VerfGBbg, Beschluss vom 20. Oktober 2005 - VfGBbg 210/03 -
Verfahrensart: |
Kommunalverfassungsbeschwerde Hauptsache |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - LV, Art. 97; LV, Art. 98 Abs. 1 | |
Schlagworte: | - kommunale Selbstverwaltung - Gemeindegebietsreform - Verhältnismäßigkeit |
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Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 20. Oktober 2005 - VfGBbg 210/03 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 210/03
IM NAMEN DES VOLKES |
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In dem kommunalen
Verfassungsbeschwerdeverfahren
Gemeinde Stremmen, Beschwerdeführerin, Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwältin M.,
hat das Verfassungsgericht des Landes
Brandenburg am 20. Oktober 2005 b e s c h l o s s e n : Die Verfassungsbeschwerde wird teils verworfen, im übrigen zurückgewiesen. G r ü n d e : A. Die Beschwerdeführerin, eine bisher dem Amt Tauche angehörende Gemeinde, wehrt sich gegen ihre Eingliederung in die nunmehr amtsfreie Gemeinde Tauche. I. 1. Die Beschwerdeführerin liegt im äußeren Entwicklungsraum des Landes Brandenburg und ist ringsum vom Gebiet der im Jahr 2001 aus 11 Gemeinden gebildeten amtsangehörigen Gemeinde Tauche umgeben. Lediglich im Nordosten grenzt die Beschwerdeführerin auch an die Gemarkung der Kreisstadt Beeskow. Die Entfernung zum bisherigen Amtssitz in der neben der Beschwerdeführerin einzig verbliebenen amtsangehörigen Gemeinde Tauche beträgt knapp 2 Kilometer. Der Bereich ist durch Niederungen im Gebiet der Beeskower Platte geprägt und östlich durch den Verlauf der Spree und den Schwielochsee begrenzt. Von den ca. 4.220 Einwohnern des Amtes lebten ca. 4.000 in der Gemeinde Tauche und ca. 220 im Gebiet der Beschwerdeführerin. Die Besiedelungsdichte im 120 Quadratkilometer großen Amt war mit 35 Einwohnern je Quadratkilometer unterdurchschnittlich. Die Beschwerdeführerin verfügt über eine Fläche von 6 Quadratkilometern. Das Amt verzeichnete seit 1995 einen Einwohnerrückgang. Das benachbarte Amt Glienicke/Rietz-Neuendorf, das aus den Gemeinden Rietz-Neuendorf, Glienicke und Alt Golm mit ca. 3.600, 550 bzw. 440 Einwohnern bestand, hat der Gesetzgeber nunmehr in die amtsfreie Gemeinde Rietz-Neuendorf umgewandelt. 2. Ende April/Anfang Mai 2002 versandte das Ministerium des Innern Anhörungsunterlagen für eine Anhörung der Beschwerdeführerin zu der beabsichtigten kommunalen Neugliederung mit der Gelegenheit zur Stellungnahme. In den ersten beiden Maiwochen wurden auch die Anhörungsunterlagen für die Anhörung der Bevölkerung an den Landrat des Landkreises Oder-Spree versandt. Für die Anhörung der Bürger stand ein Monat zur Verfügung. 3. Im September/Oktober desselben Jahres brachte die Landesregierung sechs Gesetzentwürfe zur landesweiten Gemeindegebietsreform in den Landtag ein. Art. 1 § 26 des Entwurfs zum sechsten dieser Gesetze, zugleich § 26 des Gesetzes zur landesweiten Gemeindegebietsreform betreffend die Landkreise Dahme-Spreewald, Elbe-Elster, Oberspreewald-Lausitz, Oder-Spree, Spree-Neiße (6. GemGebRefGBbg) sah die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die nunmehr amtsfreie Gemeinde Tauche vor. Der Innenausschuß des Landtages, an den die Gesetzentwürfe nach der ersten Lesung verwiesen worden waren, führte am 23. Oktober 2002 vorab eine Anhörung zu grundsätzlichen Fragen durch. Zur Anhörung der Beschwerdeführerin vor dem Innenausschuß am 22. Januar 2003 wurde deren ehrenamtlicher Bürgermeister geladen. Das Gesetz wurde sodann im Frühjahr 2003 vom Landtag verabschiedet. § 26 des 6. GemGebRefGBbg vom 24. März 2003 (GVBl. I S. 93), am Tag der landesweiten Kommunalwahlen (26. Oktober 2003) in Kraft getreten (s. Art. 6 des Artikelgesetzes), lautet:
