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VerfGBbg, Beschluss vom 21. Juni 2024 - VfGBbg 38/23 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 56; LV, Art. 21; LV, Art. 22
- VerfGGBbg, § 20 Abs. 1 Satz 2; VerfGGBbg, § 46
Schlagworte: - Verfassungsbeschwerde unzulässig
- Begründungsanforderungen nicht erfüllt
- Sonderbeitrag für Mandatsträger
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 21. Juni 2024 - VfGBbg 38/23 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 38/23




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

VfGBbg 38/23

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

G.,

Beschwerdeführer,

wegen

Urteil des Amtsgerichts Fürstenwalde/Spree vom 24. Februar 2021 ‌‑ 26 C 206/20 ‑;‌ Beschlüsse des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 31. Juli 2023 und vom 31. August 2023 ‌‑ 16 S 45/21

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 21. Juni 2024

durch die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter Möller, Dr. Finck, Heinrich‑Reichow, Dr. Koch, Müller, Richter, Sokoll und Dr. Strauß

beschlossen: 

            Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.


Gründe:

A.

Der Verfassungsbeschwerde liegt ein zivilgerichtlicher Streit über die Verpflichtung zur Zahlung von Sonderbeiträgen für Mandatsträger einer Partei zugrunde.

I.

Der Beschwerdeführer war bis zum 2. September 2019 Mitglied der C. im Landesverband Brandenburg. Im Ergebnis der Landtagswahl 2014 war er für die C. Abgeordneter im Landtag Brandenburg und Mitglied der dortigen Fraktion.

Seit 2014 entrichtete der Beschwerdeführer auf Grundlage der Satzung des Landesverbands und der dazugehörigen Finanz- und Beitragsordnung (FBO) neben seinem regulären Mitgliedsbeitrag auch einen Sonderbeitrag in Höhe von acht Prozent der monatlichen Abgeordnetenentschädigung.

Nach internen Meinungsverschiedenheiten widerrief der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 17. Juni 2019 sein ursprünglich erteiltes Lastschriftmandat für den Einzug des Sonderbeitrags und ließ die Beiträge für Mai und Juni 2019 zurückbelasten. Den Sonderbeitrag für Juli und August 2019 zahlte er nicht. Mit Schreiben vom 2. September 2019 erklärte der Beschwerdeführer seinen Parteiaustritt.

Der C.-Landesverband Brandenburg verlangte daraufhin vom Beschwerdeführer die Zahlung der restlichen Sonderbeiträge für Mai bis August 2019 sowie die Erstattung entstandener Kosten für die Rücklastschrift. Auf seinen Antrag erließ das Amtsgericht Wedding in Berlin einen entsprechenden Mahnbescheid gegen den Beschwerdeführer. Nach dessen Widerspruch gab das Mahngericht den Rechtsstreit an das Amtsgericht Fürstenwalde/Spree ab.

Der Beschwerdeführer trat der Klage entgegen. Bei dem Sonderbeitrag handele es sich um eine freiwillige Spende. Die diesbezüglichen Regelungen in der Satzung des C.-Landesverbands und der zugehörigen Finanz- und Beitragsordnung seien verfassungswidrig und deshalb nichtig. Sie griffen in das durch Art. 56 der Verfassung des Landes Brandenburg (LV) garantierte freie Mandat ein. Ferner rügte der Beschwerdeführer, dass die der Beitragserhebung zugrundeliegenden Regelungen sittenwidrig seien und dass der klagende Landesverband ausstehende Sonderbeiträge nicht auch gegenüber anderen Parteimitgliedern geltend mache.

Mit Urteil vom 24. Februar 2021 verurteilte das Amtsgericht Fürstenwalde/Spree den Beschwerdeführer zur Zahlung von 2.358,20 Euro sowie Nebenkosten in Höhe von 12,08 Euro, jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. September 2019.

Die Pflicht des Beschwerdeführers zur Zahlung der streitgegenständlichen Sonderbeiträge ergebe sich aus § 7 der klägerischen Satzung i. V. m. § 5 FBO und Ziffern 6e und 7 der Anlage zu § 5 FBO. Die vom Beschwerdeführer hiergegen erhobenen Einwendungen griffen nicht durch.

Die Regelungen zur Erhebung eines Sonderbeitrags begründeten keine freiwillige Spendenbefugnis, sondern eine Beitragspflicht. Das folge bereits aus dem Wortlaut der einschlägigen Regelungen. Ob für solche Zahlungen später Spendenbescheinigungen ausgestellt würden, ändere an deren Regelungscharakter nichts.

Die Bestimmungen seien auch nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen nichtig. In der Gestaltung ihrer inneren Organisation, so auch der Mitgliedsbeiträge, seien Parteien grundsätzlich frei. Die eintretenden Mitglieder würden die Satzung und innere Ordnung der Partei ‑ und damit auch den Sonderbeitrag für Mandatsträger ‑ freiwillig anerkennen. Es stünde den Parteimitgliedern auch frei, ihre Mitgliedschaft wieder zu beenden. Mit der Erhebung des Sonderbeitrags für Mandatsträger sei kein unzulässiger Eingriff in die Freiheit der Mandatsausübung verbunden.

