Toolbar-Menü
Hauptmenü

VerfGBbg, Beschluss vom 22. September 2023 - VfGBbg 34/22 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 79; LV, Art. 7 Abs. 2; LV, Art. 5 Abs. 2 Satz 3; LV, Art. 22
- VerfGGBbg, § 20 Abs. 1 Satz 2, VerfGGBbg, § 46
Schlagworte: - Verfassungsbeschwerde unzulässig
- Begründungsanforderungen
- Verfassungsbeschwerde gegen verfassungsänderndes Gesetz
- Unabänderlicher Identitätskern der Verfassung

Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 22. September 2023 - VfGBbg 34/22 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 34/22




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

VfGBbg 34/22

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

H.,

Beschwerdeführer,

beteiligt:

  1. Landtag Brandenburg,
    vertreten durch die Präsidentin,
    Alter Markt 1,
    14467 Potsdam,
  2. Landesregierung Brandenburg
    - Staatskanzlei -,
    Heinrich-Mann-Allee 107,
    14473 Potsdam,
wegen

Achtes Gesetz zur Änderung der Verfassung des Landes Brandenburg vom 5. Juli 2022 (GVBl.I/22, Nr. 19 vom 6. Juli 2022)

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 22. September 2023

durch die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter Möller, Dresen, Heinrich‑Reichow, Kirbach, Müller, Richter, Dr. Strauß und Sokoll

beschlossen: 

            Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen das Achte Gesetz zur Änderung der Verfassung des Landes Brandenburg vom 5. Juli 2022 (im Folgenden: Achtes Verfassungsänderungsgesetz).

Ziel der mit diesem Gesetz vorgenommenen Verfassungsänderungen war die Anpassung des Verfassungstexts an eine geschlechtergerechte Sprache (vgl. LT‑Drs. 7/3680).

In diesem Zusammenhang wurde im Gesetzgebungsverfahren auch die Änderung des Wortlauts des Art. 7 Abs. 2 Verfassung des Landes Brandenburg (LV) empfohlen, der bis dahin lautete:

Jeder schuldet jedem die Anerkennung seiner Würde.

Die Beschlussempfehlung des Hauptausschusses (LT-Drs. 7/5718) sah eine Änderung des Artikels wie folgt vor:

Alle Menschen schulden einander die Anerkennung ihrer Würde.

Im Übrigen sollte die Anpassung an eine geschlechtergerechte Sprache nach der Beschlussempfehlung im Wesentlichen dadurch erfolgen, dass der männlichen Bezeichnung die weibliche vorangestellt wird (z. B. Art. 22 LV: „Jede Bürgerin und jeder Bürger“ statt wie zuvor „Jeder Bürger“, Art. 83 LV: „Wahl der Ministerpräsidentin oder des Ministerpräsidenten“ statt wie zuvor „Wahl des Ministerpräsidenten“, Art. 93 LV: „Beamtinnen und Beamte“ statt wie zuvor „Beamte“).

In der 70. Sitzung des Brandenburger Landtags am 23. Juni 2022 stimmten die Abgeordneten mit Zwei-Drittel-Mehrheit (59 Ja-Stimmen, 18 Nein-Stimmen und sechs Enthaltungen) für die Annahme der Beschlussempfehlung des Hauptausschusses (vgl. PlPr 7/70, S. 36).

Das Gesetz wurde am 6. Juli 2022 im Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Brandenburg (GVBl.I, Nr. 19) veröffentlicht und trat am Tag nach seiner Verkündung in Kraft.

II.

Mit seiner am 19. Oktober 2022 erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verfassungswidrigkeit des Achten Verfassungsänderungsgesetzes.

Er sei in seinem Wahlrecht aus Art. 22 LV verletzt. Dieses verleihe ihm ein Kontrollrecht dahingehend, dass die Grenzen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Abgeordneten nicht überschritten würden. Das Bundesverfassungsgericht habe zu Art. 38 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) entschieden, dass dieser die wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger vor einer Übertragung von Hoheitsrechten schütze, durch die unter Verstoß gegen Art. 79 Abs. 3 GG i. V. m. Art. 23 Abs. 1 Satz 3 GG der wesentliche Inhalt des Grundsatzes der Volkssouveränität preisgegeben werde (2 BvR 739/17). Diese Erwägungen ließen sich auf die Landesverfassung übertragen. Er könne sich daher vor dem Verfassungsgericht auf eine Verletzung des Art. 79 LV berufen.

