VerfGBbg, Beschluss vom 20. Mai 2010 - VfGBbg 1/10 -
Verfahrensart: |
Verfassungsbeschwerde Hauptsache |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - LV, Art. 12 Abs. 1; LV, Art. 52 Abs. 1 |
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Schlagworte: | - Strafbefehlsverfahren - Anordnung amtsärztlicher Untersuchung - Zwischenentscheidung - Subsidiarität - Willkürverbot - Gesetzlicher Richter |
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Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 20. Mai 2010 - VfGBbg 1/10 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 1/10
IM NAMEN DES VOLKES |
In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren sowie in dem Verfahren über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung S., Beschwerdeführer und Antragsteller, wegen des Beschlusses des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) vom 25. August 2009 (Az.: 4.13 Cs 280 Js 31760/06 (24/09)) sowie wegen Mitteilungen und eines Präsidiumsbeschlusses des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg am 20. Mai 2010 b e s c h l o s s e n : 1. Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen. G r ü n d e : A. Der Beschwerdeführer wendet sich im Wesentlichen gegen die Anordnung seiner amtsärztlichen Untersuchung. I. Das Amtsgericht Frankfurt (Oder) hatte am 5. Oktober 2006 einen Strafbefehl wegen falscher Verdächtigung gegen den Beschwerdeführer erlassen (Az.: Cs 280 Js 31760/06), gegen den dieser Einspruch erhob. Aufgrund eines amtsärztlichen Gutachtens vom 10. August 2007, das eine vorübergehende Verhandlungsunfähigkeit des Beschwerdeführers aufgrund reaktiver Depression bescheinigte, stellte das Amtsgericht Frankfurt (Oder) das Verfahren zunächst im Dezember 2007 gemäß § 205 Strafprozessordnung (StPO) vorläufig ein und ordnete im Juli 2008 die amtsärztliche Untersuchung des Beschwerdeführers zur Klärung der Frage seiner Verhandlungsfähigkeit an. Seine gegen die Untersuchungsanordnung gerichtete Beschwerde verwarf das Landgericht Frankfurt (Oder). Ein Gutachten des sozialmedizinischen Dienstes vom 22. September 2008 stellte darauf fest, der Beschwerdeführer sei aufgrund schwerer Panikattacken nicht verhandlungsfähig. Es sei zur Zeit keine Aussage möglich, wann er zur Teilnahme an Gerichtsverhandlungen in der Lage sein werde. Nachdem die Staatsanwaltschaft im April 2009 einen Antrag auf erneute Begutachtung gestellt hatte, regte der Beschwerdeführer die Fortführung des Verfahrens unter Bevollmächtigung seines Verteidigers gemäß § 411 Abs. 2 StPO an. Entgegen seiner vorherigen Mitteilung griff das Amtsgericht Frankfurt (Oder) die Anregung nicht auf. Vielmehr ordnete die nunmehr zuständige Richterin mit Beschluss vom 25. August 2009 die amtsärztliche Untersuchung des Beschwerdeführers an (Az.: 4.13 Cs 280 Js 31760/06 (24/09)), gegen den dieser am 31. August 2009 Beschwerde erhob. Nach Hinweis des Amtsgerichts Frankfurt (Oder), eine Beschwerde sei nicht statthaft, erläuterte der Beschwerdeführer seine gegenteilige Rechtsansicht und verwies auf die Möglichkeit einer einvernehmlichen Regelung. Darauf erklärte das Amtsgericht, es halte die amtsärztliche Untersuchung für nicht entbehrlich, und half der Beschwerde aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung nicht ab. Das Landgericht verwarf die Beschwerde mit Beschluss vom 4. Januar 2010 gemäß § 305 Satz 1 StPO als unzulässig. Auf die Dienstaufsichtsbeschwerde des Beschwerdeführers erläuterte der Präsident des Landgerichts Frankfurt (Oder), die das Verfahren des Beschwerdeführers betreffende Änderung der Zuständigkeit beim Amtsgericht Frankfurt (Oder) beruhe auf einer Entscheidung des dortigen Gerichtspräsidiums. II. Der Beschwerdeführer hat am 1. Januar 2010 Verfassungsbeschwerde erhoben