VerfGBbg, Beschluss vom 25. Februar 2011 - VfGBbg 47/10 -
Verfahrensart: |
Verfassungsbeschwerde Hauptsache |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - LV, Art. 6 Abs. 2 S. 1; LV, Art. 7 - VerfGGBbg, § 45 Abs. 2; VerfGGBbg, § 46 |
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Schlagworte: | - Rechtsschutzbedürfnis - Menschenwürde - Darlegung |
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Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 25. Februar 2011 - VfGBbg 47/10 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 47/10
IM NAMEN DES VOLKES
B e s c h l u s s
In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren
B.
Beschwerdeführer,
wegen Disziplinarverfahrens
hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Postier, Dr. Becker, Dr. Fuchsloch, Dr. Lammer, Möller und Schmidt
am 25. Februar 2011
b e s c h l o s s e n :
Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.
G r ü n d e :
A.
Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen die Art und Weise der Durchführung eines gegen ihn gerichteten Disziplinarverfahrens und gegen die Regelungen des Landesdisziplinargesetzes (LDG).
I.
Der Beschwerdeführer ist Polizeihauptkommissar. Nach einer Dienstaufsichtsbeschwerde vom 26. April 2005 und seinem Antrag auf Einleitung eines Disziplinarverfahrens wurde gegen den Beschwerdeführer am 27. Juni 2005 wegen des Verdachts der Ausübung von „Psychoterror“ und „Mobbing“ ein Disziplinarverfahren eingeleitet.
Im Rahmen des Disziplinarverfahrens wurden mehr als 50 Zeugen vernommen. Während des laufenden Disziplinarverfahrens beantragte der Beschwerdeführer im Wege gerichtlicher Eilverfahren, die Vernehmung von Zeugen nur unter bestimmten Umständen zuzulassen sowie die Verwertung verschiedener Beweismittel zu untersagen. Das Verwaltungsgericht Potsdam lehnte diese Eilanträge mit Beschlüssen vom 10. Mai 2007 (17 L 179/06.OL und 17 L 274/06.OL) unter Verweis auf § 44a der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ab. Danach könnten grundsätzlich keine isolierten Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen eingelegt werden. Etwaige Verfahrensfehler könne der Beschwerdeführer in einem sich möglicherweise anschließenden Klageverfahren betreffend eine Disziplinarverfügung oder eine Disziplinarklage geltend machen. Dann sei auch zu entscheiden, ob einzelne Verfahrenshandlungen wegen Verstoßes gegen die Verfassung nicht zu Lasten des Beschwerdeführers berücksichtigt werden durften.
Am 3. März 2008 stellte das Land Brandenburg das Disziplinarverfahren ein und sprach eine Missbilligung aus. Den Widerspruch des Beschwerdeführers wies es zurück.
Auf die dagegen gerichtete Klage hob das Verwaltungsgericht Potsdam mit Urteil vom 29. Juni 2010 (Az. 17 K 1412/08.OL) die in der Einstellungsverfügung vom 3. März 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides enthaltene Missbilligung auf. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass nicht klar erkennbar sei, auf Grund welcher Tatsachen dem Beschwerdeführer Vorwürfe gemacht werden.
Die folgenden zunächst im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gestellten Feststellungsanträge hatte der Beschwerdeführer vor der gerichtlichen Entscheidung zurückgenommen:
1. Die Mehrfachvertretung von Zeugen durch einen Beistand gemäß § 14 VwVfG ist unzulässig.
2. Die Mehrfachvertretung von Zeugen durch Personen des Vertrauens im Disziplinarverfahren ist unzulässig.
3. Der Ausschluss des Bevollmächtigten von der Zeugenvernehmung Münzer aufgrund des Attestes der Polizeiärztin ist rechtswidrig und verletzt den Beschwerdeführer in seinen Rechten auf ein faires Verfahren, insbesondere einer angemessenen Verteidigung.
4. Der pauschale Ausschluss des Beschwerdeführers von den Zeugenvernehmungen verletzt den Beschwerdeführer in seinen Rechten auf ein faires Verfahren, insbesondere der konfrontativen Befragung.
5. Die Verwaltungsermittlungen durch die sogenannte Ermittlungsgruppe waren unzulässig und der Beteiligte hat das Disziplinarverfahren schuldhaft verspätet eingeleitet und dabei den Beschwerdeführer in seinen Rechten auf ein faires und beschleunigtes Verfahren verletzt.
II.
Mit der am 11. Oktober 2010 erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer insbesondere die Verletzung seiner Grundrechte auf faires Verfahren und effektiven Rechtsschutz aus Art. 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), Art. 1, Art. 2, Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) und Art. 52 Abs. 3 und 4 der Verfassung des Landes Brandenburg (LV). Für die Verfassungsbeschwerde bestehe auch nach Aufhebung der mit Bescheid vom 3. März 2008 ausgesprochenen Missbilligung ein Rechtsschutzbedürfnis. Die persönliche Ehre und Anerkennung des Beschwerdeführers sei bisher nicht wieder hergestellt.
1. Seine Grundrechte seien einerseits durch die Art und Weise der Durchführung des Disziplinarverfahrens verletzt. Insoweit rügt er die bereits beim Verwaltungsgericht mit den zunächst gestellten Feststellungsanträgen geltend gemachten Verfahrensverletzungen. Insbesondere sei das Disziplinarverfahren viel zu spät eingeleitet worden. Im Verlauf der weiteren Ermittlungen habe der Dienstvorgesetzte Zeugenaussagen manipuliert und unzulässige Beweise verwendet.
