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VerfGBbg, Beschluss vom 20. August 2009 - VfGBbg 39/08 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 52 Abs. 3 Alt. 1; LV, Art. 52 Abs. 4 S. 1
- SGG, § 192 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Schlagworte: - Sozialgerichtsverfahren
- Missbrauchsgebühr
- Rechtliches Gehör
- Willkür
nichtamtlicher Leitsatz: Die Auferlegung von Verschuldenskosten im sozialgerichtlichen Verfahren ist willkürlich, wenn ein Kläger in einer nur schwer überschau- und nachvollziehbaren rechtlichen Situation seine Klage nicht zurücknimmt, obwohl das Gericht ihn über die seiner Auffassung nach eindeutige Rechtslage belehrt hat.
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 20. August 2009 - VfGBbg 39/08 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 39/08



IM NAMEN DES VOLKES

 
B E S C H L U S S

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

R.,
 

Beschwerdeführer,

gegen die Urteile des Sozialgerichts Cottbus vom 22. März 2006 und die Beschlüsse des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 16. Juli 2008

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Postier, Dielitz, Dr. Fuchsloch, Möller, Nitsche, Partikel, Schmidt und Dr. Schöneburg

am  20. August 2009

b e s c h l o s s e n :

Das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 22. März 2006 im Verfahren ... verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Gleichheit vor Gericht (Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 Verfassung des Landes Brandenburg) und wird aufgehoben, soweit dem Beschwerdeführer Verschuldenskosten auferlegt worden sind.

Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde verworfen.

Das Land Brandenburg hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.

G r ü n d e :

A.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen Urteile des Sozialgerichts Cottbus zur Höhe der ihm bewilligten Arbeitslosenhilfe sowie gegen Beschlüsse des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg, mit denen seine Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Berufung in den angegriffenen Urteilen des Sozialgerichts Cottbus zurückgewiesen wurden.

I.

Der Beschwerdeführer erhielt bis März 2001 Arbeitslosenhilfe nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 1289,40 DM und im Anschluss während der Teilnahme an einer Umschulung Unterhaltsgeld auf der Grundlage eines Bemessungsentgelts von zuletzt 685 ¬. Nach Abschluss der Weiterbildung bezog er ab Juni 2003 erneut Arbeitslosenhilfe, und zwar basierend auf einem Bemessungsentgelt von 685 €. Im Dezember 2003 senkte die Bundesagentur für Arbeit das Bemessungsentgelt auf 665 € und setzte die Arbeitslosenhilfe ab Januar 2004 auf dieser Grundlage neu fest. Nach Anhörung des Beschwerdeführers nahm die Bundesagentur für Arbeit den Bewilligungsbescheid von Juni 2003 ab März 2004 teilweise zurück, da der Berechnung der Arbeitslosenhilfe ein Bemessungsentgelt von nur 645 €  zugrunde zu legen sei, und kürzte die Arbeitslosenhilfe ab Juni 2004 ausgehend von einem nunmehr auf 630 €  herabgesetzten Bemessungsentgelt erneut. Der Beschwerdeführer erhob nach erfolglos durchgeführten Widerspruchsverfahren Klagen beim Sozialgericht Cottbus, mit denen er Arbeitslosenhilfe für den Zeitraum vom 1. Januar 2004 bis zum 17. Juni 2004 nach einem Bemessungsentgelt von 685 €  (Az:...) und für den Zeitraum vom 18. Juni 2004 bis zum 31. Dezember 2004 unter Zugrundelegung eines Bemessungsentgelts von 665 €  (Az:...) begehrte. Er trug vor, das Bemessungsentgelt habe nicht abgesenkt werden dürfen, da er erfolgreich an einer beruflichen Weiterbildungsmaßnahme teilgenommen habe.

