Toolbar-Menü
Hauptmenü

VerfGBbg, Beschluss vom 16. Februar 2024 - VfGBbg 15/23 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - VerfGGBbg, § 20 Abs. 1 Satz 2; VerfGGBbg, § 45 Abs. 2 Satz 1; VerfGGBbg, § 45 Abs. 2 Satz 2; VerfGGBbg, § 46
- StPO, § 304
Schlagworte: - Verfassungsbeschwerde unzulässig
- Begründungsanforderungen
- Subsidiarität
- Rechtsweg nicht erschöpft
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 16. Februar 2024 - VfGBbg 15/23 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 15/23




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

VfGBbg 15/23

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

R.,

Beschwerdeführer,

Verfahrensbevollmächtigte:               Rechtsanwälte
                                                                E. Part mbB.

 

wegen

Beschluss des Landgerichts Neuruppin vom 9. März 2023 ‌‑ 13 KLs 25/22; „internationale Fahndung sowie Bewirkung von Auslieferungshaft in Tansania vom 14.12.2021 bis zum 22.5.2022 aufgrund der Haftbefehle des Amtsgerichts Zehdenick vom 29. September 2021 und vom 2. November 2021 ‌‑ 4 Gs 18/21 ‑‌ sowie des Europäischen Haftbefehls des Amtsgerichts Zehdenick vom 2. November 2021“

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 16. Februar 2024

durch die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter Möller, Dr. Finck, Heinrich‑Reichow, Dr. Koch, Müller, Richter, Sokoll und Dr. Strauß

beschlossen: 

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

 

Gründe:

A.

Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist der Beschluss des Landgerichts Neuruppin vom 9. März 2023 (13 KLs 25/22), mit dem der Antrag des Beschwerdeführers auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der ihn betreffenden internationalen Fahndung und deren Aufrechterhaltung als unzulässig abgelehnt wurde. Hiergegen hat der Beschwerdeführer unter dem 21. April 2023 „weitere Beschwerde“ erhoben. Über den Ausgang des Beschwerdeverfahrens hat er das Verfassungsgericht nicht informiert.

Mit der Verfassungsbeschwerde beanstandet er insbesondere seine Inhaftierung in Tansania als grund- und menschenrechtsverletzend.

I.

Der Beschwerdeführer, nach dem aufgrund von Haftbefehlen des Amtsgerichts Zehdenick international gefahndet wurde, befand sich vom 14. Dezember 2021 bis zu seiner Überführung nach Deutschland am 22. Mai 2022 in Tansania in Haft.

Während seiner Inhaftierung in Tansania hatte der Beschwerdeführer beim Verfassungsgericht einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt, mit dem er u. a. die Einstellung der internationalen Fahndung, hilfsweise die Außervollzugsetzung des deutschen Haftbefehls sowie des Europäischen Haftbefehls, verfolgte. Das Verfassungsgericht lehnte den Antrag mit Beschluss vom 11. März 2022 (VfGBbg 1/22 EA) ab und führte zur Begründung aus, der Hauptantrag sei auf ein beim Landesverfassungsgericht nicht erreichbares Rechtsschutzziel gerichtet. Die Antragsschrift genüge im Übrigen nicht den Begründungsanforderungen. Im Hinblick auf den Hilfsantrag fehle es an der ordnungsgemäßen Rechtswegerschöpfung.

II.

Mit der am 24. April 2023 erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 7 Abs. 1 Satz 1, Art. 8 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 und 2, Art. 9 Abs. 2 und 4, Art. 52 Abs. 3 Verfassung des Landes Brandenburg (LV) sowie von Art. 3 Var. 3 Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) und Art. 5 Abs. 2 EMRK. Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen nahezu wortgleich (auf circa 56 Seiten der 62 Seiten umfassenden Beschwerdeschrift) den Sach- und Rechtsvortrag aus seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (VfGBbg 1/22 EA). Er beanstandet insgesamt die internationale Fahndung nach ihm, die ihr zugrundeliegenden Haftbefehle sowie die Haft und die Haftbedingungen in Tansania als grund- und menschenrechtsverletzend. Darüber hinaus bringt der Beschwerdeführer zum Ausdruck, dass er auch in Ansehung des Beschlusses vom 11. März 2022 (VfGBbg 1/22 EA) seine Auffassung aufrechterhält, die Haftbedingungen in Tansania seien dem Land Brandenburg zuzurechnen.

Der Beschwerdeführer meint, gegen den Beschluss des Landgerichts Neuruppin vom 9. März 2023 (13 KLs 25/22) sei kein ordentlicher Rechtsweg eröffnet. Dass das Brandenburgische Oberlandesgericht analog § 310 Strafprozessordnung (StPO) eine Entscheidung in der Sache treffe, sei unwahrscheinlich.

