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VerfGBbg, Beschluss vom 17. September 2021 - VfGBbg 37/21 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - VerfGGBbg, § 20 Abs. 1 Satz 2; VerfGGBbg, § 21 Satz 1; VerfGGBbg, § 46; VerfGGBBg, § 50 Abs. 3
- VwGO, § 52 Nr. 4; VwGO, § 52 Nr. 5; VwGO, § 54 Abs. 2
Schlagworte: - Verfassungsbeschwerde unzulässig
- Verfassungsgericht
- Zurückverweisung
- Verweisungsbeschluss
- gesetzlicher Richter
- ausgeschlossener Richter
- unzureichende Begründung
- Subsidiarität
- Superrevisionsinstanz
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 17. September 2021 - VfGBbg 37/21 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 37/21




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

VfGBbg 37/21

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

P.,

Beschwerdeführer,

wegen

Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 30. März 2021
- VG 1 K 526/21

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 17. September 2021

durch die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter Möller, Dresen, Dr. Finck, Heinrich-Reichow, Kirbach, Müller, Richter, Sokoll und Dr. Strauß

beschlossen: 

 

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.   

Gründe:

A.

I.

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen einen Verweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam.

Mit Beschluss vom 19. Februar 2021 - VfGBbg 9/20 - hob das Verfassungsgericht  des Landes Brandenburg den Verweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 27. Dezember 2019 - VG 11 K 2881/19 -, mit dem das Verfahren des Beschwerdeführers zur Anfechtung der Wahl zum Präsidialrat beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg an das Verwaltungsgericht Berlin verwiesen worden war, auf und verwies die Sache unter Bezugnahme auf § 50 Abs. 3 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) „zur weiteren Entscheidung an das Verwaltungsgericht Potsdam“ zurück. Das Verfahren wurde dort unter dem Aktenzeichen VG 1 K 526/21 fortgeführt.

Der Beschwerdeführer erhielt mit Verfügung des Vorsitzenden der 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 11. März 2021 Gelegenheit, zur nunmehr beabsichtigten Verweisung an das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) bis zum 24. März 2021 Stellung zu nehmen. Eine Stellungnahme erfolgte nicht.

Sodann verwies das Verwaltungsgericht Potsdam das Wahlanfechtungsverfahren des Beschwerdeführers mit Beschluss vom 30. März 2021 gemäß § 52 Nr. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) „an das zuständige Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder)“, da dort, nämlich beim Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) selbst, der zum Zeitpunkt der Erhebung der Wahlanfechtung „richtige Beklagte“, der Gesamtwahlvorstand für die Wahlen in Brandenburg zum Präsidialrat, seinen Sitz gehabt habe. Der Beschluss setzt sich in der Begründung ausführlich und letztlich ablehnend mit der Rechtsansicht auseinander, dass sich der „richtige Beklagte“ nach dem Rechtsträgerprinzip richte, maßgeblich für die örtliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts also der Sitz des Ministeriums der Justiz in Potsdam sei.

Der Beschwerdeführer erhob unter dem 16. April 2021 gegen den Verweisungsbeschluss eine Anhörungsrüge. Er habe den Beschluss vom 30. März 2021 nach Ostermontag, den 5. April 2021 erhalten. Er rügte die Verletzung von Art. 101 Satz 2 GG (gesetzlicher Richter) und Art. 103 Abs. 1 GG (rechtliches Gehör), die Verletzung des Willkürverbots, des Justizgewährungsanspruchs, des Recht auf Zugang zum zuständigen Gericht, des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz und des Anspruchs auf ein faires und zügiges Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht des Landes Brandenburg. Die Verweisung an das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) sei evident falsch beziehungsweise hätte zumindest jetzt noch nicht ergehen dürfen. Für die aus dem Richterverhältnis folgende Wahlanfechtung sei allein § 52 Nr. 4 VwGO maßgeblich, so dass das Verwaltungsgericht Potsdam zuständig sei. Selbst wenn man dies anders sehen würde, sei die Verweisung zur Unzeit erfolgt, denn seinem Antrag und den Anträgen weiterer Wahlanfechtenden, die bislang getrennt geführten Verfahren zu verbinden, sei bislang nicht gefolgt worden.

