VerfGBbg, Beschluss vom 20. Juli 2018 - VfGBbg 152/17 -
Verfahrensart: |
Verfassungsbeschwerde Hauptsache |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - LV, Art. 52 Abs. 1 Satz 2 - VerfGGBbg, § 20 Abs. 1 Satz 2; VerfGGBbg, § 46; VerfGGBbg, § 47 Abs. 1 Satz 1 |
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Schlagworte: | - Verfassungsbeschwerde wegen Zurückweisung eines Befangenheitsantrags - Verfassungsbeschwerde unzulässig - unzureichende Begründung der Verfassungsbeschwerde - Beschwerdefrist - Ablehnungsgesuch ohne Begründung - Entscheidung durch abgelehnten Richter ausnahmsweise zulässig |
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Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 20. Juli 2018 - VfGBbg 152/17 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 152/17
IM NAMEN DES VOLKES
B e s c h l u s s
In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren
R.,
Beschwerdeführerin,
Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt L.,
wegen Beschlüsse des Sozialgerichts Cottbus vom 13. April 2017 (S 30 SF 4055/16 AB und S 30 SF 3978/16 E)
hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
am 20. Juli 2018
durch die Verfassungsrichter Nitsche, Dr. Becker, Dresen, Dr. Lammer, Partikel und Schmidt
beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.
Gründe:
A.
Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen Beschlüsse des Sozialgerichts Cottbus über ein Ablehnungsgesuch und eine Erinnerung im Verfahren zur Festsetzung ihrer erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten.
I.
Nach Abschluss eines sozialgerichtlichen Verfahrens vor dem Sozialgericht Cottbus setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12. September 2016 (S 36 AS 1096/13) die der Beschwerdeführerin vom Beklagten zu erstattenden außergerichtlichen Kosten auf 73,78 Euro fest.
Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss legte die Beschwerdeführerin Erinnerung ein. Zugleich lehnte sie den für die Erinnerungsentscheidung zuständigen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Ablehnungsgründe nannte die Beschwerdeführerin hierbei nicht.
Mit Beschluss des abgelehnten Richters vom 13. April 2017 (S 30 SF 4055/16 AB) verwarf das Sozialgericht das Ablehnungsgesuch als unzulässig, denn es sei rechtsmissbräuchlich. Das Ablehnungsgesuch sei damit begründet, dass der abgelehnte Richter Geld vom „Jobcenter OSL“ angenommen habe und daher ganz allgemein den Eindruck erweckt habe, seine Entscheidungen seien insgesamt käuflich. Diese Ablehnungsgründe seien wiederholt Gegenstand von Befangenheitsverfahren gewesen seien und bereits mehrfach durch verschiedene Kammern als unzureichender Grund für die Besorgnis einer Befangenheit eingestuft worden seien. Die Wiederholung gleicher Befangenheitsgründe, deren Unbeachtlichkeit bereits mehrfach festgestellt worden sei, werde nicht mehr vom Rechtsschutzbedürfnis gedeckt. Aufgrund der offensichtlichen Unzulässigkeit des Ablehnungsgesuchs dürfe der abgelehnte Richter hierüber selbst entscheiden.
Mit weiterem Beschluss des abgelehnten Richters vom selben Tage (S 30 SF 3978/16 E) wies das Sozialgericht sodann die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss als unbegründet zurück. Die Gebühren seien rechtmäßig festgesetzt worden.
Die Beschlüsse wurden dem Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin jeweils am 28. September 2017 zugestellt.
II.
Mit der am 23. November 2017 erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1 Satz 2 Verfassung des Landes Brandenburg (LV) sowie Art. 52 Abs. 1 und Abs. 4 LV.