II. Die Beschwerdeführerin hat am 21. Juli 2003 kommunale Verfassungsbeschwerde erhoben. Sie macht geltend, ihre Eingliederung in die Gemeinde Tauche sei schon deshalb verfassungswidrig, weil weder die Bevölkerung des unmittelbar betroffenen Gebietes noch sie selbst (als Gemeinde) ordnungsgemäß angehört worden seien. Die Anhörungsfehler seien „absolute Nichtigkeitsgründe“. Auf Fragen der Kausalität komme es nicht an. Daß sich von 302 Gemeinden, die der Gesetzgeber aufzulösen versucht habe, 250 mit kommunalen Verfassungsbeschwerden dagegen zur Wehr setzten, sei bereits „ernstes Indiz für die verfassungswidrige Gewalt der gesetzlichen Regelung“. Es fehle an dem Nachweis, daß die Beschwerdeführerin ungeeignet sei, den Anforderungen moderner Selbstverwaltung zu entsprechen. Der Abwägungsvorgang sei fehlerhaft. Die Beschwerdeführerin beantragt festzustellen:
III. Der Landtag Brandenburg, die Landesregierung, der Städte- und Gemeindebund Brandenburg und die Gemeinde Tauche hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. B. Die kommunale Verfassungsbeschwerde bleibt ohne Erfolg. I. Sie ist in begrenztem Umfang zulässig. 1. Die kommunale Verfassungsbeschwerde ist insofern unzulässig, als sie sich auch gegen die (hier in § 26 Abs. 2 des 6. GemGebRefGBbg bestimmte) Auflösung des bisherigen Amtes richtet. Insoweit ist die Beschwerdeführerin nicht beschwerdebefugt. Eine amtsangehörige Gemeinde kann nach der Rechtsprechung des Landesverfassungsgerichtes, die entsprechend der (bloßen) verwaltungsmäßigen Hilfsfunktion des - wie immer zustandegekommenen bisherigen - Amtes für jedwede spätere Änderung der Amtszuordnung zu gelten hat, lediglich beanspruchen, daß ihr überhaupt eine geeignete (Amts-)Verwaltung, nicht aber, daß sie ihr in der bisherigen Form und in dem bisherigen Zuschnitt zur Verfügung steht (Beschluß vom 16. Mai 2002 - VfGBbg 57/01 -, LKV 2002, 515 sowie Urteil vom 29. August 2002 - VfGBbg 34/01 - [Kreuzbruch], LVerfGE Suppl. Bbg. zu Bd. 13, S. 116 = LKV 2002, 573, 574). Soweit sich die kommunale Verfassungsbeschwerde einer amtsangehörigen Gemeinde als begründet erweist und sie (folglich) als amtsangehörige Gemeinde fortbesteht, hat das Land dafür zu sorgen, daß ihr eine Verwaltung – durch Zuordnung zu einem Amt oder Bildung eines neuen Amtes, notfalls auch unter Wiederbelebung der früheren Amtsmodelle 2 oder 3 - zur Verfügung steht. Je nach Art der dann getroffenen Regelung, die also gegebenenfalls abzuwarten bleibt, mag Anlaß für eine darauf bezogene gerichtliche Überprüfung bestehen. Festhalten an dem einmal gefundenen Zuschnitt der Amtsverwaltung kann die einzelne Gemeinde das Land aber grundsätzlich nicht. 2. Im übrigen ist die kommunale Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin gemäß Art. 100 Verfassung des Landes Brandenburg (LV), §§ 12 Nr. 5, 51 Verfassungsgerichtsgesetz des Landes Brandenburg (VerfGGBbg) statthaft und auch sonst zulässig. Insbesondere ist die Beschwerdeführerin ungeachtet des zwischenzeitlichen Inkrafttretens der Neuregelung beteiligtenfähig. Eine Gemeinde gilt nach feststehender Rechtsprechung für die Dauer des gegen ihre Auflösung gerichteten Kommunalverfassungsbeschwerdeverfahrens als fortbestehend. Ebenso wird die Beschwerdeführerin im kommunalen Verfassungsbeschwerdeverfahren weiter durch das bisherige Amt vertreten. II. Die kommunale Verfassungsbeschwerde erweist sich aber in der Sache selbst als unbegründet. Die Auflösung von Gemeinden durch den Staat ist, wie sich unmittelbar aus Art. 98 Abs. 1 und 2 LV ergibt, nicht von vornherein ausgeschlossen. Die dafür nach Art. 98 Abs. 1 sowie Abs. 2 LV gezogenen Grenzen sind hier nicht verletzt. 