Aus dem gleichen Grund sei auch nichts ersichtlich, was auf eine Sittenwidrigkeit der Beitragshöhe schließen lassen könnte.

Die hiergegen seitens des Beschwerdeführers eingelegte Berufung wies das Landgericht Frankfurt (Oder) nach vorausgegangenem Hinweis mit Beschluss vom 31. Juli 2023 gemäß § 522 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) zurück. Zur Begründung führte es aus, dass ein Eingriff in die verfassungsmäßige Unabhängigkeit der Abgeordneten nicht zu erkennen sei. Der Bundesgerichtshof habe in der Entscheidung vom 31. Januar 2023 (II ZR 144/21) ausgeführt, dass unbeschadet der Frage des Umfangs der Mandatsfreiheit eines kommunalen Mandatsträgers Eingriffe durch die Pflicht zur Beitragszahlung nicht zu erkennen seien. Es werde regelmäßig zutreffen, dass der Erwerb eines Landtagsmandats ohne die Mitgliedschaft in einer politischen Partei kaum zu realisieren sei. Indes habe sich der Beschwerdeführer im Vorfeld der Parteisatzung freiwillig unterworfen. Weiter habe ihm der Austritt aus dem Landesverband mit der Folge der Beendigung der Zahlungspflicht jederzeit freigestanden. Die Gewährleistung der Mandatsfreiheit beziehe sich stets auf das ausgeübte Mandat und gebe keinen Anspruch auf Wiederwahl oder Wiederkandidatur. Schließlich sei die steuerliche Ausgestaltung und Einordnung der Beitragsleistung für die zivilgerichtliche Geltendmachung der Zahlung ohne Relevanz.

Die gegen diesen Beschluss erhobene Gehörsrüge des Beschwerdeführers wies das Landgericht Frankfurt (Oder) mit Beschluss vom 31. August 2023 ebenfalls zurück.

II.

Mit seiner am 27. September 2023 erhobenen Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen das Urteil des Amtsgerichts Fürstenwalde/Spree und die Beschlüsse des Landgerichts Frankfurt (Oder). Er rügt eine Verletzung von Art. 56 LV. Auch die Art. 21 LV und Art. 22 LV „sollten Berücksichtigung finden“.

Für die entrichteten Mandatsträgerbeiträge erhielten die Abgeordneten Zuwendungsbescheinigungen, so dass die Beiträge steuerlich geltend gemacht werden könnten. Er sei deshalb davon ausgegangen, dass die Zahlungen freiwillig erfolgten. Bisher sei dies auch die gelebte Praxis. In zahlreichen ihm bekannten Fällen, in denen Abgeordnete meist nach Zerwürfnissen die Beitragszahlungen eingestellt hätten, sei es nie zur gerichtlichen Durchsetzung gekommen. Tatsächlich sei er seit Gründung der Bundesrepublik der erste Abgeordnete eines Landtags bzw. des Bundestags, der auf eine solche Zahlung verklagt und zu dieser verurteilt worden sei.

Geradezu zynisch erscheine ihm die Auffassung des Landesverbands, wonach ein Eingriff in das freie Mandat nicht vorliege, weil zwar eine Zahlungsverpflichtung bestehe, sich die Abgeordneten dieser bei Eintritt in die Partei aber freiwillig unterworfen hätten und es ihnen freistehe, nach ihrem Eintritt in den Landtag aus der Partei wieder auszutreten. Es sei eine Tatsache, dass 100 Prozent der Mandate im Deutschen Bundestag und in den Landtagen von Personen errungen würden, die über Parteien und Wählervereinigungen zur Wahl aufgestellt worden seien. Wolle man die Rechte aus Art. 21 LV, Art. 22 LV und Art. 56 LV praktisch umsetzen, komme man an den Parteien nicht vorbei. Die Annahme einer Zahlungspflicht für die Sonderbeiträge verleihe diesen den Charakter eines Eintrittsgelds in das Parlament. Die Freiheit des Mandats umfasse auch, dass der Abgeordnete unabhängig von Zahlungsverpflichtungen entscheiden könne, wann er oder sie aus einer Partei austrete oder nicht. Ein freies Mandat müsse zudem auch frei errungen werden können. Dem stünden Verpflichtungen etwa aus einer Parteisatzung entgegen, die bereits im Vorfeld ein künftiges Mandat belasteten. Es sei im Übrigen höchst fragwürdig, wenn für eine verpflichtende Zahlung Spendenquittungen ausgestellt würden. Der steuerrechtliche Spendenbegriff setze stets Freiwilligkeit voraus.

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) zu verwerfen. Sie ist unzulässig.

1. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 31. August 2023 richtet, fehlt dem Beschwerdeführer das Rechtsschutzbedürfnis. Die Zurückweisung der Anhörungsrüge enthält regelmäßig keine eigene Beschwer, da durch sie allenfalls eine bereits durch die Ausgangsentscheidung eingetretene Verletzung rechtlichen Gehörs fortbesteht. Ein schutzwürdiges Interesse an einer zusätzlichen verfassungsgerichtlichen Überprüfung der Gehörsrügeentscheidung besteht deshalb grundsätzlich ‑ so auch hier ‑ nicht (vgl. Beschluss vom 16. Dezember 2022 ‌‑ VfGBbg 76/20 ‑,‌ Rn. 22 m. w. N., https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de).

