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VerfGBbg, Beschluss vom 25. Januar 2013 - VfGBbg 21/12 -

 

Verfahrensart: Organstreit
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - VerfGGBbg, § 36 Abs. 1; VerfGGBbg, § 36 Abs. 3
Schlagworte: - Abgeordneter
- Funktionszulagen
- Maßnahme
- Unterlassen
- Antragsfrist im Organstreitverfahren
nichtamtlicher Leitsatz: 1. Die für das Organstreitverfahren geltende Antragsfrist des § 36 Abs. 3 VerfGGBbg beginnt zu laufen, wenn dem Antragsteller die beanstandete Maßnahme bekannt geworden ist. Wann beim Antragsteller verfassungsrechtliche Bedenken entstanden sind, ist unerheblich.

2. Handlungen, die nur vorbereitenden oder bloß vollziehenden Charakter haben, scheiden als Angriffsgegenstand im Organstreitverfahren aus (hier: Einstellung von Finanzmitteln in den Fraktionshaushalt).

3. Bei einem Unterlassen wird die Frist des § 36 Abs. 3 VerfGGBbg dann in Gang gesetzt, wenn sich der Antragsgegner erkennbar und eindeutig weigert, in der Weise tätig zu werden, wie es der Antragsteller für erforderlich hält.
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 25. Januar 2013 - VfGBbg 21/12 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 21/12




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

In dem Organstreitverfahren

 

   Hans-Peter Goetz, MdL,

  

 

Antragsteller,

 

    gegen

 

die Fraktion der Freien Demokratischen Partei
des Landtags des Landes Brandenburg,
vertreten durch den Fraktionsvorsitzenden Andreas Büttner,
Am Havelblick 8, 14473 Potsdam,

 

Antragsgegnerin,

 Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte D.                           

 

wegen der Gewährung von Funktionszulagen

 

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Nitsche, Dr. Becker, Dielitz, Dresen, Dr. Fuchsloch, Dr. Lammer, Partikel und Schmidt

 

am 25. Januar 2013

 

 

b e s c h l o s s e n :

                     

Der Antrag wird verworfen.

 

G r ü n d e:

 

A.

Der Antragsteller wendet sich gegen die Zahlung von Funktionszulagen durch die Antragsgegnerin.

 

I.

Der Antragsteller ist Mitglied des Brandenburger Landtags und gehört der aus sieben Abgeordneten bestehenden Antragsgegnerin an. Nach der Landtagswahl im September 2009 wurde er zum Vorsitzenden der Antragsgegnerin gewählt, am 10. August 2010 trat er von diesem Amt zurück.

 

Zu Beginn der laufenden Legislaturperiode beschloss der Vorstand der Antragsgegnerin, dem zu diesem Zeitpunkt gemäß § 16 ihrer Geschäftsordnung der Antragsteller als Fraktionsvor­sitzender, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende und die parlamentarische Geschäftsführerin angehörten, die Zahlung von „Funktionszulagen für Vorstandsmitglieder“. Ausweislich eines Vermerks des damaligen (angestellten) Geschäftsführers der Antragsgegnerin vom 9. Dezember 2009 erhielten der stellvertretende Vorsitzende ab Oktober 2009 eine monatliche Zahlung i. H. v. einem Viertel der Grunddiät (1.125,93 Euro) und die parlamentarische Geschäftsführerin i. H. v. einem Drittel der Grunddiät (1.501,25 Euro).

 

Mit Schreiben vom 23. November 2010 bat die Antragsgegnerin den Parlamentarischen Beratungsdienst (PBD) um gutachterliche Stellungnahme zur Rechtmäßigkeit von aus Fraktionsmitteln gezahlten Funktionszulagen. Der PBD legte das Gutachten am 23. Dezember 2010 vor. Dabei kam er zu dem Ergebnis, dass nach gegenwärtiger Rechtslage wohl kein Raum für weitere Funktionszulagen aus Fraktionsmitteln - neben den im Abgeordnetengesetz geregelten Amtszulagen für den Präsidenten und die Vizepräsidentin des Landtags sowie für die Fraktionsvorsitzenden – bestehe. Trotz dieses Gutachtens setzte die Antragsgegnerin die Zahlung der Funktionszulagen fort.

