VerfGBbg, Beschluss vom 21. März 2014 - VfGBbg 39/13 -
Verfahrensart: |
Verfassungsbeschwerde Hauptsache |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - VerfGGBbg, § 32 Abs. 7 Satz 2 | |
Schlagworte: | -Prozesskostenhilfe - Asylklage - Erledigung der Hauptsache - Auslagenerstattung - Billigkeitsentscheidung |
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Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 21. März 2014 - VfGBbg 39/13 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 39/13
IM NAMEN DES VOLKES
B e s c h l u s s
In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren
1. A. D.,
2. F. D.,
3. der minderjährigen Z. D.,
4. der minderjährigen A. D.,
Beschwerdeführer zu 1. – 4.,
Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt Z.,
wegen der Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 21. Februar 2013 (VG 1 K 952/11.A und VG 1 K 982/11.A)
hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dielitz, Dresen, Dr. Fuchsloch, Dr. Lammer, Nitsche, Partikel und Schmidt
am 21. März 2014
b e s c h l o s s e n :
1. Das Verfahren wird eingestellt.
2. Das Land Brandenburg hat den Beschwerdeführern ihre notwendigen Auslagen zu erstatten.
3. Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt.
G r ü n d e :
I.
Die Beschwerdeführer sind nach ihren Angaben russische Staatsangehörige kumykischer Volkszugehörigkeit. Nach ihrer Asylantragstellung wurden die Beschwerdeführer zu 1. und 2. am 21. Oktober 2010 durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge angehört. Da beide taubstumm sind, wurde hierbei ihre Tochter, die damals 12-jährige Beschwerdeführerin zu 3., als Gebärdensprachmittlerin hinzugezogen.
Gegen die ihre Asylgesuche ablehnenden Bescheide des Bundesamtes vom 16. September 2011 erhoben die Beschwerdeführer Klage beim Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) und beantragten gleichzeitig Prozesskostenhilfe. Sie rügten die Art der Anhörung durch das Bundesamt und erklärten, eine nähere Klagebegründung sei wegen der bestehenden Verständigungsschwierigkeiten mit dem Verfahrensbevollmächtigten derzeit nicht möglich. Das Verwaltungsgericht lehnte mit den angegriffenen Beschlüssen vom 21. Februar 2013 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab. Zur Begründung nahm es Bezug auf die Bescheide vom 16. September 2011, denen die Beschwerdeführer nichts Substantielles entgegengesetzt hätten. Die hiergegen erhobenen Anhörungsrügen wies das Verwaltungsgericht mit Beschlüssen vom 14. Juni 2013, den Beschwerdeführern zugegangen am 21. Juni 2013, zurück.
Mit der am 20. August 2013 erhobenen Verfassungsbeschwerde machten die Beschwerdeführer eine Verletzung der Art. 12 Abs. 1 und 52 Abs. 3 Verfassung des Landes Brandenburg geltend. Die Ablehnung der Gewährung von Prozesskostenhilfe habe ihr Recht auf Rechtsschutzgleichheit sowie ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.
Am 28. November 2013 führte das Bundesamt, dem die Verfassungsbeschwerde mit Gelegenheit zur Stellungnahme zugestellt worden war, eine weitere Anhörung der Beschwerdeführer zu 1. und 2. unter Hinzuziehung eines Gebärdendolmetschers durch. Mit Bescheid vom 8. Januar 2014 stellte es hinsichtlich des Beschwerdeführers zu 1. ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz im Hinblick auf die Russische Föderation fest und hob die mit Bescheid vom 16. September 2011 erlassene Abschiebungsandrohung auf.
Unter Hinweis auf die Anberaumung des weiteren Anhörungstermins beantragten die Beschwerdeführer mit Schriftsätzen vom 22. November 2013 erneut die Gewährung von Prozesskostenhilfe. Mit Beschlüssen vom 13. Januar 2014 entsprach das Verwaltungsgericht diesen Anträgen. Den Beschwerdeführern sei Prozesskostenhilfe zu bewilligen, da ihre Klagen zum Zeitpunkt der Bewilligungsreife der Prozesskostenhilfegesuche am 26. November 2013 hinreichende Aussicht auf Erfolg geboten hätten. Zu diesem Zeitpunkt habe es an der durch § 24 Abs. 1 Satz 3 Asylverfahrensgesetz vorgeschriebenen Anhörung gefehlt. Die ursprüngliche Anhörung unter Vermittlung eines Kindes sei nicht geeignet gewesen, die Vollständigkeit und Richtigkeit der Aufnahme der Asylgründe der Beschwerdeführer zu 1. und 2. zu gewährleisten. Fehle es – wie hier - an einer ordnungsgemäßen Anhörung, so müsse das Gericht eine vollständige Aufklärung des Sachverhalts durchführen, sofern das Bundesamt diese nicht von sich aus nachhole. Zum Zeitpunkt der Bewilligungsreife der PKH-Anträge sei dies noch nicht der Fall gewesen. Unter diesen Umständen seien die Erfolgsaussichten der Klagen jedenfalls als offen zu bewerten.
Daraufhin haben die Beschwerdeführer das Verfassungsbeschwerdeverfahren für erledigt erklärt und beantragt, die Erstattung ihrer notwendigen Auslagen anzuordnen.
II.
1. Das Verfahren ist entsprechend § 13 Abs. 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg), § 92 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung einzustellen, nachdem die Beschwerdeführer die Verfassungsbeschwerde für in der Hauptsache erledigt erklärt haben.
2. Auch im Falle der Erledigung der Hauptsache kann das Verfassungsgericht nach Billigkeitsgesichtspunkten eine volle oder teilweise Erstattung der Auslagen nach § 32 Abs. 7 Satz 2 VerfGGBbg anordnen (vgl. Beschluss vom 16. Mai 2002 – VfGBbg 21/02 -, LKV 2002, 467). Dabei kommt dem Grund, der zur Erledigung geführt hat, wesentliche Bedeutung zu. Beseitigt die öffentliche Gewalt von sich den mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Akt oder hilft sie der Beschwer auf andere Weise ab, so kann, falls keine anderweitigen Gründe ersichtlich sind, davon ausgegangen werden, dass sie das Begehren des Beschwerdeführers selbst für berechtigt erachtet hat. In diesem Fall ist es billig, einem Beschwerdeführer die Erstattung seiner Auslagen in gleicher Weise zuzubilligen, wie wenn seiner Verfassungsbeschwerde stattgegeben worden wäre (vgl. zur entsprechenden Rechtslage nach § 34a Abs. 3 Bundesverfassungsgerichtsgesetz: BVerfGE 85, 109, 114 f; 87, 394, 397).
Nach diesen Grundsätzen entspricht es der Billigkeit, die beantragte Auslagenerstattung anzuordnen. Das Verwaltungsgericht hat den Beschwerdeführern mit Beschlüssen vom 13. Januar 2014 die zunächst versagte Prozesskostenhilfe bewilligt und damit ihrem Begehren vollständig entsprochen.
Wegen der Anordnung der Auslagenerstattung erübrigt sich eine Entscheidung über den für das vorliegende Verfahren gestellten Antrag auf Prozesskostenhilfe.
3. Der Gegenstandswert ist nach § 33 Abs. 1, § 37 Abs. 2 Satz 2 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz auf 10.000,00 Euro festzusetzen.
III.
Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.
Möller | Dr. Becker |
Dielitz | Dresen |
Dr. Fuchsloch | Dr. Lammer |
Nitsche | Partikel |
Schmidt |