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VerfGBbg, Beschluss vom 20. Oktober 2005 - VfGBbg 277/03 -

 

Verfahrensart: Kommunalverfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 97; LV, Art. 98 Abs. 1
Schlagworte: - kommunale Selbstverwaltung
- Gemeindegebietsreform
- Verhältnismäßigkeit
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 20. Oktober 2005 - VfGBbg 277/03 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 277/03



IM NAMEN DES VOLKES

 
B E S C H L U S S
In dem kommunalen Verfassungsbeschwerdeverfahren

Gemeinde Alt Golm,
vertreten durch den ehrenamtlichen Bürgermeister,
Buschweg 6,
15526 Alt Golm,

Beschwerdeführerin,

Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt S.,

wegen: kommunale Neugliederung;
hier: Eingemeindung der Gemeinde Alt Golm (Amt Glienicke/Rietz-Neuendorf) in die Gemeinde Rietz-Neuendorf

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Weisberg-Schwarz, Prof. Dawin, Prof. Dr. Harms-Ziegler, Havemann, Dr. Jegutidse, Dr. Knippel und Prof. Dr. Schröder

am 20. Oktober 2005

b e s c h l o s s e n :

Die kommunale Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.

G r ü n d e :

A.

Die Beschwerdeführerin, eine bisher dem Amt Glienicke/Rietz-Neuendorf angehörende Gemeinde, wehrt sich gegen ihre Auflösung durch Eingliederung in die Gemeinde Rietz-Neuendorf.

I.

1. Die Beschwerdeführerin liegt im äußeren Entwicklungsraum des Landes Brandenburg unmittelbar nordöstlich der im Jahr 2001 aus 11 Gemeinden gebildeten amtsangehörigen Gemeinde Rietz-Neuendorf. Die Entfernung zum bisherigen Amtssitz beträgt ca. 9 Kilometer. Dem Amt gehörte außerdem die Gemeinde Glienicke an. Die Beschwerdeführerin grenzt im Nordwesten und Norden an die Gemeinden Bad Saarow und Langewahl des Amtes Scharmützelsee sowie an das Amt Odervorland. Der Bereich ist durch naturnahe Landschaft mit größeren Waldflächen im Gebiet der Beeskower Platte geprägt. Von den knapp 4.600 Einwohnern des Amtes lebten ca. 3.600 in Rietz-Neuendorf, ca. 550 in Glienicke und ca. 440 im Gebiet der Beschwerdeführerin. Die Besiedelungsdichte im 183 Quadratkilometer großen Amt ist mit 25 Einwohnern je Quadratkilometer unterdurchschnittlich. Das Amt verzeichnete seit 1992 einen leichten Einwohnerzuwachs.

Zwischen 1992 und 1998 führte eine rege Bautätigkeit der Beschwerdeführerin zu einem Bevölkerungsanstieg; seit dem Jahr 1998 sind die Einwohnerzahlen der Beschwerdeführerin und der Gemeinde Glienicke wieder gesunken. Südlich des Amtes erstreckte sich das bisherige Amt Tauche, das aus den beiden Gemeinden Tauche und Stremmen mit ca. 4.000 bzw. 220 Einwohnern bestand. Dies hat der Gesetzgeber aufgelöst und die amtsfreie Gemeinde Tauche geschaffen. Die Beschwerdeführerin ist erheblich verschuldet. Vertragsverhandlungen mit der Beschwerdeführerin um eine Eingliederung hat die Gemeinde Bad Saarow mit dem Bekunden abgebrochen, daß die Beschwerdeführerin zunächst ihre Finanzprobleme klären und einen ausgeglichenen Haushalt nachweisen müsse, und daß keine offenen Forderungen oder Verbindlichkeiten Dritter bestehen dürften.

2. Ende April/Anfang Mai 2002 versandte das Ministerium des Innern Anhörungsunterlagen für eine Anhörung der Beschwerdeführerin zu der beabsichtigten kommunalen Neugliederung mit der Gelegenheit zur Stellungnahme. In den ersten beiden Maiwochen wurden auch die Anhörungsunterlagen für die Anhörung der Bevölkerung an den Landrat des Landkreises Oder-Spree versandt. Für die Anhörung der Bürger stand ein Monat zur Verfügung.

3. Im September/Oktober desselben Jahres brachte die Landesregierung sechs Gesetzentwürfe zur landesweiten Gemeindegebietsreform in den Landtag ein. Art. 1 § 18 des Entwurfs zum Sechsten Gemeindegebietsreformgesetz, zugleich § 18 des Gesetzes zur landesweiten Gemeindegebietsreform betreffend die Landkreise Dahme-Spreewald, Elbe-Elster, Oberspreewald-Lausitz, Oder-Spree, Spree-Neiße (6. GemGebRefGBbg) sah die Eingliederung der Beschwerdeführerin sowie der Gemeinde Glienicke in die nunmehr amtsfreie Gemeinde Rietz-Neuendorf vor. Der Innenausschuß des Landtages, an den die Gesetzentwürfe nach der ersten Lesung verwiesen worden waren, führte am 23. Oktober 2002 vorab eine Anhörung zu grundsätzlichen Fragen durch. Zur Anhörung der Beschwerdeführerin vor dem Innenausschuß am 22. Januar 2003 wurde deren ehrenamtlicher Bürgermeister geladen. Das Gesetz wurde sodann im Frühjahr 2003 vom Landtag verabschiedet. § 18 des 6. GemGebRefGBbg vom 24. März 2003 (GVBl. I S. 93), am Tag der landesweiten Kommunalwahlen (26. Oktober 2003) in Kraft getreten (s. Art. 6 des Artikelgesetzes), lautet:

§ 18
Verwaltungseinheit Amt Glienicke/Rietz-Neuendorf

(1) Die Gemeinden Alt Golm und Glienicke werden in die Gemeinde Rietz-Neuendorf eingegliedert.

