VerfGBbg, Beschluss vom 27. Februar 2001 - VfGBbg 7/0 EA -
Verfahrensart: |
Organstreit EA |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - VerfGGBbg, § 30 Abs. 1 | |
Schlagworte: | - Opposition - Vorwegnahme der Hauptsache |
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Fundstellen: | ||
Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 27. Februar 2001 - VfGBbg 7/0 EA -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 7/01 EA

In dem Verfahren über den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung der Fraktion der PDS im Landtag Brandenburg, Antragstellerin, gegen den Landtag Brandenburg, Antragsgegner, betreffend die Durchführung einer zweiten Lesung zu den Entwürfen für ein „Gesetz zur Reform der Gemeindestruktur und zur Verstärkung der Verwaltungskraft der Gemeinden im Land Brandenburg“ - Drucksache 3/2233 - und für ein „Gesetz über die Grundsätze der Gemeindegebietsreform im Land Brandenburg (Brandenburgisches Gemeindegebietsreformgrundsätzegesetz –BbgGemGebRefGG -)“ – Drucksache 3/2250 – in den Landtagssitzungen am 28. Februar und 1. März 2001 hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg am 27. Februar 2001 b e s c h l o s s e n : Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. G r ü n d e : A. Unter dem 11. Januar 2001 wurde der Entwurf der Landesregierung für ein Gesetz zur Reform der Gemeindestruktur und zur Verstärkung der Verwaltungskraft der Gemeinden im Land Brandenburg als Drucksache 3/2233 beim Landtag eingebracht. Der Gesetzentwurf sieht Änderungen der Gemeindeordnung, derAmtsordnung, des Brandenburgischen Kommunalwahlgesetzes und des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Brandenburg vor und soll ausweislich der amtlichen Begründung Hemmnisse beseitigen, die „freiwilligen Gemeindezusammenschlüssen entgegenstehen und die Umsetzung der von der Landesregierung am 11. Juli 2000 beschlossenen Leitlinien für die Entwicklung der Gemeindestruktur in Brandenburg behindern“. Ebenfalls am 11. Januar 2001 brachte die Antragstellerin, eine Oppositionsfraktion, als Drucksache 3/2250 ihren Entwurf für ein Gesetz über die Grundsätze der Gemeindegebietsreform im Land Brandenburg (Brandenburgisches Gemeindegebietsreformgrundsätzegesetz – BbgGemGebRefGG -) ein. Der Gesetzentwurf soll ausweislich der Begründung als Alternative zu den von der Landesregierung am 11. Juli 2000 beschlossenen Leitlinien das Leitbild für eine Gemeindegebietsreform gesetzlich festlegen. Nach Beratung in erster Lesung beschloß der Landtag am 24. Januar 2001 die Überweisung der Gesetzentwürfe an den Innenausschuß, der sich bereits zuvor auf die Durchführung einer Anhörung am 15. Februar 2001 verständigt hatte. In der unter Beteiligung der Vertreter der kommunalen Spitzenverbände und einzelner Kommunen durchgeführten Anhörung waren die Regelungen des Gesetzentwurfs der Landesregierung Gegenstand kontroverser, überwiegend ablehnender Stellungnahmen. Nach Übersendung des knapp 100-seitigen Protokolls der Anhörung nebst Anlagen am 20. Februar 2001 behandelte der Innenausschuß in seiner Sitzung vom 22. Februar 2001 Änderungsanträge und Beschlußempfehlungen. In einer weiteren Sitzung am 26. Februar 2001 beschloß der Innenausschuß mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen Beschlußempfehlung und Bericht zu den überwiesenen Gesetzentwürfen. Die Vertreter der Antragstellerin hatten zuvor erklärt, noch keine Änderungsanträge vorlegen zu können, da über diese erst am Folgetag in der Fraktion erstmals beraten werde. Nach den – unwidersprochenen - Angaben der Antragstellerin beabsichtigen die Koalitionsfraktionen, die Beschlußempfehlung auf die Tagesordnung der Sitzung des Landtages am 28. Februar und 1. März 2001 zu bringen. Die Antragstellerin hat am 26. Februar 2001 den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung gestellt. Sie sieht durch das Vorgehen der Landtagsmehrheit ihre Rechte auf Unterstützung der parlamentarischen Willensbildung nach Art. 67 Abs. 1 LV verletzt. Um ihrem verfassungsmäßigen Auftrag als Fraktion nachkommen zu können, sei ihr eine ausreichende Zeit für ihre interne Beratung einzuräumen. In der Praxis des Landtages seien Bratungszeiten von mehreren Monaten üblich. Im Hinblick darauf, daß eine Gemeindegebietsreform einen tiefgreifenden Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung darstelle, sei auch im vorliegenden Fall eine längere Beratungszeit angezeigt gewesen. Der Innenausschuß sei von der üblichen Verfahrensweise abgewichen, Gesetzentwürfe in einer ersten Sitzung zunächst inhaltlich zu