 

Am 8. Februar 2011 beriet die Antragsgegnerin ihren Haushalt für das Jahr 2011. Wie aus dem Protokoll dieser Sitzung hervorgeht, kritisierte der Antragsteller, dass der Haushaltsentwurf Funktionszulagen vorsehe. Diese führten zu einer Hierarchisierung innerhalb der Fraktion und diskriminierten andere Abgeordnete. Der Antragsteller verlangte eine gesonderte Abstimmung über diesen Haushaltsposten. Die Abstimmung ergab, dass von den sechs anwesenden Fraktionsmitgliedern vier für die Beibehaltung des betreffenden Haushaltspostens stimmten, ein Fraktionsmitglied enthielt sich, der Antragsteller stimmte dagegen. Mit dem gleichen Ergebnis wurde nachfolgend der Haushalt für das Jahr 2011 beschlossen.

 

Auf ihrer Sitzung am 20. Dezember 2011 beschloss die Antragsgegnerin mit sechs Ja-Stimmen und einer Gegenstimme den Haushalt für das Jahr 2012. In diesem ist unter dem Titel „Vergütung Fraktionsmitglieder“ ein Betrag von 32.000 Euro eingestellt.

 

II.

In dem am 13. März 2012 eingeleiteten Organstreitverfahren macht der Antragsteller geltend, die Zahlung von Funktionszulagen an die parlamentarische Geschäftsführerin und den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Antragsgegnerin verletzten die durch die Verfassung des Landes Brandenburg (LV) garantierte Gleichheit aller Abgeordneten als Vertreter des ganzen Volkes und führten zu Hierarchien und Abhängigkeiten der Abgeordneten. Die Zahlungen seien geeignet, die Entscheidungsfreiheit der Abgeordneten zu beeinträchtigen und zu einer „Abgeordnetenlaufbahn“ zu führen. Im Übrigen mache er sich die vom PBD im Gutachten vom 23. Dezember 2010 geäußerte Rechtsauffassung zu eigen.

 

Sein Antrag sei nicht verfristet. Er sei zunächst Vorsitzender der Antragsgegnerin gewesen und habe hierfür eine (zulässige) Zulage erhalten. Damit habe er an der Spitze der Einkommenshierarchie der Antragsgegnerin gestanden. Die verfassungswidrigen Funktionszulagen hätten ihn deshalb zunächst nicht in seinen Rechten verletzen können. Die Rechtsverletzung durch die angegriffenen Zahlungen sei vielmehr erst nach seinem Rücktritt als Fraktionsvorsitzender im August 2010 eingetreten.

 

Ursprünglich seien ihm verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Funktionszulagen und das zu dieser Frage ergangene Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 21. Juli 2000 auch nicht bekannt gewesen. Hiervon habe er erst Kenntnis erlangt, als die Sendung „Report Mainz“ der ARD im September 2010 über Funktionszulagen berichtete.

 

Seither sei die Zahlung der Funktionszulagen ständiges Thema in den Sitzungen der Antragsgegnerin gewesen. Bereits nach der Beschlussfassung zum Fraktionshaushalt 2011 im Februar des Jahres sei er zur Anrufung des Verfassungsgerichts entschlossen gewesen. Zu diesem Zeitpunkt wäre der Antrag in jedem Fall rechtzeitig gewesen. Gerade die Antragsgegnerin habe ihn damals gedrängt, zunächst noch die Novellierung des Abgeordnetengesetzes abzuwarten.

 

Hierauf habe er sich eingelassen. Die Reform des Abgeordnetengesetzes habe sich jedoch immer weiter verzögert. Im Februar 2012 sei schließlich in einer Sitzung der Antragsgegnerin über das Eckpunktepapier einer Reform des Abgeordnetengesetzes informiert worden. Mit einer Änderung der gegenwärtigen Praxis der Zahlung von Funktionszulagen sei danach nicht zu rechnen.

 

Im Übrigen sei es zwar richtig, dass die monatlichen Auszahlungen der Funktionszulagen nur davor getroffene Entscheidungen vollziehen würden. Diese grundsätzlichen Entscheidungen seien aber im Rahmen der jeweiligen Haushaltsbeschlüsse der Antragsgegnerin erfolgt, zuletzt mit dem Beschluss für das Kalenderjahr 2012. Dieser perpetuiere nicht nur die bisherige Praxis, sondern treffe eine neue Entscheidung. Ausschließlich zur Position „Funktionszulagen“ sei eine bewusste und gesonderte Einzelentscheidung ergangen.

 

Der Antragsteller beantragt,

 

1. festzustellen, dass die monatlichen Zahlungen der Antragsgegnerin von Funktionszulagen an ihre parlamentarische Geschäftsführerin i. H. v. 1.500 Euro und an ihren stellvertretenden Vorsitzenden i. H. v. 1.200 Euro gegen Art 22 Abs. 3 LV verstoßen,

 

2. festzustellen, dass der auf der Fraktionsversammlung vom 20. Dezember 2011 beschlossene Haushalt der Antragsgegnerin für das Jahr 2012 gegen Art 22 Abs. 3 LV verstößt, soweit er die Zahlung von Funktionszulagen für die parlamentarische Geschäftsführerin und den stellvertretenden Vorsitzenden der Antragsgegnerin vorsieht.