Das Recht des Landtags zur Änderung der Verfassung aus Art. 79 LV finde seine Grenze in der Präambel und Art. 2 Abs. 4 LV. Nach der Präambel der Verfassung, die für den Landtag verbindlich sei, hätten die Bürgerinnen und Bürger die ausschließliche und unmittelbare Verantwortung für die Verfassung des Landes Brandenburg. Diese Verantwortung könne nicht auf den Landtag übertragen werden. Das ergebe sich auch aus Art. 2 Abs. 4 Satz 1 LV, wonach in erster Linie dem Volk durch Volksentscheid und erst an zweiter Stelle dem Landtag das Gesetzgebungsrecht zustehen solle. Diese Reihenfolge sei insbesondere bei der Änderung der Verfassung zu beachten. Als Folge dessen gebe Art. 79 LV dem Landtag nur für einzelne kleinere Anpassungen das Recht zur Verfassungsänderung. Grundlegende Änderungen und Eingriffe, insbesondere in die durch die Verfassung garantierten Grundrechte, seien dem Landtag dagegen verwehrt. Mit dem angegriffenen Gesetz sei aber Grundlegendes verändert worden. So sei im Rahmen der Änderung des Art. 22 LV das Mindestalter für die Teilnahme an Wahlen von 18 Jahren auf 16 Jahre herabgesetzt worden.

Die Verfassungsänderung sei auch nicht zweckmäßig erfolgt. Zweckmäßiger ‑ und nach der Präambel und Art. 2 Abs. 4 LV zwingend durchzuführen ‑ wäre ein Volksentscheid gewesen. Eine fast vollständig vom Parlament ohne Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger erarbeitete Verfassung beruhe nicht auf der freien Entscheidung des Volks, das nach Art. 2 Abs. 2 LV Träger der Staatsgewalt sei. Die Abstimmung der Bürgerinnen und Bürger über die Verfassung vom 4. Juni 1992 werde zum bloßen „Scheinreferendum“.

Durch die Änderung des Art. 7 Abs. 2 LV sei außerdem sein Grundrecht auf Menschenwürde (Art. 7 Abs. 1 LV) verletzt. Nach der bisherigen Regelung des Art. 7 Abs. 2 LV seien auch juristische Personen, sonstige Personenzusammenschlüsse und Organisationseinheiten zur Anerkennung der Würde verpflichtet gewesen. Selbst die Künstliche Intelligenz sei von dieser Formulierung eingeschlossen worden. Die Neuregelung verpflichte nunmehr nur noch Menschen zur Achtung der Würde anderer, so dass insbesondere Organisationseinheiten wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk sowie die Landesregierung und -verwaltung nicht mehr in die Pflicht genommen würden. Die Änderung mache die Verachtung der Mitglieder des Landtags gegenüber den Menschen in Brandenburg deutlich. Durch das eingefügte Wort „einander“ werde die Würde zudem nur noch geschützt, wenn Schuldner und Gläubiger der Menschenwürde Kenntnis voneinander hätten. An der Einschränkung seines Grundrechts aus Art. 7 Abs. 1 LV ändere es auch nichts, wenn Art. 7 Abs. 2 LV rein deklaratorische Bedeutung zukommen sollte. Die Einschränkung sei unverhältnismäßig, da die Neufassung des Art. 7 Abs. 2 LV keinem legitimen Zweck diene und nicht erforderlich gewesen sei. Um die vom Landtag erstrebte Anpassung der Regelung an eine geschlechtergerechte Sprache vorzunehmen, hätte es andere Formulierungsmöglichkeiten geben.

Es liege zudem ein Verstoß gegen das Verbot einer Diskriminierung wegen des Geschlechts vor, weil die weibliche Personenbezeichnung nunmehr an 57 Stellen in der Verfassung als erste genannt werde. Männer und Frauen seien gleichberechtigt und daher auch in gleichberechtigter Weise in einem Gesetz zu behandeln. Durch die Verfassungsänderung würden nun aber Frauen bevorzugt. Dies stelle eine öffentliche Herabsetzung der „berufstätigen Mehrheit der Bevölkerung“, „nämlich der Männer“, dar. Die Änderung sei weder zweckmäßig noch erforderlich gewesen, beispielsweise sei auch eine abwechselnde Nennung der weiblichen und männlichen Bezeichnung an erster Stelle in Frage gekommen. Dass es sich lediglich um eine textliche Umgestaltung handele, sei für die Feststellung eines Eingriffs unerheblich.

