VerfGBbg, Beschluss vom 26. Februar 2004 - VfGBbg 150/03 -
Verfahrensart: |
Kommunalverfassungsbeschwerde Hauptsache |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - LV, Art. 97; LV, Art. 98 Abs. 1; LV, Art. 98 Abs. 2 Satz 3 - VerfGGBbg, § 22 Abs. 1 Alt. 2 |
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Schlagworte: | - Gemeindegebietsreform, - kommunale Selbstverwaltung, - Beschwerdebefugnis, - Beteiligtenfähigkeit, - Anhörung, - Verhältnismäßigkeit |
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Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 26. Februar 2004 - VfGBbg 150/03 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 150/03

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In dem kommunalen Verfassungsbeschwerdeverfahren
Gemeinde Schweinrich, Beschwerdeführerin, Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwältin M.,
hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg am 26. Februar 2004 b e s c h l o s s e n : Die kommunale Verfassungsbeschwerde wird teils verworfen, im übrigen zurückgewiesen. G r ü n d e : A. Die Beschwerdeführerin, eine bisher dem Amt Wittstock-Land angehörende Gemeinde, wehrt sich gegen ihre Auflösung durch Eingliederung in die Stadt Wittstock/Dosse. I.
1. Der Die Beschwerdeführerin liegt
ungefähr 10 km östlich der Stadt Wittstock/Dosse im Landkreis
Ostprignitz-Ruppin. Sie grenzt an die Gemeinden Flecken Zechlin, Zootzen,
Groß Haßlow und Dranse, die bislang ebenfalls dem Amt Wittstock-Land
angehörten, welches sich halbkreisförmig um die Stadt Wittstock/Dosse zog.
Neun Gemeinden des Amtes sowie die amtsangehörige Stadt Freyenstein
gliederten sich vertraglich zum 26. Oktober 2003 in die Stadt Wittstock/Dosse
ein. In den verbleibenden neun Gemeinden des Amtes Wittstock-Land leben
ca. 3500 Einwohner (s. LT-Drucksache 3/5020, S. 414), davon auf dem Gebiet
der Beschwerdeführerin ungefähr 200. Der Bereich ist durch ein
ausgedehntes Waldgebiet, der Kyritz-Ruppiner Heide, und einen
Truppenübungsplatz geprägt.
II. Die Beschwerdeführerin hat am 6. Juni 2003 kommunale Verfassungsbeschwerde erhoben. Sie macht geltend, ihre Eingliederung in die Stadt Wittstock/Dosse sei schon deshalb verfassungswidrig, weil weder die Bevölkerung des unmittelbar betroffenen Gebietes noch sie selbst (als Gemeinde) ordnungsgemäß angehört worden sei. Die Anhörungsfehler seien „absolute Nichtigkeitsgründe“. Auf Fragen der Kausalität komme es nicht an. Daß sich von 302 Gemeinden, die der Gesetzgeber aufzulösen versucht habe, 250 mit kommunalen Verfassungsbeschwerden dagegen zu Wehr setzten, sei bereits „ernstes Indiz für die verfassungswidrige Gewalt der gesetzlichen Regelung“. Es fehle an dem Nachweis, daß die Beschwerdeführerin ungeeignet sei, den Anforderungen moderner Selbstverwaltung zu entsprechen. Der Abwägungsvorgang sei fehlerhaft.Die Beschwerdeführerin beantragt festzustellen:
III. Der Landtag Brandenburg, die Landesregierung, der Städte- und Gemeindebund Brandenburg und die Stadt Wittstock/Dosse hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die weitgehend zulässige kommunale Verfassungsbeschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. I. Die kommunale Verfassungsbeschwerde ist
insofern unzulässig, als sie sich, wie die Verfahrensbevollmächtigte der
Beschwerdeführerin zu gleichartigen kommunalen Verfassungsbeschwerden anderer
Gemeinden des bisherigen Amtes Nauen-Land klargestellt hat, auch gegen die (hier
in § 22 Abs. 2 des 5. GemGebRefGBbg bestimmte) Auflösung des bisherigen Amtes
sowie zugleich gegen die Eingliederung der anderen Gemeinden des früheren Amtes
Wittstock-Land in die Stadt Wittstock/Dosse richten soll. Insoweit ist die
Beschwerdeführerin nicht beschwerdebefugt. Eine amtsangehörige Gemeinde kann