 

Die Antragsgegnerin hält die Anträge bereits für unzulässig. Beide Anträge seien verspätet, da die 6-Monatsfrist des § 36 Abs. 3 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) abgelaufen sei. Dem Antragsteller sei seit 2009 bekannt, dass Zulagen an den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden und die parlamentarische Geschäftsführerin gezahlt würden.

 

Schließlich folge die Unzulässigkeit des Antrags zu 2. auch aus dem Umstand, dass es sich bei dem Fraktionshaushalt nicht um eine Maßnahme i. S. d. § 36 Abs. 1 VerfGGBbg handle. Dieser schaffe lediglich die Legitimationsgrundlage für die nachfolgende Auskehr der Funktionszulagen an die begünstigten Verantwortungsträger und habe deshalb nur Vorbereitungscharakter. Erst der Umsetzungsakt durch die Auszahlung der Gelder könne für den Antragsteller rechtlich bedeutsam sein. Darüber hinaus könne auch nicht angenommen werden, dass mit jedem fraktionellen Haushaltsbeschluss die Frist des § 36 Abs. 3 VerfGGBbg neu zu laufen beginne. Zweck dieser Vorschrift sei es gerade, einen Zustand stetiger Rechtsunsicherheit zwischen Verfassungsorganen zu vermeiden. Der Beschluss für das Jahr 2012 bestätige nur die vorherigen Beschlüsse und habe keine neue sachliche Qualität.

 

Im Übrigen seien die Anträge auch unbegründet. Die Zahlung von Funktionszulagen stelle sich als die Wahrnehmung der durch Art. 67 LV den Fraktionen zugewiesenen Organisationshoheit dar. Das Urteil des BVerfG vom 21. Juli 2000 stehe dem nicht entgegen, da es einen anderen Sachverhalt betreffe. Das BVerfG habe sich in dieser Entscheidung mit gesetzlichen Regelungen auseinandergesetzt, aufgrund derer Funktionszulagen gewährt worden seien. Im hier zu entscheidenden Fall gehe es um die Rechtsfrage, ob und inwieweit die Organisationsautonomie einer Fraktion derartige Entschädigungszahlungen rechtfertige. 

 

III.

Die Landesregierung und der Landtag haben gemäß § 37 Abs. 2 VerfGGBbg von dem Organstreitverfahren Kenntnis erhalten.

 

B.

Die Anträge sind dem Verfahrensgegenstand nach statthaft. Sie zielen auf die Auslegung der Landesverfassung aus Anlass einer Streitigkeit über den Umfang der Rechte und Pflichten von Beteiligten, die durch die Verfassung mit eigenen Rechten ausgestattet sind (vgl. Art. 113 Nr. 1 LV, §§ 12 Nr. 1, 35     VerfGGBbg). Sowohl der Antragsteller als auch die Antragsgegnerin sind als „andere Beteiligte“ im Sinne der genannten Regelungen im Organstreitverfahren beteiligtenfähig (vgl. Urteil vom 20. Juni 1996 – VfGBbg 14/96 EA -, LVerfGE 4, 190, 195).

 

Die Anträge bleiben indes ohne Erfolg. Sie sind unzulässig.

 

1. Der Antrag zu 1. ist nicht gegen einzelne Zahlungen, sondern ausweislich der Antragsbegründung gegen die Praxis der Antragsgegnerin gerichtet, aus den zur Fraktionsfinanzierung zur Verfügung gestellten Mitteln Funktionszulagen für den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden und die parlamentarische Geschäftsführerin zu zahlen.

 

a. Die Praxis der Zulagengewährung stellt eine Maßnahme i. S. d. § 36 Abs. 1 VerfGGBbg dar. Als Maßnahme kommt jedes Verhalten eines Antragsgegners in Betracht, das die Rechtsstellung des Antragstellers zu beeinträchtigen in der Lage ist. Dabei kann es sich auch um tatsächliche Verhaltens- und Vorgehensweisen handeln, sofern diese rechtserheblich sind (vgl. Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge,  BVerfGG Kommentar, Stand: Februar 2012, § 64 Rn. 25 m. w. N.). Die Rechtserheblichkeit der angegriffenen Praxis ist nicht zweifelhaft. Sie ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass die Gewährung von Funktionszulagen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 102, 224 ff.) gegen die Freiheit des Mandats und den Grundsatz der Gleichbehandlung der Abgeordneten verstoßen kann.

