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VerfGBbg, Beschluss vom 16. Juni 2023 - VfGBbg 65/21 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 10
Schlagworte: - Verfassungsbeschwerde, unbegründet
- allgemeines Persönlichkeitsrecht, Schutzbereich
- Handlungsfreiheit
- fachgerichtliche Auslegung
- Amtshaftung
- Schadensersatz
- Schmerzensgeld
- Jagdschein
- Jagd

Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 16. Juni 2023 - VfGBbg 65/21 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 65/21




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

VfGBbg 65/21

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

J.,

Beschwerdeführer,

Verfahrensbevollmächtigter:              Rechtsanwalt
                                                                 N.,

 

wegen

Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 31. August 2021 ‌- 2 U 9/21

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 16. Juni 2023

durch die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter Dr. Strauß, Dr. Finck, Heinrich-Reichow, Kirbach, Müller, Richter und Sokoll

beschlossen: 

Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

A.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen einen Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, mit dem seine Berufung gegen ein in einem Amtshaftungsprozess ergangenes Urteil des Landgerichts Potsdam zurückgewiesen worden ist.

I.

Der Beschwerdeführer ist Eigentümer von bejagbaren Flächen im Jagdbezirk W. und Mitglied der Jagdgenossenschaft W.

Im März 2015 wandte sich der Beschwerdeführer zwecks Verlängerung seines bis zum 31. März 2015 gültigen Jagdscheins an die untere Jagdbehörde. Der Sachbearbeiter wies den Beschwerdeführer darauf hin, dass im Hinblick auf ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft gegen ihn wegen Diebstahls erst nach Einsicht in die Ermittlungsakten über die Weitererteilung des Jagdscheins entschieden werden könne. Mit Schreiben vom 27. März 2015 teilte der Beschwerdeführer der Jagdbehörde mit, dem Ermittlungsverfahren liege ein angeblicher Diebstahl von zwei Ansitzeinrichtungen zugrunde, die er, der Beschwerdeführer, von seinem eigenen Grundstück entwendet haben solle. Die ohne seine Zustimmung errichteten Ansitzeinrichtungen habe er entfernt, um seiner Verkehrssicherungspflicht als Grund-stückseigentümer nachzukommen. Nachfolgend bot der Beschwerdeführer die Einsichtnahme in eine Kopie der Ermittlungsakte an und wies darauf hin, dass er durch die Aussetzung der Verlängerung u. a. in seiner Ehre verletzt werde.

Am 7. Juli 2015 beantragte der Beschwerdeführer förmlich die Weitererteilung des Jagdscheins. Die Jagdbehörde teilte dem Beschwerdeführer am gleichen Tag mit, dass über seinen Antrag erst entschieden werde, wenn das gegen ihn anhängige Strafverfahren rechtskräftig abgeschlossen sei. Bei dem Termin kam es zu einer Auseinandersetzung mit dem Sachbearbeiter. Der Sachbearbeiter zog den Jagdschein ein und fertigte einen Aktenvermerk mit dem Inhalt, der Beschwerdeführer habe geäußert, den Jagdschein auch ungültig zur Legitimation seines Schusswaffen- und Munitionsbesitzes zu benötigen. Es bestehe der Verdacht, dass der Beschwerdeführer unerlaubt im Besitz von Langwaffen und Langwaffenmunition sei. Den Vermerk übersandte der Sachbearbeiter der Polizei; ein Ermittlungsverfahren wurde eingeleitet und am 25. August 2015 eingestellt, ohne dass der Beschwerdeführer hiervon zunächst Kenntnis erhielt.

Mit Schreiben vom 26. Juni 2017 teilte der Verfahrensbevollmächtigte des Beschwerdeführers der Jagdbehörde mit, das Strafverfahren wegen Diebstahls sei nach § 153 Abs. 2 Strafprozeßordnung (StPO) eingestellt worden. Er forderte die Jagdbehörde auf, bis zum 3. Juli 2017 den Jagdschein zu verlängern.

Der Beschwerdeführer erhob am 7. Juli 2017 Untätigkeitsklage beim Verwaltungsgericht Potsdam gegen den Landrat des Landkreises X. als untere Jagdbehörde (der Beklagte).

