VerfGBbg, Beschluss vom 25. Mai 2012 - VfGBbg 2/12 EA -
Verfahrensart: |
Verfassungsbeschwerde EA |
|
entscheidungserhebliche Vorschriften: | - LV, Art. 9 Abs. 1 - StGB, § 56 f. |
|
Schlagworte: | - Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung | |
Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 25. Mai 2012 - VfGBbg 2/12 EA -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 2/12 EA
IM NAMEN DES VOLKES
B e s c h l u s s
In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren
S.
Beschwerdeführer,
Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwältin B.
Direktorin des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel, Magdeburger Straße 47,
14770 Brandenburg an der Havel,
Äußerungsberechtigte zu 1,
Präsident des Landgerichts Potsdam,
Jägerallee 10 - 12,
14469 Potsdam,
Äußerungsberechtigter zu 2,
Staatsanwaltschaft Potsdam,
Jägerallee 10 – 12,
14469 Potsdam,
Äußerungsberechtigte zu 3,
wegen des Beschlusses des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel vom 8. November 2011, Az. 25 BRs 39/08, und des Beschlusses des Landgerichts Potsdam vom 20. Dezember 2011, Az. 23 Qs 138/11
hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Nitsche, Dr. Becker, Dielitz, Dr. Lammer, Möller, Partikel und Schmidt
am 25. Mai 2012
b e s c h l o s s e n:
1. Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen.
3. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen.
A.
Der Beschwerdeführer rügt die Verfassungswidrigkeit eines Widerrufs der Strafaussetzung zur Bewährung und beantragt den Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Das Amtsgericht Brandenburg an der Havel verurteilte den Beschwerdeführer am 20. April 2007, rechtskräftig seit dem 5. Juni 2008, wegen Nötigung in vier Fällen, in zwei Fällen in Tateinheit mit Beleidigung, und wegen Beleidigung zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten, deren Vollstreckung für die Dauer von drei Jahren zur Bewährung ausgesetzt wurde (Az. 25 Cs 252/06).
Die Taten hatte der Beschwerdeführer im Zeitraum September 2005 bis März 2006 in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Brandenburg begangen, in der er eine u.a. wegen räuberischer Erpressung, Körperverletzung und Beleidigung verhängte Freiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten Dauer verbüßte. Während der Haft war der Beschwerdeführer im Zeitraum September 2005 bis November 2006 wegen Beleidigung, Bedrohung und Körperverletzung insgesamt weitere viermal zu Geldstrafen verurteilt worden.
Mit Beschluss vom 12. Juni 2007 entschied die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Potsdam (Az. 20 StVK 116/07) mit Blick auf das anstehende Ende der Haft in der JVA Brandenburg, dass die Führungsaufsicht nicht entfalle und der Beschwerdeführer seine Entlassungsanschrift und jeden Wechsel des Wohnortes und des Arbeitsplatzes unverzüglich der Aufsichtsstelle zu melden habe. Am 18. Juni 2007 wurde der Beschwerdeführer aus der JVA Brandenburg entlassen.
Das Amtsgericht Neuruppin verurteilte den Beschwerdeführer am 16. November 2009, rechtskräftig seit dem 16. März 2011, wegen Verstoßens gegen die vorstehend genannten Weisungen während der Führungsaufsicht (145 a StGB) im Zeitraum 27. Juli 2007 bis 13. Dezember 2008 zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten (Az. 80 Ds 183/09).
Das Amtsgericht Tiergarten verurteilte den Beschwerdeführer am 11. Februar 2011 wegen versuchter Nötigung und Beleidigung in drei Fällen – begangen im Zeitraum März 2009 bis Juli 2010 - zu einer Gesamtgeldstrafe von 100 Tagessätzen (Az. 241 Ds 241/09). Das Urteil ist seit dem 19. Februar 2011 rechtskräftig.