Der Beschluss über die Verwerfung des Ablehnungsgesuchs sei mit Art. 52 Abs. 1 LV unvereinbar. Denn über das Gesuch sei willkürlich und entgegen den einschlägigen verfahrensrechtlichen Vorschriften durch den abgelehnten Richter selbst entschieden worden. Eine offensichtliche Unzulässigkeit eines Befangenheitsgesuches lasse sich nicht mit dem bloßen Verweis auf nicht näher bezeichnete Entscheidungen anderer Kammern des Sozialgerichts begründen. Das Gericht habe bei einem Befangenheitsantrag stets die Umstände des Einzelfalls zu würdigen. Damit sei ein Verweis auf andere Entscheidungen, die nicht sie - die Beschwerdeführerin - beträfen, nicht zu vereinbaren. Eine Abweichung vom ausdrücklich geregelten Grundsatz, dass die Entscheidung ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters zu erfolgen habe, könne allenfalls in krassen Ausnahmefällen in Betracht kommen.
Die Entscheidung über die Erinnerung sei willkürlich. Es begegne bereits Bedenken, wenn das Sozialgericht, statt den Beschluss selbst zu begründen, auf § 136 Abs. 3 SGG verweise. Zudem liege ein Verstoß gegen das Gebot des fairen Verfahrens vor. Das Gericht hätte sie darauf hinweisen müssen, dass es davon ausgehe, dass die Ausführungen des Beklagten substantiiert seien, und ihr Gelegenheit für eine weitere Stellungnahme geben müssen. Auch liege infolge der unzulässigen Selbstentscheidung des Ablehnungsgesuchs eine Verletzung ihres Anspruchs auf den gesetzlichen Richter vor.
III.
Das Sozialgericht Cottbus erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verfahrensakten S 30 SF 3978/16 E und S 30 SF 4055/16 AB wurden beigezogen.
B.
Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) zu verwerfen.
Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, denn sie entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung.
Gemäß § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) ist eine Begründung notwendig, die schlüssig die mögliche Verletzung des geltend gemachten Grundrechts des Beschwerdeführers aufzeigt. Sie muss somit umfassend und aus sich heraus verständlich sein. Mit der Begründung müssen der entscheidungserhebliche Sachverhalt und die wesentlichen rechtlichen Erwägungen nachvollziehbar dargelegt werden, um dem Gericht eine sachgerechte Auseinandersetzung mit dem geltend gemachten Begehren zu ermöglichen. Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung, bedarf es in der Regel einer substantiellen argumentativen Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung und ihrer konkreten Begründung. Dabei ist auch darzulegen, inwieweit das bezeichnete Grundrecht durch die angegriffene Entscheidung verletzt sein soll und mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen sie kollidiert (st. Rspr., vgl. zuletzt Beschluss vom 16. März 2018 - VfGBbg 56/16 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de, m. w. Nachw.). Die Anforderungen an die Beschwerdebegründung müssen bezüglich jeder der mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Maßnahmen der hoheitlichen Gewalt jeweils gesondert erfüllt sein. Dies ist hier nicht gegeben.
1. In Bezug auf die Verwerfung des Ablehnungsgesuchs durch das Sozialgericht legt die Beschwerdeschrift die insoweit allein geltend gemachte Verletzung der Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 52 Abs. 1 Satz 2 LV nicht nachvollziehbar dar.
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichts, dass die Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs durch den abgelehnten Richter eine Entziehung des gesetzlichen Richters darstellen kann. In klaren Fällen eines unzulässigen oder missbräuchlich angebrachten Ablehnungsgesuchs ist der abgelehnte Richter nicht an der weiteren Mitwirkung gehindert, und zwar wenn für eine Verwerfung als unzulässig jegliches Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens entbehrlich ist. Ein solcher Fall liegt hier vor.
Dass das Sozialgericht das Ablehnungsgesuch verkannt hat, beschwert die Beschwerdeführerin nicht. Die unter dem Gliederungspunkt I. der Beschlussgründe wiedergegebene Begründung der Ablehnung - „der abgelehnte Richter habe Geld vom Jobcenter OSL angenommen und habe daher ganz allgemein den Eindruck erweckt, seine Entscheidungen seien insgesamt käuflich" - verkennt zwar das Ablehnungsgesuch, welches nämlich überhaupt keine Ausführungen zur Begründung enthält. Das Grundrecht auf den gesetzlichen Richter schützt aber nicht davor, dass der gesetzliche Richter seine Entscheidung offensichtlich grob fehlerhaft begründet.
