und Soziologie im Magisterstudiengang an der Universität P.

Beide Magisterfächer wurden im Zuge des sog. „Bologna-Prozesses“ mit Ablauf des Sommersemesters 2007 an der Universität P. aufgehoben. Für die aufgehobenen Studiengänge wurde eine allgemeine Übergangsfrist zur Beendigung des Studiums bis zum Ablauf des vierten Semesters über der Regelstudienzeit bezogen auf die letzte Immatrikulationskohorte eingeräumt. Das Fach Soziologie schloss die Antragstellerin ab. Das Magisterstudium der Philosophie war danach bis zum 31. März 2013 zu beenden (vgl. amtliche Bekanntmachung der Universität P., Nr. 8/2007, S.438 f.). Nachdem die Antragstellerin ihr Studium bis zu diesem Zeitpunkt nicht beendet hatte, wurde ihr darüber hinaus eine individuelle Verlängerung ihres Prüfungsanspruchs nach § 4 Abs. 2 und Abs. 3 der Ordnung für die Einstellung und Aufhebung von Studiengängen an der Universität P. vom 28. September 2011 (vgl. amtliche Bekanntmachung der Universität P., Nr. 20/2011, S. 855) um insgesamt weitere acht Semester bis zum 31. März 2017 gewährt. Auch bis zum Ablauf dieser Frist legte die Antragstellerin weder eine Magisterarbeit vor noch eine Abschlussprüfung ab.

Mit Bescheid vom 21. April 2017 exmatrikulierte die Universität P. die Antragstellerin mit Wirkung zum 31. März 2017 wegen des Verlusts des Prüfungsanspruchs in dem von ihr gewählten Studiengang.

Der hiergegen erhobene Widerspruch der Antragstellerin, mit dem sie eine Verlängerung ihres Prüfungsanspruchs um zwei Semester aufgrund einer Tätigkeit für den Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) begehrte, wurde mit Widerspruchsbescheid vom 21. Juni 2017 zurückgewiesen. Eine weitere Verlängerung des Prüfungsanspruchs der Antragstellerin nach Art. 3 Abs. 4 Grundordnung der Universität P. komme nicht in Betracht, da die von der Antragstellerin ausgeübte Tätigkeit für den AStA lediglich die inhaltliche Vorbereitung und Durchführung eines Workshops für Tontechnik umfasse und keine Amtsausübung im Sinne dieser Regelung darstelle.

Hiergegen wendete sich die Antragstellerin mit ihrer am 25. Juli 2017 bei dem Verwaltungsgericht Potsdam erhobenen Klage (VG 13 K 4223/17), die sie unter die Bedingung stellte, dass ihr für das Verfahren Prozesskostenhilfe bewilligt werde.

Mit Beschluss vom 8. September 2021 in Gestalt des Berichtigungsbeschlusses vom 12. November 2021 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die von ihr beabsichtigte Klage mit der Begründung ab, dass die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 166 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i. V. m. § 114, § 121 Zivilprozessordnung (ZPO) biete. Die Antragstellerin sei zu exmatrikulieren gewesen, weil sie ihren Prüfungsanspruch verloren habe, nachdem der von ihr gewählte Studiengang wirksam aufgehoben worden sei und sie die vorgesehenen Verlängerungsmöglichkeiten ausgeschöpft habe. Weitere Verlängerungsmöglichkeiten stünden der Antragstellerin auch mit Blick auf ihre Tätigkeit beim AStA nicht zu.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde wies das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg mit Beschluss vom 23. September 2022 (OVG 5 M 48/21) zurück.

II.

Am 30. November 2022 hat die Antragstellerin Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 8. September 2021 in Gestalt des Berichtigungsbeschlusses vom 12. November 2021 und den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 23. September 2022 erhoben. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, dass die angegriffenen Entscheidungen ihr Recht auf Rechtsschutzgleichheit (Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 Verfassung des Landes Brandenburg, LV) sowie auf ein faires und zügiges Verfahren (Art. 52 Abs. 4 Satz 1 LV) verletzten. Die Verfassungsbeschwerde (VfGBbg 39/22) ist noch anhängig.

III.

Mit ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 19. Januar 2023 begehrt die Antragstellerin die vorläufige Aufhebung der im Verfassungsbeschwerdeverfahren VfGBbg 39/22 angegriffenen Gerichtsentscheidungen. Zur Begründung ihres Antrags verweist sie auf ihre Ausführungen in der Verfassungsbeschwerde und im Übrigen darauf, dass eine längere Behandlung der Sache weitere, nicht mehr veränderbare Nachteile für sie zur Folge habe, die ihr vor dem Hintergrund des fast fünf Jahre dauernden Prozesskostenhilfeverfahrens und der entstandenen Ausbildungsverzögerung nicht zugemutet werden könnten.

B.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg. Er ist unzulässig.

Es spricht bereits einiges dafür, dass die von der Antragstellerin begehrte Aufhebung der Beschlüsse des Verwaltungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts im einstweiligen Anordnungsverfahren auf ein unzulässiges Rechtsschutzziel gerichtet ist, weil die Aufhebung einer Gerichtsentscheidung keinen vorläufigen Charakter hat und das Ergebnis der Hauptsache in unzulässiger Weise vorwegnehmen würde (vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. September 2022 ‌‑ 2 BvR 1532/22 ‑,‌ Rn. 3, www.bverfg.de).

Jedenfalls genügt die Antragsschrift nicht den Begründungsanforderungen der § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg), die auch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren Geltung beanspruchen (vgl. Beschluss vom 7. Juni 2022 ‌‑ VfGBbg 7/22 EA ‑,‌ Rn. 9, https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de).

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung durch das Verfassungsgericht setzt nach § 30 Abs. 1 VerfGGBbg voraus, dass die Anordnung zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist.

Dass diese Voraussetzungen vorliegend erfüllt sein könnten, hat die Antragstellerin nicht dargetan. Ihrem Hinweis auf entstandene Ausbildungsverzögerungen lassen sich schon keine konkreten schweren und irreversiblen Nachteile entnehmen, die ihr für den Fall des Nichterlasses der begehrten Anordnung (noch) drohen. Erst recht ergeben sich aus dem Vorbringen der Antragstellerin keine Anhaltspunkte dafür, dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung „zum gemeinen Wohl“ dringend geboten sein könnte. Im Hinblick auf den einzelnen Bürger ist ein Anknüpfungspunkt für einen Gemeinwohlbezug allenfalls dann anzunehmen, wenn die Gefahr eines irreversiblen Nachteils für die Freiheit und Unversehrtheit der Person oder für vergleichbare elementare Menschenrechte besteht (vgl. Beschlüsse vom 25. Oktober 2021 ‌‑ VfGBbg 22/21 EA ‑,‌ Rn. 17, und vom 23. Oktober 2020 ‌‑ VfGBbg 17/20 EA -‌, Rn. 21, https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de). Dafür ist vorliegend nichts ersichtlich.

C.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

 

 

Möller

Dresen

Dr. Finck

Heinrich-Reichow

Kirbach

Müller

Richter

Sokoll

Dr. Strauß