nach der Rechtsprechung des Landesverfassungsgerichtes, die entsprechend der
(bloßen) verwaltungsmäßigen Hilfsfunktion des - wie immer zustandegekommenen
bisherigen - Amtes für jedwede spätere Änderung der Amtszuordnung zu gelten hat,
lediglich beanspruchen, daß ihr überhaupt eine geeignete (Amts-)Verwaltung,
nicht aber, daß sie ihr in der bisherigen Form und in dem bisherigen Zuschnitt
zur Verfügung steht (Beschluß vom 16. Mai 2002 - VfGBbg 57/01 -, LKV 2002, 515
sowie Urteil vom 29. August 2002 - VfGBbg 34/01 -, LKV 2002, 573, 574). Soweit
sich die kommunale Verfassungsbeschwerde einer amtsangehörigen Gemeinde als
begründet erweist und sie (folglich) als amtsangehörige Gemeinde fortbesteht,
hat das Land dafür zu sorgen, daß ihr eine Verwaltung – durch Zuordnung zu einem
Amt oder Bildung eines neuen Amtes, notfalls auch unter Wiederbelebung der
früheren Amtsmodelle 2 oder 3 - zur Verfügung steht. Je nach Art der dann
getroffenen Regelung, die also gegebenenfalls abzuwarten bleibt, mag Anlaß für
eine darauf bezogene gerichtliche Überprüfung bestehen. Festhalten an dem einmal
gefundenen Zuschnitt der Amtsverwaltung kann die einzelne Gemeinde das Land aber
grundsätzlich nicht. II. Die kommunale Verfassungsbeschwerde erweist sich aber in der Sache selbst als unbegründet. Die Auflösung von Gemeinden durch den Staat ist, wie sich unmittelbar aus Art. 98 Abs. 1 und 2 LV ergibt, nicht von vornherein ausgeschlossen. Die dafür ebenfalls nach Art. 98 Abs. 1 sowie Abs. 2 LV gezogenen Grenzen sind hier nicht verletzt. Die nach der Landesverfassung geltenden Anhörungserfordernisse sind eingehalten worden (s. dazu im folgenden 1.). Auch materiell ist die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Stadt Wittstock/Dosse mit der Landesverfassung vereinbar (s. dazu nachfolgend 2.). 1. Die Verfassung des Landes Brandenburg
verlangt vor einer Gemeindeauflösung die Anhörung sowohl der Bevölkerung als
auch der Gemeinde als solcher. Beide Anhörungen sind ohne Verstoß gegen die
Landesverfassung durchgeführt worden. aa) Soweit die Beschwerdeführerin die Anhörung der Bevölkerung schon deshalb für fehlerhaft hält, weil die diese Anhörung regelnde Verordnung vom 3. Januar 2002 (GVBl II S. 99) nichtig sei, greift dies verfassungsrechtlich zu kurz. Die an eine Anhörung im Sinne von Art. 98 Abs. 2 Satz 3 LV zu stellenden Anforderungen sind aus dieser Verfassungsbestimmung heraus und unabhängig von der Rechtslage nach einfachem Recht zu bestimmen (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluß vom 15. April 2003 - VfGBbg 6/03 -). Die Landesverfassung aber macht zu den Anhörungsmodalitäten keine näheren Vorgaben. Weder nimmt sie einfachrechtliche Verfahrensregelungen - anders als etwa bei Art. 9 Abs. 1 LV (Einschränkung der Freiheit der Person nur unter Beachtung der im Gesetz „vorgeschriebenen Formen“) – gleichsam in die Verfassung hinüber noch erlangen die Regelungen, die sie – in Art. 98 Abs. 5 LV - dem Gesetz vorbehält, ihrerseits Verfassungsrang. Maßgeblich bleibt vielmehr die Verfassungsregelung des Art. 98 Abs. 2 Satz 3 LV als solche. Sie beschränkt sich darauf, daß vor einer Änderung des Gemeindegebietes die Bevölkerung zu hören ist, und läßt damit Raum für jedwedes Anhörungsverfahren, sofern es sicherstellt, daß die Bevölkerung Gelegenheit erhält, ihre Meinung zu der Gebietsänderung zum Ausdruck zu bringen (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteile vom 18. Juni 1998 - VfGBbg 27/97 -, LVerfGE 8, 99, 168; vom 14. Juli 1994 - VfGBbg 4/93 -, LVerfGE 2, 125, 133 und vom 15. September 1994 - VfGBbg 3/93 -, LVerfGE 2, 143, 156; Lieber/Iwers/Ernst, Verfassung des Landes Brandenburg, Ziff. 4 zu Art. 98; zu Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz – GG -: BVerfG, zuletzt