VerfGBbg, Beschluss vom 25. Mai 2016 - VfGBbg 22/16 -
Verfahrensart: |
Verfassungsbeschwerde Hauptsache |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - VerfGGBbg, § 20 Abs. 1 Satz 2; VerfGGBbg, § 45 Abs. 2; VerfGGBbg, § 46 - FamFG, § 54 Abs. 2 |
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Schlagworte: | - Sorgerechtsregelung - Begründung - Subsidiarität |
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Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 25. Mai 2016 - VfGBbg 22/16 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 22/16
IM NAMEN DES VOLKES
B e s c h l u s s
In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren
1. K.
2. V.
Beschwerdeführer,
wegen Beschlüsse des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) - Familiengericht - vom 9. und 10. März 2016 (51 F 81/16), Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 16. März 2016 (15 UF 56/16)
hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
am 25. Mai 2016
durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dielitz, Dr. Lammer, Nitsche und Partikel
beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.
Gründe:
A.
Die Beschwerdeführer wenden sich gegen familiengerichtliche Entscheidungen über den Teilentzug der elterlichen Sorge und die Einleitung einer Pflegschaft.
I.
Die Beschwerdeführer sind Eltern des am 14. Dezember 2015 geborenen M.
Am 9. März 2016 erließ das Amtsgericht Frankfurt (Oder) - Familiengericht - im Wege der einstweiligen Anordnung einen Beschluss über den vorläufigen Entzug der Teilbereiche der elterlichen Sorge Aufenthaltsbestimmungsrecht, Gesundheitsfürsorge und Recht zur Antragstellung nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch für das Kind. Zugleich wurde die Pflegschaft eingeleitet und das Jugendamt des Landkreises Märkisch-Oderland zum Pfleger bestellt. In dem Beschluss heißt es, die Gesundheit und das Leben des Kindes seien gefährdet, da die Beschwerdeführer eine ausreichende Ernährung und ärztliche Versorgung des Kindes nicht sicherstellten und öffentliche Hilfen ablehnten.
Das Amtsgericht beschloss am 10. März 2016, den Beschluss vom Vortag aufrechtzuerhalten, da keine Anhaltspunkte vorhanden seien, die eine Aufhebung oder Änderung der getroffenen Entscheidung rechtfertigten.
Das Brandenburgische Oberlandesgericht verwarf unter dem 16. März 2016 (15 UF 56/16) die Beschwerde der Beschwerdeführerin zu 2. gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) vom 9. und 10. März 2016 als unzulässig.
II.
Die Beschwerdeführer haben am 10. Mai 2016 Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) vom 9. März 2016 erhoben und den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel der Herausgabe ihres Sohnes beantragt. Sie machen geltend, dass sich aus der Anwendung erloschener Gesetze ein Verstoß gegen nationales und internationales Recht ergebe. In dem 2009 in Kraft getretenen Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) würden die Grundrechte auf freie Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG), der Freiheit der Person und körperliche Unversehrtheit (Art. 23 Abs. 2 GG), der Ehe und Familie (Art. 6 GG), der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) sowie auf Eigentum (Art. 14 GG) einfachgesetzlich eingeschränkt, ohne dass dem Zitiergebot nach Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG genügt werde. Das Gesetz habe damit keine Gesetzeskraft erlangt und sei ungültig. Das Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) sei am 31. August 2009 außer Kraft getreten und könne keine Wirkung mehr entfalten.
Am 17. Mai 2016 haben die Beschwerdeführer Ablichtungen unter anderem der Beschlüsse des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) vom 10. März 2016 und des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 16. März 2016, des anwaltlichen Beschwerdeschriftsatzes vom 11. März 2016 sowie von vier "Beweistexten" eingereicht.
B.
Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) zu verwerfen. Sie ist unzulässig.
1. Die Beschwerde genügt den Begründungserfordernissen aus § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg nicht. Die Beschwerdeführer zeigen mit ihren Schreiben eine Beschwerdebefugnis im Sinne der Möglichkeit, durch die angegriffenen Beschlüsse des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) und des Brandenburgischen Oberlandesgerichts in ihren Grundrechten verletzt zu sein, nicht auf. Eine § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg genügende Begründung der Verfassungsbeschwerde setzt voraus, dass der die Rechtsverletzung enthaltende Vorgang substantiiert und schlüssig vorgetragen wird. Bei einer gegen eine gerichtliche Entscheidung gerichteten Verfassungsbeschwerde hat der Beschwerdeführer sich mit dieser inhaltlich auseinanderzusetzen. Es muss deutlich werden, inwieweit durch die angegriffene Maßnahme das bezeichnete Grundrecht verletzt sein soll (st. Rspr., vgl. Beschlüsse vom 22. Mai 2015 - VfGBbg 32/14 - und vom 15. April 2016 - VfGBbg 86/15 -). Dem genügt die Beschwerdeschrift nicht. Es fehlt bereits an der konkreten Benennung eines Grundrechts der Verfassung des Landes Brandenburg, das durch die angefochtenen Beschlüsse verletzt sein soll.