1. Die nach der Landesverfassung geltenden Anhörungserfordernisse sind eingehalten worden. Im Hinblick auf die von der Prozeßbevollmächtigten der Beschwerdeführerin insoweit in einer Vielzahl von Verfahren im wesentlichen entsprechend vorgebrachten Einwände wird auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtes (vgl. u.a. Urteil vom 18. Dezember 2003 - VfGBbg 101/03 - und zuletzt ausführlich Beschlüsse vom 16. September 2004 - VfGBbg 102/03 und 118/03 - www.verfassungsgericht.brandenburg.de) verwiesen. 2. Die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Tauche bleibt auch in der Sache selbst im Einklang mit der Landesverfassung. a) In das Gebiet einer Gemeinde sowie - erst recht - in ihre körperschaftliche Existenz kann zufolge Art. 98 Abs. 1 LV nur aus Gründen des öffentlichen Wohls eingegriffen werden. Der Inhalt des Begriffes „öffentliches Wohl“ ist dabei im konkreten Fall vom Gesetzgeber auszufüllen, dem in dieser Hinsicht grundsätzlich – in dem von der Verfassung gesteckten Rahmen – ein Beurteilungsspielraum und politische Gestaltungsfreiheit in dem Sinne zukommt, daß er Ziele, Leitbilder und Maßstäbe selbst festlegen kann. Das Verfassungsgericht überprüft zunächst, ob der Gesetzgeber den entscheidungsrelevanten Sachverhalt zutreffend und umfassend ermittelt hat. Dabei ist die verfassungsgerichtliche Kontrolle nicht eingeschränkt (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, ständige Rechtsprechung, u.a. Beschluß vom 27. Mai 2004 - VfGBbg 138/03 - [Königsberg]; BVerfGE 50, 50, 51 [Laatzen]). Das Verfassungsgericht prüft sodann, ob der Gesetzgeber den ermittelten Sachverhalt seiner Regelung zutreffend zugrundegelegt und die mit ihr einhergehenden Vor- und Nachteile in vertretbarer Weise gewichtet und in die Abwägung eingestellt hat. Hierbei darf sich das Verfassungsgericht nicht an die Stelle des Gesetzgebers setzen und hat seine Nachprüfung darauf zu beschränken, ob die Zielvorstellungen, Sachabwägungen, Wertungen und Einschätzungen des Gesetzgebers offensichtlich fehlerhaft, lückenhaft oder eindeutig widerlegbar sind oder der Wertordnung der Verfassung widersprechen. Die Bevorzugung einzelner und die gleichzeitige Hintanstellung anderer Belange bleibt dem Gesetzgeber so weit überlassen, als das mit dem Eingriff in den Bestand der Kommunen verbundene Abwägungsergebnis zur Erreichung der verfolgten Zwecke nicht offenkundig ungeeignet oder unnötig ist oder zu den angestrebten Zielen deutlich außer Verhältnis steht und frei von willkürlichen Erwägungen und Differenzierungen ist. Es ist dabei nicht die Aufgabe des Gerichts zu prüfen, ob der Gesetzgeber die beste und zweckmäßigste Neugliederungsmaßnahme getroffen hat (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteile vom 18. Juni 1998 – VfGBbg 27/97 –, LVerfGE 8, 97, 169 f. m.w.N. und vom 29. August 2002, a.a.O.; ständige Rechtspr., u.a. Urteil vom 18. Dezember 2003 – VfGBbg 101/03 -, a.a.O.). b) In Anwendung dieser Grundsätze hat sich hier der Gesetzgeber fehlerfrei auf den Standpunkt gestellt, daß für die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Tauche Gründe des öffentlichen Wohls vorliegen, und auf dieser Grundlage eine verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Regelung getroffen. Im einzelnen: aa) Der Gesetzgeber hat