(2) Das Amt Glienicke/Rietz-Neuendorf wird aufgelöst. Die Gemeinde Rietz-Neuendorf ist amtsfrei.

II.

Die Beschwerdeführerin hat am 25. Oktober 2003 kommunale Verfassungsbeschwerde erhoben. Sie macht geltend,der Gesetzgeber sei seiner Anhörungspflicht ungenügend nachgekommen. Im Hinblick auf die auszuwertenden Ergebnisse der Bevölkerungsanhörung und die im Gesetzentwurf erstmalig enthaltenen Leitbildbestimmungen sei die Stellungnahmefrist für die Beschwerdeführerin zu knapp bemessen gewesen. Sie nehme nicht für sich in Anspruch, als selbständige Gemeinde fortbestehen zu können, wünsche vielmehr Ortsteil der Gemeinde Bad Saarow zu werden, der sie sich zugehörig und stärker verbunden fühle. Die Beschwerdeführerin leide zwar unter einer angespannten Haushaltslage, verfüge aber über viel Entwicklungspotential für einen Wohn- und Gewerbestandort. Die Verschuldung der Beschwerdeführerin beruhe auch auf nachteiligen Vertragsabschlüssen, die der Amtsdirektor zu verantworten habe. Einer verwaltungsgerichtlichen Prüfung standhaltende Erschließungsbeitragsbescheide habe die Amtsverwaltung nicht zu erstellen vermocht. Rechtliche Auseinandersetzungen insbesondere in einem Amtshaftungsprozeß mit dem früheren Amtsdirektor und gegenwärtigen Bürgermeister der Gemeinde Rietz-Neuendorf stellten eine dauerhafte Belastung dar. Zudem habe er versucht, auf eine Rücknahme der kommunalen Verfassungsbeschwerde hinzuwirken. Daher sei einer Zusammenarbeit im Amt und in der jetzigen Großgemeinde jegliche Grundlage genommen. Die Alternative des freiwilligen Zusammenschlusses der Beschwerdeführerin mit Bad Saarow sei unzureichend erwogen worden. Eine strikte Zugrundelegung der Leitbildvorgaben und der Ziele der Regionalplanung sei unzulässig. Der Gesetzgeber habe den Sachverhalt nicht vollständig und richtig ermittelt, insbesondere sei eine Ortsbesichtigung unterblieben. Der Gesetzgeber verhalte sich widersprüchlich, indem er im Bereich Glienicke/Rietz-Neuendorf und Tauche eine größere Verwaltungsstruktur ablehne, hingegen die Reste der Ämter Emster-Havel und Groß Kreutz zusammenlege. Er habe einerseits amtsfreie Gemeinden mit weniger als 4.000 Einwohnern (Niederer Fläming, Friedland) gebildet, andererseits die Ämter Lieberose und Oberspreewald fusioniert.

Die Beschwerdeführerin beantragt festzustellen:

§ 18 Abs. 1 des Sechsten Gemeindegebietsreformgesetzes Brandenburg, soweit es die Beschwerdeführerin betrifft, ist mit Art. 97 Abs. 1 und Art. 98 der Verfassung des Landes Brandenburg unvereinbar und deshalb nichtig.

III.

Der Landtag Brandenburg, die Landesregierung, der Städte- und Gemeindebund Brandenburg sowie die Gemeinden Rietz-Neuendorf und Bad Saarow hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

B.

Die kommunale Verfassungsbeschwerde bleibt ohne Erfolg.

I.

Sie ist - insbesondere nachdem die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 30. August 2004 generell klargestellt hat, sich nur gegen ihre eigene Eingliederung in die größere bzw. neue Gemeinde, hier nach Rietz-Neuendorf, zu wenden - gemäß Art. 100 Verfassung des Landes Brandenburg (LV), §§ 12 Nr. 5, 51 Verfassungsgerichtsgesetz des Landes Brandenburg (VerfGGBbg) statthaft und auch sonst zulässig. Die Beschwerdeführerin ist ungeachtet des zwischenzeitlichen Inkrafttretens der Neuregelung beteiligtenfähig. Eine Gemeinde gilt nach feststehender Rechtsprechung für die Dauer des gegen ihre Auflösung gerichteten Kommunalverfassungsbeschwerdeverfahrens als fortbestehend.

II.

Die kommunale Verfassungsbeschwerde erweist sich aber in der Sache selbst als unbegründet. Die Auflösung von Gemeinden durch den Staat ist, wie sich unmittelbar aus Art. 98 Abs. 1 und 2 LV ergibt, nicht von vornherein ausgeschlossen. Die dafür nach Art. 98 Abs. 1 sowie Abs. 2 LV gezogenen Grenzen sind hier nicht verletzt.

