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VerfGBbg, Beschluss vom 18. September 2020 - VfGBbg 61/20 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - VerfGGBbg, § 20 Abs. 1 Satz 1
Schlagworte: - Verfassungsbeschwerde unzulässig
- unzureichende Begründung
- Pflegeleistungen
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 18. September 2020 - VfGBbg 61/20 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 61/20




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

VfGBbg 61/20

VfGBbg 13/20 EA

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

B.,

Beschwerdeführer,

wegen

Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 8. Januar 2020 (S 11 P 45/19); diverse Beschlüsse des Sozialgerichts Potsdam und des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg; offenes Eilverfahren des Sozialgerichts Potsdam (S 11 P 1/20 ER); diverse offene weitere Eilverfahren beim Sozialgericht Potsdam; offenes Beschwerdeverfahren beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (L 30 P 11/20); diverse offene Befangenheitsanträge beim Sozialgericht Potsdam und beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 18. September 2020

durch die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dresen, Dr. Finck, Heinrich‑Reichow, Kirbach, Dr. Lammer, Sokoll und Dr. Strauß

beschlossen: 

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

 

Gründe:

 

A.

I.

Der Beschwerdeführer führte mehrere Verfahren vor dem Sozialgericht Potsdam und dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, mit denen er die Gewährung von Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung begehrt.

II.

Er hat am 25. Juli 2020 Verfassungsbeschwerde erhoben und macht geltend, dass er an schwerwiegenden psychischen Gesundheitsstörungen leide und seine Selbständigkeit schwer beeinträchtigt sei. Er habe im August 2018 Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung beantragt. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung Berlin-Brandenburg habe offensichtlich falsche Gutachten erstellt. Im April 2019 habe die gesetzliche Pflegeversicherung unter Verweis auf diese Gutachten die begehrten Leistungen der ambulanten Pflege abgelehnt. Der Beschwerdeführer habe dagegen geklagt. Nach dem Urteil in der Hauptsache im Verfahren S 11 P 45/19 am 8. Januar 2020, gegen das er Beschwerde erhoben habe, habe das Sozialgericht Potsdam über keinen seiner Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mehr entschieden. Das älteste Eilverfahren mit dem Aktenzeichen S 11 P 1/20 ER sei seit dem 5. Januar 2020 anhängig. Dabei verschlechtere sich sein Zustand zusehends. Auch über seine Befangenheitsanträge werde nicht mehr entschieden. Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg habe seine sämtlichen Beschwerden zurückgewiesen. Auch dort werde über die gegen die dortigen Richter gestellten Befangenheitsanträge nicht entschieden. Dem Beschwerdeführer drohten bei weiterer Verzögerung der Gewährung von ambulanten Pflegeleistungen irreparable Verletzungen, Gesundheitsstörungen und der Tod.

Der Beschwerdeführer hat den Bericht eines Diplom-Psychologen vom 18. Januar 2020 vorgelegt, wonach er in psychotherapeutischer Behandlung sei. Infolge der nicht gewährten ambulanten Pflege verwahrlose der Beschwerdeführer. Wegen seiner Ängste, Depressionen und Zwänge seien elementar notwendige alltägliche Verrichtungen wie Körperpflege und Nahrungsaufnahme nicht ausreichend regelmäßig verrichtet worden. Wegen mangelnder Bewegung drohe vollständige Bettlägerigkeit. Weil Wunden an den unteren Extremitäten nicht behandelt worden seien und wegen unzureichender Hygiene sei es bereits zu zwei über mehrere Wochen andauernden Infektionen gekommen. Antibiotika hätten keine Wirkung mehr gezeigt. Dies begründe die Gefahr einer Sepsis mit tödlichem Ausgang.

Der Beschwerdeführer hat zudem Auszüge aus einem Gutachten vorgelegt. Darin finden sich die Vermerke, dass die Mobilität zunehmend eingeschränkt sei, Tage mit vollständiger Bettlägerigkeit zunähmen und eine Besserung nicht zu erwarten sei.

Der Beschwerdeführer trägt vor, er verzichte bewusst auf die Angabe verfassungsrechtlicher Grundlagen und ergangener Rechtsprechung des Verfassungsgerichts, da er die Erfahrung gemacht habe, dass die Gewährung von Recht aus Gründen erfolge, die wohl nicht öffentlich vorgetragen werden könnten.

Der Beschwerdeführer beantragt,

im Wege einer einstweiligen Anordnung die DAK Gesundheit zur sofortigen Gewährung von Pflegeleistungen (Sachleistung (ambulanter Pflegedienst)), Kombinationsleistung (Sachleistung (ambulanter Pflegedienst)), Angebote zu Unterstützung im Alltag (ambulante Pflegedienste oder andere zugelassen Anbieter) im Rahmen des Pflegegrades IV zu verpflichten.

Ein Antrag in der Hauptsache ist nicht ausdrücklich gestellt worden.