Ungeachtet dessen wird das Verfassungsgericht bei der Überprüfung fachgerichtlicher Entscheidungen nicht in der Art eines Rechtsmittelgerichts tätig. Es ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichts, die Entscheidungen der Fachgerichte allgemein auf ihre materielle und verfahrensrechtliche Richtigkeit zu überprüfen und sich in dieser Weise an ihre Stelle zu setzen (st. Rspr., vgl. nur Beschlüsse vom 21. November 2014 - VfGBbg 20/14 - und vom 29. August 2014 - VfGBbg 63/13 -). Eine Überprüfung erfolgt vielmehr allein am Maßstab der Landesverfassung daraufhin, ob eine gerichtliche Entscheidung hierin gewährte Rechte verletzt (Beschlüsse vom 15. April 2016 - VfGBbg 86/15 - und vom 19. Juni 2015 - VfGBbg 24/15 -). Die verfassungsgerichtliche Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen ist daher darauf beschränkt festzustellen, ob die Entscheidung willkürlich ist oder ob sie auf einer grundsätzlich unrichtigen Auffassung von der Bedeutung eines Grundrechts oder vom Umfang seines Schutzbereichs beruht. Hierfür bietet das Beschwerdevorbringen keinen Anhalt.
Zu einer anderen Bewertung führen auch nicht die von den Beschwerdeführern am 17. Mai 2016 eingereichten Unterlagen. Weder ist in diesen ein nach Auffassung der Beschwerdeführer verletztes Grundrecht der Landesverfassung benannt, noch leisten sie eine konkrete Auseinandersetzung mit den angefochtenen gerichtlichen Entscheidungen am beschriebenen Maßstab.
2. Zudem steht der Verfassungsbeschwerde der Grundsatz der Subsidiarität entgegen. Das in § 45 Abs. 2 VerfGGBbg verankerte Prinzip der Subsidiarität verlangt von einem Beschwerdeführer, dass dieser - über eine bloße Rechtswegerschöpfung hinaus - alles im Rahmen seiner Möglichkeiten Stehende getan hat, um eine etwaige Grundrechtsverletzung zu beseitigen oder von vornherein zu verhindern. Vor Anrufung des Verfassungsgerichts muss er alle ihm gegebenenfalls zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung ergreifen (st. Rspr., vgl. Beschluss vom 22. Mai 2015 ‑ VfGBbg 32/14 -). Erst wenn dies ergebnislos geblieben ist, kann er das Verfassungsgericht anrufen. Dabei scheiden nur offensichtlich unzulässige Verfahrensalternativen aus, was allein dann zu bejahen ist, wenn der Rechtsschutzsuchende nach dem Stand der Rechtsprechung und Lehre zum maßgebenden Zeitpunkt über deren Unzulässigkeit nicht im Ungewissen sein konnte. Bestehen hingegen lediglich mehr oder weniger gewichtige Zweifel, ob eine vorrangige Rechtsschutzmöglichkeit zulässig ist, muss der Beschwerdeführer vor der Erhebung der Verfassungsbeschwerde im Hinblick auf deren Subsidiarität grundsätzlich davon Gebrauch machen (vgl. Beschluss vom 18. September 2015 - VfGBbg 14/15 - zur Rechtswegerschöpfung). Vorliegend drängt sich gerade angesichts der Ausführungen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts im Beschluss vom 16. März 2016 die Frage nach einem Antrag der Beschwerdeführer auf mündliche Verhandlung gemäß § 54 Abs. 2 FamFG, in der erneut in der Sache zu entscheiden ist, auf. Das Vorbringen der Beschwerdeführer lässt nicht erkennen, aus welchen Gründen ein solcher Schritt ersichtlich aussichtslos oder unzulässig sein könnte.
3. Damit erledigt sich zugleich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
4. Die Entscheidung ist einstimmig ergangen. Sie ist unanfechtbar.
Möler | Dr. Becker |
Dielitz | Dr. Lammer |
Nitsche | Partikel |