Wegen des Verstoßes der Verfassungsänderungen gegen Art. 7 Abs. 1 LV und Art. 12 Abs. 2 LV hätten diese Grundrechte im Änderungsgesetz zudem nach Art. 5 Abs. 2 Satz 3 LV zitiert werden müssen. Der Verstoß gegen das Zitiergebot führe zur Nichtigkeit des Gesetzes. Die restriktive Auslegung des Bundesverfassungsgerichts zur Anwendbarkeit des Zitiergebots des Art. 19 Abs. 2 Satz 2 GG sei auf Brandenburg nicht zu übertragen. Art. 5 Abs. 2 Satz 3 LV sehe keinerlei Ausnahmen vor.

III.

Der Landtag und die Regierung des Landes Brandenburg haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.

IV.

Gleichzeitig mit der Verfassungsbeschwerde hat der Beschwerdeführer einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt, mit dem er die einstweilige Außervollzugsetzung von Art. 1 Nr. 17 lit. a) und lit. b) Achtes Verfassungsänderungsgesetz begehrt hat. Diesen Antrag hat das Gericht zurückgewiesen (Beschluss vom 16. Dezember 2022 ‌‑ VfGBbg 12/22 EA ‑,‌ n. v.).

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) zu verwerfen. Sie ist unzulässig.

Zwar kann auch ein verfassungsänderndes Gesetz Gegenstand der Verfassungsbeschwerde nach § 45 Abs. 1 VerfGGBbg sein. Für die verfassungsgerichtliche Überprüfung gilt dabei allerdings ein eingeschränkter Prüfungsmaßstab. Denn die Bestimmungen der Verfassung stehen im Grundsatz gleichrangig nebeneinander. Eine Verfassungsbestimmung kann deshalb nicht an einer anderen gemessen werden; vielmehr ist grundsätzlich jede von ihnen in der Lage, andere einzuschränken und Ausnahmen von ihnen zu begründen (vgl. VerfG SH, Urteil vom 25. März 2022 ‌‑ LVerfG 4/21 ‑, Rn. 63; SächsVerfGH, Beschluss vom 24. März 2021 ‌‑ Vf. 27‑V‑20 ‑, Rn. 17; VerfGH Berlin, Urteile vom 15. Januar 2014 ‑ 67/12 ‑, Rn. 92, vom 13. Mai 2013 ‑ 155/11 ‑, Rn. 20, und vom 28. Juli 1994 ‑ 47/92 ‑, Rn. 47, juris). Die Entscheidung hierüber obliegt dem verfassungsändernden Gesetzgeber, dem es im Rahmen der ihm durch Art. 79 LV gewährten Befugnis zur Verfassungsänderung im Grundsatz auch freisteht, Verfassungsgüter neu zu kreieren oder abzuschaffen sowie Gegenstand, Reichweite und relatives Gewicht verfassungsrechtlicher Positionen zu verändern (vgl. VerfGH NRW, Urteil vom 21. November 2017 ‑ VerfGH 21/16 ‑, Rn. 148, juris). Das gilt auch für die Grundrechte (vgl. BVerfG, Urteile vom 3. März 2004 ‌‑ 1 BvR 2378/98 u. a. ‑,‌ Rn. 109 ff., und vom 14. Mai 1996 ‌‑ 2 BvR 1938/93 u. a. ‑,‌ Rn. 152, sowie Beschluss vom 18. April 1996 ‌‑ 1 BvR 1452/90 u. a. ‑,‌ Rn. 77 ff., www.bverfg.de).

Grenzen für solche Verfassungsänderungen können sich zum einen aus dem Grundgesetz (Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG i. V. m. Art. 79 Abs. 3 GG) ergeben. Über dessen Einhaltung wacht aber allein das Bundesverfassungsgericht (vgl. ‌HambVerfG, Urteil vom 13. Oktober 2016 ‑ 2/16 ‑, Rn. 210). Vor dem Landesverfassungsgericht kommen Vorschriften des Grundgesetzes nur dann als Prüfungsmaßstab in Betracht, wenn sie ‑ wie beispielsweise Art. 21 GG (vgl. hierzu Beschluss vom 20. Mai 2022 ‌‑ VfGBbg 94/20 ‑,‌ Rn. 46, https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de, m. w. N.) ‑ ausnahmsweise als ungeschriebene Bestandteile in die Landesverfassung hineinwirken (vgl. BVerfG, Urteil vom 13. Februar 2008 ‌‑ 2 BvK 1/07 ‑,‌ Rn. 94, und Beschluss vom 7. Mai 2001 ‌‑ 2 BvK 1/00 ‑, Rn. 57, juris).