1. Die nach der Landesverfassung geltenden Anhörungserfordernisse sind eingehalten worden. Im Hinblick auf die insoweit in einer Vielzahl von Verfahren im wesentlichen entsprechend vorgebrachten Einwände wird auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtes (vgl. u.a. Urteil vom 18. Dezember 2003 - VfGBbg 101/03 - und zuletzt ausführlich Beschlüsse vom 16. September 2004 - VfGBbg 102/03 und 118/03 - www.verfassungsgericht.brandenburg.de) verwiesen.

Insbesondere ist die durchgeführte Anhörung der Beschwerdeführerin hier auch nicht deshalb obsolet geworden, weil danach der Gesetzentwurf geändert worden ist. Eine erneute Anhörung ist nur geboten, wenn es zu einer wesentlichen Änderung kommt (vgl. BVerfGE 50, 195, 203; SächsVerfGH LVerfGE 11, 356, 386; NdsStGH NJW 1979, 2301; StGH BW DÖV 1976, 245; VerfGH NW OVGE 26, 306). Das war hier aber nicht der Fall. Ohne Erfolg rügt die Beschwerdeführerin, in die Begründung des Gesetzentwurfs im September 2002 seien ausdrückliche Leitbildformulierungen eingefügt worden. Denn zum einen ergaben sich die für die konkrete Neugliederungsentscheidung maßgeblichen Leitbildgründe bereits aus der eingehenden Begründung des Anhörungsentwurfs. Zum anderen entsprachen die angeführten Gründe den der Beschwerdeführerin bereits in der Freiwilligkeitsphase seit dem Jahr 2000 bekanntgegebenen, vom Gesetzgeber bereits im Jahr 2001 ausdrücklich gebilligten und später auch formal übernommenen Leitlinien des Innenministeriums.

2. Die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Rietz-Neuendorf bleibt auch in der Sache selbst im Einklang mit der Landesverfassung.

a) In das Gebiet einer Gemeinde sowie - erst recht - in ihre körperschaftliche Existenz kann zufolge Art. 98 Abs. 1 LV nur aus Gründen des öffentlichen Wohls eingegriffen werden. Der Inhalt des Begriffes „öffentliches Wohl“ ist dabei im konkreten Fall vom Gesetzgeber auszufüllen, dem in dieser Hinsicht grundsätzlich – in dem von der Verfassung gesteckten Rahmen – ein Beurteilungsspielraum und politische Gestaltungsfreiheit in dem Sinne zukommt, daß er Ziele, Leitbilder und Maßstäbe selbst festlegen kann.

Das Verfassungsgericht überprüft zunächst, ob der Gesetzgeber den entscheidungsrelevanten Sachverhalt zutreffend und umfassend ermittelt hat. Dabei ist die verfassungsgerichtliche Kontrolle nicht eingeschränkt (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, ständige Rechtsprechung, u.a. Beschluß vom 27. Mai 2004 - VfGBbg 138/03 - [Königsberg]; BVerfGE 50, 50, 51 [Laatzen]).

Das Verfassungsgericht prüft sodann, ob der Gesetzgeber den ermittelten Sachverhalt seiner Regelung zutreffend zugrundegelegt und die mit ihr einhergehenden Vor- und Nachteile in vertretbarer Weise gewichtet und in die Abwägung eingestellt hat. Hierbei darf sich das Verfassungsgericht nicht an die Stelle des Gesetzgebers setzen und hat seine Nachprüfung darauf zu beschränken, ob die Zielvorstellungen, Sachabwägungen, Wertungen und Einschätzungen des Gesetzgebers offensichtlich fehlerhaft, lückenhaft oder eindeutig widerlegbar sind oder der Wertordnung der Verfassung widersprechen. Die Bevorzugung einzelner und die gleichzeitige Hintanstellung anderer Belange bleibt dem Gesetzgeber so weit überlassen, als das mit dem Eingriff in den Bestand der Kommunen verbundene Abwägungsergebnis zur Erreichung der verfolgten Zwecke nicht offenkundig ungeeignet oder unnötig ist oder zu den angestrebten Zielen deutlich außer Verhältnis steht und frei von willkürlichen Erwägungen und Differenzierungen ist. Es ist dabei nicht die Aufgabe des Gerichts zu prüfen, ob der Gesetzgeber die beste und zweckmäßigste Neugliederungsmaßnahme getroffen hat (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteile vom 18. Juni 1998 – VfGBbg 27/97 –, LVerfGE 8, 97, 169 f. m.w.N. und vom 29. August 2002, a.a.O.; ständige Rechtspr., u.a. Urteil vom 18. Dezember 2003 – VfGBbg 101/03 -, a.a.O.).

b) In Anwendung dieser Grundsätze hat sich hier der Gesetzgeber fehlerfrei auf den Standpunkt gestellt, daß für die Eingliederung der Beschwerdeführerin nach Rietz-Neuendorf Gründe des öffentlichen Wohls vorliegen, und auf dieser Grundlage eine verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Regelung getroffen. Im einzelnen:

aa) Der Gesetzgeber hat sich ausreichend mit den tatsächlichen Verhältnissen befaßt.