sich ausreichend mit den tatsächlichen Verhältnissen befaßt. Er hat nachvollziehbar dargestellt, daß die Gemeinde Tauche als die um ein Vielfaches größere der beiden amtsangehörigen Gemeinden hinsichtlich eines Einwohneranteils von ca. 95 % im Amt und ihrer Lage den Schwerpunkt im bisherigen Amtsgebiet bildet. Die örtlichen Verhältnisse sowohl mit Blick auf die allgemeinen Strukturprobleme, als auch die Verflechtung der Beschwerdeführerin mit den weiteren die Gemeinde Tauche bildenden Ortsteilen sind in den Gesetzesunterlagen zutreffend angesprochen (s. die Beschreibung der Gemeinden im „Neugliederungssachverhalt“ in LT-Drucksache 3/5021, S. 412 ff.). So gehört die Beschwerdeführerin zum Bezirk der Grundschule Tauche. Außer dem Gymnasium und der Gesamtschule in Beeskow steht auch die Gesamtschule Tauche, Ortsteil Lindenberg, zur Verfügung. Kleinkinder aus dem Gebiet der Beschwerdeführerin besuchen Kindertagesstätten in den Ortsteilen Tauche bzw. Ranzig der Gemeinde Tauche. Zugleich hat der Gesetzgeber gesehen, daß sowohl die Beschwerdeführerin als auch die Gemeinde Tauche stark auf die Angebote der Kreisstadt und des Mittelzentrums Beeskow ausgerichtet sind. Arbeitsplätze finden sich vornehmlich in Beeskow sowie in einem Landwirtschaftsbetrieb in Tauche, Ortsteil Ranzig. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Gesetzgeber sämtliche tatsächlichen Momente in allen Einzelheiten richtig erfaßt und gewürdigt hat. Ins Gewicht fällt vielmehr nur, ob er die für die Durchführung des gewählten Leitbildes bestimmenden Elemente in ihrem wesentlichen Gehalt richtig erkannt und daraus sachgerechte Folgerungen gezogen hat. Nur wenn die Richtigkeit einer die Entscheidung tragenden Tatsache bestritten und es möglich ist, daß bei Zugrundelegung der behaupteten abweichenden Situation die Neugliederung anders ausgefallen wäre, besteht eine Nachprüfungspflicht für das Verfassungsgericht (vgl. SächsVerfGH, LVerfGE 10, 375, 398 „[mit-]entscheidend“; VerfGH NW, Urteil vom 6. Dezember 1975 - VerfGH 39/74 -, UA S. 25; StGH BW, NJW 1975, 1205, 1213). Derartige Tatsachen hat die Beschwerdeführerin indes nicht mitgeteilt. bb) Dem Gesetzgeber stehen im Sinne von Art. 98 Abs. 1 LV Gründe des öffentlichen Wohls zur Seite. Nachvollziehbar beruft er sich darauf, daß die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die nunmehr amtsfreie Gemeinde Tauche einer Stärkung der Verwaltungskraft der Kommunen dient. Zwar wäre die Erhaltung eines Amtes als örtliche Verwaltungseinheit im äußeren Entwicklungsraum bei Fehlen eines Zentralortes nach dem vom Gesetzgeber selbst gewählten Reformleitbild grundsätzlich möglich (vgl. Leitbild unter 2. a) bb)und b); LT-Drucksache 3/5021, S. 24 f.). Zugleich aber steht nach dem Leitbild die deutlich unter dem Richtwert von 5.000 für Ämter liegende Einwohnerzahl des bisherigen Amtes Tauche (ca. 4.220) einer Beibehaltung der Amtsstruktur entgegen (vgl. 2. b) bb) Satz 1 des Leitbildes). Auch spricht die geringe Einwohnerzahl der Beschwerdeführerin gegen ihren Erhalt als selbständige amtsangehörige Gemeinde (vgl. 2. b) cc) des Leitbildes). Überdies besteht das Amt Tauche lediglich aus zwei Gemeinden. Demgegenüber verlangt das Leitbild, daß ein Amt mindestens drei amtsangehörige Gemeinden umfaßt (vgl. 2. b) aa) des Leitbildes). (1) Daß die Stärkung der Verwaltungskraft sowie die Straffung und Effizienzsteigerung der Kommunalverwaltungen durch die Bildung von Einheitsgemeinden Gründe des öffentlichen Wohls sind, welche eine kommunale Neugliederung zu rechtfertigen vermögen, hat das Landesverfassungsgericht