Auf die mündlichen Verhandlungen vom 22. März 2006 wies das Sozialgericht Cottbus die Klagen ab, da die Arbeitslosenhilfe zutreffend berechnet worden und im Verfahren ... die Klagefrist versäumt sei. Es ließ weiter die Berufung nicht zu und erlegte dem Beschwerdeführer im Verfahren ... Verschuldenskosten in Höhe von 200 €  auf. Die Missbrauchsgebühr sei gerechtfertigt, da dem Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung die Aussichtslosigkeit seines Klagebegehrens dargelegt und er auf die Möglichkeit der Anwendung von § 192 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen worden sei. Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg wies die Beschwerden des Beschwerdeführers gegen die Nichtzulassung der Berufung nach Durchführung von zwei Erörterungsterminen und Einholung einer Stellungnahme der Beklagten des Ausgangsverfahrens durch Beschlüsse vom 16. Juli 2008 zurück.

II.

Mit der am 13. August 2008 bei Gericht eingegangenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Rechte auf ein faires Verfahren und auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 52 Abs. 3 und 4 Verfassung des Landes Brandenburg (LV) sowie Verstöße gegen das Eigentumsgrundrecht gemäß Art. 41 Abs. 1 LV und das Rechtsstaatsprinzip gemäß Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG). Die angegriffenen Urteile des Sozialgerichts Cottbus verletzten den Grundsatz rechtlichen Gehörs, da das Gericht sich weder hinsichtlich der Absenkung der Bemessungsgrundlage noch bezogen auf die Verfristung der Klage im Verfahren ... mit den vorgetragenen Argumenten auseinandergesetzt habe. Dies sei erst in der Verhandlung über die Nichtzulassungsbeschwerden erfolgt und damit zu spät. Zudem seien ihm Schriftstücke und Beschlüsse nicht bekannt gegeben und die Verfahren nicht zügig geführt worden. Die Anwendung des § 192 SGG sei rechtsstaatswidrig und verstoße gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens und sein Eigentumsrecht.

III.

Das Sozialgericht Cottbus und das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.

Die Verfahrensakten sind beigezogen worden.

B.

Die Verfassungsbeschwerde hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

I.

Soweit der Beschwerdeführer sich gegen die Auferlegung der Verschuldenskosten in Höhe von 200,00 € im Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 22. März 2006 ... wendet, ist die Verfassungsbeschwerde zulässig und begründet.

1. Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde steht nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer vor Anrufung des Verfassungsgerichts keine Anhörungsrüge nach § 178a SGG vor dem Landessozialgericht erhoben hat. Der Beschwerdeführer war dazu nicht mit Blick auf das Erfordernis der Rechtswegerschöpfung nach § 45 Abs. 2 S. 1 Verfassungsgerichtsgesetz (VerfGGBbg) verpflichtet, da die Anhörungsrüge offensichtlich aussichtslos gewesen wäre. Zulässigkeitsvoraussetzung des Rechtsbehelfs nach § 178a SGG ist die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs durch das Gericht, das die mit einem Rechtsmittel nicht mehr angreifbare Entscheidung getroffen hat (Bundessozialgericht, Beschluss vom 7. April 2005 – B 7a AL 38/05 B -, NJW 2005, 2798). Diese Voraussetzung hätte eine gegen die Entscheidung des Landessozialgerichts vom 16. Juli 2008 erhobene Anhörungsrüge nicht erfüllt, da der Beschwerdeführer das rechtliche Gehör allein durch das Sozialgericht Cottbus verletzt sieht.