Der Beklagte hörte mit Schreiben vom 6. Oktober 2017 den Beschwerdeführer wegen einer beabsichtigten Versagung des Jagdscheins an. Mit Bescheid vom 19. März 2018 lehnte er den Antrag auf Weitererteilung des Jagdscheins ab und setzte eine Sperrfrist für die Wiedererteilung bis zum 31. März 2020 fest. Er verwies u. a. auf das eingestellte Strafverfahren wegen Diebstahls und ein weiteres eingestelltes Strafverfahren wegen des Vorwurfs der Störung der Jagdausübung als Nötigung. Der Beschwerdeführer besitze nicht die erforderliche Zuverlässigkeit. Er habe wiederholt gegen jagdrechtliche Vorschriften verstoßen; auf eine Ahndung als Straftaten komme es nicht an.

Das Verwaltungsgericht hob mit Urteil vom 5. April 2018 (VG 4 K 4017/17) den Bescheid vom 19. März 2018 auf und verpflichtete den Beklagten, dem Beschwerdeführer umgehend einen Jahresjagdschein mit einer Geltungsdauer von drei Jagdjahren zu erteilen.

Die Ablehnung der (Wieder-)Erteilung des Jagdscheins in dem angegriffenen Bescheid sei rechtswidrig und verletze den Beschwerdeführer in seinen Rechten. Der Beschwerdeführer habe einen Anspruch auf Wiedererteilung des Jagdscheins, da die Voraussetzungen des § 15 Bundesjagdgesetz (BJagdG) vorlägen. Insbesondere sei ein Versagungsgrund nach § 17 BJagdG nicht gegeben. Insgesamt seien die genannten Verstöße nicht so gravierend, dass sie die Annahme der Unzuverlässigkeit des Beschwerdeführers rechtfertigen würden. Das Strafverfahren wegen Diebstahls sei nach § 153 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Der Vorwurf, der Beschwerdeführer habe eine Gesellschaftsjagd gestört, sei allenfalls als ein leichter Verstoß gegen § 26 Abs. 4 Jagdgesetz für das Land Brandenburg (BbgJagdG) zu bewerten.

Unter dem 31. Dezember 2018 erhob der Beschwerdeführer gegen den Beklagten Amtshaftungsklage beim Landgericht Potsdam. Er begehrte mit der Behauptung, er sei aufgrund der rechtswidrigen Versagung der Verlängerung seines Jahresjagdscheins von April 2015 bis März 2019 an der Ausübung der Jagd gehindert gewesen, ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, das eine Höhe von 6.000 Euro nicht unterschreiten solle. Mit der zu Unrecht über drei Jahre nicht verlängerten Jagderlaubnis habe der Beklagte in sein Recht auf Entfaltung seiner Persönlichkeit eingegriffen. Die Jagd sei mehr als ein Hobby, nämlich Berufung und Lebensphilosophie.

Mit Urteil vom 18. Dezember 2020 (4 O 462/18) sprach das Landgericht Potsdam dem Beschwerdeführer ein Schmerzensgeld von 1.000 Euro nebst Zinsen zu und wies die weitergehende Klage ab.

Schadensersatzansprüche für den Zeitraum bis zur Erhebung der Untätigkeitsklage im Juli 2017 seien gemäß § 839 Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ausgeschlossen. Der schon im Juli 2015 anwaltlich beratene Beschwerdeführer habe es zumindest fahrlässig unterlassen, einen Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden; er habe insoweit insbesondere nach der Auseinandersetzung mit dem Sachbearbeiter am 7. Juli 2015 sein Begehren nicht weiterverfolgt und auch nicht um einstweiligen Rechtsschutz ersucht.

Für den Zeitraum der nach Erhebung der Untätigkeitsklage nicht verlängerten Jagderlaubnis könne der Beschwerdeführer vom Beklagten ideellen Schadensersatz gemäß § 839 BGB i. V. m. Art. 34 Grundgesetz (GG) und Art. 1, Art. 2 GG beanspruchen. Die untere Jagdbehörde des Beklagten habe dem Beschwerdeführer gegenüber bestehende Amtspflichten schuldhaft verletzt, indem sie die Entscheidung über den im Juli 2015 eingereichten Verlängerungsantrag vom Ausgang des gegen den Beschwerdeführer eingeleiteten Ermittlungsverfahrens wegen Diebstahls abhängig gemacht habe, nach Einstellung des Verfahrens den Antrag weiterhin nicht beschieden und mit Bescheid vom 19. März 2018 diesen schließlich abgelehnt hatte.

Mit der am 25. Januar 2021 beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingelegten Berufung verfolgte der Beschwerdeführer sein erstinstanzliches Begehren im Umfang der Klageabweisung weiter. Die Berufung begründete er u. a. damit, dass das Landgericht die Intensität der Beeinträchtigung durch die rechtswidrige Vorenthaltung der Verlängerung des Jagdscheins verkannt habe. Wie er erstinstanzlich angeführt habe, sei die Jagd für Jäger mehr als nur ein Hobby. Jäger sei man mit Leib und Seele. Die Jagd sei eine Lebenseinstellung, die das tägliche Denken und Handeln beeinflusse.

