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VerfGBbg, Beschluss vom 19. Januar 2024 - VfGBbg 70/21 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
sonstige
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 52 Abs. 3 Alt. 2; LV, Art. 52 Abs. 4 Satz 1; LV, Art. 51 Abs. 1 Satz 2; LV, Art. 112 Abs. 2 Satz 2
Schlagworte: - Anhörungsrüge
- Grundsatz des fairen Verfahrens
- Recht auf den gesetzlichen Richter
- Anwendbarkeit offengelassen
- Besetzung des Verfassungsgerichts mit Nichtjuristen

Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 19. Januar 2024 - VfGBbg 70/21 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 70/21




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

VfGBbg 70/21

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

H.,

Beschwerdeführer,

wegen

Anhörungsrüge gegen den Beschluss vom 17. November 2023

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 19. Januar 2024

durch die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter Möller, Dr. Finck, Heinrich‑Reichow, Dr. Koch, Müller, Richter, Sokoll und Dr. Strauß

beschlossen: 

Die Anhörungsrüge wird zurückgewiesen.

 

Gründe:

A.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen den Beschluss des Verfassungsgerichts vom 17. November 2023. Mit diesem Beschluss hatte das Gericht die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers teilweise verworfen und im Übrigen zurückgewiesen. Hiergegen hat der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 30. November 2023 Anhörungsrüge erhoben.

B.

Soweit der Beschwerdeführer einen Verstoß des Gerichts gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens nach Art. 52 Abs. 4 Satz 1 Verfassung des Landes Brandenburg (LV) und das Recht auf den gesetzlichen Richter nach Art. 52 Abs. 1 Satz 2 LV geltend macht, spricht bereits vieles dafür, dass die Anhörungsrüge unzulässig ist, weil deren Anwendungsbereich auf Verstöße gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV beschränkt ist (vgl. zum Meinungsstand betreffend eine analoge Anwendung: BVerfG, Beschlüsse vom 14. Mai 2007 ‌‑ 1 BvR 730/07 ‑,‌ Rn. 17 ff., www.bverfg.de, und vom 30. Juni 2009 ‌‑ 1 BvR 893/09 ‑,‌ Rn. 17 f., juris; BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2007 ‌‑ I ZR 47/06 ‑,‌ Rn. 4 f., juris; Rudisile, in: Schoch/Schneider, VwGO, 44. EL März 2023, § 152a Rn. 36 ff.; Happ, in Eyermann, VwGO, 16. Auflage 2022, § 152a Rn. 4).

Jedenfalls ist die Anhörungsrüge unbegründet.

Das Verfassungsgericht war bei der Entscheidung vom 17. November 2023 ordnungsgemäß besetzt. Art. 112 Abs. 2 Satz 2 LV verbietet entgegen der Annahme des Beschwerdeführers nicht, dass es sich bei mehr als einem Drittel der Mitglieder des Gerichts um Berufsrichter handelt. Nach dem klaren Wortlaut dieser Regelung, die Art. 108 Abs. 2 LV in ihrem Anwendungsbereich vorgeht, ist die Besetzung des Verfassungsgerichts bis zu einem Drittel mit Nichtjuristen zwar möglich, nicht aber zwingend („ ..sowie Mitgliedern zusammen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen müssen“). Auch das „letzte“ Drittel kann ‑ gegebenenfalls vollständig ‑ aus Berufsrichtern bestehen.

Der Beschluss des Verfassungsgerichts vom 17. November 2023 hat auch den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör nicht verletzt. Einen Gehörsverstoß zeigt der Beschwerdeführer insbesondere nicht mit seinem Vortrag zu Art. 96 Abs. 3 LV auf. Wie sich aus Randnummer 38 des Beschlusses vom 17. November 2023 ergibt, hat das Gericht das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers sehr wohl zur Kenntnis genommen und in seiner Entscheidung verarbeitet. Dass es dabei zu einem anderen Ergebnis gekommen ist als der Beschwerdeführer, begründet keinen Gehörsverstoß. Dies gilt auch für die vom Beschwerdeführer behauptete Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV schützt die Verfahrensbeteiligten nicht davor, dass das Gericht ihre rechtlichen Beurteilungen nicht teilt und zu einer abweichenden Rechtsauffassung gelangt (st. Rspr, vgl. Beschlüsse vom 12. Mai 2023 ‌‑ VfGBbg 55/21 ‑,‌ Rn. 28, und vom 16. März 2018 ‌‑ VfGBbg 56/16 ‑,‌ https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Abgesehen davon hat das Gericht im Beschluss vom 17. November 2023 lediglich festgestellt, dass sich der Beschwerdeführer in der Verfassungsbeschwerde nicht unmittelbar auf Art. 96 Abs. 3 LV berufen kann. Dazu, ob Art. 96 Abs. 3 LV eine mittelbare Bedeutung im Rahmen der Rüge eines Verstoßes gegen Art. 10 LV zukommen kann, wie der Beschwerdeführer nunmehr erstmalig geltend macht, verhält sich der Beschluss vom 17. November 2023 nicht. Insoweit liegt der geltend gemachte Widerspruch zu der zu Art. 33 Abs. 4 Grundgesetz ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch nicht vor.

Die übrigen Ausführungen des Beschwerdeführers im Schriftsatz vom 30. November 2023 zeigen ebenfalls weder einen Gehörsverstoß noch einen Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens auf. Das Gericht hat bereits im Beschluss vom 17. November 2023 (Randnummer 48) darauf hingewiesen, dass es nicht seine Aufgabe ist, den Sachverhalt über das Vorbringen des Beschwerdeführers hinaus aufzuklären, um so Zweifel über das Vorliegen der Zulässigkeitsvoraussetzungen auszuräumen. Auch aus Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV oder Art. 52 Abs. 4 Satz 1 LV ergibt sich insoweit kein Anspruch auf Beiziehung der Verfahrensakten des Ausgangsverfahrens.

C.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

 

 

Möller

Dr. Finck

Heinrich-Reichow

Dr. Koch

Müller

Richter

Sokoll

Dr. Strauß