2. Die Verfassungsbeschwerde ist auch begründet, soweit sie sich gegen die Auferlegung der Verschuldenskosten richtet.

a. Die Kostenregelung im angefochtene Urteil des Sozialgerichts Cottbus verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 LV. Danach sind alle Menschen vor Gericht gleich. Eine Ungleichbehandlung liegt vor, wenn gegen das allgemein Willkürverbot verstoßen worden ist. Nach der landesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung ist eine Entscheidung dann willkürlich im Sinne des Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 LV, wenn sie unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbar ist und sich deshalb der Schluss aufdrängt, sie beruhe auf sachfremden Erwägungen (ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichts des Landes Brandenburg, vgl. etwa Beschlüsse vom 17. September 1998 – VfGBbg 18/98 -, LVerfGE 9, 95, 100, vom 20. Januar 1997 – VfGBbg 45/96 -, NJ 1997, 307 und vom 16. April 1998 – VfGBbg 1/98 -, LVerfGE 8, 82, 86 f.). Die Entscheidung muss ganz und gar unverständlich erscheinen und das Recht in einer Weise falsch anwenden, die jeden Auslegungs- und Bewertungsspielraum überschreitet (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschlüsse vom 20. Dezember 2001 – VfGBbg 50/01 -, www.verfassungsgericht. brandenburg.de, und vom 14. August 1996 – VfGBbg 23/95 -, LVerfGE 5, 67, 72, m. w. N.). So liegt es hier. Die Auferlegung von Verschuldenskosten ist unter Zugrundelegung des einschlägigen materiellen Rechts und des aus den beigezogenen Unterlagen ersichtlichen Sachverhalts unvertretbar und damit willkürlich.

Nach § 192 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass er den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden in einem Termin die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden ist. Dabei wird ein Missbrauch von der fachgerichtlichen Rechtsprechung und Literatur in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu der entsprechenden Regelung in § 34 Bundesverfassungsgerichtsgesetz u.a. dann angenommen, wenn eine Rechtsverfolgung offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist und sie von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss (Thüringer Landessozialgericht, Urteil vom 29. Mai 2008 – L 2 R 1100/06 -, juris, Rn. 35; Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 31. März 2005 -, L 2 U 124/04 -, juris Rn. 39; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, Rn. 9 zu § 192 m.w.N.). Ob ein solcher Fall gegeben ist, ist jeweils bezogen auf die konkrete Situation zu prüfen, insbesondere danach, ob die Gesetzeslage einfach und eindeutig ist und die maßgeblichen Rechtsfragen höchstrichterlich geklärt sind (Thüringer Landessozialgericht, Urteil vom 29. Mai 2008, aaO, Rn. 36; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, aaO). Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe und der Umstände des Ausgangsrechtsstreits erscheint die Annahme des Sozialgerichts Cottbus, die Fortführung der Klage ... sei rechtsmissbräuchlich gewesen, völlig unverständlich: Maßgeblich für den Ausgang des Verfahrens war die Frage, ob der Berechnung der Arbeitslosenhilfe des Beschwerdeführers im streitgegenständlichen Zeitraum das zutreffende Bemessungsentgelt zugrunde gelegt worden war. Ihre Beantwortung bestimmte sich nach den Vorschriften über die Entgeltersatzleistungen im Sozialgesetzbuch Drittes Buch unter Berücksichtigung der sich aus dem Bezug des Unterhaltsgeldes und der Bestimmungen über die dynamische Anpassung des Bemessungsentgelts ergebenden Besonderheiten. Angesichts dieser detailreichen Spezialmaterie, die zudem infolge von Gesetzesänderungen im entscheidungserheblichen Zeitraum noch unübersichtlicher wurde, kann von einer einfachen und eindeutigen Gesetzeslage nicht die Rede sein. Diese Einschätzung wird im Übrigen dadurch bestätigt, dass das Landessozialgericht im Beschwerdeverfahren zur Klärung der Rechtslage zwei Erörterungstermine durchgeführt und weitere Erläuterungen eingeholt hat. Auch die Beklagte hat in ihrer Stellungnahme vom 24. Oktober 2006 Zweifel an der Rechtmäßigkeit ihres Bescheides geäußert. Nimmt ein Kläger in einer solchen nur schwer überschau- und nachvollziehbaren rechtlichen Situation die Klage nicht zurück, ist dies auch dann nicht missbräuchlich, wenn das Gericht ihn über die seiner Auffassung nach eindeutige Rechtslage belehrt hat und die Klage sich im Ergebnis als erfolglos erweist.

b. Ob die Kostenregelung zugleich auch den Anspruch des Beschwerdeführers auf ein faires Verfahren nach Art. 52 Abs. 4 1. Alt. LV verletzt hat, kann dahinstehen.