Auf den dem Beschwerdeführer am 6. Oktober 2011 bekannt gewordenen Antrag der Staatsanwaltschaft vom 25. Juli 2011 widerrief das Amtsgericht Brandenburg an der Havel mit Beschluss vom 8. November 2011 die durch sein Urteil vom 20. April 2007 (25 Cs 252/06) gewährte Strafaussetzung zur Bewährung (25 BRs 39/08). Die Verurteilungen des Beschwerdeführers vom 16. November 2009 und 11. Februar 2011 wegen teils einschlägiger Straftaten hätten gezeigt, dass die der Strafaussetzung zur Bewährung zugrundegelegte Erwartung bzw. Prognose, der Beschwerdeführer werde künftig keine Straftaten mehr begehen (§ 56 Abs. 1 StGB), zu korrigieren sei. Dass das Amtsgericht Tiergarten den Beschwerdeführer nicht zu einer Freiheits-, sondern zu einer Geldstrafe verurteilt habe, sei für die entscheidende Frage der Resozialisierung, welche bei ihm nicht zu erkennen sei, nicht maßgeblich. Eine mildere Maßnahme nach § 56 f Abs. 2 StGB sei nicht in Betracht gekommen, der Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung daher notwendig.
Gegen diesen Beschluss legte der Beschwerdeführer sofortige Beschwerde ein, die das Landgericht Potsdam mit Beschluss vom 20. Dezember 2011 verwarf. Den Beschluss erhielt der Beschwerdeführer am 10. Januar 2012.
Unter dem 2. März 2012 stellte der Beschwerdeführer unter Hinweis auf eine schwere Erkrankung (schwere Depression mit Angst- und Panikattacken) einen Antrag auf Bewilligung von Haftaufschub gemäß § 455 Abs. 1, 3 StPO, hilfsweise gemäß § 456 StPO, den die Staatsanwaltschaft Potsdam unter dem 6. März 2012 zurückwies. Daraufhin beantragte der Beschwerdeführer unter dem 22. März 2012 nach § 458 Abs. 2 StPO die gerichtliche Entscheidung; diesen Antrag wies das Amtsgericht Brandenburg an der Havel unter dem 2. April 2012 zurück.
B.
Mit der am 7. März 2012 per Fax erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 5 Abs. 2 und Art. 9 der Verfassung des Landes Brandenburg (LV) durch die Beschlüsse des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel vom 8. November 2011 und des Landgerichts Potsdam vom 20. Dezember 2011. Der Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung sei unverhältnismäßig, verstoße gegen das Rechtsstaatsprinzip und verkenne die Tragweite seines Freiheitsgrundrechts.
Die vom Amtsgericht Brandenburg an der Havel zur Begründung herangezogenen Verurteilungen rechtfertigten einen Bewährungswiderruf nicht. Der mit dem Urteil des Amtsgerichts Neuruppin vom 16. November 2009 geahndete Verstoß gegen die führungsaufsichtlichen Weisungen stehe in keinem kausalen Zusammenhang mit seinen kriminellen Neigungen; der Bewährungswiderruf dürfe nicht einfach eine Strafe für den Verstoß gegen die Weisungen sein. Die Verurteilung durch das Amtsgericht Tiergarten vom 11. Februar 2011 trage den Bewährungswiderruf nicht, da dieses aufgrund einer positiven Sozialprognose die Verhängung einer Freiheitsstrafe nicht für erforderlich gehalten habe. Dieser auf einem unmittelbaren und frischen Eindruck des sachnäheren Tatgerichts (Amtsgericht Tiergarten) beruhenden Beurteilung hätte sich das Amtsgericht Brandenburg an der Havel anschließen müssen. Jedenfalls hätte es bei seiner Entscheidung erwägen müssen, dass die Verhängung einer Geldstrafe durch das Amtsgericht Tiergarten ein Indiz für die Geringwertigkeit seiner hiermit abgeurteilten Straftaten sein könne, und mildere Mittel als den Bewährungswiderruf, etwa eine Verlängerung der Bewährungszeit, in Betracht ziehen müssen.
Schließlich verstoße der Bewährungswiderruf gegen das rechtsstaatliche Gebot der Rechtssicherheit, weil er ca. acht Monate nach Rechtskraft der in der Bewährungszeit erfolgten Verurteilungen durch das Amtsgericht Neuruppin und das Amtsgericht Tiergarten und ca. fünf Monate nach Ablauf der Bewährungszeit nicht mehr damit habe rechnen müssen, wegen der mit dem Urteil vom 20. April 2007 verhängten und zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe in Haft zu kommen.