und den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Er ist der Ansicht, das Amtsgericht Frankfurt (Oder) verletze sowohl durch seinen Beschluss vom 25. August 2009 (Az.: 4.13 Cs 280 Js 31760/06 (24/09)) als durch seine Entscheidungen über die Nichtanfechtbarkeit dieses Beschlusses und über die Abweisung seiner Anträge, die Untersuchungsanordnung aufzuheben, seine Menschenwürde (Art. 7 der Verfassung des Landes Brandenburg LV -) und sein Grundrecht auf Unverletzlichkeit von Leben und Gesundheit (Art. 8 Abs. 1 LV). Aus dem Gutachten vom Jahre 2008 folge, dass bereits die amtsärztliche Untersuchung zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen und damit zu einer Verletzung seines Grundrechts auf Unversehrtheit führe. Zudem verstießen die Entscheidungen gegen Urteile des Bundesgerichtshofes und verletzten daher das Willkürverbot (Art. 12 Abs. 1 LV). Der Richterwechsel sei willkürlich gewesen; ohne ihn wäre das Verfahren bereits abgeschlossen. B. Die Akten des Strafverfahrens (Az.: 280 Js 31760/06) wurden beigezogen. C. I. Die Verfassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. 1. Soweit sie gegen die Mitteilungen des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) gerichtet ist, der Beschluss vom 25. August 2009 (Az.: 4.13 Cs 280 Js 31760/06 (24/09)) sei unanfechtbar bzw. werde nicht aufgehoben, ist sie unzulässig. Bei diesen Mitteilungen handelt es sich nicht um mit der Verfassungsbeschwerde angreifbare (Entscheidungs-)Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. § 45 Abs. 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg VerfGGBbg -), sondern um bloße Hinweise des Amtsgerichts auf die seiner Auffassung zufolge nach Erlass des Beschlusses vom 25. August 2009 bestehende Rechtslage. Diese Ausführungen haben keinen eigenen Regelungsgehalt und greifen nicht in die Rechtsposition des Beschwerdeführers ein.2. Auch soweit die Verfassungsbeschwerde sich gegen die Anordnung der amtsärztlichen Untersuchung des Beschwerdeführers durch Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) vom 25. August 2009 (Az.: 4.13 Cs 280 Js 31760/06 (24/09)) wendet, hat sie keinen Erfolg. Die Verfassungsbeschwerde ist insoweit ebenfalls unzulässig. a. Der Zulässigkeit steht bereits der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde entgegen. Die angegriffene Anordnung der amtsärztlichen Untersuchung stellt eine der Entscheidung über den Einspruch vorausgehende Zwischenentscheidung des Strafgerichts dar. Verfassungsbeschwerden gegen derartige Zwischenentscheidungen sind grundsätzlich ausgeschlossen, weil Verfassungsverstöße gewöhnlich noch mit der Anfechtung der Endentscheidung gerügt werden können (vgl. zum Bundesrecht BVerfGE 21, 139, 143). Ausnahmen von diesem Grundsatz gelten nur in Fällen, in denen ein dringendes schutzwürdiges Interesse daran besteht, dass über die Verfassungsmäßigkeit der Zwischenentscheidung sofort und nicht erst in Verbindung mit der Überprüfung der Endentscheidung erkannt wird, weil bereits die Zwischenentscheidung einen bleibenden rechtlichen Nachteil für den Betroffenen zur Folge hat, der sich später gar nicht oder jedenfalls nicht mehr vollständig beheben lässt (vgl. zum Bundesrecht BVerfGE 51, 324, 342 ff). Weder sein Vorbringen noch die eingereichten und beigezogenen Unterlagen lassen indes erkennen, dass der Beschwerdeführer durch die angeordnete amtsärztliche Untersuchung einen solchen bleibenden Nachteil erleiden könnte. Insbesondere geht aus dem Gutachten vom 22. September 2008 auf das der Beschwerdeführer sich in der Beschwerdeschrift ausdrücklich bezieht - nicht hervor, dass er schon durch eine ärztliche Begutachtung eine später nicht mehr zu behebende Beeinträchtigung seiner Grundrechte gewärtigen müsste. Dem Gutachten lässt