Er hat nachvollziehbar dargestellt, daß die größte amtsangehörige Gemeinde Rietz-Neuendorf hinsichtlich eines Einwohneranteils von knapp 80 % im Amt und ihrer Lage den Schwerpunkt im bisherigen Amtsgebiet bildet. Zugleich hat er nicht übersehen, daß die Beziehungen der Beschwerdeführerin zu den Ortsteilen der neuen Gemeinde Rietz-Neuendorf weniger ausgeprägt sind als zu den Nachbargemeinden des Amtes Scharmützelsee. Insbesondere besuchen die Grundschüler der Beschwerdeführerin sowie die Schüler des Sekundarbereichs I die Grund- und Gesamtschule in Bad Saarow. Auswärts Beschäftigte haben vornehmlich im Mittelzentrum Fürstenwalde/Spree und in Bad Saarow ihre Arbeitsstätte. Auch die übrigen örtlichen Verhältnisse einschließlich der finanziellen Situation der Beschwerdeführerin und im Amt sind in den Gesetzesunterlagen zutreffend angesprochen (s. die Beschreibung im „Neugliederungssachverhalt“ in LT-Drucksache 3/5021, S. 333 ff.). Zur Ämterbildung im Jahr 1992 ermittelte der Gesetzgeber, daß die zum früheren Kreis Fürstenwalde gehörende Beschwerdeführerin sich mit Nachdruck und untersetzt durch einstimmigen Beschluß der Gemeindevertretung ihre Zuordnung zum Amt Glienicke/Rietz-Neuendorf erstritten und seinerzeit die Verbindungen mit dem Bereich Scharmützelsee und zur Stadt Fürstenwalde/Spree als nicht entscheidend bewertet hatte.

Es kommt nicht darauf an, ob vom Gesetzgeber sämtliche tatsächlichen Momente in allen Einzelheiten richtig erfaßt und gewürdigt worden sind. Ins Gewicht fällt vielmehr nur, ob er die für die Durchführung des gewählten Leitbildes bestimmenden Elemente in ihrem wesentlichen Gehalt richtig erkannt und daraus sachgerechte Folgerungen gezogen hat. Nur wenn die Richtigkeit einer die Entscheidung tragenden Tatsache bestritten und es möglich ist, daß bei Zugrundelegung der behaupteten abweichenden Situation die Neugliederung anders ausgefallen wäre, besteht eine Nachprüfungspflicht für das Verfassungsgericht (vgl. SächsVerfGH, LVerfGE 10, 375, 398 „[mit-]entscheidend“; VerfGH NW, Urteil vom 6. Dezember 1975 - VerfGH 39/74 -, UA S. 25; StGH BW, NJW 1975, 1205, 1213). Derartige Tatsachen hat die Beschwerdeführerin indes nicht mitgeteilt.

bb) Dem Gesetzgeber stehen im Sinne von Art. 98 Abs. 1 LV Gründe des öffentlichen Wohls zur Seite. Nachvollziehbar beruft er sich darauf, daß die Einbeziehung der Beschwerdeführerin in die nunmehr amtsfreie Gemeinde Rietz-Neuendorf einer Stärkung der Verwaltungskraft der Kommunen dient. Zwar wäre die Erhaltung eines Amtes als örtliche Verwaltungseinheit im äußeren Entwicklungsraum bei Fehlen eines Zentralortes nach dem vom Gesetzgeber selbst gewählten Reformleitbild grundsätzlich möglich (vgl. Leitbild unter 2. a) bb)und b); LT-Drucksache 3/5021, S. 24 f.). Zugleich aber steht nach dem Leitbild die unter dem Richtwert von 5.000 für Ämter liegende Einwohnerzahl des bisherigen Amtes Glienicke/Rietz-Neuendorf (knapp 4.600) einer Beibehaltung der Amtsstruktur entgegen (vgl. 2. b) bb) Satz 1 des Leitbildes). Auch spricht die geringe Einwohnerzahl der Beschwerdeführerin - wie diese selbst anerkennt - gegen ihren Erhalt als selbständige amtsangehörige Gemeinde (vgl. 2. b) cc) des Leitbildes). Nach der Eingliederung der Beschwerdeführerin - in die Gemeinde Rietz-Neuendorf oder nach Bad Saarow -, verbliebe nurmehr ein aus zwei Gemeinden bestehendes Amt. Auch ein solcher Zustand entspräche nicht dem Leitbild, nach dem ein Amt aus mindestens drei amtsangehörigen Gemeinden bestehen soll (2. b) aa) des Leitbildes).

(1) Daß die Stärkung der Verwaltungskraft sowie die Straffung und Effizienzsteigerung der Kommunalverwaltungen durch die Bildung von Einheitsgemeinden Gründe des öffentlichen Wohls sind, welche eine kommunale Neugliederung zu rechtfertigen vermögen, hat das Landesverfassungsgericht bereits mehrfach entschieden, insbesondere zum Unterfall der Behebung von Strukturproblemen im Stadtumland (Urteile vom 18. Dezember 2003 - VfGBbg 101/03 -, a.a.O., und - VfGBbg 97/03 -) sowie zum vorausgegangenen Gesetz zur Reform der Gemeindestruktur und zur Stärkung der Verwaltungskraft der Gemeinden im Land Brandenburg vom 13. März 2001 (vgl. Urteil vom 29. August 2002 - VfGBbg 34/01 - [Kreuzbruch], LVerfGE Suppl. Bbg zu Bd. 13, 116 = LKV 2002, 573, 574). Eine kommunale Neugliederung setzt nicht voraus, daß Mängel in der bisherigen Aufgabenerfüllung bestehen oder eine Gemeinde keine ausreichende Verwaltungs- und Leistungskraft besitzt. Vielmehr kann auch eine weitere Verbesserung der Verwaltung des Gesamtraumes die Neugliederung rechtfertigen (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, u.a. Urteil vom 26. August 2004 - VfGBbg 230/03 - und Beschluß vom 18. November 2004 - VfGBbg 167/03 -). Einer solchen Verbesserung dient hier die Umsetzung der Leitbildbestimmungen.