Das Verwaltungsgericht Potsdam wies die Anhörungsrüge mit Beschluss vom 5. Mai 2021 ‑ VG 1 K 946/21.R - zurück. Ein Gehörsverstoß liege nicht vor, wenn das Gericht dem Beteiligtenvorbringen aus Gründen des formalen oder materiellen Rechts oder aufgrund anderer Beurteilung nicht folge. Der Beschwerdeführer habe sich erstmals in seiner Anhörungsrüge zur Frage der örtlichen Zuständigkeit und der Verweisung geäußert. Er habe zuvor auch keine Fristverlängerung für seine Stellungnahme zur beabsichtigen Verweisung beantragt. Indem der Beschwerdeführer seine rechtliche Würdigung im Stil einer materiellen Beschwerdebegründung vortrage, rüge er nicht die Verletzung des rechtlichen Gehörs. Der Anspruch auf rechtliches Gehör beziehe sich darauf, entscheidungserhebliche Anträge und Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in die Erwägungen des Gerichts einzubeziehen.

II.

Der Beschwerdeführer hat am Montag, den 7. Juni 2021 Verfassungsbeschwerde gegen den Verweisungsbeschluss vom 30. März 2021 ‑ VG 1 K 526/21 - erhoben. Er rügt die Verletzung des Justizgewährungsanspruchs, der Rechte auf Zugang zum zuständigen Gericht, auf effektiven Rechtsschutz und auf eine willkürfreie Entscheidung sowie des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Insbesondere werde gegen die Entscheidung des Verfassungsgerichts vom 19. Februar 2021 ‑ VfGBbg 9/20 - verstoßen. Die damit erfolgte Zurückverweisung an das Verwaltungsgericht Potsdam sei bindend und begründe konstitutiv und abschließend dessen Zuständigkeit zur Entscheidung in der Sache. Der Beschwerdeführer rügt mit der Verfassungsbeschwerde erstmalig, dass der Vorsitzende Richter der 1. Kammer auch Mitglied des örtlichen Wahlvorstands gewesen sei. Dieser sei daher möglicherweise gemäß § 54 Abs. 2 VwGO im Verfahren der Wahlanfechtung von einer Entscheidung ausgeschlossen. Es habe somit nicht der gesetzliche Richter entschieden. Der Beschwerdeführer trägt weiterhin vor, es sei unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbar, die Verweisung auf § 52 Nr. 5 VwGO zu stützen, denn einen „Beklagten“ im Sinne des § 52 Nr. 5 VwGO gebe es bei der Wahlanfechtung nicht. Das Verfassungsgericht spreche in seinem zugrunde liegenden Beschluss daher vom „passivlegitimierten Beteiligten“.

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 1 VerfGGBbg zu verwerfen. Sie ist unzulässig.

Sie genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung. Erforderlich ist nach § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg eine Begründung, welche schlüssig die mögliche Verletzung der geltend gemachten Grundrechte des Beschwerdeführers aufzeigt. Sie muss umfassend und aus sich heraus verständlich sein. Mit der Begründung müssen der entscheidungserhebliche Sachverhalt und die wesentlichen rechtlichen Erwägungen nachvollziehbar dargelegt werden, um dem Gericht eine sachgerechte Auseinandersetzung mit dem geltend gemachten Begehren zu ermöglichen. Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung, bedarf es in der Regel einer argumentativen Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung und ihrer konkreten Begründung. Dabei ist auch darzulegen, inwieweit das bezeichnete Grundrecht durch die angegriffene Entscheidung verletzt sein soll und mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen die Entscheidung kollidiert. Es bedarf einer umfassenden einfachrechtlichen und verfassungsrechtlichen Aufarbeitung der Rechtslage. Demnach muss der Beschwerdeführer ausgehend vom Entscheidungsinhalt aufzeigen, worin der Grundrechtsverstoß aus seiner Sicht im Einzelnen liegt (st. Rspr., vgl. Beschluss vom 19. Februar 2021 ‌‑ VfGBbg 28/20 -, Rn. 9, https://verfassungsgericht.brandenburg.de, m. w. N.).