Der Beschwerdeführer begehrt mit ebenfalls am 7. März 2012 anhängig gemachtem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung die Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel vom 20. April 2007. Die Vollstreckung dieser Freiheitsstrafe infolge des offensichtlich verfassungswidrigen Widerrufs der Bewährung schaffe vollendete Tatsachen und bereitete ihm schwere und irreversible Nachteile wie den Verlust seiner Wohnung. Außerdem sei er aufgrund einer schweren Erkrankung nicht hafttauglich; er befinde wegen einer schweren Depression mit Angst- und Panikattacken in ärztlicher Behandlung.
Mit Schriftsatz vom 28. April 2012 beantragt der Beschwerdeführer die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.
C.
Die Äußerungsberechtigten erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Äußerungsberechtigte zu 3 verteidigt den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung als rechtmäßig und sieht keine Gründe für einen Strafaufschub.
Die Akten des Ausgangsverfahrens wurden beigezogen.
D.
Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist unbegründet. Die Beschlüsse des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel vom 8. November 2011 und des Landgerichts Potsdam vom 20. Dezember 2011 verletzen den Beschwerdeführer nicht in seinem Grundrecht auf Freiheit der Person aus Art. 9 Abs. 1 LV.
I.
Das Verfassungsgericht prüft gerichtliche Entscheidungen nur eingeschränkt. Feststellung und Würdigung des Tatbestandes, die Auslegung einfachen Rechts und seine Anwendung auf den Einzelfall sind zuvörderst Sache der dafür allgemein zuständigen Fachgerichte und der Nachprüfung durch das Verfassungsgericht solange entzogen, wie nicht Fehler sichtbar werden, die auf ein Übersehen betroffener Grundrechte oder der nicht hinreichenden Berücksichtigung bzw. unrichtigen Anschauung von Bedeutung und Tragweite der Grundrechte beruhen, oder Folge sachfremder und damit objektiv willkürlicher Erwägungen sind (ständige Rechtsprechung, zuletzt Beschluss vom 16. Dezember 2011 – VfGBbg 16/11 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de; für das Bundesrecht: Bundesverfassungsgericht (BVerfG) E 18, 85, 92 f., NStZ-RR 2007, S. 338 f.).
II.
Derartige Fehler lassen die angegriffenen Entscheidungen nicht erkennen. In Anbetracht der Verurteilungen des Beschwerdeführers durch das Amtsgericht Neuruppin vom 16. März 2009 zu einer dreimonatigen Freiheitsstrafe und durch das Amtsgericht Tiergarten vom 11. Februar 2011 zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen die mit dem Urteil des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel vom 20. April 2007 gewährte Strafaussetzung zur Bewährung zu widerrufen, verletzt den Beschwerdeführer nicht in seinem Grundrecht aus Artikel 9 Abs. 1 LV.
1. Der vom Bundesverfassungsgericht für den Fall eines Bewährungswiderrufs nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB (Weisungsverstoß) geforderte kausale Zusammenhang zwischen dem - beim Urteil des Amtsgerichts Neuruppin gegenständlichen - Weisungsverstoß und der kriminellen Neigung des Verurteilten, aus dem die Gefahr der Begehung weiterer Straftaten durch diesen folgt, ergibt sich vorliegend bereits aus der Norm, wegen derer das Amtsgericht Neuruppin den Beschwerdeführer verurteilt hat. § 145 a StGB fordert als Taterfolg die Gefährdung des Maßregelzwecks, die wiederum vorliegt, wenn der Weisungsverstoß die Gefahr der Begehung neuer Straftaten vergrößert (vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl., § 145 a Rz. 8). Den Eintritt dieses Taterfolgs hat das Amtsgericht Neuruppin in seinem Urteil vom 16. März 2009 ausdrücklich festgestellt, wenn es ausführt, indem „er sich einer ständigen Kontrolle und effektiven Überwachung durch die Führungsaufsichtsstelle und nachgeordnete soziale Hilfsdienste wie die Bewährungshilfe entzog, setzte er sich der konkreten Gefahr aus, den Weg in eine Leben ohne Straftaten nicht zurückzufinden und wieder in Lebensverhältnisse abzugleiten, in denen die Begehung von Straftaten mehr als wahrscheinlich erscheint“.