sich nur entnehmen, dass zum Zeitpunkt seiner Erstellung Belastungssituationen beim Beschwerdeführer zu Blutdruckkrisen und Herzrasen führen konnten, was nach Ansicht der begutachtenden Ärztin seine Fähigkeit ausschloss, an Gerichtsverhandlungen teilzunehmen. Aus dem Gutachten folgt aber weder, dass die Begutachtung selbst eine solche Belastungssituation darstellte, noch besagt es etwas über den derzeitigen Zustand des Beschwerdeführers. Seine Behauptung, bereits die Untersuchung führe zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen, findet auch im übrigen Akteninhalt keine Stütze. Die Art der angeordneten Untersuchung gibt ebenfalls keinen Anlass zu der Annahme, die Untersuchung könne mit einer Grundrechtsbeeinträchtigung verbunden sein. Aus dem Schreiben des Sozialmedizinischen Dienstes vom 11. September 2009 (Blatt 214 der Strafakte) folgt, dass der Beschwerdeführer durch einen Facharzt für Psychiatrie begutachtet werden soll. Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit des Beschwerdeführers erscheinen daher ausgeschlossen und werden auch vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Im Übrigen hat der Beschwerdeführer seine wiederholten Bitten um Verschiebung der zwischenzeitlich anberaumten Untersuchungstermine jeweils mit dienstlichen und arbeitsrechtlichen, nicht aber mit gesundheitlichen Belangen begründet. Insgesamt ist daher nicht festzustellen, dass es dem Beschwerdeführer von vornherein unzumutbar ist, an dem Untersuchungstermin teilzunehmen und nach der Begutachtung seiner Verhandlungsfähigkeit gegebenenfalls gemäß § 206 a StPO eine Verfahrenseinstellung zu beantragen. b. Überdies lässt die Beschwerdebegründung nicht die Möglichkeit erkennen, dass der Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten verletzen könnte. aa. Soweit der Beschwerdeführer den Zuständigkeitswechsel beim Amtsgerichts Frankfurt (Oder) für willkürlich hält und damit der Sache nach eine Verletzung seines Grundrechts auf den gesetzlichen Richter (Art. 52 Abs. 1 Satz 2 LV) rügt, erschöpfen sich seine Ausführungen in bloßen Mutmaßungen, für die ein realer Hintergrund nicht im Ansatz ersichtlich ist. Dass die zunächst zuständige Richterin möglicherweise - eine für den Beschwerdeführer günstigere Verfahrensgestaltung gewählt hätte, lässt nicht den Rückschluss zu, sie sei deswegen abgelöst worden. bb. Auch soweit die Verfassungsbeschwerde gegen die Anordnung der Untersuchung selbst gerichtet ist, wird ein Grundrechtsverstoß nicht ersichtlich. Insbesondere hat der Beschwerdeführer nicht dargelegt, dass das Amtsgericht Frankfurt (Oder) das Willkürverbot verletzt haben könnte. Willkürlich im Sinne des Art. 52 Abs. 3 LV ist ein Richterspruch nur dann, wenn er unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht. Dafür hat der Beschwerdeführer nichts Erhebliches vorgetragen. Die behauptete willkürliche Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes liegt offensichtlich nicht vor. Die vom Beschwerdeführer herangezogenen Entscheidungen (Bundesgerichtshof, Beschlüsse vom 28. Mai 2009 I ZB 93/08 -, NJW-RR 2009, 1223, und vom 14. März 2007 - XII ZB 201/06 -, NJW 2007, 3575) sind in Verfahren ergangen, in denen der Betroffene anders als vorliegend der Beschwerdeführer - vor der Anordnung seiner Untersuchung nicht angehört wurde. c. Bei dieser Sachlage bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss vom 25. August 2009 am 1. Januar 2010 rechtzeitig erhoben wurde und dass der Rechtsweg nicht zuvor erschöpft war. II. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist abzulehnen. Eine einstweilige Anordnung kommt nicht in Betracht, wenn das Begehren in der Hauptsache erfolglos ist. Der Beschluss ist unanfechtbar. |
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