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VerfGBbg, Beschluss vom 20. Juli 2018 - VfGBbg 63/16 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - VerfGGBbg, § 13 Abs. 1
- VwGO, § 152a
Schlagworte: - Anhörungsrüge
- unbegründet
- Verletzung rechtlichen Gehörs
- fehlender Beruhenszusammenhang
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 20. Juli 2018 - VfGBbg 63/16 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 63/16




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

E. AG
vertreten durch die Vorstände

Beschwerdeführerin,

Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. T.,

 

wegen

Urteil des Amtsgerichts Bad Liebenwerda vom 6. November 2015 (12 C 159/15), Beschlüsse des Landgerichts Cottbus vom 14. April 2016, vom 9. Juni 2016 und vom 6. September 2016 (1 S 188/15)

hier:

Anhörungsrüge gegen den Beschluss des Verfassungsgerichts vom 15. Dezember 2017

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 20. Juli 2018

durch die Verfassungsrichter Nitsche, Dr. Becker, Dresen, Dr. Lammer, Partikel und Schmidt

beschlossen: 

 

 

Die Anhörungsrüge wird zurückgewiesen.

 

Gründe:

A.

Das Verfassungsgericht verwarf mit Beschluss vom 15. Dezember 2017 eine Verfassungsbeschwerde, mit welcher sich die Beschwerdeführerin gegen zivilgerichtliche Entscheidungen über die Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten nach einem Verkehrsunfall gewandt hatte.

Gegen den am 2. Januar 2018 zugestellten Beschluss hat die Beschwerdeführerin am 16. Januar 2018 Anhörungsrüge erhoben.

Die geltend gemachten Verfassungsverstöße seien in der vom Verfassungsgericht vorgegebenen Weise begründet worden, was das Verfassungsgericht verkannt habe. Das Verfassungsgericht habe den Sachverhalt nicht zur Kenntnis genommen. Der an das Landgericht Cottbus gerichtete Schriftsatz vom 13. Mai 2016 sei der Beschwerdeschrift vom 28. November 2016 als Anlage beigefügt gewesen, das Verfassungsgericht habe dies übersehen und ausdrücklich auf das Fehlen dieses Schriftsatzes abgestellt. Wenn das Verfassungsgericht das Rechtsschutzbedürfnis der Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Cottbus vom 6. November 2016 verneine, dann habe die Beschwerdeführerin darauf hingewiesen, dass eine eigene Beschwer schon in der abweichenden Begründung des Landgerichts liege. Hinsichtlich der geltend gemachten Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter sei die Beschwerdeführerin schließlich in der Beschwerdeschrift unter Bezugnahme des vorgelegten Schriftsatzes vom 13. Mai 2016 detailliert eingegangen. Das Verfassungsgericht verkenne auch, dass die Nichtzulassungsbeschwerde aufgrund der Wertgrenze des § 26 Nr. 8 EGZPO nicht zulässig sei.

B.

Die zulässige Anhörungsrüge ist unbegründet.

Das Verfahren ist gemäß § 13 Abs. 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) in Verbindung mit § 152a Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten fortzuführen, wenn ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

I.

Eine Verletzung des Anspruchs der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör ist bereits nicht erkennbar, insoweit diese besorgt, das Verfassungsgericht habe bei der Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Cottbus vom 6. September 2016 ihren Vortrag nicht zur Kenntnis genommen, dass sich eine eigene Beschwer aus der - im Vergleich zu den vorangegangenen Beschlüssen des Landgerichts - abweichenden Begründung ergebe.

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts gewährt der in Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 Verfassung des Landes Brandenburg (LV) enthaltene Anspruch auf rechtliches Gehör den Verfahrensbeteiligten das Recht, sich vor Erlass einer gerichtlichen Entscheidung zu den hierfür erheblichen Sach- und Rechtsfragen zu äußern. Dem entspricht die Pflicht des Gerichts, die Ausführungen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und rechtzeitiges, möglicherweise erhebliches Vorbringen bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Da grundsätzlich davon auszugehen ist, dass das Gericht dieser Pflicht nachkommt und es von Verfassungs wegen nicht jedes vorgebrachte Argument ausdrücklich bescheiden muss, bedarf es besonderer Umstände für die Feststellung eines Verstoßes gegen Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV (st. Rspr., vgl. Beschlüsse vom 16. März 2018 - VfGBbg 56/16 - und vom 15. Juni 2017 - VfGBbg 61/16 -, jeweils m. w. Nachw.). Geht das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies grundsätzlich auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (Beschlüsse vom 16. März 2018 - VfGBbg 56/16 - und vom 17. Februar 2000 - VfGBbg 39/99 -, vgl. auch Beschluss vom 17. Juni 2016 - VfGBbg 12/16 -, jeweils m. w. Nachw. zum Bundesrecht).