Beschluß vom 19. November 2002 - 2 BvR 329/97 -, NVwZ 2003, 850 = DÖV 2003, 589 = DVBl 2003, 919; Knemeyer, in: Landesverfassungsgerichtsbarkeit, Teilband 3, S. 159 m.w.N.). Es genügt, wenn ihr in sachgerechter Weise die Möglichkeit eröffnet wird, sich zu der Gebietsänderung, hier: durch Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Stadt Wittstock/Dosse unter Wegfall eines eigenständigen Gemeindegebietes, zu Wort zu melden und das Ergebnis dem Entscheidungsträger, im Fall der Auflösung einer Gemeinde also dem Gesetzgeber (Art. 98 Abs. 2 Satz 2 LV), zur Kenntnis gebracht wird. Das war hier der Fall. Es bestand für die Bevölkerung die geordnete Möglichkeit, ihre Meinung zur Frage der Auflösung der Beschwerdeführerin durch Eingliederung in die Stadt Wittstock/Dosse kundzutun. Die Bürger waren davon unterrichtet, daß hierzu Gelegenheit zur Stellungnahme bestehe und Unterlagen über das Neugliederungsprojekt auslägen. Das Ergebnis der Anhörung hat sodann dem Landtag vorgelegen und ist damit in das Gesetzgebungsverfahren eingeflossen. bb) Der Beschwerdeführerin kann
weiter nicht darin gefolgt werden, daß die Anhörung die verfassungsrechtlichen
Anforderungen auch deshalb verfehle, weil es sich bei den - ihren Angaben
zufolge - mehr als 1000 Seiten umfassenden. Anhörungsunterlagen um eine
undurchdringliche „Überinformation“, ein „Geröll von Bedeutungslosigkeiten“,
gehandelt habe. Es ist nicht zu beanstanden, wenn bei der Anhörung für
Interessierte auch allgemeines oder auch ins einzelne gehendes Material
bereitgehalten wird. Unbeschadet dessen lagen die Kernfragen - nämlich: Soll die
Beschwerdeführerin ihre Selbständigkeit verlieren und gegebenenfalls nach
Wittstock/Dosse eingegliedert werden? – offen zutage. An dieser Auffassung hält das Verfassungsgericht nach nochmaliger Überprüfung ausdrücklich fest. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin war die Anhörung vor dem Innenausschuß auch nicht im Hinblick darauf fehlerhaft, daß die Beschwerdeführerin nicht informiert worden war, in welchem Zusammenhang die parlamentarische Anhörung im Januar 2003 mit einer vorherigen ersten Anhörung durch das Innenministerium (im Frühsommer 2002 zu einem Referentenentwurf) stehe. Einer dahingehenden Belehrung bedurfte es nicht. Es verstand sich von selbst, daß es sich bei der Anhörung im parlamentarischen Raum zu dem inzwischen förmlich eingebrachten Gesetzentwurf um etwas anderes – gewissermaßen um die entscheidende „letzte Runde“ – handelte. Der Anhörungstermin vom 8. Januar 2003 war nicht zu kurz angesetzt. Zum einen brauchte der Anhörung keine Unterrichtung der Beschwerdeführerin über das Ergebnis der Anhörung der Bevölkerung (nach Art. 98 Abs. 2 Satz 3 LV) voranzugehen. Beide Verfahren können unabhängig voneinander laufen. Unbeschadet dessen ist der ehrenamtliche Bürgermeister über die Stimmung und Situation „vor Ort“ ohnehin im wesentlichen im Bilde. Zum anderen war auch die Zeit für die Vorbereitung auf den Anhörungstermin am 8. Januar 2003 hinreichend. Zwischen der Ladung zu dem Anhörungstermin und dem Anhörungstermin selbst lagen mehr als 6 Wochen. Die erforderlichen Informationen standen vollständig zur Verfügung und das Neugliederungsvorhaben war deutlich genug beschrieben. Die Gemeindevertreter haben, wie der ehrenamtliche Bürgermeister Schönberg in der Anhörung vor dem Landtagsausschuß erklärte (Ausschußprotokoll 3/700, S. 125 f), in der Sitzung am 3. Januar 2003 über den Gesetzentwurf beraten. Im übrigen ist zu berücksichtigen, daß das Neugliederungsvorhaben mit, was die Eingemeindung nach Wittstock/Dosse anbelangt, unverändertem Inhalt schon lange angekündigt war, also nicht überraschend kam und die Beschwerdeführerin bereits im Vorfeld der Gesetzesinitiative der