Das Brandenburgische Oberlandesgericht wies mit Beschluss vom 18. Juni 2021 (2 U 9/21) darauf hin, dass es beabsichtige, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) zurückzuweisen. Das Rechtsmittel habe offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Es fehle insbesondere an einer Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Beschwerdeführers.

Die Aufgabe des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sei, im Sinne des obersten Konstitutionsprinzips der Würde des Menschen (Art. 1 Abs. 1 GG) die engere persönliche Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen zu gewährleisten, die sich durch die traditionellen Freiheitsgarantien nicht vollständig erfassen ließen.

Die Möglichkeit der Jagdausübung stelle jedenfalls kein konstitutives Element der Persönlichkeitsentfaltung und der Persönlichkeit dar, welches in seiner konstituierenden Bedeutung für die Persönlichkeit den Freiheitsrechten des Grundgesetzes gleich zu achten sei. Die Jagdausübung sei nicht einem autonomen Bereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen, sondern betreffe eine für den die Jagd Ausübenden in hohem Maße heteronome Materie, in der das Interesse, sich in der Jagd zu verwirklichen, stets einer Reihe anderer schutzwürdiger Belange - etwa der öffentlichen Sicherheit, dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und der Tiere im Sinne des Art. 20a GG sowie einer ordnungsgemäßen land-, forst- und fischereiwirtschaftlichen Nutzung im Sinne von § 1 Abs. 2 BJagdG - Rechnung zu tragen habe. Insofern unterscheide sich das Jagd- bzw. Jagdausübungsrecht ganz wesentlich von den in der Rechtsprechung anerkannten Gewährleistungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, wie beispielsweise dem Schutz der Privat- und Intimsphäre vor Ausforschung, dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung, dem Recht am eigenen Bild und am eigenen Wort, dem Selbstbestimmungsrecht über die Darstellung des persönlichen Lebens- und Charakterbilds, dem Schutz personaler Autonomie im Hinblick auf das Namensrecht, die sexuelle Selbstbestimmung und die Geschlechtszugehörigkeit sowie dem Recht auf Schutz und zukunftsgerichtete Sicherung persönlicher Belange, wie etwa den Entwicklungsschutz des Kindes oder das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung.

Auch wenn die Jagdausübung nach dem Selbstverständnis des Klägers einen zentralen Aspekt seiner Persönlichkeit ausmache, könne hierin keine über die allgemeine Handlungsfreiheit hinausgehende, für seine Persönlichkeitsentfaltung konstitutive Freiheitsbetätigung erkannt werden, die eine Einbeziehung in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts rechtfertige.

Der Beschwerdeführer trat der Rechtsauffassung des Senats in seiner Stellungnahme vom 29. März 2021 unter Wiederholung und Vertiefung seines Vorbringens entgegen und verwies ergänzend auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Beschäftigungsanspruch.

Mit Beschluss vom 31. August 2021 (2 U 9/21), dem Verfahrensbevollmächtigten am 14. September 2021 zugestellt, wies das Brandenburgische Oberlandesgericht die Berufung zurück. Der Senat führte im Wesentlichen aus, die Möglichkeit der Ausübung der Jagd sei nicht dem grundsätzlich unantastbaren innersten Kernbereich höchstpersönlicher privater Lebensgestaltung und auch nicht dem Bereich autonomer Lebensgestaltung zuzurechnen, in dem jeder seine Individualität unter Ausschluss anderer entwickeln und wahrnehmen könne und in den Eingriffe deshalb nur unter engen Voraussetzungen zu rechtfertigen seien. Die Ausübung der Jagd betreffe vielmehr die soziale Sphäre, nämlich den Bereich, in dem sich die persönliche Entfaltung des Einzelnen von vornherein im Kontakt mit der Umwelt vollziehe und in dem das Bedürfnis des Einzelnen nach Schutz seiner Persönlichkeit daher jedenfalls im Grundsatz geringer sei als in der Intim- und in der Privatsphäre.

II.