2. Zwar erzwingt oder erlaubt nicht jede in der Bewährungszeit begangene Straftat, insbesondere nicht, wenn sie von geringem Gewicht und nicht einschlägig ist, ohne weiteres eine Korrektur der der Strafaussetzung zur Bewährung zugrunde gelegten positiven Prognose, der Verurteilte werde im Sinne von § 56 Abs. 1 Satz 1 StGB künftig keine Straftaten mehr begehen (vgl. Schönke/Schröder-Stree/Kinzig, StGB, 28. Aufl., § 56 f Rz. 4). Von der gegenteiligen Prämisse ist das Amtsgericht Brandenburg an der Havel in seinem Beschluss vom 8. November 2011 aber auch nicht ausgegangen. Vielmehr hat es für die Korrektur seiner ursprünglichen Prognose auch die Verurteilung des Beschwerdeführers durch das Amtsgericht Tiergarten vom 11. Februar 2011 herangezogen. Diese Verurteilung hatte die Begehung von drei Beleidigungen sowie eines Versuchs der Nötigung und damit einschlägige Straftaten zum Gegenstand.
3. Der Umstand, dass das Amtsgericht Tiergarten wegen dieser Taten eine Geld- und nicht eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung verhängt hat, führt nicht zur verfassungsrechtlichen Unzulässigkeit des Bewährungswiderrufs. Das Bundesverfassungsgericht hat den Widerruf der Bewährung wegen einer Straftat, die mit einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe geahndet wurde, als (nur) ausnahmsweise zulässig erachtet (BVerfG NStZ 1985, 357; NStZ-RR 2008, 26 f.) und den Ausnahmecharakter damit begründet, dass regelmäßig das die Bewährung gewährende Tatgericht infolge der Erscheinung und des Verhaltens des Straftäters in der mündlichen Verhandlung die besseren Erkenntnismöglichkeiten hinsichtlich dessen voraussichtlichen weiteren Lebensweges habe (BVerfG, aaO).
Vorliegend hat der Beschwerdeführer in der Bewährungszeit jedoch zwei Straftaten begangen und wurde wegen einer dieser durch das Amtsgericht Neuruppin zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten ohne Bewährung verurteilt. Das Amtsgericht Neuruppin hat nicht nur eine sogenannte kurze Freiheitsstrafe verhängt, sondern auch deren Vollstreckung mangels positiver Sozialprognose nach § 56 Abs. 1 Satz 1 StGB für geboten gehalten.
Demgegenüber hatte das Amtsgericht Tiergarten eine Sozialprognose nach § 56 Abs. 1 Satz 1 StGB gar nicht anzustellen, weil es den Beschwerdeführer zu einer Gesamtgeldstrafe (100 Tagessätze) verurteilte. Dass das Amtsgericht Tiergarten nur eine Geldstrafe und keine kurze Freiheitsstrafe verhängte, kann nicht mit einer positiven Sozialprognose nach § 56 Abs. 1 Satz 1 StGB gleichgesetzt werden (vgl. OLG Hamm, NStZ-RR 2008, S. 26; Fischer, aaO, § 56 f Rz.8 b). Im Übrigen kann eine Strafaussetzung zur Bewährung auch wegen der Verurteilung zu einer Geldstrafe widerrufen werden (OLG Hamm, aaO). Andernfalls würde der Tatrichter mit der Verurteilung zu einer Geldstrafe die Widerrufsentscheidung des Bewährungsgerichts vorwegnehmen können.
Ferner konnte das Amtsgericht Tiergarten bei seiner Urteilsfindung am 11. Februar 2011 die Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer Freiheitsstrafe durch das Amtsgericht Neuruppin nicht berücksichtigen, weil diese erst am 16. März 2011 rechtskräftig wurde. Insofern erscheint auch fraglich, ob das Amtsgericht Tiergarten hinsichtlich der Prognose über den weiteren Lebensweg des Beschwerdeführers bessere Erkenntnismöglichkeiten hatte als das die Bewährung widerrufende Amtsgericht Brandenburg an der Havel.
