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VerfGBbg, Beschluss vom 25. August 2010 - VfGBbg 11-20/10 EA -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
EA
entscheidungserhebliche Vorschriften: - VerfGGBbg, § 50 Abs. 2
- Evertr, Art. 17
Schlagworte: - Zulässige Entscheidungsinhalt
- Gesetzgeberische Unterlassen
- Rehabilitierung
Fundstellen: LKV Verwaltungsrechts-Zeitschrift 1/2011, S. 27
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 25. August 2010 - VfGBbg 11-20/10 EA -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 11-20/10 EA



IM NAMEN DES VOLKES

 
B E S C H L U S S

VfGBbg 11/10 EA
VfGBbg 12/10 EA
VfGBbg 13/10 EA
VfGBbg 14/10 EA
VfGBbg 15/10 EA
VfGBbg 16/10 EA
VfGBbg 17/10 EA
VfGBbg 18/10 EA
VfGBbg 19/10 EA
VfGBbg 20/10 EA

In den Verfahren über die Anträge auf Erlass einstweiliger Anordnungen

S.,

Antragsteller,

wegen der Verleihung akademischer Grade, der Ausstellung geänderter Zeugnisse, der Anweisung von Behörden und der Vaterschaftsfeststellung

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg durch die Verfassungsrichter Postier, Prof. Dawin, Dielitz, Dr. Fuchsloch, Partikel, Möller und Schmidt

am 25. August 2010

b e s c h l o s s e n :

1. Die Verfahren VfGBbg 11/10 EA, VfGBbg 12/10 EA, VfGBbg 13/10 EA, VfGBbg 14/10 EA, VfGBbg 15/10 EA, VfGBbg 16/10 EA, VfGBbg 17/10 EA, VfGBbg 18/10 EA,

VfGBbg 19/10 EA und VfGBbg 20/10 EA werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

2.Die Anträge auf Erlass einstweiliger Anordnungen werden abgelehnt.

G r ü n d e :

A.

Der Antragsteller ist der Ansicht, er sei aufgrund der Regelung in Art. 17 des Einigungsvertrages (EVertr) für in der DDR erlittenes Unrecht umfassend zu rehabilitieren. Die danach garantierte „qualifizierte“ Rehabilitierung, die auch Folgeansprüche umfasse, sei mit den derzeit geltenden Staatshaftungs- und Rehabilitierungsgesetzen nicht zu erreichen. Da der Landtag Brandenburg sich „einer vollständigen Rehabilitierung bislang verschlossen“ habe, müsse das Verfassungsgericht tätig werden. Er stelle daher Anträge auf Erlass einstweiliger Anordnungen, die darauf gerichtet seien, das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg möge die erforderlichen Berechtigungen und Verpflichtungen dafür aussprechen, dass

1. das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Technologie des Landes Nordrhein-Westfalen dem Antragsteller Graduierungsurkunden zum „Betriebswirt (grad.)“ und „Sicherheitsingenieur (grad.)“ mit Nachdiplomierung zum „Technischen Diplom-Betriebswirt (FH)“ und „Diplom-Sicherheitsingenieur (FH)“ verleiht (VfGBbg 11/10 EA),

2. die Fernuniversität Hagen ihm sofort den akademischen Diplomgrad „Diplom-Ökonom“ und nach Vorliegen der mit dem Antrag zu 1. erstrebten Aufbaustudiendiplome den akademischen Diplomgrad „Diplom-Wirtschaftsingenieur“ verleiht (VfGBbg 12/10),

3. das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg ihm ersatzweise für das nordrhein-westfälische Ministerium die Abschlüsse „Technischer Diplom-Betriebswirt (FH) und „Diplom-Sicherheitsingenieur“ sowie die Ehrentitel „Oberingenieur“ und „Professor ehrenhalber“ verleiht (VfGBbg 13/10),

4. die Technische Akademie Wuppertal e.V. den Noten-durchschnitt des Zertifikats „Bauwirtschaftliches Fach- und Führungswissen für Bauingenieure“ vom 8. Februar 1980 auf „1,5“ ändert (VfGBbg 14/10),

5. der Thüringer Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur den Notendurchschnitt seines Abschlusses „Ingenieurökonom der Baumaterialienindustrie“ vom 9. Juli 1968 auf „2,0“ ändert und ihm ersatzweise für das nordrhein-westfälische bzw. brandenburgische Ministerium die Abschlüsse „Technischer Diplom-Betriebswirt (FH)“ und „Diplom-Sicherheitsingenieur“ verleiht (VfGBbg 15/10),

