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VerfGBbg, Beschluss vom 28. Juli 2005 - VfGBbg 217/03 -

 

Verfahrensart: Kommunalverfassungsbeschwerde
sonstige
entscheidungserhebliche Vorschriften: - VerfGGBbg, § 15 Abs. 3; VerfGGBbg, § 15 Abs. 4
Schlagworte: - Befangenheit
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 28. Juli 2005 - VfGBbg 217/03 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 217/03



IM NAMEN DES VOLKES

 
B E S C H L U S S
In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

  1. Gemeinde Blankenfelde-Mahlow, vertreten durch den Bürgermeister, Karl-Marx-Straße 4, 15827 Blankenfelde-Mahlow,
  2. Gemeinde Großbeeren, vertreten durch den Bürgermeister, Am Rathaus 1, 14979 Großbeeren,
  3. Gemeinde Eichwalde, vertreten durch den Bürgermeister, Grünauer Straße 49, 15732 Eichwalde,
  4. Gemeinde Schulzendorf, vertreten durch den Bürgermeister, Otto-Krien-Straße 26, 15732 Schulzendorf,

Beschwerdeführerinnen,

Verfahrensbevollmächtigte zu 1.-4.: Rechtsanwälte S., H.,

wegen: Gesetz vom 10. Juli 2003 zum ersten Änderungsstaatsvertrag betreffend das Landesentwicklungsprogramm der Länder Berlin und Brandenburg; Flughafenplanung
hier: Selbstablehnung des Richters Prof. Dr. Dombert

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Weisberg-Schwarz, Prof. Dawin, Havemann, Dr. Jegutidse, Dr. Knippel und Prof. Dr. Will

am 28. Juli 2005

b e s c h l o s s e n :

Die Selbstablehnung des Richters Prof. Dr. Dombert wird für begründet erklärt.

G r ü n d e :

I.

1. Die Beschwerdeführerinnen wenden sich gegen eine Änderung eines zwischen den Ländern Brandenburg und Berlin geschlossenen Staatsvertrages, soweit die künftige Flughafenplanung dieser Länder betroffen ist. Mit den nächstgelegenen Teilen ihres Gemeindegebietes sind die Beschwerdeführerinnen östlich bzw. westlich zwischen ca. 4 km (Beschwerdeführerin zu 4.) und 10 km (Beschwerdeführerin zu 2.) vom bestehenden Flughafen Schönefeld entfernt.

Seit Anfang der 1990er Jahre planen die Länder Brandenburg und Berlin gemeinsam, das bestehende System der internationalen Flughäfen Berlin-Tegel, Berlin-Tempelhof und des im Land Brandenburg gelegenen Flughafens Berlin-Schönefeld sowie weiterer regionaler Flugplätze mit Blick auf einen prognostizierten erheblich gesteigerten Bedarf an Luftverkehrskapazitäten zu verändern. Die Planung vollzieht sich auf verschiedenen Ebenen der Normenhierarchie. Einige Vorschriften wurden zwischenzeitlich für nichtig erklärt bzw. vom Gesetz- oder Verordnungsgeber geändert. Gegenstand der kommunalen Verfassungsbeschwerde ist eine Änderung des § 19 Abs. 11 des gemeinsamen Landesentwicklungsprogramms der Länder Berlin und Brandenburg durch Gesetz vom 10. Juli 2003 (GVBl. I S. 202) zu dem Ersten Staatsvertrag zur Änderung des Staatsvertrags vom 07. August 1997 über das Landesentwicklungsprogramm und über die Änderung des Landesplanungsvertrages.

2. Mit Schreiben vom 03. Juni 2005 wies Richter Prof. Dr. Dombert darauf hin, daß mit der anhängigen Verfassungsbeschwerde die Frage des Standortes Schönefeld für einen Großflughafen der Länder Berlin und Brandenburg gestellt werde. Seine Kanzlei habe die frühere Gemeinde Mahlow - eine Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin zu 1. - außergerichtlich im Planfeststellungsverfahren für den Großflughafen vertreten. Prof. Dombert habe selbst den Erörterungstermin wahrgenommen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht vertrete seine Kanzlei mehrere evangelische Kirchgemeinden im Streit gegen den Planfeststellungsbeschluß.

Er gehe davon aus, daß die Besorgnis der Befangenheit aus Sicht der Verfahrensbeteiligten gegeben sei und erkläre sich daher gemäß § 15 Abs. 4 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) selbst für befangen.

3. Die Verfassungsbeschwerdeführerinnen und die Äußerungsberechtigten hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

II.

Die Selbstablehnung ist begründet.

1 . Gemäß § 15 Abs. 4 VerfGGBbg kann sich ein Richter selbst ablehnen. Hierüber entscheidet gemäß § 15 Abs. 3 VerfGGBbg das Gericht unter Ausschluß des betreffenden Richters.

2. Die Besorgnis der Befangenheit liegt nach den allgemeinen Grundsätzen des Prozeßrechts, an die § 15 VerfGGBbg erkennbar anknüpft, bereits dann vor, wenn für einen am Verfahren Beteiligten bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlaß besteht, an der Unvoreingenommenheit und der objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschlüsse vom 15. Juni 1994 – VfGBbg 10/94 EA – LVerfGE 2, 113 und vom 10. März 2005 - VfGBbg 56/04 -).

Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Umstand, daß Richter Prof. Dr. Dombert im Rahmen der Planungen der Standortfestlegung Mandanten rechtsanwaltlich vertreten und Fehler der Planungen gerügt hat, ist geeignet, bei einem Verfahrensbeteiligten die Befürchtung hervorzurufen, der Richter werde an der bevorstehenden Entscheidung nicht mehr unvoreingenommen mitwirken können. Dies gilt auch dann, wenn  und soweit es sich um mit den Beschwerdeführerinnen nicht identische aber die selbe Zielrichtung verfolgende Mandanten bei gegebenenfalls anderen Sach- und Rechtsfragen aber innerhalb desselben Planungskomplexes handelt. Diese Besorgnis ist dann bei lebensnaher Betrachtung verständlich. Es kommt nicht darauf an, ob der Richter tatsächlich „parteilich“ oder „befangen“ ist.
 

Weisberg-Schwarz Prof. Dawin
   
Havemann Dr. Jegutidse
   
Dr. Knippel Prof. Dr. Will