Landesregierung angehört und damit befaßt worden war. Sie hat bereits im Frühsommer 2002 Gelegenheit gehabt, binnen eines Monats zu Gegenstand, Zielsetzung und Inhalt des damaligen Gesetzentwurfes Stellung zu nehmen, und hierzu entsprechendes Material erhalten. Das Gericht teilt auch nicht die Einschätzung der Beschwerdeführerin, daß am 8. Januar 2003 für die Anhörung vor dem Innenausschuß zu wenig Zeit zur Verfügung gestanden hätte. Ausweislich des Sitzungsprotokolls war für die Anhörung der 8 Gemeinden des Amtes, deren Eingliederung nach Stadt Wittstock/Dosse beabsichtigt war, die Zeit von 17.00 bis 19.00 Uhr vorgesehen (Ausschußprotokoll 3/700, S. 1). Erforderlichenfalls hätte diese Zeit noch überzogen werden können (und ggf. müssen). ee) Es besteht ferner kein faßbarer Grund für die Annahme, daß die Anhörung vor dem Innenausschuß des Landtages nicht ergebnisoffen und nur „pro forma“ durchgeführt worden wäre. Daß es, wie die Beschwerdeführerin geltend macht, aus den Ausschußberatungen zu den Neugliederungsgesetzen heraus kaum zu Änderungen an dem Gesetzentwurf gekommen sei, trifft in dieser Form nicht zu (siehe dazu für das 5.GemGebRefGBbg: §§ 2 Abs. 2; 3; 6 Abs. 2 und 3; 14; 15; 16 des Entwurfs der Landesregierung [Synopse der Änderungen in LT-Drucksache 3/5550, S. 93 ff]). Im übrigen ergäbe sich daraus, daß es vergleichsweise wenige Änderungen gegeben hat, lediglich, daß die Abgeordneten keinen Anlaß zu Änderungen gesehen haben, nicht aber, daß sie zu Änderungen von vornherein nicht bereit gewesen wären. ff) Ob bei der Anhörung, wie die Beschwerdeführerin meint, tatsächlich nicht einmal die Hälfte der in den Innenausschuß berufenen Abgeordneten anwesend war, wirkt sich auf das Gesetzgebungsverfahren nicht aus. Die Niederschriften über die Sitzungen des Ausschusses standen auch den zeitweise nicht anwesend gewesenen Parlamentariern zur Verfügung. Im übrigen vollzieht sich die Arbeit des Ausschusses im Vorfeld und im Dienste des endgültigen Gesetzesbeschlusses, für den daran beteiligten Abgeordneten die Beschlußempfehlung des Ausschusses und bei Bedarf die weiteren Ausschußunterlagen zur Verfügung stehen. Das 5. GemGebRefGBbg ist auf dieser Grundlage ohne Verletzung der Beschwerdeführerin in ihrem Anhörungsrecht zustandegekommen. 2. Die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Stadt Wittstock/Dosse bleibt auch in der Sache selbst im Einklang mit der Landesverfassung. a) In das Gebiet einer Gemeinde sowie - erst recht - in ihre körperschaftliche Existenz kann zufolge Art. 98 Abs. 1 LV nur aus Gründen des öffentlichen Wohls eingegriffen werden. Der Inhalt des Begriffes „öffentliches Wohl“ ist dabei im konkreten Fall vom Gesetzgeber auszufüllen, dem in dieser Hinsicht grundsätzlich – in dem von der Verfassung gesteckten Rahmen – ein Beurteilungsspielraum und politische Gestaltungsfreiheit in dem Sinne zukommt, daß er Ziele, Leitbilder und Maßstäbe selbst festlegen kann. Die Ausfüllung dieser gesetzgeberischen Spielräume unterliegt nur einer eingeschränkten verfassungsgerichtlichen Überprüfung. Das Verfassungsgericht darf sich hierbei nicht an die Stelle des Gesetzgebers setzen und hat seine Nachprüfung darauf zu beschränken, ob die Zielvorstellungen, Sachabwägungen, Wertungen und Einschätzungen des Gesetzgebers offensichtlich fehlerhaft, lückenhaft oder eindeutig widerlegbar sind oder der verfassungsmäßigen Wertordnung widersprechen. Das Verfassungsgericht überprüft den Abwägungsvorgang darauf, ob der Gesetzeber den entscheidungsrelevanten Sachverhalt umfassend ermittelt, seiner Regelung zutreffend zugrundegelegt und die mit ihr einhergehenden Vor- und Nachteile in vertretbarer Weise gewichtet und in die Abwägung eingestellt hat. Die Bevorzugung einzelner und die gleichzeitige