(2) Ein Neugliederungsbedarf ergab sich bereits aus der geringen Einwohnerzahl der Beschwerdeführerin von nur ca. 440 Einwohnern. Soweit der Gesetzgeber seine Abwägungsentscheidung maßgeblich darauf gestützt hat, daß die Beschwerdeführerin die Mindesteinwohnerzahl von 500 Einwohnern unterschreite (vgl. LT-Drucksache 3/5021, S. 336 und ebda. sein Leitbild unter 2. b) cc)), ist hiergegen verfassungsrechtlich nichts zu erinnern. Die Landesverfassung steht der Einschätzung, daß sich aus einer geringen Einwohnerzahl der Gemeinde typisierend Rückschlüsse auf die (verminderte) Leistungsfähigkeit der Gemeinde ergeben, nicht entgegen (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 29. August 2002, a.a.O.). Der Gesetzgeber war nicht gehalten, die bisherigen wirtschaftlichen Bemühungen und die Selbsteinschätzung der Beschwerdeführerin, sie verfüge ungeachtet der angespannten Haushaltslage und ihrer Verschuldung über viel Entwicklungspotential für einen Wohn- und Gewerbestandort, als alleiniges und zwingendes Indiz für ihre künftige Leistungsfähigkeit zu werten.

(3) Auch die Vorgabe einer Mindesteinwohnerzahl für das Amt als Verwaltungseinheit im Leitbild (2. b) bb)) des Gesetzgebers ist ein dem öffentlichen Wohl dienendes Neugliederungsziel. Eine leistungsfähige Verwaltung setzt eine gewisse Einwohnerzahl voraus, die ein Mindestmaß an finanzieller Leistungskraft sicherstellt. Erst ab einer bestimmten Größe der Verwaltung ist es möglich, daß das hauptamtliche Personal spezialisierte Tätigkeitsbereiche erhält und die Behörde zeitgemäß ausgestattet wird. Dementsprechend sind auch in anderen Bundesländern bei Gemeindegebietsreformen je nach Bevölkerungsdichte und Siedlungsstruktur Mindestgrößen für die einzelne Verwaltungseinheit zugrunde gelegt worden. So wurde z.B. in Nordrhein-Westfalen für ländliche Orte eine Größe von 8.000, in Niedersachsen von 5.000, in Rheinland-Pfalz von 7.500 und in Schleswig-Holstein von 5.000 Einwohnern angestrebt (vgl. von Unruh/Thieme/Scheuner, Die Grundlagen der kommunalen Gebietsreform, 1981, S. 110). Auch in Bayern ist seinerzeit bei der Gemeindegebietsreform nicht nur der Richtwert von 5.000 Einwohnern pro Verwaltungseinheit (Einheitsgemeinde oder Verwaltungsgemeinschaft), sondern auch ein Richtwert von 1.000 Einwohnern für die einzelne Mitgliedsgemeinde einer Verwaltungsgemeinschaft zugrunde gelegt worden. Derartige Vorgaben sind verfassungsgerichtlich jeweils unbeanstandet geblieben (siehe etwa VerfGH Sachsen, Urteil vom 18. November 1999 – Vf. 174-VIII-98 -; StGH Bad.-Württ., DVBl 1975, 385, 391; vgl. auch BayVGH, BayVBl 1979, 146, 148). Auch im Schrifttum werden Vorgaben nicht grundsätzlich in Zweifel gezogen (s. etwa Hoppe/Stüer, DVBl 1992, S. 641, 652: Bildung von Verwaltungsgemeinschaften/Ämterverwaltungen mit „numerischen Vorgaben insbesondere für akzeptable Mindestzahlen von Einwohnern“), wenngleich zu der exakten zahlenmäßigen Fixierung der Mindestgröße unterschiedliche Auffassungen bestehen mögen. Wenn der Gesetzgeber sich in seinem Leitbild auf den hier in Rede stehenden Richtwert von 5.000 Einwohnern festgelegt hat, dann sind seine diesbezüglichen Wertungen und Erwägungen nicht offensichtlich fehlerhaft oder widerlegbar (so bereits Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 29. August 2002, a.a.O. sowie u.a. Beschluß vom 26. Februar 2004 - VfGBbg 150/03 -, S. 17 f. des Entscheidungsabdrucks). Es ist daher leitbildgerecht, daß der Gesetzgeber das diesen Richtwert unterschreitende Amt Glienicke/Rietz-Neuendorf auflöste und die ihm bislang angehörenden Gemeinden die amtsfreie Gemeinde Rietz-Neuendorf mit insgesamt ca. 4.600 Einwohnern (Stand: 2001) bilden. Dabei liegt in dem Vorteil, daß sich durch die Bildung einer amtsfreien Gemeinde die Anzahl der Verwaltungseinheiten reduzierte, ein zulässiger Differenzierungsgrund dafür, daß das Leitbild des Gesetzgebers bei amtsfreien Gemeinden in nur dünn besiedelten Landesteilen unter Beachtung der Raum - und Siedlungsstruktur Unterschreitungen der Mindestzahl von 5.000 Einwohnern zuläßt (2. a) Satz 3 nach dd) des Leitbildes), nicht aber bei Ämtern vergleichbarer Einwohnerzahl.