Er beantragt festzustellen:

„Die Entscheidung des Landgerichts Neuruppin vom 9. 3. 2023 verletzt die Grundrechte des Beschwerdeführers.

Es wird festgestellt, dass die Aufrechterhaltung der internationalen Fahndung nach dem Beschwerdeführer nach dem 14. 12. 2021 rechtswidrig war und den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten auf Leben, körperliche Unversehrtheit, Anspruch auf Rechtsschutz verletzt hat.“

B.

Die Verfassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist unzulässig.

1. Im Hinblick auf den Beschluss des Landgerichts Neuruppin vom 9. März 2023 (13 KLs 25/22) hat der Beschwerdeführer den Rechtsweg nicht ordnungsgemäß erschöpft. Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) hat ein Beschwerdeführer zunächst die ihm gesetzlich zur Verfügung stehenden, nicht offensichtlich unzulässigen Rechtsbehelfe zu ergreifen; namentlich muss er den ihm nach der jeweiligen Verfahrensordnung eröffneten Instanzenzug durchlaufen (st. Rspr., vgl. Beschlüsse vom 18. Februar 2022 ‌‑ VfGBbg 54/21 ‑‌, Rn. 21, und vom 18. September 2015 ‌‑ VfGBbg 14/15 ‑‌, https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de).

Gegen die Ablehnung des Antrags nach § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO, auch bei entsprechender Anwendung der Vorschrift, ist die Beschwerde nach § 304 StPO zulässig (vgl. Köhler, in: Meyer-Goßner, StPO, 63. Aufl. 2020, § 98, Rn. 31; Hauschild, in: MüKoStPO, 2. Aufl. 2023, StPO, § 98, Rn. 43 m. w. N.). Nachdem das Landgericht seinen Antrag nach § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO analog für statthaft gehalten, aber mangels fortdauernder Beschwer als unzulässig abgelehnt hatte, musste der Beschwerdeführer vor Anrufung des Verfassungsgerichts zunächst den Ausgang des Beschwerdeverfahrens abwarten.

Die Voraussetzungen von § 45 Abs. 2 Satz 2 VerfGGBbg, unter denen das Verfassungsgericht ausnahmsweise über eine vor Erschöpfung des Rechtsweges eingelegte Verfassungsbeschwerde sofort entscheiden kann, liegen hier nicht vor.

2. Die Beschwerdeschrift erfüllt im Übrigen nicht die nach § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg für eine Verfassungsbeschwerde geltenden Begründungsanforderungen.

Erforderlich ist eine Begründung, welche umfassend und aus sich heraus verständlich die mögliche Verletzung der geltend gemachten Grundrechte des Beschwerdeführers hinreichend deutlich aufzeigt. Dazu bedarf es einer umfassenden einfachrechtlichen und verfassungsrechtlichen Aufarbeitung der Rechtslage (st. Rspr., vgl. Beschlüsse vom 17. November 2023 ‌‑ VfGBbg 70/21 ‑‌, Rn. 39, und vom 16. Juni 2023 ‌‑ VfGBbg 16/23 ‑‌, Rn. 5, https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de). Soweit das Verfassungsgericht für bestimmte Fragen bereits verfassungsrechtliche Maßstäbe entwickelt hat, muss anhand dieser Maßstäbe aufgezeigt werden, inwieweit Grundrechte durch die angegriffene Maßnahme verletzt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. März 2023 ‌‑ 1 BvR 172/22 ‑‌, Rn. 4 m. w. N., juris).

Im Hinblick auf den Beschluss des Landgerichts Neuruppin vom 9. März 2023 (13 KLs 25/22) fehlt es an einer Auseinandersetzung mit der Begründung des Landgerichts. Der Beschwerdeführer beschränkt sich darauf, losgelöst von der Argumentation des Landgerichts der Entscheidung seine Rechtsmeinung entgegenzusetzen.

Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Haft bzw. die Haftbedingungen in Tansania und die Aufrechterhaltung der internationalen Fahndung wendet, diese als grund- und menschenrechtsverletzend rügt und dem Land Brandenburg zurechnet, lässt die Beschwerdeschrift insgesamt eine Auseinandersetzung mit den im Beschluss des Verfassungsgerichts vom 11. März 2022 (VfGBbg 1/22 EA) aufgezeigten, das Verfassungsgericht leitenden Gesichtspunkten vermissen. Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner weiteren Ausführungen.

C.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

 

 

Möller

Dr. Finck

Heinrich-Reichow

Dr. Koch

Müller

Richter

Sokoll

Dr. Strauß