Mit dieser Rechtsprechung setzt sich die Beschwerdeführerin in ihrer Anhörungsrüge nicht auseinander und zeigt keine besonderen Umstände dafür auf, dass das Verfassungsgericht das geltend gemachte Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung nicht in Erwägung gezogen hat. Aus der Anhörungsrügeschrift wird auch nicht erkennbar, dass es sich bei dem Vortrag, es ergebe sich aus der Begründung des Beschlusses des Landgerichts Cottbus vom 6. September 2016 eine eigene Beschwer, insoweit um den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags der Beschwerdeführerin handelt, welcher zentrale Bedeutung für das Verfahren der Verfassungsbeschwerde hat.

Im Übrigen ist auch der erforderliche Beruhenszusammenhang zwischen der behaupteten Gehörsverletzung und der angefochtenen Entscheidung des Verfassungs-gerichts durch die Anhörungsrüge vom 16. Januar 2018 nicht dargelegt. Insbesondere lassen sowohl die Beschwerdeschrift, als auch die Anhörungsrügeschrift eine Auseinandersetzung mit der zu dem Ausnahmefall einer eigenständigen, in der Zurückweisung der Anhörungsrüge durch das Landgericht liegenden verfassungsrechtlich erheblichen Beschwer ergangenen Rechtsprechung des Verfassungsgerichts in Anwendung auf den vorliegenden Sachverhalt vermissen (vgl. hierzu Beschlüsse vom 16. März 2018 - VfGBbg 56/16 -, vom 16.  Februar 2018 - VfGBbg 66/17 - und vom 11. Dezember 2015 - VfGBbg 55/14 -, jeweils m. w. Nachw. zum Bundesrecht).

II.

Die versehentliche Nichtberücksichtigung des an das Landgericht Cottbus gerichteten Schriftsatzes vom 13. Mai 2016, welcher dem Verfassungsgericht entgegen den Ausführungen in dem in Rede stehenden Beschluss zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde vorlag, verletzt den Anspruch der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör. Der Beschluss des Verfassungsgerichts beruht indes nicht auf diesem Gehörsverstoß.

1. In Bezug auf das mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene Urteil des Amtsgerichts Bad Liebenwerda vom 6. November 2015 (12 C 159/15) sowie hinsichtlich der Beschlüsse des Landgerichts Cottbus vom 14. April 2016 und vom 6. September 2016 (1 S 188/15) war die Verfassungsbeschwerde ausweislich der Begründung des angefochtenen Beschlusses des Verfassungsgerichts bereits aus Gründen als unzulässig zu verwerfen, für welche der Schriftsatz vom 13. Mai 2016 inhaltlich ohne Relevanz war.

2. Die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Cottbus vom 9. Juni 2016 (1 S 188/15) genügte nach der angefochtenen Entscheidung aus mehreren - jeweils für sich tragenden - Gründen nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Beschwerdebegründung (§ 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg). Hierbei legte das Verfassungsgericht dar, dass mit der Begründung neben einem substantiierten Vortrag des entscheidungserheblichen Sachverhalts die wesentlichen rechtlichen Erwägungen unter Berücksichtigung einschlägiger verfassungsrechtlicher Rechtsprechung dargelegt werden müssen. Die durch das Verfassungsgericht in Anwendung dieses Maßstabs angenommenen Begründungsmängel sind auch bei Berücksichtigung des Schriftsatzes vom 13. Mai 2016 gegeben.

a. Der angefochtene Beschluss des Verfassungsgerichts stützt sich zum einen tragend auf die unzureichende Darstellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts. In dieser Hinsicht lassen sich dem Schriftsatz vom 13. Mai 2016 jedoch keine weiteren Angaben entnehmen, welche zur Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde geführt hätten. Die hierzu im Wesentlichen nur enthaltene Tatsache, dass die Beschwerdeführerin nicht über eine eigene Rechtsabteilung bzw. einschlägigen juristischen Sachverstand im Hause verfüge, ergibt sich bereits aus der Beschwerdeschrift vom 28. November 2016.