(4) Dieser Zielrichtung gemäß bestand auch deshalb ein Bedarf, das Amt Glienicke/Rietz-Neuendorf in eine amtsfreie Gemeinde umzuwandeln, weil das Amt nach der Eingliederung der Beschwerdeführerin - innerhalb des Amtsgebietes ebenso wie im Falle einer Eingemeindung nach Bad Saarow - nur noch aus zwei Gemeinden (Rietz-Neuendorf und Glienicke) bestanden hätte. Nach dem Leitbild (unter 2. b) aa); LT-Drucksache 3/5021) soll das Amt aus mindestens drei amtsangehörigen Gemeinden bestehen. Ämter, die aus zwei amtsangehörigen Gemeinden bestehen, sind nach diesem Leitbild nur als Übergangslösung in der Freiwilligkeitsphase bis zur gesetzlichen Neuordnung zulässig. Auch gegen die Festlegung dieser Untergrenze bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Gesetzgeber hat darauf abgestellt (vgl. LT-Drucksache 3/5021, S. 43), daß zum einen die Effizienz der Verwaltungstätigkeit von mehreren Entscheidungsträgern für dieselbe kommunale Ebene (Gemeinde- und Amtsverwaltung) bei einem Amt mit nur zwei Mitgliedsgemeinden leidet und zum anderen bei - wie hier - stark unterschiedlicher Größe der beiden amtsangehörigen Gemeinden die größere jederzeit die kleinere Gemeinde im Amtsausschuß überstimmen kann. Diesen Zustand durch eine Neugliederung zu beseitigen oder zu vermeiden, ist verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluß vom 24. Juni 2004 – VfGBbg 114/03 -).

cc) Zur Bewältigung der vom Gesetzgeber benannten Strukturfragen ist die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Rietz-Neuendorf nicht offensichtlich ungeeignet. Das Landesverfassungsgericht vermag nicht zu erkennen, daß das Ziel einer Bereinigung der Strukturprobleme im Bereich Glienicke/Rietz-Neuendorf durch die gesetzliche Neugliederung eindeutig verfehlt würde.

dd) Die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Rietz-Neuendorf ist auch nicht unverhältnismäßig.

Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz müssen die für eine Auflösung der Gemeinde sprechenden Gründe des öffentlichen Wohls gegenüber den für den Fortbestand der einzugliedernden Gemeinde sprechenden Gründen erkennbar überwiegen (vgl. hierzu BayVerfGH BayVBl 1981, 399, 400 f.; s. auch NdsStGH OVGE 33, 497, 503; StGH BW NJW 1975, 1205, 1211). Dies ist hier - nach der vertretbaren Wertung des Gesetzgebers - der Fall. Da die kommunale Selbstverwaltung auch dazu dient, die Bürger zu integrieren, den Menschen ein Zugehörigkeitsgefühl („Heimat“) zu vermitteln und damit die Grundlagen der Demokratie zu stärken, ist die Reform der Gemeindestruktur nicht ausschließlich an Rationalisierung und Verbesserung der Effizienz der Verwaltungsorganisation zu messen. Eine Gemeinde darf nicht ohne Berücksichtigung von Besonderheiten allein aus Gründen der Strukturbereinigung aufgelöst werden. Andernfalls können der Eingriff in die Existenz einer Gemeinde und die dadurch bewirkte Beeinträchtigung der örtlichen Verbundenheit außer Verhältnis zu dem angestrebten Vorteil geraten (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 29. August 2002, a.a.O.).

(1) Vorliegend besitzen indes nach der vertretbaren Abwägung des Gesetzgebers die für die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Rietz-Neuendorf sprechenden Gründe das größere Gewicht. Dem Gesetzgeber war die Bedeutung der kommunalen Selbstverwaltung gegenwärtig. Er hat die Belange der Einwohner durchaus im Blick gehabt und sich damit, ablesbar insbesondere aus der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfs (s. LT-Drucksache 3/5021, S. 327 ff., 337 ff.; s. auch S. 74 ff., 85 ff.), auseinandergesetzt. Auf der anderen Seite hat er als gegenläufige Belange in zulässiger und vertretbarer Weise insbesondere die Steigerung der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Verwaltung durch die Zusammenführung in einer einheitlichen Kommune sowie Gesichtspunkte der Raumordnung in seine Abwägung eingestellt und ihnen die größere Bedeutung beigemessen.

