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VerfGBbg, Beschluss vom 22. Januar 2021 - VfGBbg 59/20 PKH -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
PKH
entscheidungserhebliche Vorschriften: - VerfGGBbg, § 20 Abs. 1 Satz 2; VerfGGBbg, § 46
Schlagworte: - Strafantritt
- Strafaufschub
- Faires Verfahren
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 22. Januar 2021 - VfGBbg 59/20 PKH -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 59/20 PKH




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

VfGBbg 59/20
VfGBbg 59/20 (PKH)

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

B.,

Beschwerdeführer,

wegen

Ladung zum Strafantritt der Staatsanwaltschaft Cottbus vom 19. Juni 2020 ‌‑ 1611 Js 40712/16 V

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 22. Januar 2021

durch die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dresen, Dr. Finck, Heinrich‑Reichow, Kirbach, Dr. Lammer, Sokoll und Dr. Strauß

beschlossen: 

 

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

 

Gründe:

 

A.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Ladung der Staatsanwaltschaft Cottbus vom 19. Juni 2020 zum Strafantritt einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten. Dem lag eine amtsgerichtliche Verurteilung vom 11. Dezember 2018 wegen Beleidigung in 22 Fällen und Verleumdung in drei Fällen zugrunde. Die fristgerecht erhobene Berufung verwarf das Landgericht Cottbus mit Urteil vom 25. Oktober 2019, da der Beschwerdeführer nicht zum Termin zur Hauptverhandlung erschienen war. Die gegen das Urteil beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verwarf das Landgericht Cottbus mit Beschluss vom 20. Januar 2020, da der Beschwerdeführer keine nachvollziehbare Begründung für sein Ausbleiben in der Hauptverhandlung gegeben habe und kein Grund erkennbar gewesen sei, von Amts wegen Wiedereinsetzung zu gewähren.

Auf ein Gesuch um Strafaufschub des Beschwerdeführers vom 30. Juni 2020 erklärte die Staatsanwaltschaft Cottbus mit Schreiben vom 1. Juli 2020 ‌‑ 40 Ds 1611 Js 40712/16 V ‑ ‌ein Aufschub der Strafvollstreckung nach § 456 Abs. 1 Strafprozessordnung komme nicht in Betracht. Die vom Beschwerdeführer dargelegten Umstände gingen vielfach mit der Vollstreckung von Strafurteilen einher. Seit der Rechtskraft der strafrechtlichen Entscheidung habe ausreichend Zeit und Gelegenheit bestanden, sich auf die mit der Strafvollstreckung verbundenen Belastungen einzustellen. Bezüglich der nicht nachgewiesenen Notwendigkeit der Unterstützung der Mutter könne z. B. ein mobiler Pflegedienst in Anspruch genommen werden.

Mit Schriftsatz vom 30. Juni 2020 hat er Verfassungsbeschwerde erhoben und die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt.

Eine Haft von einem Jahr und zwei Monaten sei eine erhebliche Härte, weil seine Verurteilung rechts- und verfassungswidrig gewesen sei. Das der Inhaftierung zugrunde liegende Urteil sei ein nichtiges „Scheinurteil“. Es sei unter Verletzung seiner Grundrechte auf den gesetzlichen Richter, ein faires Verfahren, effektiven Rechtsschutz, rechtliches Gehör und das Verbot der Ungleichbehandlung vor Gericht ergangen. Durch die Haft seien seine „Grundrechte auf Meinungsfreiheit, Wahrheitsfreiheit und Pressefreiheit“, auf politische Mitgestaltung und Menschenwürde bedroht, da er nichts Falsches oder Illegales geäußert habe. Die geltend gemachten Grundrechtsverletzungen in dem zur Verurteilung führenden Verfahren führt er näher aus.

Mit einfacher E-Mail vom 3. Juli 2020 erklärte der Beschwerdeführer, Haftaufschub sei auch deshalb zu gewähren, weil er seine 83-jährige herzkranke und rheumatische Mutter zu unterstützen und zu pflegen habe. Diese sei auf seine Hilfe im Haushalt angewiesen.