II.

Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig.

1. Soweit der Beschwerdeführer die Verletzung seines Anspruchs auf ein zügiges Verfahren rügt, fehlt der Verfassungsbeschwerde das Rechtsschutzbedürfnis. Die Verfassungsbeschwerde dient in erster Linie dem subjektiven Rechtsschutz des Bürgers; sie will dem Bürger bei der Durchsetzung seines Anliegens die Hilfe des Verfassungsgerichts zuteil werden lassen. Demgemäß liegt das Rechtsschutzbedürfnis für eine auf die Verletzung des Art. 52 Abs. 4 Satz 1 LV gestützte Verfassungsbeschwerde vor allem dann vor, wenn die Untätigkeit oder zögerliche Verfahrensweise des Fachgerichts andauert und ein Eingreifen des Verfassungsgerichts deshalb geboten ist. Ist demgegenüber der zu beurteilende Verfahrensteil abgeschlossen und damit eine Behebung der dort etwa eingetretenen Verletzung des Grundrechts auf ein zügiges Verfahren nicht mehr möglich, ist ein Interesse an einem - insoweit nachträglichen - Tätigwerden des Verfassungsgerichts nur ausnahmsweise anzuerkennen (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluss vom 18. Juni 2009 – VfGBbg 12/08 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de m.w.N.). Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Ausnahme hier geboten sein könnte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

2. Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Verfahrensgrundrechte nach Art. 52 Abs. 3 und Art. 52 Abs. 4 1. Alt. LV geltend macht, ist die Verfassungsbeschwerde mangels Beschwerdebefugnis unzulässig. Die angegriffenen Entscheidungen lassen die Möglichkeit einer Verletzung der durch die Landesverfassung verbürgten Ansprüche auf rechtliches Gehör und ein faires Verfahren nicht erkennen (§ 45 VerfGGBbg).

a. Die Rüge des Beschwerdeführers, das Sozialgericht Cottbus habe ihm kein rechtliches Gehör gewährt, da er nicht alle Schriftstücke erhalten habe, ist unbegründet. Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hat dazu zutreffend ausgeführt, die Schriftstücke seien Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Dies ergibt sich aus der Beschwerdebegründung des Beschwerdeführers vom 18. April 2006. Sollte dem Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung – wie er vorträgt – deren Inhalt nicht bekannt gegeben worden sein, kann er auch damit im verfassungsgerichtlichen Verfahren nicht durchdringen. Der Grundsatz der Subsidiarität verlangt von einem Beschwerdeführer, dass er vor der Anrufung des Verfassungsgerichts alles im Rahmen seiner Möglichkeiten stehende unternommen haben muss, um eine etwaige Grundrechtsverletzung zu verhindern oder zu beseitigen (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluss vom 9. Februar 2006 – VfGBbg 72/05 -, www.verfassungsgericht. brandenburg.de). Der Beschwerdeführer musste daher bereits in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Cottbus Einsicht in die Unterlagen verlangen, deren Inhalt ihm seiner Meinung nach nicht bekannt war.

b. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist auch nicht im Hinblick auf den Vortrag des Beschwerdeführers anzunehmen, das Sozialgericht Cottbus habe sich mit seinen Argumenten zur Absenkung der Bemessungsgrundlage und zur Verfristung der Klage ... nicht auseinandergesetzt. Allerdings folgt aus der Verfassungsbestimmung des Art. 52 Abs. 3 LV die Pflicht des entscheidenden Gerichts, die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluss vom 28. September 2006 – VfGBbg 17/06 -, LVerfGE 17, 137, 144 m. w. N.). Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht dieser Verpflichtung nachkommt. Es ist auch nicht dazu verpflichtet, sich mit jeglichem Vorbringen in der Begründung seiner Entscheidung ausdrücklich zu befassen, sondern kann sich auf die Bescheidung der ihm wesentlich erscheinenden Punkte beschränken. Geht das Gericht auf den wesentlichen Kern des Vortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies auf Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern das Vorbringen nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder unsubstantiiert war (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluss vom 28. September 2006, aaO). Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe sind die angegriffenen Entscheidungen Inhalt und Tragweite des Anspruchs auf rechtliches Gehör gerecht geworden.