Über die Auseinandersetzung mit der angegriffenen Kostenfestsetzung nennt das Ablehnungsgesuch nicht einen Befangenheitsgrund. Begründet wird lediglich die Erinnerung, nicht aber die Ablehnung des Kostenrichters. Mit der Verfassungsbeschwerde wird nicht aufgezeigt, warum die Verwerfung des ohne jegliche Begründung gestellten Ablehnungsgesuchs durch den abgelehnten Richter den Gewährleistungsgehalt des Art. 52 Abs. 1 Satz 2 LV verkennt. Vielmehr liegt offensichtlich ein Ausnahmefall vor, in welchem der abgelehnten Richter ausnahmsweise zur Selbstentscheidung befugt war. Wenn es einem Ablehnungsgesuch an jeglicher Begründung mangelt, kann es auch nicht in der Sache beschieden werden, weder von dem abgelehnten Richter noch von einem anderen Richter des Gerichts. Ein solches Gesuch ist als völlig ungeeignet zu betrachten. Insofern war für dessen Verwerfung als unzulässig jedes Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens entbehrlich.
2. In Bezug auf den Beschluss des Sozialgerichts über die Erinnerung ist bereits der entscheidungserhebliche Sachverhalt unzureichend dargelegt, sodass sich das Eingehen auf die rechtlichen Ausführungen der Beschwerdeführerin erübrigt.
Die Beschwerdeführerin hat dem Verfassungsgericht weder den angefochtenen Erinnerungsbeschluss noch die Erinnerungsschrift oder den zugrundeliegenden Kostenfestsetzungsbeschluss beigefügt. Zwar enthält die Beschwerdebegründung eine noch ausreichende Darlegung des Inhalts des Beschlusses über die Erinnerung. Da dieser zur Begründung aber umfangreich auf die inhaltlichen Ausführungen im Kostenfestsetzungsbeschluss verweist, hätte es zumindest der umrisshaften Wiedergabe der Begründung des Kostenfestsetzungsbeschlusses sowie des dort in Bezug genommenen Schriftsatzes des Beklagten vom 20. August 2015 bedurft.
Die mit Posteingang vom 30. November 2017 nachgereichten Abschriften dieser und weiterer Schriftstücke konnten den Begründungsmangel nicht mehr beseitigen, da sie außerhalb der Beschwerdefrist eingegangen sind.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichts gilt die Frist des § 47 Abs. 1 VerfGGBbg nicht nur für die Einlegung, sondern auch für die Begründung der Verfassungsbeschwerde (vgl. Beschlüsse vom 19. Juni 2013 - VfGBbg 39/12 -, vom 16. Dezember 2016 - VfGBbg 14/16 - und vom 19. Mai 2017 - VfGBbg 32/16 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de). Dem Verfassungsgericht müssen bei Ablauf der Beschwerdefrist alle Unterlagen vorliegen, die für eine Entscheidung über die Zulässigkeit und Begründetheit der Verfassungsbeschwerde erforderlich sind. Eine nach Fristablauf eingehende (weitere) Begründung kann daher nur Berücksichtigung finden, soweit sie sich als Ergänzung oder Vertiefung zu einem Vortrag darstellt, der seinerseits den Anforderungen der § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg entspricht (vgl. Beschluss vom 20. Januar 2012 - VfGBbg 67/11, VfGBbg 8/11 EA -, www.verfasssungsgericht.brandenburg.de). Nach Fristablauf erfolgende Begründungen oder beim Verfassungsgericht eingereichte Unterlagen können eine ursprünglich mangels ausreichender Begründung unzulässige Verfassungsbeschwerde nicht mehr zulässig machen.
C.
Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.
Nitsche | Dr. Becker |
Dresen | Dr. Lammer |
Partikel | Schmidt |