Zum anderen ergeben sich Grenzen für den verfassungsändernden Gesetzgeber aus der Landesverfassung selbst. Allerdings sieht der Wortlaut des Art. 79 LV insoweit lediglich formelle, nicht aber materielle Schranken vor. Insbesondere enthält die Regelung keine dem Art. 79 Abs. 3 GG entsprechende Ewigkeitsklausel, in der bestimmte Elemente der Verfassung für unabänderlich erklärt werden. Ob gleichwohl auch für die Landesverfassung ein Kernbestand an identitätsstiftenden und ‌‑sichernden Grundentscheidungen anzuerkennen ist, der dem Zugriff des verfassungsändernden Gesetzgebers entzogen ist (so für die jeweilige Landesverfassung: VerfG SH, Urteil vom 25. März 2022 ‑ LVerfG 4/21 ‑, Rn. 65 ff.; HambVerfG, Urteil vom 13. Oktober 2016 ‑ 2/16 ‑, Rn. 211 ff.; VerfGH Berlin, Urteile vom 15. Januar 2014 ‑ 67/12 ‑, Rn. 92, vom 13. März 2013 ‑ 155/11 ‑, Rn. 20, und vom 28. Juli 1994 ‑ 47/92 ‑, Rn. 47, juris), bedarf an dieser Stelle keiner Entscheidung. Jedenfalls ist bei der Annahme eines solchen Kernbestands sowohl angesichts der notwendigen Entwicklungsoffenheit der Verfassung als auch aus Achtung der Judikative vor dem verfassungsändernden Gesetzgeber äußerste Zurückhaltung geboten. Verfassungsrechtlich unzulässig kann unter diesem Gesichtspunkt nur ein Gesetz sein, durch das eine substantielle Änderung solcher Verfassungselemente bewirkt wird, die für eine freiheitliche und rechtsstaatliche Demokratie schlechthin prägend und unverzichtbar sind (vgl. VerfGH Berlin, Urteil vom 13. März 2013 ‑ 155/11 ‑, Rn. 20; HambVerfG, Urteil vom 13. Oktober 2016 ‑ 2/16 ‑, Rn. 212 f.; BayVerfGH, Entscheidung vom 17. September 1999 ‑ Vf. 12‑VIII‑98 u. a. ‑, Rn. 113 ff., juris). Der verfassungsändernde Gesetzgeber ist aber nicht gehindert, die positivrechtliche Ausprägung auch solcher Elemente aus sachgerechten Gründen zu modifizieren, sofern er sie nicht prinzipiell preisgibt (vgl. für Art. 79 Abs. 3 GG: BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 ‌‑ 2 BvR 1938/93 u. a. ‑,‌ Rn. 200, www.bverfg.de; Urteil vom 15. Dezember 1970 ‌‑ 2 BvF 1/69 u. a. ‑,‌ Rn. 78 ff., juris).

Aus den vorstehenden Erwägungen ergeben sich besondere Anforderungen an die Begründung einer Verfassungsbeschwerde, die sich gegen ein verfassungsänderndes Gesetz richtet. Da eine solche Verfassungsbeschwerde im Grundsatz weder auf die Einschränkung einzelner Grundrechte noch auf die Verletzung anderer Verfassungsnormen gestützt werden kann, kann der Beschwerdeführer es nicht bei entsprechendem Vorbringen bewenden lassen. Vielmehr muss er im Rahmen der ihm nach § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg obliegenden Begründungspflicht im Einzelnen aufzeigen, dass entweder den Anforderungen des Art. 79 LV nicht Genüge getan oder aber materielle Änderungen der Verfassung vorgenommen worden sind, die deren ‑ ggf. als unabänderlich anzuerkennenden ‑ Identitätskern betreffen. Solange das Verfassungsgericht diesbezüglich keine eigenen Maßstäbe entwickelt hat, ist es nicht zu beanstanden, wenn sich der Beschwerdeführer im Rahmen der Begründung insoweit an der zu Art. 79 Abs. 3 GG ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts orientiert.