bereits mehrfach entschieden, insbesondere zum Unterfall der Behebung von Strukturproblemen im Stadtumland (Urteile vom 18. Dezember 2003 - VfGBbg 101/03 -, a.a.O., und - VfGBbg 97/03 -) sowie zum vorausgegangenen Gesetz zur Reform der Gemeindestruktur und zur Stärkung der Verwaltungskraft der Gemeinden im Land Brandenburg vom 13. März 2001 (vgl. Urteil vom 29. August 2002 - VfGBbg 34/01 - [Kreuzbruch], LVerfGE Suppl. Bbg zu Bd. 13, 116 = LKV 2002, 573, 574). Eine kommunale Neugliederung setzt nicht voraus, daß Mängel in der bisherigen Aufgabenerfüllung bestehen oder eine Gemeinde keine ausreichende Verwaltungs- und Leistungskraft besitzt. Vielmehr kann auch eine weitere Verbesserung der Verwaltung des Gesamtraumes die Neugliederung rechtfertigen (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, u.a. Urteil vom 26. August 2004 - VfGBbg 230/03 - und Beschluß vom 18. November 2004 - VfGBbg 167/03 -). Einer solchen Verbesserung dient hier die Umsetzung der Leitbildbestimmungen. (2) Ein Neugliederungsbedarf ergab sich bereits aus der geringen Einwohnerzahl der Beschwerdeführerin von nur ca. 220 Einwohnern. Soweit der Gesetzgeber seine Abwägungsentscheidung maßgeblich darauf gestützt hat, daß die Beschwerdeführerin die Mindesteinwohnerzahl von 500 Einwohnern unterschreite (vgl. LT-Drucksache 3/5021, S. 415 f. und ebda. sein Leitbild unter 2. b) cc)), ist hiergegen verfassungsrechtlich nichts zu erinnern. Die Landesverfassung steht der Einschätzung, daß sich aus einer geringen Einwohnerzahl der Gemeinde typisierend Rückschlüsse auf die (verminderte) Leistungsfähigkeit der Gemeinde ergeben, nicht entgegen (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 29. August 2002, a.a.O.). (3) Auch die Vorgabe einer Mindesteinwohnerzahl für das Amt als Verwaltungseinheit im Leitbild (2. b) bb)) des Gesetzgebers ist ein dem öffentlichen Wohl dienendes Neugliederungsziel. Eine leistungsfähige Verwaltung setzt eine gewisse Einwohnerzahl voraus, die ein Mindestmaß an finanzieller Leistungskraft sicherstellt. Erst ab einer bestimmten Größe der Verwaltung ist es möglich, daß das hauptamtliche Personal spezialisierte Tätigkeitsbereiche erhält und die Behörde zeitgemäß ausgestattet wird. Dementsprechend sind auch in anderen Bundesländern bei Gemeindegebietsreformen je nach Bevölkerungsdichte und Siedlungsstruktur Mindestgrößen für die einzelne Verwaltungseinheit zugrunde gelegt worden. So wurde z.B. in Nordrhein-Westfalen für ländliche Orte eine Größe von 8.000, in Niedersachsen von 5.000, in Rheinland-Pfalz von 7.500 und in Schleswig-Holstein von 5.000 Einwohnern angestrebt (vgl. von Unruh/Thieme/Scheuner, Die Grundlagen der kommunalen Gebietsreform, 1981, S. 110). Auch in Bayern ist seinerzeit bei der Gemeindegebietsreform nicht nur der Richtwert von 5.000 Einwohnern pro Verwaltungseinheit (Einheitsgemeinde oder Verwaltungsgemeinschaft), sondern auch ein Richtwert von 1.000 Einwohnern für die einzelne Mitgliedsgemeinde einer Verwaltungsgemeinschaft zugrunde gelegt worden. Derartige Vorgaben sind verfassungsgerichtlich jeweils unbeanstandet geblieben (siehe etwa VerfGH Sachsen, Urteil vom 18. November 1999 – Vf. 174-VIII-98 -; StGH Bad.