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VerfGBbg, Beschluss vom 16. Juni 2023 - VfGBbg 7/23 EA -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
EA
entscheidungserhebliche Vorschriften: - VerfGGBbg, § 14 Abs. 1 Nr. 2; VerfGGBbg, § 15
Schlagworte: - kein Ausschluss vom Richteramt
- Befangenheitsantrag unbegründet
- keine Vorbefassung
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 16. Juni 2023 - VfGBbg 7/23 EA -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 7/23 EA




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

VfGBbg 24/23

VfGBbg 7/23 EA

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

B.,

Beschwerdeführer,

wegen

Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 29. März 2023 ‌- 1 Ws 32/23 (S) ‑;‌ Aufhebung des Termins zur Hauptverhandlung am Amtsgericht Potsdam am 12. Juni 2023 ‌‑ 82 Cs 4132 Js 736/22 ‑;‌ Einholung eines psychiatrischen Gutachtens ‌‑ 82 Cs 4132 Js 736/22 ‑;‌ Fortführung des Verfahrens 82 Cs 4132 Js 736/22

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 16. Juni 2023

durch die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter Kirbach, Dr. Finck, Heinrich‑Reichow, Müller, Richter und Sokoll

beschlossen: 

1.   Es wird festgestellt, dass der Vizepräsident des Verfassungsgerichts Dr. Strauß nicht von der Ausübung seines Richteramts ausgeschlossen ist.

2.   Das Ablehnungsgesuch gegen Dr. Strauß wird als unbegründet zurückgewiesen.

Gründe:

A.

1. Vizepräsident des Verfassungsgerichts Dr. Strauß ist von der Mitwirkung an der Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde nicht aufgrund seiner strafrichterlichen Tätigkeit in dem Verfahren 82 Cs 4132 Js 736/22 bei dem Amtsgericht Potsdam ausgeschlossen.

Das Verfassungsgericht hat von Amts wegen über seine ordnungsgemäße Besetzung zu befinden. Das schließt die Entscheidung über einen kraft Gesetzes greifenden Mitwirkungsausschluss nach § 14 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) ein (vgl. Beschluss vom 19. November 2021 ‌‑ VfGBbg 30/21 ‑,‌ Rn. 8, https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de).

Gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 2 VerfGGBbg ist vom Richteramt ausgeschlossen, wer in derselben Sache bereits von Amts oder Berufs wegen tätig gewesen ist. Aufgrund des Ausnahmecharakters dieser Vorschrift ist der Begriff „dieselbe Sache“ dabei eng auszulegen und in einem konkreten, strikt verfahrensbezogenen Sinn zu verstehen (vgl. zur Parallelvorschrift des § 18 Abs. 1 Nr. 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz ‑ BVerfGG: BVerfG, Beschluss vom 19. März 2013 ‑ 1 BvR 2635/12 ‑,‌ Rn. 6; juris). Zu einem Ausschluss nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 VerfGGBbg kann nur eine Tätigkeit in dem verfassungsgerichtlichen Verfahren selbst oder in dem diesem unmittelbar vorausgegangenen und ihm sachlich zugeordneten Ausgangsverfahren führen (vgl. Beschlüsse vom 18. November 2022 ‌‑ VfGBbg 33/22 ‑,‌ Rn. 2, vom 25. Oktober 2021 ‌‑ VfGBbg 63/21 ‑,‌ Rn. 2, und vom 20. November 2020 ‌‑ VfGBbg 70/20 ‑‌, Rn. 1, https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Selbst eine in dem vorgenannten Sinne bestehende richterliche Vorbefassung mit einer Sache führt nur dann zum Ausschluss nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 VerfGGBbg, wenn sie eine Mitwirkung an der aktuell mit der Verfassungsbeschwerde angefochtenen Entscheidung zum Inhalt hat (ebenso zur Parallelvorschrift § 18 Abs. 1 Nr. 2 BVerfGG: BVerfG, Beschluss vom 19. März 2013 ‑ 1 BvR 2635/12 ‑,‌ Rn. 7, juris; ähnlich auch zur Vorbefassung im Sinne von § 41 Nr. 6 Zivilprozessordnung (ZPO): OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29. April 2019 ‌‑ 19 A 1343/18 ‑,‌ Rn. 7, 8 m. w. N., juris). Erst die Übernahme von Entscheidungsverantwortung im konkreten Rechtsstreit führt zu der Gefahr einer Vorfestlegung (vgl. Beschluss vom 19. November 2021 ‌‑ VfGBbg 30/21 ‑,‌ Rn. 9 m. w. N., https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de).

Dies zugrunde gelegt ist Dr. Strauß nicht im Sinne des § 14 Abs. 1 Nr. 2 VerfGGBbg vorbefasst. Dr. Strauß war an dem strafgerichtlichen Ausgangsverfahren vor dem Amtsgericht Potsdam (82 Cs 4132 Js 736/22) nur insoweit beteiligt, als er mit Beschluss vom 19. April 2022 ein gegen den zuständigen Richter am Amtsgericht gerichtetes Ablehnungsgesuch als unbegründet zurückgewiesen hat. Dementsprechend hat das Gericht Dr. Strauß in dem u. a. gegen diesen Beschluss gerichteten Verfassungsbeschwerdeverfahren VfGBbg 33/22 als vorbefasst im Sinne des § 14 Abs. 1 Nr. 2 VerfGGBbg angesehen (vgl. Beschluss vom 18. November 2022 ‌‑ VfGBbg 33/22 ‑,‌ https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de). Der Beschluss vom 19. April 2022 ist aber nicht Gegenstand des vorliegenden Verfassungsbeschwerdeverfahrens. Dieses betrifft neben einem Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts andere Maßnahmen des erkennenden Amtsrichters im weiteren Verlauf des Strafverfahrens. Insoweit war Dr. Strauß ausweislich seiner dienstlichen Stellungnahme nicht tätig. Dies gilt namentlich auch für die im Verfassungsbeschwerdeverfahren streitgegenständliche Einholung eines psychiatrischen Gutachtens und die Ladung zur Hauptverhandlung am 12. Juni 2023.

2. Vor dem Hintergrund des Vorstehenden ist auch das Dr. Strauß betreffende Ablehnungsgesuch des Beschwerdeführers jedenfalls unbegründet. Der Beschwerdeführer stützt sein Ablehnungsgesuch allein auf eine vermeintliche Vorbefassung von Dr. Strauß, die aus den Gründen zu 1. für das vorliegende Verfassungsbeschwerdeverfahren nicht anzunehmen ist. Andere Gesichtspunkte, aus denen sich Zweifel an der Unvoreingenommenheit von Dr. Strauß ergeben könnten, hat der Beschwerdeführer nicht vorgetragen, derartige Gesichtspunkte sind auch sonst nicht ersichtlich.

B.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

 

 

Kirbach

Dr. Finck

Heinrich-Reichow

Müller

Richter

Sokoll