Das Gericht hat aus der Akte der Staatsanwaltschaft Cottbus zum Aktenzeichen 40 Ds 1611 Js 40712/16 V folgende Dokumente beigezogen: Urteil des Amtsgerichts Lübben (Spreewald) vom 11. Dezember 2018 (40 Ds 1611 Js 40712/16 [180/17]), Urteil vom 25. Oktober 2019 und Beschluss vom 20. Januar 2020 des Landgerichts Cottbus (26 Ns 30/19), Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 23. Mai 2019 (2 Ws 98/19), Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 25. September 2019 (2 ARs 202/19 / 2 AR 156/19), fachärztlich-psychiatrisches Gutachten der Sachverständigen Hähnlein vom 14. Juni 2011; Schreiben der Staatsanwaltschaft Cottbus vom 1. Juli 2020 (40 Ds 1611 Js 40712/16 V), ferner Schreiben der Staatsanwaltschaft Cottbus vom 28. Februar 2020 (1311 Js 16700/16 V) und Auskunft des Bundeszentralregisters vom 5. März 2020.

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.

Für die Beurteilung, ob ein Strafaufschub von Verfassungs wegen aus anderen, gerade die Vollstreckung der Haft betreffenden Gründen geboten sein könnte, genügt der Vortrag des Beschwerdeführers nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung der Verfassungsbeschwerde aus § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg). Erforderlich ist danach eine Begründung, welche schlüssig die mögliche Verletzung des geltend gemachten Grundrechts des Beschwerdeführers aufzeigt. Sie muss umfassend und aus sich heraus verständlich sein. Mit der Begründung müssen der entscheidungserhebliche Sachverhalt und die wesentlichen rechtlichen Erwägungen nachvollziehbar dargelegt werden, um dem Gericht eine sachgerechte Auseinandersetzung mit dem geltend gemachten Begehren zu ermöglichen (st. Rspr., Beschluss vom 18. September 2020 - VfGBbg 61/20 -, Rn. 9, https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Seine Darlegungen beschränken sich in dieser Hinsicht darauf, oberflächlich eine Krankheit und Pflegebedürftigkeit seiner Mutter anzuführen. Dabei bedarf keiner Entscheidung, ob dieser Vortrag, der eine neue Beschwerdebegründung darstellt, in Form einer einfachen E-Mail überhaupt berücksichtigungsfähig ist. Mit der Begründung der Entscheidung der Staatsanwaltschaft Cottbus vom 1. Juli 2020, dem Beschwerdeführer habe seit dem Eintritt der Rechtskraft des Strafurteils hinreichend Zeit zur Verfügung gestanden, sich auf die Haft einzustellen und hinsichtlich der ‌‑ nicht nachgewiesenen ‑‌ Notwendigkeit der Unterstützung der Mutter könne ein mobiler Pflegedienst in Anspruch genommen werden, setzt sich der Beschwerdeführer nicht auseinander.

Der Beschwerdeführer kann mit den Einwendungen gegen das rechtskräftige Urteil des Amtsgerichts Lübben und das Berufungsurteil des Landgerichts Cottbus und dem Vortrag, diese seien unter Verletzung von Verfahrensgrundrechten zustande gekommen, im Rahmen der Strafvollstreckung nicht mehr gehört werden.

Die übrigen beigezogenen Schriftstücke bleiben für die Entscheidung des Verfassungsgerichts ohne Bedeutung.

Der Antrag des Beschwerdeführers auf Prozesskostenhilfe hat aus den zu der Verfassungsbeschwerde genannten Gründen keinen Erfolg, § 48 VerfGGBbg i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung.

C.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

 

 

Möller

Dr. Becker

Dresen

Dr. Finck

Heinrich-Reichow

Kirbach

Dr. Lammer

Sokoll

Dr. Strauß