aa. Das Sozialgericht Cottbus ist in dem Beschluss vom 15. Juli 2004 –...- über den Antrag auf Aufhebung der Vollziehung, auf den das Urteil im Verfahren ... verweist, auf die Absenkung des Bemessungsentgelts im Anschluss an eine Weiterbildungsmaßnahme – wenn auch knapp - eingegangen und hat sie für zulässig erachtet, da die Korrektur nicht nach § 200 Abs. 4 SGB III erfolgt sei. Damit hat es den aus Art. 52 Abs. 3 LV folgenden Anforderungen Genüge getan. Dass es das Vorbringen des Beschwerdeführers in der Sache nicht für beachtlich gehalten hat, ist in diesem Zusammenhang nicht maßgeblich. Es liegt auf der Hand, dass das Gericht zwar verpflichtet ist, sich mit wesentlichem Vorbringen der Beteiligten auseinander zu setzen, nicht aber, den vorgebrachten Argumenten zu folgen. Unbeachtlich ist mit Blick auf die Anforderungen des rechtlichen Gehörs auch, ob die Rechtsauffassung des Gerichts sich als zutreffend erweist.

bb. Im Verfahren ... hat das Sozialgericht Cottbus die Anforderungen des Art. 52 Abs. 3 LV ebenfalls beachtet. Es hat die Verfristungsproblematik sowohl vor der mündlichen Verhandlung schriftlich als auch in der mündlichen Verhandlung angesprochen und im Urteil ausgeführt, der Beschwerdeführer habe berechtigte Zweifel am Zugang des Widerspruchsbescheides nicht vorgetragen.

c. Schließlich ist der Anspruch des Beschwerdeführers auf ein faires Verfahren (Art. 52 Abs. 4 Satz 1 LV) nicht verletzt. Das Verfassungsgebot der fairen Verfahrensführung beinhaltet, dass das Gericht das Verfahren so gestalten muss, wie es auch die Beteiligten von ihm erwarten dürfen. Das Gericht darf sich nicht widersprüchlich verhalten, insbesondere aus eigenen oder ihm zuzurechnenden Fehlern oder Versäumnissen keine Verfahrensnachteile für die Beteiligten ableiten. Allgemein ist es zur Rücksichtnahme gegenüber den Verfahrensbeteiligten in ihrer konkreten Situation verpflichtet (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluss vom 15. Januar 2009 - VfGBbg 52/07 –, www.verfassungsgericht.brandenburg.de). Soweit die Verfassungsbeschwerde nicht bereits Erfolg hat, ergeben sich weder aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers noch aus den beigezogenen Verfahrensakten Anhaltspunkte dafür, dass die Gerichte diese Anforderungen missachtet haben könnten. Die Dauer der Verhandlungen von jeweils zwischen 45 und 60 Minuten spricht bereits dafür, dass sowohl das Sozialgericht Cottbus als auch das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg der Bedeutung der Verfahren für den Beschwerdeführer Rechnung getragen haben.

III.

Soweit die Verfassungsbeschwerde Erfolg hat, ist das angegriffene Urteil des Sozialgerichts Cottbus nach § 50 Abs. 3 VerfGGBbg aufzuheben.

IV.

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 32 Abs. 7 Satz 2 VerfGGBbg.


Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.
 

Postier Dielitz
       
Dr. Fuchsloch Möller
   
Nitsche Partikel
   
Schmidt Dr. Schöneburg