Schließlich bot es sich für das Amtsgericht Brandenburg an der Havel auch deshalb nicht an, sich bei seiner Entscheidung über den Bewährungswiderruf an der Strafbildung des Amtsgerichts Tiergarten zu orientieren, weil diese nicht aussagekräftig ist; sie lässt eine konkrete Auseinandersetzung mit der Vielzahl der einschlägigen Vorstrafen des Beschwerdeführers und den der Bewährungsentscheidung des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel vom 20. April 2007 zugrundeliegenden Erwägungen vermissen (vgl. hierzu Fischer, aaO, § 56 f Rz. 8 b).
4. Anhaltspunkte dafür, dass das Amtsgericht Brandenburg an der Havel im Rahmen seiner Prüfung, ob der Bewährungswiderruf verhältnismäßig ist, davon ausgehen musste, Maßnahmen nach § 56 f Abs. 2 StGB würden voraussichtlich künftige Straftaten des Beschwerdeführers verhindern, sind nicht ersichtlich.
5. Der vom Beschwerdeführer angegriffene Widerruf der Bewährung verstößt nicht unter den Gesichtspunkten von Vertrauensschutz und Rechtssicherheit gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 2, 5 LV). Ein Widerruf der Bewährung kann – in Grenzen - auch nach Ablauf der Bewährungszeit erfolgen. Der Beschwerdeführer hat am 6. Oktober 2011, also ca. vier Monate nach Ablauf der Bewährungszeit im Juni 2011, Kenntnis vom Antrag der Staatsanwaltschaft auf Widerruf der Bewährung erlangt und musste infolgedessen mit einem Bewährungswiderruf rechnen. Etwa einen Monat später, am 8. November 2011, erfolgte die Widerrufsentscheidung des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel. Gemessen an der Rechtskraft der zum Widerruf führenden Verurteilungen, auf welche die Widerrufsentscheidung alsbald zu erfolgen hat, betrug der Zeitraum bis zum Widerruf ca. 8 (Amtsgericht Neuruppin) bzw. 9 Monate (Amtsgericht Tiergarten). Beide Zeiträume (zwischen Bewährungsablauf und dem Widerruf sowie zwischen Rechtskraft der Verurteilungen und dem Widerruf) sind im Hinblick auf Vertrauensschutz und Rechtssicherheit verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. zur Rechtsprechung der Fachgerichte, welche durchweg Zeiträume von jeweils bis zu einem Jahr für zulässig halten Fischer, aaO, § 56 f Rz. 19 a; Schönke/Schröder-Stree/Kinzig, aaO, § 56 f Rz. 13). Dies gilt hier insbesondere, weil der Beschwerdeführer zunächst nicht erreichbar war.
E.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg.
I.
Soweit der Beschwerdeführer sich auch die mit der Hauptsache gerügte Verfassungswidrigkeit des Bewährungswiderrufs stützt, kommt der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht in Betracht, weil sich das Begehren in der Hauptsache als erfolglos erweist.
II.
Mit Blick auf das Erfordernis der Dringlichkeit ist die einstweilige Anordnung unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität unzulässig, soweit sie auf die Erkrankung des Beschwerdeführers gestützt wird. Im Zeitpunkt der Anhängigmachung des Antrags, auf welchen für die Frage der Subsidiarität allein abzustellen ist, hatte der Beschwerdeführer noch die – am 22. März 2012 wahrgenommene - Möglichkeit, wegen der Ablehnung des begehrten Haftaufschubs (§ 455 Abs. 1, 3 StPO, § 456 StPO) durch die Staatsanwaltschaft die gerichtliche Entscheidung nach § 458 Abs. 2 StPO, § 462 StPO zu beantragen.
F.
Der Antrag des Beschwerdeführers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist zurückzuweisen, denn die Verfassungsbeschwerde und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bieten keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (s. D. und E.)
G.
Der Beschluss ist einstimmig ergangen; er ist unanfechtbar.
Nitsche | Dr. Becker |
Dielitz | Dr. Lammer |
Möller | Partikel |
Schmidt | |