2. Im Übrigen genügt die Verfassungsbeschwerde insgesamt nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung.

Notwendig ist nach § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg eine Begründung, welche schlüssig die mögliche Verletzung des geltend gemachten Grundrechts des Beschwerdeführers aufzeigt. Sie muss umfassend und aus sich heraus verständlich sein. Mit der Begründung müssen der entscheidungserhebliche Sachverhalt und die wesentlichen rechtlichen Erwägungen nachvollziehbar dargelegt werden, um dem Verfassungsgericht eine sachgerechte Auseinandersetzung mit dem geltend gemachten Begehren zu ermöglichen. Hierzu gehört zunächst in formeller Hinsicht, dass die angegriffenen Entscheidungen sowie die zugrundeliegenden Rechtsschutzanträge und andere Dokumente, ohne deren Kenntnis sich nicht beurteilen lässt, ob die Verfassungsbeschwerde zulässig und begründet ist, vorzulegen oder wenigstens durch inhaltliche Wiedergabe zur Kenntnis zu bringen sind. Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung, bedarf es zudem einer argumentativen Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung und ihrer konkreten Begründung. Dabei ist auch darzulegen, inwieweit das bezeichnete Grundrecht durch die angegriffene Entscheidung verletzt sein soll und mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen sie kollidiert. Dazu bedarf es einer umfassenden einfachrechtlichen und verfassungsrechtlichen Aufarbeitung der Rechtslage. Demnach muss der Beschwerdeführer ausgehend vom Entscheidungsinhalt aufzeigen, worin der Grundrechtsverstoß aus seiner Sicht im Einzelnen liegt (st. Rspr., vgl. Beschluss vom 17. November 2023 ‌‑ VfGBbg 70/21 ‑,‌ Rn. 39 m. w. N., https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de).

Diesen Anforderungen wird die Verfassungsbeschwerde weder in formeller noch in materieller Hinsicht gerecht.

Der Beschwerdeführer hat bereits nicht alle für eine Entscheidung des Verfassungsgerichts erforderlichen Unterlagen vorgelegt. Nicht eingereicht hat der Beschwerdeführer den nach § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO ergangenen Hinweisbeschluss des Landgerichts, auf den das Gericht in der angegriffenen Entscheidung vom 31. Juli 2023 ausdrücklich Bezug genommen hat und aus dem sich die wesentlichen Entscheidungsgründe ergeben dürften. Die vom Beschwerdeführer begehrte Überprüfung der Erwägungen des Landgerichts auf deren Verfassungsmäßigkeit ist ohne Kenntnis dieses Beschlusses nicht möglich. Es ist insoweit auch nicht Aufgabe des Verfassungsgerichts, sich die erforderlichen Informationen durch die Beziehung der Verfahrensakte des Ausgangsverfahrens selbst zu verschaffen.

Unabhängig davon erfüllt die Verfassungsbeschwerde die Begründungsanforderungen auch in materieller Hinsicht nicht.

Die Beschwerde zeigt nicht hinreichend substantiiert auf, dass Amts- oder Landgericht den Gewährleistungsgehalt des Art. 56 LV grundlegend verkannt haben könnten. Es fehlt sowohl die erforderliche Auseinandersetzung mit den im Beschluss vom 31. Juli 2023 enthaltenen Erwägungen des Landgerichts als auch mit der dort ausdrücklich in Bezug genommenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 31. Januar 2023 ‌‑ II ZR 144/21 ‑,‌ juris), in der es zwar um Sonderbeiträge eines ehrenamtlichen Bürgermeisters ging, die sich ungeachtet dessen aber auch zu den hier vom Beschwerdeführer erhobenen Einwänden verhält. Zudem hatte sich ausweislich des vom Beschwerdeführer eingereichten Schriftsatzes vom 7. September 2020 bereits der Kläger im Ausgangsverfahren für die von ihm vertretene Auffassung auf Stimmen der rechtwissenschaftlichen Literatur sowie eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 9. April 1992 ‌‑ 2 BvE 2/89 ‑,‌ BVerfGE 84, 264, 311, Rn. 146, juris) berufen. Zu alledem verhält sich der Beschwerdeführer nicht, sondern beschränkt sich in der Beschwerdeschrift letztlich darauf, seine Ausführungen und Rechtsansichten aus dem Klageverfahren zu wiederholen. Das reicht zur Begründung einer Verfassungsbeschwerde nicht aus.

Ein Verstoß gegen Art. 21 LV oder Art. 22 LV, zu deren Betroffenheit in dem hier vorliegenden Fall jegliche Ausführungen fehlen, ist erst recht nicht hinreichend dargetan.

C.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

 

 

Möller

Dr. Finck

Heinrich-Reichow

Dr. Koch

Müller

Richter

Sokoll

Dr. Strauß