VerfGBbg, Beschluss vom 22. Mai 2015 - VfGBbg 17/15 -
Verfahrensart: |
Verfassungsbeschwerde Hauptsache |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - LV, Art. 10; LV, Art. 12 Abs. 1; LV, Art. 52 Abs. 3 - VerfGGBbg, § 45 Abs. 2; VerfGGBbg, § 46; VerfGGBbg, § 20 Abs. 1 Satz 2 - FamFG, § 116 Abs. 3; FamFG, § 120 Abs. 2 |
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Schlagworte: | - Subsidiarität - Unterhaltstitel - Vollstreckungsschutz |
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Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 22. Mai 2015 - VfGBbg 17/15 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 17/15
IM NAMEN DES VOLKES
B e s c h l u s s
In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren
R.,
Beschwerdeführer,
Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte A.,
wegen Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 31. Dezember 2014 (35 F 181/11)
hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dielitz, Dresen, Dr. Lammer, Nitsche und Partikel
am 22. Mai 2015
b e s c h l o s s e n :
Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.
G r ü n d e:
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die nachträgliche Anordnung der sofortigen Wirksamkeit einer im Scheidungsfolgeverfahren ergangenen Entscheidung zum nachehelichen Unterhalt.
Die Ehe des Beschwerdeführers wurde am (…) 2014 mit Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg geschieden. Zugleich sprach das Amtsgericht der früheren Ehefrau nachehelichen Unterhalt in Höhe von zunächst X € monatlich zu. Während der Ausspruch zur Ehescheidung rechtskräftig wurde, legten die geschiedene Ehefrau Beschwerde und der Beschwerdeführer Anschlussbeschwerde wegen der Folgesache Unterhalt ein. Da der Beschwerdeführer die Unterhaltszahlungen einstellte, beantragte die geschiedene Ehefrau beim Beschwerdegericht eine Vorabentscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des erstinstanzlichen Beschlusses zum nachehelichen Unterhalt, die dieses an das Amtsgericht weiterleitete. Das Amtsgericht hörte den Beschwerdeführer zu dem Antrag an und ergänzte mit Beschluss vom 31. Dezember 2014, dem Beschwerdeführer am 19. Februar 2015 zugegangen, den Tenor des Beschlusses vom (…) 2014 zum Unterhalt um den Ausspruch „Der Beschluss ist sofort wirksam gem. § 111 III FamFG“ [gemeint war ersichtlich § 116 Abs. 3 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG)]. Eine Gehörsrüge wies das Amtsgericht am 6. März 2015 zurück.
Der Beschwerdeführer hat am 13. März 2015 Verfassungsbeschwerde erhoben. Ein Rechtsmittel gegen den amtsgerichtlichen Beschluss sei nicht gegeben. In der Sache verstoße dieser gegen Art. 52 Abs. 3, Art. 10 und Art. 12 der Landesverfassung (LV). Der Beschluss des Amtsgerichts sei objektiv willkürlich und unter Verletzung des rechtlichen Gehörs ergangen. Der Ergänzungsbeschluss sei ohne Antrag gefasst worden, obwohl das Amtsgericht nicht ohne einen solchen Antrag tätig werden dürfe. Tatsächlich habe sich die geschiedene Ehefrau nur an das Oberlandesgericht mit einem zudem auf ein anderes Ziel gerichteten Antrag gewendet. Darüber hinaus sei die Frist für eine nachträgliche Ergänzung des Beschlusses abgelaufen gewesen. Obwohl der Beschwerdeführer dies vorgetragen habe, sei das Amtsgericht darauf mit keinem Wort eingegangen. Das Gesetz biete zudem nicht die Möglichkeit, die Entscheidung über die sofortige Wirksamkeit bis zum Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsausspruchs zurückzustellen, abgesehen davon, dass sich das Amtsgericht eine solche nachträgliche Entscheidung auch nicht vorbehalten habe. Die erkennbar rechtsgrundlose Entscheidung des Amtsgerichts berge die Gefahr der Vollstreckung.
Den parallel beantragten Erlass einer einstweiligen Anordnung lehnte das Verfassungsgericht mit Beschluss vom 20. März 2015 ab (VfGBbg 5/15 EA).
B.
Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) zu verwerfen. Sie ist unzulässig.
In Bezug auf die vom Beschwerdeführer gerügte Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und des Art. 10 LV fehlt es an einer dem Begründungserfordernis nach § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg entsprechenden Darlegung der Beschwerdebefugnis, also der Möglichkeit, durch die angegriffene Gerichtsentscheidung in den genannten Grundrechten verletzt zu sein. Hinsichtlich der gerügten Verletzung des Gleichheitssatzes in seiner Ausprägung als Willkürverbot (Art. 12 iVm Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 LV) steht der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde der Grundsatz der Subsidiarität entgegen.
1. Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV gewährt den Verfahrensbeteiligten das Recht, sich vor Erlass einer gerichtlichen Entscheidung zu den für diese erheblichen Sach- und Rechtsfragen zu äußern. Dem entspricht die Pflicht des Gerichts, die Ausführungen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Da grundsätzlich davon auszugehen ist, dass das Gericht dieser Pflicht nachkommt, und es von Verfassungs wegen nicht jedes vorgebrachte Argument ausdrücklich bescheiden muss, bedarf es besonderer Umstände für die Feststellung eines Verstoßes gegen Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV (st. Rspr., vgl. etwa Beschlüsse vom 10. Mai 2007 - VfGBbg 8/07 -, LVerfGE 18, 150, 157, und vom 17. Juni 2011 - VfGBbg 33/10 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de). Solche besonderen Umstände legt der Beschwerdeführer hier nicht dar. Vielmehr geht aus dem Beschluss im Anhörungsrügeverfahren sogar hervor, dass das Amtsgericht das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht etwa übergangen, sondern für unerheblich gehalten hat, weil es von einem gänzlich anderen rechtlichen Ausgangspunkt entschieden hat. Das Amtsgericht war nämlich der Meinung, es sei von Amts wegen (erst) befugt, nach Rechtskraft der Scheidung die sofortige Wirksamkeit anzuordnen. Das Grundrecht auf rechtliches Gehör schützt jedoch nicht vor einer abweichenden (womöglich auch unzutreffenden) Rechtsauffassung des Gerichts (st. Rspr., vgl. etwa Beschluss vom 19. Oktober 2012 - VfGBbg 72/11 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de).