Hintanstellung anderer Belange bleibt dem Gesetzgeber so weit überlassen, als das mit dem Eingriff in den Bestand der Kommunen verbundene Abwägungsergebnis zur Erreichung der verfolgten Zwecke nicht offenkundig ungeeignet oder unnötig ist oder zu den angestrebten Zielen deutlich außer Verhältnis steht und frei von willkürlichen Erwägungen und Differenzierungen ist. Es ist dabei nicht die Aufgabe des Gerichts zu prüfen, ob der Gesetzgeber die beste und zweckmäßigste Neugliederungsmaßnahme getroffen hat (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteile vom 18. Juni 1998 – VfGBbg 27/97 –, LVerfGE 8, 97, 169 f. m.w.N. und vom 29. August 2002 – VfGBbg 34/01 –, UA S. 20, LKV 2002, 573, 575; ständige Rechtspr., zuletzt Urteil vom 18. Dezember 2003 – VfGBbg 101/03 -, a.a.O.). b) Nach diesen Grundsätzen hat sich hier der Gesetzgeber fehlerfrei auf den Standpunkt gestellt, daß für die Eingliederung der Beschwerdeführerin Gründe des öffentlichen Wohls vorliegen, und auf dieser Grundlage eine verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Regelung getroffen. Im einzelnen: aa) Der Gesetzgeber hat sich ausreichend mit den tatsächlichen Verhältnissen befaßt. Soweit er seine Abwägungsentscheidung maßgeblich darauf gestützt hat, daß sich die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Stadt Wittstock/Dosse als Beitrag zur Lösung der Stadt-Umland-Problematik darstelle (vgl. LT-Drucksache 3/5020, S. 418 sowie Beschlußempfehlung des Innenausschusses zu § 23 des 5. GemGebRefGBbg, Anlage 2 zu LT-Drucksache 3/5550), hat er diese Stadt-Umland-Problematik ausführlich untersucht und beschrieben (s. Gesetzesbegründung zum 5. GemGebRefGBbg, LT-Drucksache 3/5020, S. 44 ff, 78 ff). Die örtlichen Verhältnisse sind in den Gesetzesunterlagen zutreffend angesprochen (s. die Beschreibung der Gemeinde im „Neugliederungssachverhalt“ in LT-Drucksache 3/5020, S. 413 ff). Hierbei wurde durchaus gesehen, daß der Haushalt der Beschwerdeführerin weitgehend ausgeglichen ist (LT-Drucksache 3/5020, S. 417; dort ebenfalls Angaben zu Gewerbesteuereinnahmen und Investitionen; s. auch Beschlußempfehlung des Innenausschusses zu § 23 des 5. GemGebRefGBbg, Anlage 2 zu LT-Drucksache 3/5550, S. 2). Unbeschadet dessen durfte der Gesetzgeber aber zugleich die übergreifende Situation im Bereich der Stadt Wittstock/Dosse in den Blick nehmen. Die insoweit interessierenden Verhältnisse der Stadt Wittstock/Dosse und der anderen zur Eingemeindung in die Stadt Wittstock/Dosse vorgesehenen Gemeinden sind ebenfalls zureichend einbezogen (LT-Drucksache 3/5020, S. 414 ff). Nicht zu beanstanden ist auch, daß der Gesetzgeber dabei teilweise auf mehrere Umlandgemeinden umfassende Daten abgestellt hat, etwa darauf, daß knapp 500 Wittstocker „ins Umland“ abgewandert seien (LT-Drucksache 3/5020, S. 410; auf S. 414 findet sich die Prognose, daß sich diese Entwicklung noch „dramatisch“ fortsetzen werde; Gesamtrückgang der Einwohnerzahl Wittstocks von ca. 14000 auf gegenwärtig 12300). Der Gesetzgeber brauchte auch nicht zu ermitteln, wie viele Bewohner der Beschwerdeführerin wie oft die in Wittstock/Dosse vorgehaltenen öffentlichen Einrichtungen (etwa die Wittstocker Schwimmhalle, Bibliothek, Museen in der Bischofsburg, Veranstaltungshalle etc.) nutzen, da es auf der Hand liegt, daß solche Einrichtungen auch aus dem Umland in Anspruch genommen werden. bb) Dem Gesetzgeber stehen im Sinne von Art. 98 Abs. 1 LV Gründe des öffentlichen Wohls zur Seite. Er beruft sich ausweislich der Gesetzesbegründung und der Beschlußempfehlung des Innenausschusses für die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Stadt Wittstock/Dosse wesentlich auf die geringe Einwohnerzahl sowohl des gesamten Amtes als auch der Beschwerdeführerin