 

b. Allerdings hat der Antragsteller die vorgenannte Praxis der Antragsgegnerin nicht innerhalb der Frist des § 36 Abs. 3 VerfGGBbg angegriffen.

 

Danach muss der Antrag binnen sechs Monaten, nachdem die beanstandete Maßnahme dem Antragsteller bekannt geworden ist, gestellt werden. Die Vorschrift enthält eine gesetzliche Ausschlussfrist, nach deren Ablauf Rechtsverletzungen nicht mehr geltend gemacht werden können. Damit sollen nach einer bestimmten Zeit im Organstreitverfahren angreifbare Maßnahmen im Interesse der Rechtssicherheit außer Streit gestellt werden (vgl. Urteil vom 28. Juli 2008 – VfGBbg 53/06 -, juris; ferner BVerfGE 71, 299, 304; 118, 277, 320 zu § 64 Abs. 3 BVerfGG).  

 

Da der vorliegende Antrag am 13. März 2012 bei Gericht eingegangen ist, durfte dem Antragsteller für eine zulässige Organklage die angegriffene Praxis der Funktionszulagen nicht vor dem 13. September 2011 bekannt geworden sein. Dies war aber eindeutig der Fall. Der Antragsteller hat hiervon seit Beginn der Legislaturperiode Ende 2009 Kenntnis, er hat die Zahlung der Zulagen damals als Mitglied des Fraktionsvorstandes selbst mit beschlossen. Selbst wenn man mit dem Antragsteller davon ausginge, dass Fristbeginn erst der Zeitpunkt seines Rücktritts als Fraktionsvorsitzender im August 2010 war, wäre die Frist bei Antragstellung lange abgelaufen gewesen.

 

Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 36 Abs. 3 VerfGGBbg reicht für den Fristbeginn aus, dass die beanstandete Maßnahme dem Antragsteller bekannt geworden ist. Wann beim Antragsteller verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Funktionszulagen entstanden sind, ist demgegenüber unerheblich (vgl. zu entsprechenden landesrechtlichen Bestimmungen auch Staatsgerichtshof Bremen, Urteil vom 27. Februar 2004 – St 2/03 -, juris; Verfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 24. Februar 2011 – 14/10 -, juris). Die Antragsfrist wird durch die monatliche Auszahlung der Funktionszulagen auch nicht jeweils erneut in Gang gesetzt. Die einzelnen Durchführungsschritte der angegriffenen Praxis der Antragsgegnerin beinhalten gegenüber dem Antragsteller keine neue und eigenständige Beschwer (ebenso Staatsgerichtshof Bremen, a. a. O.; vgl. zu Geschäftsordnungsvorschriften auch BVerfGE 80, 188, 209).

 

2. Der Antrag zu 2., wie er vom Antragsteller formuliert worden ist, geht ins Leere. Der Antragsteller begehrt die Feststellung, dass der Haushalt der Antragsgegnerin für das Jahr 2012 gegen die Landesverfassung verstößt, soweit er die Zahlung von Funktionszulagen für die parlamentarische Geschäftsführerin und den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden vorsieht. Einen solchen Inhalt hat der von der Antragsgegnerin beschlossene Haushalt für das Jahr 2012 aber nicht. Der Haushalt beinhaltet zwar unter dem Titel „Vergütung Fraktionsmitglieder“ einen Betrag in Höhe von 32.000,- Euro, trifft aber gerade keine Festlegungen zu den Zahlungsempfängern. Das Gericht legt den Antrag daher gemäß § 13 Abs. 1 VerfGGBbg, § 88 Verwaltungsgerichtsordnung dahingehend aus, dass die Einstellung des vorgenannten Betrages unter dem Titel „Vergütung Fraktionsmitglieder“ in den Haushalt 2012 gerügt werden soll.

 

a. Bei dem angegriffenen Beschluss über den Haushalt 2012 handelt es sich aber nicht um eine Maßnahme i. S. d. § 36 Abs. 1 VerfGGBbg. Es ist nicht feststellbar, dass durch den Beschluss Rechte des Antragstellers verletzt werden können. Durch die Einstellung eines Betrages von 32.000,- Euro für die Vergütung von Fraktionsmitgliedern wird weder verbindlich geregelt, dass Funktionszulagen tatsächlich gezahlt werden müssen, noch an wen und in welcher Höhe Zahlungen erfolgen. Diese Regelungen erfolgten ausschließlich in dem zu Beginn der Wahlperiode getroffenen Beschluss des Fraktionsvorstandes.