6. das Bundesministerium der Verteidigung ihm das Offiziersexamen zum Unterleutnant der Reserve bei gleichzeitiger Beförderung zum Oberleutnant der Reserve ausstellt (VfGBbg 16/10),

7. der Schulleiter des ...Gymnasiums in Brandenburg an der Havel ihm ein neues Reifezeugnis mit einer Gesamtnote „3“ ausstellt (VfGBbg 17/10),

8. das Gesundheitsamt der Stadt Brandenburg an der Havel für die postmortale Eheschließung seiner Eltern eine Vaterschaftsfeststellung vornimmt (VfGBbg 18/10),

9. die Brandenburgische Technische Universität Cottbus ihm das DDR-Diplom „Diplomingenieur Fachrichtung Bauwesen“ verleiht und DDR-Forschungsarbeiten als Doktorarbeiten annimmt (VfGBbg 19/10) sowie

10. der Ministerpräsident des Landes Brandenburg die zuständigen Stellen beauftragt, die für die vollständige Rehabilitierung des Antragstellers erforderlichen Verwaltungsakte zu erlassen (VfGBbg 20/10).

B.

I.

Die Verfahren werden gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg), § 93 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung aus Gründen der Verfahrensökonomie zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

II.

Die Anträge auf Erlass einstweiliger Anordnungen haben keinen Erfolg.

1. Die Anträge sind sämtlich darauf gerichtet, Träger öffentlicher Gewalt zur Vornahme von Handlungen zu verpflichten. Eine solche Verpflichtung kann im Wege einstweiligen Rechtsschutzes vor dem Verfassungsgericht des Landes Brandenburg nicht erreicht werden. Sie ginge über den zulässigen Inhalt einer Entscheidung in der Hauptsache hinaus. Das Verfassungsgericht kann bei einer erfolgreichen Verfassungsbeschwerde nur feststellen, welche Vorschrift der Verfassung durch welche Handlung oder Unterlassung verletzt wurde, nicht aber eine Handlungsverpflichtung aussprechen (§ 50 Abs. 2 VerfGGBbg). Sollten die Anträge auf Erlass einstweiliger Anordnungen nicht im Vorgriff auf noch zu erhebende Verfassungsbeschwerdeverfahren, sondern im Zusammenhang mit dem Wahlprüfungsbeschwerdeverfahren VfGBbg 24/10 erhoben worden sein, gälte nichts anderes. Entscheidungen in Wahlprüfungsbeschwerdeverfahren können nur den in § 9 Wahlprüfungsgesetz vorgesehenen Inhalt haben. Dazu gehören die vom Antragsteller begehrten Verpflichtungen nicht.

2. Dem Vorbringen des Antragstellers ist auch nichts zu entnehmen, was ein sofortiges Einschreiten des Verfassungsgerichts mit anderem (zulässigem) Entscheidungsinhalt veranlassen könnte. Der vom Antragsteller geltend gemachte Anspruch auf „qualifizierte Rehabilitierung“ ist vor dem Verfassungsgericht des Landes Brandenburg nicht durchzusetzen. Der Antragsteller kann insofern nicht mit Erfolg beanstanden, der Landtag Brandenburg habe versäumt, die erforderliche Rechtsgrundlage für die vollständige Rehabilitierung von Opfern rechtsstaatswidriger Maßnahmen im Beitrittsgebiet zu schaffen. Gesetzgeberisches Unterlassen kann vor dem Verfassungsgericht nur gerügt werden, wenn ein ausdrücklicher Verfassungsauftrag besteht, der Inhalt und Umfang der Gesetzgebungspflicht im Wesentlichen umgrenzt (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 14. Dezember 2008 – 2 BvR 2338/07 u.a. -, NJW 2009, 1805). Ein solcher an den Landesgesetzgeber gerichteter Verfassungsauftrag ist indes weder vom Antragsteller benannt worden noch in der Verfassung des Landes Brandenburg ersichtlich. Er ergibt sich im Übrigen auch nicht aus Art. 17 EVertr, auf den der Antragsteller sich beruft. Wortlaut und Erläuterung der Bestimmung (vgl. BT-Drucksache 11/7760, S. 363f) lassen nicht den Schluss zu, dass der Gesetzgeber verpflichtet sein könnte, die Rehabilitierung über den in den Rehabilitierungsgesetzen vorgesehenen Umfang hinaus zu erstrecken.

C.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.
 

Postier Prof. Dawin
      
Dielitz Dr. Fuchsloch
    
Möller Schmidt
   
Partikel