und auf den Änderungsbedarf der brandenburgischen Gemeindestruktur im Umland regionaler Zentren. (1) Die Vorgabe einer Mindestgröße für Verwaltung und einzelne Gemeinde im Leitbild des Gesetzgebers ist ein dem öffentlichen Wohl dienendes Neugliederungsziel. Eine leistungsfähige Verwaltung setzt, um ihre Aufgaben wirtschaftlich und effektiv erfüllen zu können, eine gewisse Einwohnerzahl voraus, die ein Mindestmaß an finanzieller Leistungskraft sicherstellt. Erst ab einer bestimmten Größe der Verwaltung ist es möglich, daß das hauptamtliche Personal spezialisierte Tätigkeitsbereiche erhält und die Behörde zeitgemäß ausgestattet wird. Dementsprechend sind auch in anderen Bundesländern bei Gemeindegebietsreformen je nach Bevölkerungsdichte und Siedlungsstruktur Mindestgrößen für die einzelne Verwaltungseinheit zugrunde gelegt worden (vgl. mit Angaben für einige Bundesländer: von Unruh/Thieme/Scheuner, Die Grundlagen der kommunalen Gebietsreform, 1981, S. 110). Derartige Vorgaben sind verfassungsgerichtlich jeweils unbeanstandet geblieben (siehe etwa VerfGH Sachsen, Urteil vom 18. November 1999 – Vf. 174-VIII-98 -; StGH Bad.-Württ., DVBl 1975, 385, 391; vgl. auch BayVGH, BayVBl 1979, 146, 148). Auch im Schrifttum werden Vorgaben nicht grundsätzlich in Zweifel gezogen (s. etwa Hoppe/Stüer, DVBl 1992, S. 641, 652: Bildung von Verwaltungsgemeinschaften/Ämterverwaltungen mit „numerischen Vorgaben insbesondere für akzeptable Mindestzahlen von Einwohnern“), wenngleich zu der exakten zahlenmäßigen Fixierung der Mindestgröße unterschiedliche Auffassungen bestehen mögen. Wenn der Gesetzgeber sich in seinem Leitbild auf den hier in Rede stehenden Richtwert von 5000 Einwohnern festgelegt hat, dann sind seine diesbezüglichen Wertungen und Erwägungen nicht offensichtlich fehlerhaft oder widerlegbar. (2) Daß die Regel-Mindestgröße einer amtsangehörigen Gemeinde von 500 Einwohnern als ein gesetzgeberisches Kriterium für die Gemeindegebietsreform verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, hat das Verfassungsgericht mit Urteil vom 29. August 2002 - VfGBbg 34/01 -, LKV 2002, 573, 574 bereits entschieden. In dem Urteil heißt es: Daran wird festgehalten. (3) Auch daß die Behebung von Strukturproblemen im Stadtumland ein Grund des öffentlichen Wohls ist, der eine kommunale Neugliederung zu rechtfertigen vermag, hat das Landesverfassungsgerichtes in seinen Urteilen vom 18. Dezember 2003 - VfGBbg 101/03 - und - VfGBbg 97/03 - (in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung anderer Landesverfassungsgerichte, s. etwa SächsVerfGH SächsVBl 1999, 236, 239; ThürVerfGH NVwZ-RR 1997, 639, 643) bereits entschieden. Auch im Schrifttum wird dies grundsätzlich nicht in Zweifel gezogen (s. etwa Hoppe/Stüer, DVBl 1992, 641, 642 f.; v. Unruh/Thieme/Scheuner, Die Grundlagen der kommunalen Gebietsreform, 1981, S. 116, 118 f.). Das Stadt-Umland-Verhältnis wirft eine Reihe schwieriger Abklärungs- und Koordinationsfragen auf. Planung und Betrieb öffentlicher Einrichtungen - Kindergärten und –krippen, Schulen (einschließlich weiterführender Schulen), Horte, Sportstätten, Bibliotheken, Schwimmbäder, Feuerwehren, Kultureinrichtungen (etwa: Kulturhäuser, Heimatmuseen) - erfordern Abstimmung und Absprache. Auch für Infrastrukturausbau, Wirtschaftsförderung, Abfall- und Abwasserbeseitigung sowie Trinkwasserversorgung empfiehlt sich eine gemeinsame Herangehensweise. cc) Zur Bewältigung dieser Strukturfragen ist die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Stadt Wittstock/Dosse nicht offensichtlich ungeeignet. Das Landesverfassungsgericht vermag nicht zu erkennen, daß das Ziel einer Bereinigung der Strukturprobleme im Wittstocker Stadt-Umland-Bereich durch die Zusammenführung in einen einheitlichen