beraten, um dann in einer zweiten Sitzung auf dieser Grundlage entwickelte Änderungsanträge zu beschließen. Das in der Geschäftsordnung des Landtages verankerte Recht auf Anhörung verliere seinen Sinn, wenn den Fraktionen danach keine ausreichende Zeit zur Auseinandersetzung mit den Stellungnahmen der Sachverständigen eingeräumt werde. Die Absicht der Koalitionsfraktionen, in der Landtagssitzung am 28. Februar und 1. März 2001 die zweite und abschließende Lesung zu den Gesetzentwürfen durchzuführen, laufe auf einen schweren Nachteil für die Antragstellerin hinaus, da sie hierdurch in ihren Rechten auf Unterstützung der parlamentarischen Arbeit erheblich beeinträchtigt werde. Die Antragstellerin beantragt,
Der Landtag hat mitgeteilt, aus Geschäftsordnungsgründen zu einer fristgemäßen Stellungnahme nicht in der Lage zu sein. Die Fraktionen der SPD und der CDU haben in einer – unaufgefordert – dem Gericht übersandten gemeinsamen Stellungnahme die Klagebefugnis der Antragstellerin bezweifelt. Da Anhörungsprotokolle kein der Beschlußfassung zugängliches Beratungsmaterial seien, sondern lediglich der Informationsbeschaffung dienten, enthalte die Geschäftsordnung des Landtages keine Frist für ihre Vorlage. Abgeordnete hätten keinen Anspruch, daß ihnen ein schriftlicher Ausschußbericht einschließlich einer schriftlichen Darstellung der öffentlichen Anhörung vor der zweiten Lesung vorliegen müsse. Zudem sei die Funktionsfähigkeit des Parlaments ein so bedeutsames Rechtsgut, daß ihm in der Abwägung mit eventuell berührten Minderheitsrechten generell der Vorrang gebühre. B. Das Landesverfassungsgericht wertet den Antrag als gegen den Landtag, vertreten durch den Präsidenten, gerichtet. Dies ergibt sich aus dem Gesamtinhalt des Schriftsatzes vom 26. Februar 2001, insbesondere daraus, daß sich die Antragstellerin gezielt gegen die zweite und abschließende Lesung der Gesetzentwürfe am 28. Februar und 1. März 2001 wendet. Soweit im letzten Absatz des Antragsschriftsatzes die Auffassung anklingt, daß Rechte der Antragstellerin auch durch das Vorgehen des Innenausschusses ungerechtfertigt beschnitten worden seien, hat dies für die Bestimmung des Antragsgegners keine ausschlaggebende Bedeutung. II. Der - auf Feststellung einer Verletzung der Rechte der Antragstellerin gerichtete - Antrag auf Erlaß der einstweiligen Anordnung ist seinem Inhalt nach unzulässig. Gemäß § 30 Abs. 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) kann das Gericht einen Zustand durch einstweilige „Anordnung“ vorläufig „regeln“, was begrifflich, jedenfalls typischerweise, auf ein einstweiliges Gebieten oder Untersagen abzielt. Zwar hält das Gericht zur Sicherstellung eines verfassungsgemäßen Ablaufs in sinngemäßer Anwendung von § 30 Abs. 1 VerfGGBbg eine „vorläufige“, nämlich unter dem Vorbehalt einer abschließenden Überprüfung im Hauptsacheverfahren stehende, Feststellung nicht von vornherein für undenkbar (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 7. März 1996 – VfGBbg 3/96 EA -, LVerfGE 4, 109, 111, sowie Urteil vom 20. Juni 1996 – VfGBbg 14/96 EA -, LVerfGE 4, 190, 193). Ein entsprechender Sachverhalt liegt hier jedoch nicht vor. Mit einer dem Antrag stattgebenden Entscheidung würde die Antragstellerin vielmehr schon einen Ausspruch erreichen, der nur das Ergebnis eines – hier noch nicht anhängig gemachten – Hauptsachverfahrens gemäß Art. 113 Nr. 1 LV, §§ 12 Nr. 1, 35 ff. VerfGGBbg sein könnte und in dieser Weise die Hauptsache vorwegnähme (so bereits Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 20. Juni 1996 – VfGBbg 14/96 EA -, LVerfGE 4, 190, 193). Umstände, die ausnahmsweise eine derartige Vorwegnahme der Hauptsache nahelegen könnten, sind von der Antragstellerin nicht hinreichend geltend gemacht und auch sonst nicht ersichtlich. III. Das Gericht sieht auch keinen Anlaß, abweichend von dem Wortlaut des Antrages der Antragstellerin eine einstweilige Anordnung anderen – zulässigen - Inhalts, etwa auf Unterlassung der Beratung der Gesetzentwürfe in der Sitzung des Landtages am 28. Februar und 1. März 2001, zu beschließen. Eine solche Anordnung würde im praktischen Ergebnis – zumal die nächste Sitzungswoche des Landtages erst Anfang April stattfindet – die Hauptsache erledigen, was grundsätzlich nicht Sinn des Verfahrens der einstweiligen Anordnung ist. Die Prüfung der von der Antragstellerin vorliegend geltend gemachten rechtlichen Gesichtspunkte kann gegebenenfalls im Rahmen eines noch einzuleitenden Organstreitverfahrens erfolgen.
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