Mit der am 14. Oktober 2021 eingegangenen Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen den Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 31. August 2021 (2 U 9/21). Er rügt eine Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts, das er auf Art. 7 LV Landesverfassung (LV) i. V. m. Art. 10 LV stützt. Das Oberlandesgericht habe die Bedeutung und Tragweite der genannten Grundrechte bei seiner Entscheidung nicht angemessen berücksichtigt. Unter Wiederholung und Vertiefung seines im fachgerichtlichen Verfahren gehaltenen Vortrags betont der Beschwerdeführer im Wesentlichen, die Ausübung der Jagd unterfiele nicht nur der allgemeinen Handlungsfreiheit, sondern sei eine für die Persönlichkeitsentfaltung konstitutive Freiheitsbetätigung, die eine Einbeziehung in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts erfordere.

B.

Die Verfassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.

Sie ist zulässig, aber unbegründet.

Die angegriffene Entscheidung verletzt den Beschwerdeführer nicht in Art. 10 LV, der auf Landesebene das allgemeine Persönlichkeitsrecht verbürgt (vgl. Urteil vom 20. Mai 2022 ‌- VfGBbg 94/20 -‌, Rn. 123 m. w. N., https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Dieses Recht gewährleistet die engere Persönlichkeitssphäre und schützt Elemente der Persönlichkeit, die nicht schon Gegenstand anderer verfassungsrechtlicher Freiheitsgarantien sind, diesen in ihrer konstituierenden Bedeutung für die Persönlichkeit aber nicht nachstehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2007 ‌- 1 BvR 1550/03, 1 BvR 2357/04, 1 BvR 603/05 -‌, BVerfGE 118, 168-211, Rn. 85, juris).

Nach der Rechtsprechung der Fachgerichte setzt die Geldentschädigung bei einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts voraus, dass es sich um einen schwerwiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden kann (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 2022 ‌- VI ZR 1175/20 -‌, Rn. 44 m. w. N., juris; Brand, in: BeckOGK, Stand: März 2022, BGB, § 253, Rn. 40, 46).

Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, haben in erster Linie die Fachgerichte in eigener Zuständigkeit zu prüfen. Bei der Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen ist es nicht Aufgabe des Verfassungsgerichts, diese allgemein auf ihre materielle und verfahrensrechtliche Richtigkeit zu überprüfen und sich in dieser Weise an die Stelle der Fachgerichte zu setzen. Eine Überprüfung erfolgt vielmehr allein am Maßstab der Landesverfassung darauf, ob eine gerichtliche Entscheidung hierin gewährte Rechte verletzt. Dies ist der Fall, wenn die Entscheidung des Zivilgerichts als willkürlich zu charakterisieren ist oder sie auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung eines Grundrechts oder des Umfangs seines Schutzbereichs beruht oder sie unter Verletzung von Verfahrensgrundrechten zustande gekommen ist (st. Rspr., vgl. Beschluss vom 14. Oktober 2016 ‌- VfGBbg 17/16 -‌, https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Ein Grundrechtsverstoß, der zur Beanstandung einer fachgerichtlichen Entscheidung führt, liegt daher nur dann vor, wenn übersehen worden ist, dass bei Auslegung und Anwendung der Vorschriften des Privatrechts Grundrechte zu beachten waren, wenn der Schutzbereich der zu beachtenden Grundrechte unrichtig oder unvollkommen bestimmt und ihr Gewicht unrichtig eingeschätzt worden ist und die Entscheidung auf diesem Fehler beruht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. August 2003 ‌- 1 BvR 1338/00 -‌, Rn. 5, juris).

Nach diesem Maßstab hat das Brandenburgische Oberlandesgericht Art. 10 LV nicht dadurch verletzt, dass es dem Beschwerdeführer einen weitergehenden Entschädigungsanspruch versagt hat, indem es eine Persönlichkeitsrechtsverletzung mangels Eröffnung des Schutzbereichs des allgemeinen Persönlichkeitsrechts verneint hat.

Das Oberlandesgericht hat darauf abgestellt, dass die Möglichkeit der Jagdausübung kein konstitutives Element der Persönlichkeitsentfaltung bzw. kein Element der Persönlichkeit darstelle, das in seiner konstituierenden Bedeutung für die Persönlichkeit den im Grundgesetz benannten Freiheitsrechten gleich zu achten sei. Als Kernargument führt das Oberlandesgericht an, dass die Jagdausübung nicht dem unantastbaren innersten Kernbereich höchstpersönlicher privater Lebensgestaltung bzw. autonomer Lebensgestaltung zuzurechnen sei, sondern die soziale Sphäre betreffe. Es hat darauf abgestellt, dass das Interesse, sich in der Jagd zu verwirklichen, einem heteronomen Bereich zuzuordnen sei, weil es stets einer Reihe anderer schutzwürdiger Belange - u. a. etwa der öffentlichen Sicherheit, dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und der Tiere - Rechnung zu tragen habe. Hierin liege ein ganz wesentlicher Unterschied zu den von der Rechtsprechung anerkannten Gewährleistungen. Auch wenn die Jagdausübung nach dem Selbstverständnis des Beschwerdeführers einen zentralen Aspekt seiner Persönlichkeit ausmache, könne hierin keine über die allgemeine Handlungsfreiheit hinausgehende, für seine Persönlichkeitsentfaltung konstitutive Freiheitsbetätigung erkannt werden.