Gemessen daran wird die Verfassungsbeschwerde den Begründungsanforderungen nicht gerecht.

Dass die mit dem Achten Verfassungsänderungsgesetz bewirkten Anpassungen die Verfassung in ihrer Substanz berühren könnten, zeigt das Beschwerdevorbringen nicht auf. Hierfür ist auch sonst nichts ersichtlich, zumal der Gesetzgeber ausweislich der Beratungsunterlagen ‑ jedenfalls soweit die vom Beschwerdeführer monierten Regelungen betroffen sind ‑ lediglich sprachliche, nicht aber inhaltliche Änderungen vornehmen wollte. Wenn der Beschwerdeführer demgegenüber in seiner Verfassungsbeschwerde behauptet, durch die Neufassung des Art. 22 LV sei das Wahlalter von 18 auf 16 Jahre abgesenkt worden, ist dies offensichtlich unzutreffend. Das Gericht hat bereits im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (VfGBbg 12/22 EA) darauf hingewiesen, dass das Wahlrecht in dieser Form bereits seit dem 20. Dezember 2011 besteht (vgl. Gesetz zur Änderung der Verfassung vom 19. Dezember 2011, GVBl.I, Nr. 30) und durch das Achte Verfassungsänderungsgesetz diesbezüglich keine weiteren inhaltlichen Änderungen vorgenommen worden sind.

Auch soweit der Beschwerdeführer die Änderungen des Art. 7 Abs. 2 LV in den Blick nimmt, durch die er sich in seiner Menschenwürde (Art. 7 Abs. 1 LV) verletzt sieht, erfüllt seine Begründung die Anforderungen nicht. Unmittelbar an Art. 7 Abs. 1 LV kann das Achte Änderungsgesetz nach dem oben dargelegten Maßstab nicht gemessen werden; die Unzulässigkeit der Verfassungsänderung kann sich auch insoweit von vorn herein nur unter dem Gesichtspunkt eines Eingriffs in den unabänderlichen Kernbereich der Menschenwürde ergeben. Allein mit der Behauptung, der Schutzbereich des Art. 7 Abs. 2 LV sei durch das Achte Verfassungsänderungsgesetz erheblich verkürzt worden, zeigt der Beschwerdeführer einen solchen nicht auf. Dabei kann dahinstehen, ob es überhaupt zu den vom Beschwerdeführer behaupteten inhaltlichen Änderungen des Art. 7 Abs. 2 LV gekommen ist, wofür bereits wenig spricht. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers dürften schon die Begriffe „Jeder“ und „Jedem“ in Art. 7 Abs. 2 LV a. F. an eine natürliche Person als Bezugsobjekt angeknüpft haben (vgl. z. B. auch die Verwendung in Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG). Jedenfalls fehlt es an Ausführungen dazu, dass die entsprechenden Änderungen den Kerngehalt der Menschenwürde betreffen und insofern zu einer Absenkung des verfassungsrechtlich gebotenen Mindeststandards geführt haben könnten. In diesem Zusammenhang hätte sich die Verfassungsbeschwerde insbesondere mit der Bedeutung des Art. 7 Abs. 2 LV auseinandersetzen und berücksichtigten müssen, dass zumindest die vom Beschwerdeführer benannten staatlichen Organisationen schon über ‑ den unverändert gebliebenen ‑ Art. 7 Abs. 1 LV an die Achtung der Menschenwürde gebunden sind. Zudem ist der Staat wegen Art. 7 Abs. 1 Satz 2 LV dazu verpflichtet, Verletzungen der Menschenwürde auch durch Dritte zu verhindern. Insoweit spricht viel für die Annahme, dass mit einer etwaigen Änderung des Art. 7 Abs. 2 LV von vorn herein keine Einschränkung des Gewährleistungsgehalts der Menschenwürde einhergehen konnte, da der Regelung ohnehin nur deklaratorische Bedeutung zukommt (vgl. Beschluss vom 19. Mai 2017 ‌‑ VfGBbg 9/17 ‑,‌ https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de; Iwers, in: Lieber/Iwers/Ernst, LV, 2012, Art. 7 Anm. 3, der zutreffend darauf verweist, dass sich aus Art. 7 Abs. 2 LV auch nicht etwa ein Recht zur Selbsthilfe ableiten lässt). Diesen Gesichtspunkt lässt die Verfassungsbeschwerde ebenso unberücksichtigt wie den Umstand, dass eine Art. 7 Abs. 2 LV entsprechende Regelung sowohl im Grundgesetz als auch in anderen Landesverfassungen fehlt, obwohl diese ebenfalls rechtsstaatlichen und demokratischen Prinzipien verpflichtet sind. Auch das lässt es jedenfalls naheliegend erscheinen, Art. 7 Abs. 2 LV mit Blick auf den Gewährleistungsbereich der Menschenwürde eine allenfalls untergeordnete Rolle beizumessen, so dass es für die gegenteilige Behauptung substantiierten Vortrags bedurft hätte.