Worin eine Verletzung des vom Beschwerdeführer angesprochenen Grundrechts aus Art. 10 LV liegen könnte, hat er nicht näher bezeichnet.
2. Der Beschwerdeführer hat hinsichtlich der geltend gemachten Verletzung des Gleichheitssatzes aus Art. 12 Abs. 1 LV in der Ausprägung als Verbot objektiver Willkür den Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde nicht beachtet. Dieser aus dem Gebot der Rechtswegerschöpfung nach § 45 Abs. 2 Satz 1 VerfGGBbg abzuleitende Grundsatz besagt, dass der Beschwerdeführer vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde über die formale Erschöpfung des Rechtswegs hinaus alle ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ergriffen haben muss, um eine etwaige Grundrechtsverletzung in dem unmittelbar mit ihr zusammenhängenden sachnächsten Verfahren zu verhindern oder zu beheben (st. Rspr., vgl. Beschlüsse vom 29. August 2014 - VfGBbg 63/13 -, vom 15. März 2013 - VfGBbg 32/12 - und vom 27. Mai 2011 - VfGBbg 20/10 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de). Das ist hier nicht der Fall.
Der Beschwerdeführer, der Anschlussbeschwerde eingelegt hat, hat nicht dargelegt, dass er versucht hätte, die Einstellung oder Beschränkung der Vollstreckung aus dem Unterhaltstitel nach § 120 Abs. 2 Sätze 2, 3 FamFG im Beschwerdeverfahren vor dem Brandenburgischen Oberlandesgericht zu erreichen. Zwar sieht der Beschwerdeführer den Verfassungsverstoß gerade in der nachträglichen Anordnung der sofortigen Wirksamkeit, für die es aus seiner Sicht keine Rechtsgrundlage gibt und die nicht isoliert anfechtbar ist (Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, 35. Aufl., § 116 FamFG Rn. 12; Borth/Grandel, in: Musielak/Borth, Familiengerichtliches Verfahren, 5. Aufl., § 116 Rn. 7 a. E.; Schmitz, in: Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familiengerichtlichen Praxis, 8. Aufl., § 10 Rn. 85, 87; OLG Karlsruhe FamRZ 2014, 869). Allerdings würde ein etwaiges Obsiegen mit einem Vollstreckungsschutzantrag die in der nachträglichen Anordnung liegende Beschwer beseitigen. Die nachträgliche Anordnung der sofortigen Wirksamkeit des Beschlusses vom (…) 2014 bewirkt in Bezug auf den nachehelichen Unterhalt nämlich überhaupt erst die Vollstreckbarkeit des noch nicht rechtskräftigen Unterhaltstitels gegenüber dem Beschwerdeführer (§ 116 Abs. 3, § 120 Abs. 2 Satz 1 FamFG). Die Anwendung der Schuldnerschutzvorschriften aus § 120 Abs. 2 Sätze 2, 3 FamFG würde hingegen die sofortige Wirksamkeit und damit die sofortige Vollstreckbarkeit beseitigen, sofern die tatbestandlichen Voraussetzungen gegeben sind (OLG Brandenburg FamRZ 2014, 866).
Ein solcher Antrag ist für den Beschwerdeführer auch nicht unzumutbar, denn er ist nicht von vornherein erkennbar aussichtslos (vgl. dazu allgemein Beschlüsse vom 18. Oktober 2013 - VfGBbg 38/13 -; vom 28. Juni 2001 - VfGBbg 9/01 - und vom 25. Februar 1999 - VfGBbg 41/98 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de). In der bisherigen Rechtsprechung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts wird ein auf § 120 Abs. 2 FamFG gestützter Antrag, die Vollstreckung einzustellen oder zu beschränken, in der Beschwerdeinstanz für zulässig erachtet (OLG Brandenburg FamRZ 2014, 866 und Beschluss vom 24. April 2014 - 13 UF 26/14 -, juris). Ob ein solcher Antrag begründet wäre, hat allein das Fachgericht zu prüfen. Dass es in seiner bisherigen Rechtsprechung den auch vom Beschwerdeführer vorgebrachten Einwand nicht hat ausreichen lassen, ein unwiederbringlicher Nachteil liege darin, dass die Unterhaltsberechtigte etwaige laufende Unterhaltszahlungen möglicherweise nicht zurückzahlen könne (OLG Brandenburg FamRZ 2014, 866 und Beschluss vom 24. April 2014 - 13 UF 26/14 -, juris), steht dem nicht entgegen. Der Vortrag des Beschwerdeführers erschöpft sich nicht in diesem Vorbringen. Es muss daher der Entscheidung des Fachgerichts vorbehalten bleiben, ob die Argumente des Beschwerdeführers im Einzelnen durchzugreifen vermögen.
C.
Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.
Möller | Dr. Becker |
Dielitz | Dresen |
Dr. Lammer | Nitsche |
Partikel | |