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) zu verwerfen. Sie ist unzulässig. Ungeachtet der Frage, ob die Verfassungsbeschwerde nicht schon mangels Rechtswegerschöpfung unzulässig ist (§ 45 Abs. 2 Satz 1 VerfGGBbg), genügt sie nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung.

Erforderlich ist nach § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg eine Begründung, welche schlüssig die mögliche Verletzung des geltend gemachten Grundrechts des Beschwerdeführers aufzeigt. Sie muss umfassend und aus sich heraus verständlich sein. Mit der Begründung müssen der entscheidungserhebliche Sachverhalt und die wesentlichen rechtlichen Erwägungen nachvollziehbar dargelegt werden, um dem Gericht eine sachgerechte Auseinandersetzung mit dem geltend gemachten Begehren zu ermöglichen. Hierzu gehört in formaler Hinsicht, dass die angegriffenen Entscheidungen sowie die zugrundeliegenden Rechtschutzanträge und anderen Dokumente, ohne deren Kenntnis sich nicht beurteilen lässt, ob Grundreche oder grundrechtsgleiche Rechte des Beschwerdeführers verletzt wurden, vorzulegen oder wenigstens durch inhaltliche Wiedergabe zur Kenntnis zu bringen sind. Soweit das Verfassungsgericht im Rahmen der Begründungsanforderungen einer Verfassungsbeschwerde auch die Möglichkeit einer Verletzung in grundrechtsgleichen Rechten erwähnt hat (z. B. Beschluss vom 13. Dezember 2019 - VfGBbg 68/18 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de), wird klargestellt, dass solche - anders als im Grundgesetz durch die Erwähnung weiterer, nicht im Grundrechtskatalog aufgenommener Rechte in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG - in der Landesverfassung nicht vorgesehen sind. Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung, bedarf es in der Regel einer argumentativen Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung und ihrer konkreten Begründung. Dabei ist auch darzulegen, inwieweit das bezeichnete Grundrecht durch die angegriffene Entscheidung verletzt sein soll und mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen sie kollidiert (st. Rspr., vgl. Beschluss vom 22. März 2019 - VfGBbg 38/18 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Die Anforderungen an die Beschwerdebegründung müssen bezüglich jeder der mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Maßnahmen der hoheitlichen Gewalt jeweils gesondert erfüllt sein (vgl. Beschluss vom 20. Juli 2018 - VfGBbg 182/17 -, https://verfassungsgericht.branden­burg.de).

Der Beschwerdeschrift liegen weder die angegriffenen Entscheidungen und Anträge der offenen Verfahren bei, noch gibt sie deren jeweiligen Inhalt wieder. Sie setzt sich zudem nicht mit den konkreten Gründen der gerichtlichen Entscheidungen auseinander. Inwieweit das aus der Landesverfassung folgende und bei sachgerechter Auslegung der Beschwerdeschrift möglicherweise einschlägige Willkürverbot aus Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 LV durch die jeweils angegriffene Entscheidung verletzt sein soll, erschließt sich nicht.

Soweit der Beschwerdeführer beim Landesverfassungsgericht die Entscheidung begehrt, die von der Fachgerichtsbarkeit abgelehnt worden ist, ist grundsätzlich darauf hinzuweisen, dass das Landesverfassungsgericht keine Superrevisionsinstanz zur Überprüfung der Fachgerichtsbarkeit ist, sondern allein darüber zu wachen hat, ob gegen die Landesverfassung verstoßen worden ist (st. Rspr., vgl. Beschluss vom 30. November 2018 - VfGBbg 56/16 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de). In der Hauptsache hebt es Entscheidungen auf, die Grundrechte des Beschwerdeführers verletzen, und verweist die Sache an das zuständige Gericht zurück, § 50 Abs. 3 VerfGGBbg. Auch durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung darf grundsätzlich nichts gewährt werden, was nicht auch Ergebnis des Verfahrens in der Hauptsache sein könnte. Insoweit kann das im fachgerichtlichen Verfahren angestrebte Ergebnis (Verpflichtung der Pflegekasse zur Leistung) grundsätzlich nicht direkt durch eine Entscheidung des Verfassungsgerichts erreicht werden. Zudem wären selbst die einfachrechtlichen Voraussetzungen für den geltend gemachten Anspruch des Beschwerdeführers nicht dargelegt. Auch insoweit der Beschwerdeführer meint, die medizinischen Gutachten seien fehlerhaft und widersprüchlich, ergäbe sich hieraus noch nicht offensichtlich ein Anspruch auf die Pflegeleistungen.

C.

Mit der Verwerfung der Verfassungsbeschwerde erledigt sich zugleich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

D.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

 

 

 

Möller

Dr. Becker

Dresen

Dr. Finck

Heinrich-Reichow

Kirbach

Dr. Lammer

Sokoll

Dr. Strauß