Aufgaben- und Verwaltungsraum eindeutig verfehlt würde. dd) Die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Stadt Wittstock/Dosse ist nicht unverhältnismäßig. So lassen sich die hier in Frage stehenden Stadt-Umland-Probleme entgegen der Einschätzung der Beschwerdeführerin nicht etwa ebenso gut durch interkommunale Zusammenarbeit bewältigen. Interkommunale Zusammenarbeit, in welcher Form auch immer (in Gestalt von Zweck- oder Planungsverbänden, Arbeitsgemeinschaften oder Kapitalgesellschaften oder durch öffentlich-rechtliche Kooperationsverträge), kann typischerweise jeweils nur einen Teilbereich der Probleme lösen helfen. Sie wirft zudem ihrerseits Abstimmungs- und Kooperations- sowie Rechts- und Personalfragen auf. Im Vergleich zu einer gemeindlichen Neuordnung ist die interkommunale Zusammenarbeit schwächer und instabiler. Auch ansonsten ist eine geeignetere Alternative zu der Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Stadt Wittstock/Dosse nicht auszumachen. Der Gesetzgeber hat die damit verbundenen Vor- und Nachteile in nicht zu beanstandender Weise gegeneinander abgewogen und ist zu einem verfassungsrechtlich vertretbaren Ergebnis gelangt. Weiterhin ist die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Stadt Wittstock/Dosse auch im Hinblick auf die mit 10 km relativ weite Entfernung nicht unverhältnismäßig. Dieselbe Entfernung besteht bisher zu dem Amtssitz. Daß städtebaulich keine Verflechtung mit der Stadt Wittstock/Dosse besteht, steht einer Eingemeindung ebenfalls nicht entgegen. Freilich verlangt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, daß die für eine Auflösung der Gemeinde sprechenden Gründe des öffentlichen Wohls gegenüber den für den Fortbestand der einzugliedernden Gemeinde sprechenden Gründe erkennbar überwiegen (vgl. hierzu BayVerfGH BayVBl 1981, 399, 400 f.; s. auch NdsStGH OVGE 33, 497, 503; StGH BW NJW 1975, 1205, 1211). Dies ist hier jedoch - nach der vertretbaren Wertung des Gesetzgebers - der Fall. Richtig ist, daß die kommunale Selbstverwaltung auch dazu dient, die Bürger zu integrieren, den Menschen ein Zugehörigkeitsgefühl („Heimat“) zu vermitteln und damit die Grundlagen der Demokratie zu stärken. Von daher ist die Reform der Gemeindestruktur nicht ausschließlich an Rationalisierung und Verbesserung der Effizienz der Verwaltungsorganisation zu messen. Eine Gemeinde darf deshalb nicht ohne Berücksichtigung von Besonderheiten allein aus Gründen der Strukturbereinigung aufgelöst werden. Andernfalls kann der Eingriff in die Existenz einer Gemeinde und die dadurch bewirkte Beeinträchtigung der örtlichen Verbundenheit außer Verhältnis zu dem angestrebten Vorteil geraten (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 29. August 2002 - VfGBbg 34/01 - [Kreuzbruch], UA S. 23, LKV 2002, 573 = NJ 2002, 642). Vorliegend erlangen indes nach der vertretbaren Abwägung des Gesetzgebers die für die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Stadt Wittstock/Dosse sprechenden Gründe das größere Gewicht. Dem Gesetzgeber war die Bedeutung der kommunalen Selbstverwaltung gegenwärtig und er hat die Belange der Einwohner durchaus im Blick gehabt und sich damit, ablesbar aus der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfs (s. LT-Drucksache 3/5020, S. 417 ff; s. auch S. 73 ff, 84 f) und den Beratungen im Landtag und seinen Ausschüssen (Beschlußempfehlung des Innenausschusses zu § 23 des 5. GemGebRefGBbg, Anlage 2 zu LT-Drucksache 3/5550, S. 3 ff), auseinandergesetzt. Auf der anderen Seite hat er jedoch als gegenläufige Belange in zulässiger und vertretbarer Weise außer der Bereinigung der Stadt-Umland-Probleme im Raum Wittstock/Dosse namentlich die Steigerung der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Verwaltung