Dies leistet die Beschwerdeschrift nicht. Sie benennt zwar Rechte aus der Verfassung des Landes Brandenburg als verletzt, zeigt aber eine mögliche Verletzung in Auseinandersetzung mit den Gründen der angegriffenen Entscheidung und dem Inhalt der geltend gemachten Grundrechte nicht auf. Zur behaupteten Verletzung des Justizgewährungsanspruchs, der Rechte auf Zugang zum zuständigen Gericht, auf effektiven Rechtsschutz und auf eine willkürfreie Entscheidung sowie des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch die angegriffene Entscheidung erfolgen keine inhaltlichen Ausführungen zur Darlegung von Verfassungsverstößen.

Bezüglich der Rügen, ein ausgeschlossener Richter habe bei der Verweisung entschieden und die Verweisung an das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) sei rechtlich nicht haltbar, erfolgen zwar einfach-rechtliche Ausführungen, aber keine verfassungsrechtliche Aufarbeitung. Die Rüge, ein ausgeschlossener Richter habe entschieden, ist zudem erstmals in der Verfassungsbeschwerde erhoben worden. Sie ist nach dem Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde als unzulässig ausgeschlossen. Sie hätte bereits in früheren Verfahrensstadien erhoben werden müssen und können. Dem Beschwerdeführer, der selbst Mitglied des örtlichen Wahlvorstands war, war der Umstand bekannt, dass der Vorsitzende der 1. Kammer Mitglied eben dieses Wahlvorstands war.

Auch bezüglich der Rüge, dass die Verweisung an das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) im Rahmen der Regelung der örtlichen Zuständigkeiten aus § 52 VwGO nicht haltbar sei, erfolgt keine verfassungsrechtliche Aufarbeitung. Das Landesverfassungsgericht ist keine Superrevisionsinstanz zur Überprüfung der Fachgerichtsbarkeit und zur letztinstanzlichen Klärung von Fragen der Auslegung und Anwendung einfachen Rechts, die den Fachgerichten obliegt, sondern hat allein darüber zu wachen, ob gegen die Landesverfassung verstoßen worden ist (st. Rspr., vgl. Beschluss vom 30. November 2018 ‌‑ VfGBbg 56/16 -, https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de). Einen Verfassungsverstoß, etwa gegen das Willkürverbot, legt der Beschwerdeführer indes nicht hinreichend dar. Die Behauptung, die Annahme der örtlichen Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) gemäß § 52 Nr. 5 VwGO sei unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbar, vermag eine Auseinandersetzung mit den diesbezüglichen Ausführungen in der angegriffenen Entscheidung nicht zu ersetzen.

Der Verweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam verstößt auch nicht gegen den Beschluss des Landesverfassungsgerichts vom 19. Februar 2021 in dem Verfahren VfGBbg 9/20. Unter Beachtung der für die Verfassungsgerichtsbarkeit gegenüber der einfachrechtlichen Auslegung durch die Fachgerichte gebotenen Zurückhaltung hat das Verfassungsgericht mit dieser Entscheidung nur den Verweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 27. Dezember 2019 ‌‑ VG 11 K 2881/19 -, mit dem das Verfahren des Beschwerdeführers an das Verwaltungsgericht Berlin verwiesen worden war, aufgehoben und nicht in die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte eingegriffen, über ihre örtliche Zuständigkeit im Land Brandenburg zu entscheiden. Insbesondere hat es nicht das für die Sachentscheidung örtlich zuständige Gericht bestimmt, sondern das Wahlanfechtungsverfahren an das Ausgangsgericht zur weiteren Entscheidung - auch über eine mögliche Verweisung - zurückverwiesen. 

C.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

 

 

Möller

Dresen

Dr. Finck

Heinrich-Reichow

Kirbach

Müller

Richter

Sokoll

Dr. Strauß