-Württ., DVBl 1975, 385, 391; vgl. auch BayVGH, BayVBl 1979, 146, 148). Auch im Schrifttum werden Vorgaben nicht grundsätzlich in Zweifel gezogen (s. etwa Hoppe/Stüer, DVBl 1992, S. 641, 652: Bildung von Verwaltungsgemeinschaften/Ämterverwaltungen mit „numerischen Vorgaben insbesondere für akzeptable Mindestzahlen von Einwohnern“), wenngleich zu der exakten zahlenmäßigen Fixierung der Mindestgröße unterschiedliche Auffassungen bestehen mögen. Wenn der Gesetzgeber sich in seinem Leitbild auf den hier in Rede stehenden Richtwert von 5.000 Einwohnern festgelegt hat, dann sind seine diesbezüglichen Wertungen und Erwägungen nicht offensichtlich fehlerhaft oder widerlegbar (so bereits Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 29. August 2002, a.a.O. sowie u.a. Beschluß vom 26. Februar 2004 - VfGBbg 150/03 -, S. 17 f. des Entscheidungsabdrucks). Es ist daher leitbildgerecht, daß der Gesetzgeber das diesen Richtwert deutlich unterschreitende Amt Tauche auflöste und die ihm bislang angehörenden Gemeinden die amtsfreie Gemeinde Tauche mit insgesamt ca. 4.220 Einwohnern (Stand: 2001) bilden. Dabei liegt in dem Vorteil, daß sich durch die Bildung einer amtsfreien Gemeinde die Anzahl der Verwaltungseinheiten reduzierte, ein zulässiger Differenzierungsgrund dafür, daß das Leitbild des Gesetzgebers bei amtsfreien Gemeinden in nur dünn besiedelten Landesteilen unter Beachtung der Raum - und Siedlungsstruktur Unterschreitungen der Mindestzahl von 5.000 Einwohnern zuläßt (2. a) Satz 3 nach dd) des Leitbildes), nicht aber bei Ämtern vergleichbarer Einwohnerzahl. (4) Dieser Zielrichtung gemäß bestand ein Bedarf, das Amt Tauche in eine amtsfreie Gemeinde umzuwandeln, auch, weil das Amt nur noch aus zwei Gemeinden (Tauche und die Beschwerdeführerin) bestand. Nach dem Leitbild (unter 2. b) aa); LT-Drucksache 3/5021) besteht das Amt aus mindestens 3 amtsangehörigen Gemeinden. Ämter, die aus zwei amtsangehörigen Gemeinden bestehen, sind – gleichfalls nach dem Leitbild unter 2. b) aa) - nur als Übergangslösung in der Freiwilligkeitsphase bis zur gesetzlichen Neuordnung zulässig. Auch gegen die Festlegung dieser Untergrenze bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Gesetzgeber hat darauf abgestellt (vgl. LT-Drucksache 3/5021, S. 43), daß zum einen die Effizienz der Verwaltungstätigkeit von mehreren Entscheidungsträgern für dieselbe kommunale Ebene (Gemeinde- und Amtsverwaltung) bei einem Amt mit nur zwei Mitgliedsgemeinden leidet und zum anderen bei - wie hier - stark unterschiedlicher Größe der beiden amtsangehörigen Gemeinden die größere jederzeit die kleinere Gemeinde im Amtsausschuß überstimmen kann. Diesem Zustand in der vom Gesetzgeber gewählten Form abzuhelfen, ist verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluß vom 24. Juni 2004 – VfGBbg 114/03 -). cc) Zur Bewältigung der vom Gesetzgeber benannten Strukturfragen ist die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Tauche nicht offensichtlich ungeeignet. Das Landesverfassungsgericht vermag nicht zu erkennen, daß das Ziel einer Bereinigung der Strukturprobleme im Bereich Tauche durch die Zusammenführung in einem einheitlichen Aufgaben- und Verwaltungsraum eindeutig verfehlt würde. dd) Die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Tauche ist nicht unverhältnismäßig. Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz müssen die für eine Auflösung der Gemeinde sprechenden Gründe des öffentlichen Wohls gegenüber den für ihren Fortbestand sprechenden Gründen erkennbar überwiegen (vgl. hierzu BayVerfGH BayVBl 1981, 399, 400 f.; s. auch NdsStGH OVGE 33, 497, 503; StGH BW NJW 1975, 1205, 1211). Dies ist hier - nach der vertretbaren Wertung des Gesetzgebers - der Fall. Da die kommunale Selbstverwaltung auch dazu dient, die Bürger zu integrieren, den Menschen ein Zugehörigkeitsgefühl („Heimat“) zu vermitteln und damit die Grundlagen der Demokratie zu stärken, ist die Reform der Gemeindestruktur nicht