durch die Zusammenführung in eine einheitliche Kommune sowie Gesichtspunkte der Raumordnung in seine Abwägung eingestellt und ihnen die größere Bedeutung beigemessen (vgl. LT-Drucksache 3/5020, S. 417 ff sowie S. 3 der Beschlußempfehlung des Innenausschusses zu § 23 des 5. GemGebRefGBbg, Anlage 2 zu LT-Drucksache 3/5550). ee) Auch im übrigen läßt die Abwägung des Gesetzgebers keine seine Entscheidung in Frage stellenden Defizite erkennen. So hat er nicht übersehen, daß es ggf. in die Abwägung mit einfließen muß, wenn sich die betreffende Gemeinde in ein weiterbestehendes angrenzendes Nachbaramt eingliedern läßt (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 29. August 2002 – VfGBbg 34/01 - [Kreuzbruch], UA S. 19, LKV 2002, 573 = NJ 2002, 642). Nach der amtlichen Begründung des Gesetzes (LT-Drucksache 3/4883, S. 146 f.) weisen aber nur die in einer Randlage des Amtes Wittstock-Land gelegenen Gemeinden Königsberg und Herzsprung engere Beziehungen zu dem benachbarten bisherigen Amt Heiligengrabe/Blumenthal auf, während ansonsten die Orientierung nach Wittstock/Dosse ausgeprägter ist (vgl. LT-Drucksache 3/5020, a.a.O.). Diese Sicht ist jedenfalls in Bezug auf die Beschwerdeführerin, für die ansonsten keine Besonderheiten ersichtlich sind, vertretbar. Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist auch die Tatsache, daß einer der Abwägungsgesichtspunkte - die deutlich unter 5000 liegendende Gesamteinwohnerzahl des Amtes Wittstock-Land - erst durch die ministerielle Genehmigung der (freiwilligen) Eingliederung der Gemeinden Berlinchen, Christdorf, Dossow, Groß Haßlow, Niemerlang, Sewekow, Wulfersdorf, Zempow und Zootzen sowie der Stadt Freyenstein in die Stadt Wittstock/Dosse bewirkt worden ist (Bevölkerungszahl zuvor ca. 6700). Ob ministerielle Verwaltungstätigkeit überhaupt Auswirkungen auf die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers haben kann, sei hier dahingestellt. Jedenfalls war die geringe Einwohnerzahl des Amtes, wie sich aus dem Leitbild des Gesetzgebers und der tatsächlichen Umsetzung dieses Leitbildes in anderen Gebieten des Landes ergibt, nicht ausschlaggebend für die Eingliederung der Beschwerdeführerin. Im Leitbild etwa heißt es ausdrücklich, daß im äußeren Entwicklungsraum die Bildung von amtsfreien Gemeinden dort erfolgen soll, wo es „ausgeprägte Zentralorte“ gibt (LT-Drucksache 3/5020, S. 36). Diese Vorgabe im Leitbild gilt uneingeschränkt und nicht etwa nur für Ämter geringer Einwohnerzahl (s. LT-Drucksache 3/5020, a.a.O.). Dem Gesetzgeber ging es folglich in erster Linie um die Berücksichtigung der örtlichen Zentralität (hier: der Stadt Wittstock/Dosse), die Schaffung eines einheitlichen Verwaltungsraumes mit der Konzentration der Einrichtungen des öffentlichen Bedarfs auf einen Träger und die Verbesserung des Stadt-Umland-Verhältnisses. In Umsetzung des Leitbildes hat der Gesetzgeber in vergleichbaren Fällen die um eine zentral gelegene Stadt befindlichen Gemeinden auch dann in den Ort eingegliedert, wenn das um die Stadt gelegene Amt deutlich über 5000 Einwohner umfaßte, etwa dort, wo es keinerlei oder nur wenige freiwillige Gemeindezusammenschlüsse gegeben hatte. Dies verdeutlicht, daß in diesen Fällen nicht die Bewertung der Leistungsfähigkeit der Amtsverwaltung im Vordergrund der gemeindlichen Gebietsreform stand, sondern die Schaffung eines einheitlichen Lebens-, Arbeits- und Wirtschaftsraumes im Umfeld größerer brandenburgischer Städte. Das Verfassungsgericht hat einstimmig eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten, § 22 Abs. 1 2. Alt. VerfGGBbg. Der Beschluß ist unanfechtbar. |
Dr. Knippel | Prof. Dr. Dombert |
Prof. Dr. Harms-Ziegler | Havemann |
Dr. Jegutidse | Prof. Dr. Schröder |
Prof. Dr. Will |