Unbeachtlich ist auch der in diesem Zusammenhang vorgebrachte Einwand der Beschwerdeführerin, in der Beschwerdeschrift seien - unter Bezugnahme auf einen Schriftsatz der seinerzeitigen Prozessbevollmächtigten der Beschwerdeführerin vom 26. Oktober 2015 - Erläuterungen zu Unfallgeschehen, Schadenshöhe sowie dem Autoversicherer enthalten. Denn dieser Vortrag lässt keine besonderen Umstände erkennen, dass das geltend gemachte Vorbringen aus der Beschwerdeschrift bzw. deren Anlagen durch das Verfassungsgericht nicht vollständig zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht in Betracht gezogen worden ist. Er blieb in dem angefochtenen Beschluss auch nicht unbeschieden. So fehlte es ausweislich der Entscheidungsgründe an nachvollziehbaren konkreten Angaben zum Unfallgeschehen, zu den hierauf beruhenden Beschädigungen des Fahrzeuges und den daraus folgenden geltend gemachten Schadenspositionen sowie auch an näheren Informationen zur Beschwerdeführerin als Unternehmen der Autovermietung. Auch habe die Beschwerdeführerin jeden Vortrag über die konkrete Form der Anmeldung des Schadens bei der gegnerischen Haftpflichtversicherung unterlassen. Der entsprechende Anwaltsschriftsatz sei auch nicht in Ablichtung vorgelegt worden.

Im Übrigen lassen sich nachvollziehbare konkrete Angaben zum relevanten Sachverhalt weder der Beschwerdeschrift entnehmen noch dem dort als Anlage „BE 1“ beigefügten Schriftsatz vom 26. Oktober 2015 nebst Anlagen, welcher bei der Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde vollständig vorgelegen hat. Insbesondere erschöpft sich die Unfallschilderung in diesem Schriftsatz im Wesentlichen in der Angabe, dass sich der Schaden bei einem Spurwechsel auf einer dreispurigen Autobahn unter Beteiligung von drei Kraftfahrzeugen ereignet habe. Auch die diesem Schreiben anliegenden Polizeiberichte vom 14. November 2014 enthalten keine konkrete Schilderung des Unfallhergangs. Ebenso sind die dort beigefügten Schreiben der gegnerischen Versicherung im Hinblick auf die geltend gemachten Schadenspositionen unergiebig.

b. Soweit sich der angefochtene Beschluss daneben auch auf die als unvollständig erachtete Darstellung des Verfahrensablaufs stützt, weil die Beschwerdeführerin ihren Schriftsatz vom 13. Mai 2016 nicht mit der Beschwerdeschrift vorgelegt oder inhaltlich wiedergegeben habe, liegt ein Gehörsverstoß zwar vor. Jedoch war diese Erwägung für die Entscheidung nicht allein tragend, sondern wurde lediglich in Ergänzung zu der als unzureichend erachteten Sachverhaltsdarstellung angebracht („Darüber hinaus“).

c. Auch im Übrigen ist nicht erkennbar, dass die weitere Begründung des angefochtenen Beschlusses den Anspruch der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.

Ein Gehörsverstoß liegt zwar insoweit vor, wie das Verfassungsgericht die mangelnde Begründung der von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Verletzung der Gewährleistung des gesetzlichen Richters gemäß Art. 52 Abs. 1 Satz 2 LV durch Nichtzulassung der Revision ebenfalls mit der unzutreffenden Annahme begründet, dass die Beschwerdeführerin ihre Stellungnahme vom 13. Mai 2016 dem Verfassungsgericht nicht zur Kenntnis gegeben habe.

Es kann aber dahingestellt bleiben, ob auch die Bescheidung der behaupteten Verletzung des Gebots der Gleichheit vor Gericht gemäß Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 LV in seiner Ausprägung als Verbot willkürlicher Entscheidungen sowie der ferner geltend gemachte Verstoß gegen die Vorgaben des Grundrechts auf rechtliches Gehör gemäß Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV unter Verletzung des Anspruchs der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör erfolgte.

Denn die diesbezüglich angeführte Erwägung des Verfassungsgerichts, es mangele der Verfassungsbeschwerde an einer hinreichenden argumentativen Auseinandersetzung mit dem Beschluss des Landgerichts Cottbus vom 9. Juni 2016 und der einschlägigen Rechtslage sowie an einer genügenden Darlegung im Hinblick auf die Wahrung des Grundsatzes der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde waren jedenfalls nicht für die angefochtene Entscheidung allein tragend, sondern erfolgten ebenfalls nur ergänzend („Zudem“).

Der erforderliche Beruhenszusammenhang ist insofern nicht erkennbar und wird durch die Anhörungsrüge auch nicht nachvollziehbar aufgezeigt. Die Ausführungen der Beschwerdeführerin hierzu erschöpfen sich in der Behauptung, der Verfassungsbeschwerde wäre stattzugeben gewesen, weil die geltend gemachten Verfassungsverstöße in der vom Verfassungsgericht vorgegebenen Weise begründet worden seien.

C.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

Nitsche Dr. Becker
   
Dresen Dr. Lammer
   
Partikel Schmidt