Der vom Beschwerdeführer weiter angeführte Art. 12 LV scheidet als unmittelbarer Prüfungsmaßstab für die Überprüfung eines verfassungsändernden Gesetzes ebenfalls aus. Die Verfassungsbeschwerde legt auch nicht dar, dass die Voranstellung der weiblichen Bezeichnung vor der männlichen den ‑ ggf. unabänderlichen ‑ Kernbereich des Benachteiligungsverbots des Art. 12 Abs. 2 LV in Frage stellen könnte.

Auch mit Blick auf seine weiteren Einwände lässt der Beschwerdeführer vor allem unberücksichtigt, dass sich die formellen Voraussetzungen für den Erlass eines verfassungsändernden Gesetzes allein aus Art. 79 LV ergeben. Insofern hätte es zur Begründung des vom Beschwerdeführer behaupteten Verstoßes gegen das Zitiergebot des Art. 5 Abs. 2 Satz 3 LV einer weitergehenden Auseinandersetzung mit dessen Anwendungsbereich bedurft.

Nicht substantiiert ist schließlich auch die behauptete Verletzung des Wahlrechts des Beschwerdeführers (Art. 22 LV), die er daraus ableiten will, dass weitreichende Änderungen der Verfassung nach deren Präambel und Art. 2 Abs. 2 bzw. Abs. 4 Satz 1 LV dem Volk vorbehalten seien. Hierbei übersieht die Beschwerde erneut, dass Verfassungsbestimmungen grundsätzlich gleichrangig und daher nicht aneinander zu messen sind. Prüfungsmaßstab einer Verfassungsänderung ist dementsprechend nicht etwa Art. 2 Abs. 4 Satz 1 LV, sondern allein Art. 79 Abs. 1 Satz 2 LV, wonach es zur Änderung der Verfassung der Zustimmung einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Landtages oder eines Volksentscheids nach Art. 78 Abs. 3 LV bedarf. Mit dem Inhalt dieser Regelung, aus der sich das von ihm behauptete „Rangverhältnis“ zwischen Volksentscheid und Zwei-Drittel-Mehrheit des Landtags offensichtlich nicht ergibt, beschäftigt sich der Beschwerdeführer nicht. Im Übrigen wäre aber selbst unter Zugrundelegung der Prämisse des Beschwerdeführers für eine hinreichende Begründung der Verfassungsbeschwerde die substantiierte Darlegung erforderlich gewesen, dass mit dem Achten Verfassungsänderungsgesetz überhaupt weitreichende und deshalb dem Volk vorbehaltene Änderungen einhergegangen sind, woran es ‑ wie dargelegt ‑ ebenfalls fehlt. Abgesehen davon, dass vor dem Hintergrund der rein sprachlichen Anpassungen durch das Achte Verfassungsänderungsgesetz auch der Einwand, das ursprüngliche Verfassungsreferendum des Volks werde entwertet, von vornherein nicht verfängt, setzt sich die Verfassungsbeschwerde diesbezüglich zudem nicht damit auseinander, dass es den Bürgerinnen und Bürgern des Landes auch nach Erlass des Achten Änderungsgesetzes freisteht, ihren verfassungspolitischen Vorstellungen im Rahmen eines Volksentscheids nach Art. 78 Abs. 3 LV Geltung zu verschaffen. Über das Verfahren nach Art. 115 LV steht ihnen daneben sogar die Möglichkeit der Totalrevision der Verfassung zu. Soweit der Beschwerdeführer ungeachtet dessen eine Bedrohung der Volkssouveränität (Art. 2 Abs. 2 LV) annimmt, ist hierfür weder aufgrund des Beschwerdevorbringens noch anderweitig etwas ersichtlich.

C.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

 

 

Möller

Dresen

Heinrich-Reichow

Kirbach

Müller

Richter

Sokoll

Dr. Strauß