ausschließlich an Rationalisierung und Verbesserung der Effizienz der Verwaltungsorganisation zu messen. Eine Gemeinde darf nicht ohne Berücksichtigung von Besonderheiten allein aus Gründen der Strukturbereinigung aufgelöst werden. Andernfalls können der Eingriff in die Existenz einer Gemeinde und die dadurch bewirkte Beeinträchtigung der örtlichen Verbundenheit außer Verhältnis zu dem angestrebten Vorteil geraten (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 29. August 2002, a.a.O.). (1) Vorliegend besitzen indes nach der vertretbaren Abwägung des Gesetzgebers die für die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Tauche sprechenden Gründe das größere Gewicht. Dem Gesetzgeber war die Bedeutung der kommunalen Selbstverwaltung gegenwärtig. Er hat die Belange der Einwohner durchaus im Blick gehabt und sich damit, ablesbar insbesondere aus der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfs (s. LT-Drucksache 3/5021, S. 411 ff., 415 ff.; s. auch S. 74 ff., 85 ff.), auseinandergesetzt. Auf der anderen Seite hat er als gegenläufige Belange in zulässiger und vertretbarer Weise insbesondere die Steigerung der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Verwaltung durch die Zusammenführung in einer einheitlichen Kommune sowie Gesichtspunkte der Raumordnung in seine Abwägung eingestellt und ihnen die größere Bedeutung beigemessen. (2) Der Gesetzgeber durfte seiner Entscheidung auch die Strukturaussage 2. d) bb) seines Leitbildes zugrundelegen, wonach Gemeinden nur innerhalb der Grenzen der bestehenden Ämter zusammengeschlossen werden sollen. Daher ist es konsequent und leitbildgerecht, sämtliche Gemeinden des bisherigen Amtes Tauche zu vereinigen, zumal ein dem Leitbild entsprechender Abweichungsfall (vgl. 2. d) bb) Satz 2 des Leitbildes) ersichtlich nicht vorliegt. (vgl. u.a. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluß vom 24. Juni 2004 - VfGBbg 148/03 - [Altglietzen], S. 24 f. des EA; aber zur Nichtanwendbarkeit dieser Leitbildregelung, wenn das bisherige Amt durch das Gesetz ohnehin amtsgebietsüberschreitend neugegliedert wird: Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschlüsse vom 27. Mai 2004 - VfGBbg 63/03 - und - VfGBbg 138/03 - [Herzsprung, Königsberg], S. 18 EA). Es ist von Verfassungs wegen nichts dagegen zu erinnern, wenn der Gesetzgeber unter Meidung einer aufwendigen Vermögensauseinandersetzung (vgl. § 31 Abs. 1 Satz 4, § 32 des 6. GemGebRefGBBg) an ein regelmäßig seit Jahren stattfindendes Zusammenwirken von Gemeinden eines Amtes anknüpft und eine Fortführung der Gemeinschaft in Gestalt der amtsfreien Gemeinde präferiert. Zwar ist die Beschwerdeführerin insbesondere im Hinblick auf das Arbeitsplatzangebot stärker auf die dem Amt benachbarte Kreisstadt Beeskow orientiert als auf die Gemeinde Tauche. Maßgeblich durfte der Gesetzgeber aber berücksichtigen, daß bei einer allgemeinen Gebietsreform größere Räume neu zu gliedern sind, so daß nicht allein örtliche Gegebenheiten und Beziehungen der einzelnen Gemeinde entscheidungserheblich sind, sondern auch Umstände, Vorteile und Nachteile in größeren Zusammenhängen ins Gewicht fallen. Das Ziel, der neuen amtsfreien Gemeinde Tauche eine dem Richtwert von 5.000 Einwohnern möglichst nahe kommende Einwohnerzahl zu sichern, bedingte dabei, die Beschwerdeführerin innerhalb des bisherigen Amtes einzugemeinden. Überdies bestand auch kein Begehren der allein auf ihre Eigenständigkeit bedachten Beschwerdeführerin, anderweitig zugeordnet zu werden. (3) Eine vorzugswürdige leitbildgerechte Alternative ist nicht