2. Darüber hinaus soll das Verfassungsgericht klären, ob das Verwaltungsgericht Potsdam – wie aus Sicht des Beschwerdeführers mit den Eilbeschlüssen vom 10. Mai 2007 in den Verfahren 17 L 179/06.OL und 17 L 274/06.OL geschehen – offensichtlich verfassungs- und rechtswidrige Verfahrenshandlungen auf ein Hauptsacheverfahren verweisen könne. Damit würden Willkürakte während des Verwaltungsverfahrens nicht geahndet, hätten jahrelang Bestand und würden sich als rechtswidrige Praxis verfestigen.
3. Mit seinem Schriftsatz vom 31. Oktober 2010 wendet sich der Beschwerdeführer zudem allgemein gegen die Regelungen des Landesdisziplinargesetzes und deren Systematik, die das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz aushöhlen würden und einen ungehinderten Eingriff in den durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützten Rechtsstatus ermöglichten.
B.
Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz des Landes Brandenburg (VerfGGBbg) zu verwerfen. Sie ist unzulässig.
1. Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung grundgesetzlich geschützter Rechtspositionen (Art. 1, Art. 2, Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 3 GG) und der Rechte aus Art. 6 EMRK rügt, ist darauf hinzuweisen, dass Art. 6 Abs. 2 Satz 1 LV die Verfassungsbeschwerde ausschließlich gegen behauptete Verletzungen der in der Verfassung des Landes Brandenburg gewährleisteten Grundrechte eröffnet. Das Gericht geht jedoch davon aus, dass der anwaltlich nicht vertretene Beschwerdeführer neben den in seiner Beschwerdeschrift ausdrücklich genannten Landesgrundrechten aus Art. 52 Abs. 3 und 4 LV auch die Verletzung der den zitierten Grundgesetznormen entsprechenden Garantien der Verfassung des Landes Brandenburg rügen möchte.
Soweit der Beschwerdeführer sich gegen die aus seiner Sicht erfolgte Verletzung von Grundrechten bei der Durchführung des Disziplinarverfahrens wendet, hat er den Rechtsweg nicht erschöpft. Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 VerfGGBbg muss ein Beschwerdeführer vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde alle ihm zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreifen, um die geltend gemachte Grundrechtsverletzung zu verhindern oder zu beseitigen, insbesondere den fachgerichtlichen Rechtsweg ausschöpfen (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschluss vom 30. September 2010 – VfGBbg 42/10 - www.verfassungsgericht.branden-burg.de). Dies hat der Beschwerdeführer nicht getan. Nach seinem eigenen Vorbringen in der Beschwerdeschrift hat er die auf Feststellung von Verfahrens- und Verfassungsverstößen gerichteten Anträge vor der Disziplinarkammer des Verwaltungsgerichts zurückgenommen.
Das auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit der beanstandeten Verfahrenshandlungen gerichtete Begehren ist darüber hinaus auch deshalb unzulässig, weil dem Beschwerdeführer nach Aufhebung der mit Bescheid vom 3. März 2008 ausgesprochenen Missbilligung durch das Verwaltungsgericht das Rechtsschutzbedürfnis hierfür fehlt. Dass die Art und Weise der Durchführung des Disziplinarverfahrens weiterhin eine Beschwer entfaltet, ist nicht ersichtlich. Soweit der Beschwerdeführer seine persönliche Ehre und Anerkennung durch eine Entscheidung des Verfassungsgerichts wieder hergestellt sehen will, genügt dies nicht. Er müsste eine Verletzung der in der Landesverfassung verbürgten Grundrechte geltend machen können. Eine im Hinblick auf die Ehre und Anerkennung allein in Betracht kommende Verletzung der Menschenwürde (Art. 7 LV) ist – auch nach dem Vortrag des Beschwerdeführers - nicht erkennbar.
2. Hinsichtlich der vom Beschwerdeführer vom Verfassungsgericht begehrten Klärung, ob das Verwaltungsgericht Potsdam die gerichtliche Überprüfung von aus Sicht des Beschwerdeführers offensichtlich verfassungs- und rechtswidrigen Maßnahmen bei der Durchführung eines Disziplinarverfahrens verweigern und insofern auf ein späteres Hauptsacheverfahren verweisen konnte, ist ebenfalls der Rechtsweg nicht erschöpft (§ 45 Abs. 2 VerfGGBbg). Der Beschwerdeführer hätte gegen die Eilbeschlüsse des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 10. Mai 2007 in den Verfahren 17 L 179/06.OL und 17 L 274/06.OL Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht erheben können.
3. Die darüber hinaus geltend gemachte Verfassungswidrigkeit der Regelungen des Landesdisziplinargesetzes und deren Systematik hat der Beschwerdeführer nicht den Erfordernissen des § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg entsprechend dargelegt. Danach sind in der Begründung das (Landes-)Grundrecht, das verletzt sein soll, und die Handlung oder Unterlassung des Organs oder der Behörde, durch die der Beschwerdeführer sich verletzt fühlt, zu bezeichnen. Dabei ist im einzelnen darzulegen, welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen die angegriffene Maßnahme nicht genügt und inwieweit dadurch das bezeichnete Grundrecht verletzt sein soll (vgl. Beschluss vom 28. September 2006 – VfGBbg 19/06 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de). Welche Vorschrift den Beschwerdeführer in welchem Grundrecht beeinträchtigen soll, wird aus seinem Vortrag nicht ersichtlich.
C.
Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.
Postier | Dr. Becker |
Dr. Lammer | Dr. Fuchsloch |
Schmidt | Möller |