(2) Der Gesetzgeber durfte seiner Entscheidung auch die Strukturaussage 2. d) bb) seines Leitbildes zugrundelegen, wonach Gemeinden nur innerhalb der Grenzen der bestehenden Ämter zusammengeschlossen werden sollen. Daher ist es konsequent und leitbildgerecht, sämtliche Gemeinden des bisherigen Amtes Glienicke/Rietz-Neuendorf zu vereinigen, zumal ein dem Leitbild entsprechender Abweichungsfall (vgl. 2. d) bb) Satz 2 des Leitbildes) ersichtlich nicht vorliegt. (vgl. u.a. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluß vom 24. Juni 2004 - VfGBbg 148/03 - [Altglietzen], S. 24 f. des EA; aber zur Nichtanwendbarkeit dieser Leitbildregelung, wenn das bisherige Amt durch das Gesetz ohnehin amtsgebietsüberschreitend neugegliedert wird: Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschlüsse vom 27. Mai 2004 - VfGBbg 63/03 - und - VfGBbg 138/03 - [Herzsprung, Königsberg], S. 18 EA). Es ist von Verfassungs wegen nichts dagegen zu erinnern, wenn der Gesetzgeber unter Meidung einer aufwendigen Vermögensauseinandersetzung (vgl. § 31 Abs. 1 Satz 4, § 32 des 6. GemGebRefGBBg) an ein regelmäßig seit Jahren stattfindendes Zusammenwirken von Gemeinden eines Amtes anknüpft und eine Fortführung der Gemeinschaft in Gestalt der amtsfreien Gemeinde präferiert. Zwar ist die Beschwerdeführerin im Hinblick auf den Schulbesuch und das Arbeitsplatzangebot stärker auf die Gemeinde Bad Saarow orientiert als auf die Gemeinde Rietz-Neuendorf. Maßgeblich durfte der Gesetzgeber aber berücksichtigen, daß bei einer allgemeinen Gebietsreform größere Räume neu zu gliedern sind, so daß nicht allein örtliche Gegebenheiten und Beziehungen der einzelnen Gemeinde entscheidungserheblich sind, sondern auch Umstände, Vorteile und Nachteile in größeren Zusammenhängen ins Gewicht fallen. Das Ziel, der neuen amtsfreien Gemeinde Rietz-Neuendorf eine möglichst an den Richtwert von 5.000 Einwohnern heranreichende Einwohnerzahl zu sichern, ließ sich leitbildgerecht nur durch einen Gemeindezusammenschluß innerhalb des bisherigen Amtes erreichen.

(3) Eine vorzugswürdige leitbildgerechte Alternative ist nicht gegeben. Der Gesetzgeber hat sich mit der Möglichkeit auseinandergesetzt, die bisherigen Ämter Glienicke/Rietz-Neuendorf und Tauche zusammenzuschließen. Zwar wären nach den naheliegenden Eingliederungen der Beschwerdeführerin und der - mit 6 Quadratkilometern Fläche und ca. 220 Einwohnern - sehr kleinen Gemeinde Stremmen in die Gemeinde Tauche noch drei Gemeinden (Rietz-Neuendorf, Glienicke und Tauche) verblieben, die gerade die Mindestanzahl zur Bildung eines Amtes erreicht hätten. Der Gesetzgeber und mit ihm die Mehrzahl der vormaligen Gemeinden beider Ämter durften aber ein solches Amt unter Hinweis auf seine große Nord-Süd-Ausdehnung (fast 30 km) bei zugleich sehr geringer Besiedelungsdichte ablehnen, zumal die Kräfteverhältnisse in diesem großen Amt zwischen zwei Gemeinden mit jeweils mehr als 4.000 Einwohnern und Glienicke mit ca. 550 Einwohnern extrem unausgewogen gewesen wären. Auch bildeten mangels nennenswerter Verflechtungsbeziehungen weder die Gemeinde Rietz-Neuendorf noch die etwa gleich große Gemeinde Tauche gegenüber der jeweils anderen Gemeinde einen Zentralort für die Alternative einer großflächigen amtsfreien Gemeinde.

(4) Der Gesetzgeber setzte sich damit - entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin - nicht in Widerspruch zu Neugliederungen in anderen Landesteilen. Die Neugliederung verstößt nicht gegen das Gebot der Systemgerechtigkeit. Insoweit entspricht es der ständigen Rechtsprechung der Verfassungsgerichte, daß der Gesetzgeber bei der Umsetzung einer Gemeindegebietsreform sein „System“ nicht ohne hinreichende Begründung verlassen darf (vgl. etwa Bundesverfassungsgericht, Beschluß vom 27. November 1978 - 2 BvR 165/75 -, BVerfGE 50, 50, 51 „Raum Hannover“; ThürVerfGH, Urt. vom 18. Dezember 1996 - VerfGH 2/95 -, LVerfGE 5, 391, 422; BayVerfGH, Entsch. vom 20. April 1978 - Vf.6-VII-78 -, BayVBl 1978, 497, 503; hinsichtlich Kreisgebietsreform bereits das erkennende Gericht, Urteil vom 14. Juli 1994 – VfGBbg 4/93 – LVerfGE 2, 125, 142; vgl. auch Dreier, in: Dreier, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 2, 1998, Art. 28 Rn. 122; Tettinger, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Das Bonner Grundgesetz Band 2, Art. 28 Rn. 233). Im wesentlichen vergleichbare Neugliederungen müssen gleich behandelt werden. Regelungen, die ohne hinreichende Begründung das zugrundeliegende System verlassen, verstoßen gegen das öffentliche Wohl.