gegeben. Der Gesetzgeber hat sich mit der Möglichkeit auseinandergesetzt, die bisherigen Ämter Glienicke/Rietz-Neuendorf und Tauche zusammenzuschließen. Zwar wären nach den naheliegenden Eingliederungen der Gemeinde Alt Golm in die Gemeinde Rietz-Neuendorf (dazu: Verfassungsgericht des Landes Brandenburg - VfGBbg 277/03 -, Beschluß vom heutigen Tage) und der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Tauche noch drei Gemeinden (Rietz-Neuendorf, Glienicke und Tauche) verblieben, die gerade die Mindestanzahl zur Bildung eines Amtes erreicht hätten. Der Gesetzgeber und mit ihm die Mehrzahl der vormaligen Gemeinden beider Ämter durften aber ein solches Amt unter Hinweis auf seine große Nord-Süd-Ausdehnung (fast 30 km) bei zugleich sehr geringer Besiedelungsdichte ablehnen, zumal die Kräfteverhältnisse in diesem großen Amt zwischen zwei Gemeinden mit jeweils mehr als 4.000 Einwohnern und der Gemeinde Glienicke mit ca. 550 Einwohnern extrem unausgewogen gewesen wären. Auch bildeten mangels nennenswerter Verflechtungsbeziehungen weder die Gemeinde Rietz-Neuendorf noch die etwa gleich große Gemeinde Tauche gegenüber der jeweils anderen Gemeinde einen Zentralort für die Alternative einer großflächigen amtsfreien Gemeinde. ee) Auch im übrigen läßt die Abwägung des Gesetzgebers keine seine Entscheidung in Frage stellenden Defizite erkennen. Der Gesetzgeber hat die Problematik der Verlagerung der Finanz- und Planungshoheit gesehen und demgegenüber dem Vorteil der Bündelung der finanziellen Möglichkeiten infolge der Neugliederung im Verbund der Gesamtabwägung und mit Blick auf gestärkte Instrumente der Ortteilsverfassung (§§ 54 - 54 e GO) sowie die Pflicht einer jeden Gemeinde und Stadt, für das soziale, kulturelle und wirtschaftliche Wohl aller ihrer Einwohner, für eine harmonische Gestaltung der Gemeindeentwicklung, zu sorgen (vgl. u.a. § 1 Abs. 2 Sätze 2 und 3, § 3 Abs. 2 GO) in vertretbarer Weise höheres Gewicht zuerkannt (vgl. LT-Drucksache 3/5021, S. 89). Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist schließlich auch, wie der Gesetzgeber den geäußerten Willen der Bevölkerung gewichtet hat. Die aus der Anhörung der Bevölkerung der Beschwerdeführerin und der Gemeinde Tauche resultierenden Stellungnahmen sowie Ergebnisse eines Bürgerentscheides (vgl. LT-Drucksache 3/5021, S. 411 ff.) zur beabsichtigten Neugliederung lagen im Landtag vor und sind damit in das Gesetzgebungsverfahren eingeflossen. An das sich daraus ergebende Stimmungsbild ist der Gesetzgeber nicht gebunden. Das Ergebnis der Anhörung der Bevölkerung stellt vielmehr nur ein Merkmal unter weiteren Gesichtspunkten dar, die für die Ermittlung der Gründe des öffentlichen Wohles und damit für die Abwägungsentscheidung des Gesetzgebers von Bedeutung sind. Bei einer allgemeinen Gebietsreform geht es eben auch darum, größere Räume neu zu gliedern, so daß nicht nur örtliche Gegebenheiten - wie etwa die Akzeptanz des Vorhabens bei den Bürgern der einzelnen Gemeinde - ins Gewicht fallen. Hiervon ausgehend hat sich der Landtag in den Grenzen seiner Entscheidungsfreiheit bewegt, als er nicht dem Ergebnis der Anhörung der Bevölkerung gefolgt ist, sondern den für die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Tauche sprechenden Umständen - denen 11 der 12 früher dem Amt angehörenden Gemeinden entsprochen hatten - das höhere Gewicht beigemessen hat. C. Das Verfassungsgericht hat einstimmig eine
mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten, § 22 Abs. 1 2. Alt.
VerfGGBbg. |
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