Diese Bestimmung des Schutzbereichs begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Das Oberlandesgericht hat die Einordnung der Jagdausübung als nicht dem Schutzbereich zugehörig ohne Verkennung der Bedeutung und Funktion des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vorgenommen.

Bei der Bestimmung des Inhalts und Gewährleistungsumfangs des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist die Menschenwürdegarantie als Interpretationslinie zu beachten (vgl. Iwers, in: Lieber/Iwers/Ernst, Kommentar zur Landesverfassung, 2012, Art. 10 Nr. 3, S. 129; Rixen, in: Sachs, 9. Aufl. 2021, GG, Art. 2, Rn. 62). Seine Aufgabe ist es, im Sinne des obersten Konstitutionsprinzips der „Würde des Menschen“ die engere persönliche Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen zu gewährleisten, soweit diese sich durch die traditionellen konkreten Freiheitsgarantien nicht abschließend erfassen lassen (vgl. BVerfG, Beschlüsse 3. Juni 1980 ‌- 1 BvR 185/77 -‌, BVerfGE 54, 148-158, Rn. 13, und vom 13. Juni 2007 ‌- 1 BvR 1783/05 -‌, BVerfGE 119, 1-59, Rn. 70, juris). Wie der Zusammenhang mit Art. 1 Abs. 1 GG bzw. Art. 7 Abs. 1 LV zeigt, enthält das allgemeine Persönlichkeitsrecht ein Element der „freien Entfaltung der Persönlichkeit“, das sich als Recht auf Respektierung des geschützten Bereichs von dem „aktiven“ Element dieser Entfaltung, der allgemeinen Handlungsfreiheit, abhebt. Demgemäß müssen auch die tatbestandlichen Voraussetzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts enger gezogen werden als diejenigen der allgemeinen Handlungsfreiheit. Es erstreckt sich nur auf Eingriffe, die geeignet sind, die engere Persönlichkeitssphäre zu beeinträchtigen (BVerfG, Beschluss vom 3. Juni 1980 ‌- 1 BvR 185/77 -‌, BVerfGE 54, 148-158, Rn. 13, juris; Lang, in: BeckOK GG, Stand: Februar 2023, GG, Art. 2, Rn. 67).

Dieses Verständnis hat das Oberlandesgericht seiner Entscheidung zu Grunde gelegt. Die dort exemplarisch genannten, im Wege (höchst-)richterlicher Rechtsfortbildung ausdifferenzierten Fallgruppen - Schutz der Privat- und Intimsphäre vor Ausforschung, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das Recht am eigenen Bild und am eigenen Wort, die sexuelle Selbstbestimmung und die Geschlechtszugehörigkeit, das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung - zeigen auf, dass im Zentrum des allgemeinen Persönlichkeitsrechts die Selbstbestimmung (vgl. Lang, in: BeckOK GG, Stand: Februar 2023, GG, Art. 2, Rn. 75) steht. Dass das Oberlandesgericht die Jagdausübung nicht einer dieser Fallgruppen oder ihnen vergleichbar dem autonomen Bereich privater Lebensgestaltung zugerechnet hat, ist nicht zu beanstanden. Nicht der gesamte Bereich des privaten Lebens steht unter dem absoluten Schutz des Grundrechts aus Art. 10 LV (vgl. BVerfG, Beschluss vom 31. Januar 1973 ‌- 2 BvR 454/71 -‌, BVerfGE 34, 238-251, Rn. 31, juris). Das Oberlandesgericht hat tragfähige Argumente dafür benannt, weshalb es die Jagdausübung einem heteronomen Bereich zuordnet, dem entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers keine konstituierende Bedeutung für die Persönlichkeit zukommt. Anhaltspunkte für ein Verkennen oder eine Fehlgewichtung des vom Oberlandesgericht erwogenen, aber zutreffend nicht für einschlägig erachteten Grundrechts bestehen nicht.

C.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

 

 

Dr. Strauß

Dr. Finck

Heinrich-Reichow

Kirbach

Müller

Richter

Sokoll