Die von der Beschwerdeführerin genannten Bezugsfälle betreffen jeweils andere Situationen. So beruhte der leitbildgerechte Zusammenschluß der Ämter Lieberose und Oberspreewald auf dem Willen der Mehrheit durch freiwillige Zusammenschlüsse gebildeter hinreichend und vergleichbar großer amtsangehöriger Gemeinden. Eine derart ausgewogene Gemeindestruktur bestand in den Ämtern Glienicke/Rietz-Neuendorf und Tauche gerade nicht. Im Raum Emster-Havel und Groß Kreutz schloß der Gesetzgeber - nach jeweils mit besonderen Stadt-Umland-Problemen begründeten Eingliederungen in die Städte Brandenburg an der Havel und Werder - lediglich verbliebene Reste vormals zweier Ämter zu einer amtsfreien Gemeinde zusammen. Auch daß der Gesetzgeber in einzelnen Fällen amtsfreie Gemeinden mit nur ca. 4.000 Einwohnern bestehen ließ, weil er sie nicht durch Eingliederung von bislang außerhalb des Amtes bestehenden Gemeinden zu stärken vermochte, hat sein Leitbild für dünn besiedelte Landesteile unter Beachtung der Raum- und Siedlungsstruktur (Satz 3 nach 2. a) dd) des Leitbildes) vorgesehen. Eine vergleichbare Lage mußte der Gesetzgeber hier nicht annehmen. Eine Notwendigkeit, das bereits einwohnerschwache Amt Glienicke/Rietz-Neuendorf durch eine Zuordnung der Beschwerdeführerin zur Gemeinde Bad Saarow und zum mit ca. 8.450 Einwohnern bereits hinreichend großen Amt Scharmützelsee zusätzlich zu schwächen, durfte der Gesetzgeber verneinen, zumal auch die Gemeinde Bad Saarow eine Aufnahme der Beschwerdeführerin ablehnte.

ee) Auch im übrigen läßt die Abwägung des Gesetzgebers keine seine Entscheidung in Frage stellenden Defizite erkennen.

Der Gesetzgeber hat die Problematik der Verlagerung der Finanz- und Planungshoheit gesehen und mit Blick auf die gestärkten Instrumente der Ortsteilsverfassung (§§ 54 - 54 e GO) dem Vorteil der Bündelung der finanziellen Möglichkeiten als Folge eines Gemeindezusammenschlusses in vertretbarer Weise höheres Gewicht zuerkannt (vgl. LT-Drucksache 3/5021, S. 89).

Die von der Beschwerdeführerin gegen die frühere Amtsverwaltung und insbesondere den Amtsdirektor erhobenen Vorwürfe lassen entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin nicht den Schluß zu, daß - zumal nach Auflösung des Amtes - die vergrößerte Gemeinde Rietz-Neuendorf ihre Verantwortung gegenüber der Beschwerdeführerin nicht in der gebotenen Weise wahrnehmen wird. Auch insoweit beinhalten die Instrumente der Ortsteilsverfassung eine Stärkung zugunsten des Bereichs der Beschwerdeführerin. Daß der frühere Amtsdirektor gegenwärtig Bürgermeister der vergrößerten Gemeinde Rietz-Neuendorf ist, ändert daran nichts Maßgebliches. Welche einzelnen Personen welches kommunale Wahlamt zu einem bestimmten Zeitpunkt einnehmen und ob sie gegebenenfalls wiederum gewählt werden, vermag nicht - etwa künftig nach jedem Wahlakt erneut - über die Eignung der Gemeindegebietsreform im Bereich der bisherigen Ämter Glienicke/Rietz-Neuendorf und Scharmützelsee zu bestimmen .

Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist schließlich auch, wie der Gesetzgeber den geäußerten Willen der Bevölkerung gewichtet hat. Die aus der Anhörung der Bevölkerung der Beschwerdeführerin und der weiteren bisher amtsangehörigen Gemeinden des Amtes Glienicke/Rietz-Neuendorf resultierenden Stellungnahmen sowie Ergebnisse von Bürgerentscheiden (vgl. LT-Drucksache 3/5021, S. 327 ff.) zur beabsichtigten Neugliederung lagen im Landtag vor und sind damit in das Gesetzgebungsverfahren eingeflossen. An das sich daraus ergebende Stimmungsbild ist der Gesetzgeber nicht gebunden. Das Ergebnis der Anhörung der Bevölkerung stellt vielmehr nur ein Merkmal unter weiteren Gesichtspunkten dar, die für die Ermittlung der Gründe des öffentlichen Wohles und damit für die Abwägungsentscheidung des Gesetzgebers von Bedeutung sind. Bei einer allgemeinen Gebietsreform geht es eben auch darum, größere Räume neu zu gliedern, so daß nicht nur örtliche Gegebenheiten - wie etwa die Akzeptanz des Vorhabens bei den Bürgern der einzelnen Gemeinde - ins Gewicht fallen. Hiervon ausgehend hat sich der Landtag in den Grenzen seiner Entscheidungsfreiheit bewegt, als er nicht dem Ergebnis der Anhörung der Bevölkerung der Beschwerdeführerin gefolgt ist, sondern den für die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Rietz-Neuendorf sprechenden Umständen - denen zudem 11 der 13 früher dem Amt angehörenden Gemeinden entsprochen hatten - das höhere Gewicht beigemessen hat.

C.

Das Verfassungsgericht hat auch unter Berücksichtigung des Schriftsatzes der Beschwerdeführerin vom 11. Oktober 2005 eine mündliche Verhandlung einstimmig nicht für erforderlich gehalten, § 22 Abs. 1 2. Alt. VerfGGBbg.
 

Weisberg-Schwarz Prof. Dawin
   
Prof. Dr. Harms-Ziegler Havemann
   
Dr. Jegutidse Dr. Knippel
   
 Prof. Dr. Schröder