 

Handlungen, die nur vorbereitenden oder bloß vollziehenden Charakter haben, scheiden als Angriffsgegenstand im Organstreitverfahren aus (vgl. zum Bundesrecht BVerfGE 68, 1, 74; 80, 188, 209; 97, 408, 414). Hinsichtlich des verfahrensgegenständlichen Haushaltsbeschlusses ist jedenfalls Letzteres der Fall, da er lediglich die weitere Auszahlung von Funktionszulagen vorbereitet. Eine (zusätzliche) Beeinträchtigung der Rechtsstellung des Antragstellers ist damit nicht verbunden. In den Fraktionshaushalt sind die veranschlagten Ausgaben für das betreffende Haushaltsjahr einzustellen. Insoweit ermächtigt der Haushaltsplan zwar zur Zahlung von Funktionszulagen, ohne allerdings eine entsprechende Verpflichtung zu begründen. Es spricht auch nichts dafür, dass Funktionszulagen per se Abgeordnetenrechte verletzen. Ob sie gegen die Freiheit des Mandats und den Grundsatz der Gleichbehandlung der Abgeordneten verstoßen können, hängt nach der vom Antragsteller angeführten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts von der konkreten Ausgestaltung dieser Zahlungen ab, insbesondere von der Zahl der Zulagenberechtigten und der Höhe der Zahlungen (vgl. BVerfGE 102, 224, 240 ff.). Hierzu trifft der angegriffene Beschluss aber gerade keine Regelung.

 

b. Am Ergebnis würde sich auch dann nichts ändern, wenn man annehmen wollte, der Antragsteller rüge schwerpunktmäßig ein Unterlassen der Antragsgegnerin. Ein solches Unterlassen könnte zwar in der Weigerung der Fraktionsversammlung (als oberstem Beschlussorgan der Antragsgegnerin, vgl. § 9 Nr. 1 ihrer Geschäftsordnung) zu erblicken sein, den Beschluss des Fraktionsvorstandes über die Zahlung der Funktionszulagen aufzuheben und die darauf beruhende Praxis der Zulagengewährung zu beenden. Es erscheint aber bereits zweifelhaft, ob im vorliegenden Fall ein Unterlassen als Anknüpfungspunkt für die Organklage überhaupt in Betracht kommt. Denn mit dem Vorstandsbeschluss, Fraktionszulagen zu gewähren und mit Vollzug dieses Beschlusses durch Zahlungen an die Vorstandsmitglieder liegt ein aktives Tun vor, das Gegenstand der Organklage sein kann. Ob in dieser Konstellation zusätzlich noch ein Unterlassen als gesondert angreifbare Maßnahme im Sinne des § 36 Abs. 1 VerfGGBbg anzusehen ist, muss vorliegend nicht entschieden werden. Denn der Antrag wäre auch mit diesem Inhalt verfristet und mithin unzulässig.

 

Bei einem Unterlassen wird die Frist des § 36 Abs. 3 VerfGGBbg dann in Gang gesetzt, wenn sich der Antragsgegner erkennbar und eindeutig weigert, in der Weise tätig zu werden, wie es der Antragsteller für erforderlich hält (vgl. zum Bundesrecht BVerfGE 92, 80, 89; 103, 164, 176 ff.; 107, 286, 298 ff.). Damit hatte die 6-Monatsfrist des § 36 Abs. 3 VerfGGBbg spätestens am 8. Februar 2011 zu laufen begonnen. Auf der Sitzung der Antragsgegnerin an diesem Tag beantragte der Antragsteller die Streichung des die Funktionszulagen betreffenden Titels im Haushaltsplanentwurf für das Jahr 2011. Trotz der vom Antragsteller auf dieser Sitzung geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken und des zuvor auf Antrag der Antragsgegnerin erstellten Gutachtens des PBD vom 23. Dezember 2010 sprach sich die Fraktionsversammlung mehrheitlich für die Beibehaltung des betreffenden Haushaltspostens aus. Damit hatte sie eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass sie an dem Vorstandsbeschluss zu den Fraktionszulagen festhalten will. Das Unterlassen einer Aufhebung des Vorstandsbeschlusses bzw. der Beendigung der Praxis der Zulagengewährung war damit i. S. d. § 36 Abs. 3 VerfGGBbg „bekanntgeworden“, die Einleitung des Organstreitverfahrens am 13. März 2012 mithin auch insoweit verspätet.

 

C.

Das Verfassungsgericht hat einstimmig eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich gehalten (§ 22 Abs. 1  VerfGGBbg).

Nitsche Dr. Becker
   
Dielitz Dresen
   
Dr. Fuchsloch Dr. Lammer
   
Partikel Schmidt