VerfGBbg, Beschluss vom 20. März 2015 - VfGBbg 58/14 -
Verfahrensart: |
Verfassungsbeschwerde Hauptsache |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - LV Art. 52 Abs. 3 Alt. II - EMRK Art. 6 - VerfGGBbg § 20 Abs. 1 Satz 2; VerfGGBbg § 21 Satz 2; VerfGGBbg § 46 - StPO § 304; StPO § 309; StPO § 311 - OWiG § 46 Abs. 1; OWiG § 110 Abs. 2 Satz 2 - StrEG § 5 Abs. 2 Satz 1 |
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Schlagworte: | - Willkürverbot - Anspruch auf rechtliches Gehör, Hinweispflicht - Unschuldsvermutung - Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen |
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Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 20. März 2015 - VfGBbg 58/14 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 58/14
IM NAMEN DES VOLKES
B e s c h l u s s
In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren
K.
Beschwerdeführer,
wegen der Beschlüsse des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 26. Mai 2014 und vom 24. Juni 2014 sowie des Beschlusses des Oberlandesgerichts Brandenburg vom 28. Oktober 2014
hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dielitz, Dresen, Dr. Fuchsloch und Partikel
am 20. März 2015
b e s c h l o s s e n :
Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.
G r ü n d e :
I.
Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 2 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) zu verwerfen, nachdem der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 27. November 2014 auf Bedenken gegen die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde hingewiesen worden ist und diese durch seine Schriftsätze vom 28. November 2014, vom 3. und 5. Dezember 2014 sowie vom 06. Januar 2015 nicht ausgeräumt hat.
1. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen die Beschlüsse des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 24. Juni 2014 und des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 28. Oktober 2014 richtet, mit denen der Antrag des Beschwerdeführers auf Nachholung des rechtlichen Gehörs zurückgewiesen und die hiergegen gerichtete Beschwerde als unbegründet verworfen wurde, fehlt dem Beschwerdeführer das Rechtsschutzbedürfnis. Die Zurückweisung der Gehörsrüge und die Verwerfung der hiergegen nach § 304 StPO gerichteten Beschwerde sind mit der Verfassungsbeschwerde nicht angreifbar, denn sie schaffen keine eigenständige Beschwer. Sie lassen allenfalls eine bereits durch die Ausgangsentscheidung eingetretene Verletzung rechtlichen Gehörs fortbestehen, indem eine Selbstkorrektur durch die Fachgerichte unterbleibt. Ein schutzwürdiges Interesse an einer – zusätzlichen – verfassungsgerichtlichen Überprüfung der Gehörsrügeentscheidungen besteht nicht (st. Rspr., vgl. Beschlüsse vom 12. Dezember 2014 - VfGBbg 23/14 - und vom 29. August 2014 - VfGBbg 63/13 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de).
2. Im Übrigen bleibt es dabei, dass die Verfassungsbeschwerde nicht den Begründungsanforderungen aus § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg genügt; der Beschwerdeführer zeigt mit ihr seine Beschwerdebefugnis im Sinne der Möglichkeit, durch den Beschluss des Landgerichts vom 26. Mai 2014 in seinen Grundrechten verletzt zu sein, nicht auf.
a) Eine grundsätzlich unrichtige Anschauung von der Bedeutung und Reichweite eines Grundrechts oder ein Verstoß gegen das Willkürverbot liegen nicht vor. Insbesondere ist die Annahme des Landgerichts, der Ausschlussgrund des § 5 Abs. 2 Satz 1 Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG), wonach die Entschädigung ausgeschlossen ist, wenn und soweit der Beschuldigte die Strafverfolgungsmaßnahme vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht hat, habe nichts mit der Unschuldsvermutung im Sinne des Art. 6 Europäische Menschenrechtskonvention - EMRK - zu tun, sondern bestimme sich nach den zivilrechtlichen Grundsätzen der Zurechenbarkeit eigenen Verhaltens (vgl. hierzu Meyer-Goßner, in: ders./Schmitt,Strafprozessordnung, 57. Aufl., StrEGAnh 5, § 5 Rn. 9, 12 m. w. N.), bereits auf Grundlage des einfachen Rechts zutreffend.
b) Soweit der Beschwerdeführer die Verletzung rechtlichen Gehörs dadurch rügt, dass ihm vom Landgericht berücksichtigte Unterlagen des Zentraldienstes der Polizei nicht zur Verfügung gestanden hätten und er auf deren Bedeutung nicht hingewiesen worden sei, genügt dies ebenfalls nicht den Begründungsanforderungen. Das Gericht trifft aus Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV die Pflicht, die Ausführungen der Parteien bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen und dem Betroffenen nötigenfalls Hinweise zu erteilen (st. Rspr., vgl. Beschlüsse vom 29. August 2014 - VfGbbg 8/14 - und vom 10. Mai 2007 - VfGBbg 8/07 -, LVerfGE 18, 150, 157). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht dieser Pflicht nachkommt. Da es von Verfassungs wegen nicht jedes vorgebrachte Argument ausdrücklich bescheiden muss, bedarf es besonderer Umstände für die Feststellung eines Verstoßes gegen Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV (st. Rspr., vgl. etwa Beschlüsse vom 10. Mai 2007 - VfGBbg 8/07 -, LVerfGE 18, 150, 157, und vom 17. Juni 2011 - VfGBbg 33/10 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de). Solche besonderen Umstände sind mit der Verfassungsbeschwerde nicht vorgetragen worden und sind insonderheit nicht darin begründet, dass es das Gericht unterlassen hätte, den Beschwerdeführer auf die Bedeutung der im Zusammenhang mit der polizeilichen Verkehrskontrolle erstellten Verfahrensakten, insbesondere des von den Polizeibeamten aufgenommenen Protokolls, ausdrücklich hinzuweisen. Vielmehr genügte das Landgericht seinen aus Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV folgenden Pflichten insoweit bereits dadurch, dass es dem Beschwerdeführer Gelegenheit zur Stellungnahme gab und ihm in diesem Zusammenhang die Beschwerdeschrift zur Verfügung stellte. Das Landgericht hat in seinem Beschluss auf die Gehörsrüge des Beschwerdeführers hin ausgeführt, dass diesem die Beschwerdeschrift vor Erlass des Beschlusses vom 26. Mai 2014 bekannt gegeben worden sei und er hierzu auch Stellung genommen habe. Tatsachen oder Beweismittel, die nicht bereits Gegenstand des vorangegangenen Schriftwechsels der Beteiligten gewesen seien, seien nicht verwertet worden. Der Beschwerdeführer hat dies seinerseits mit seinem an das Landgericht gerichteten Schriftsatz vom 30. Juni 2014 ausdrücklich bestätigt und hierin sogar ausgeführt, die Akte zu kennen, wobei dem Sachverhalt des Führens eines Kraftfahrzeuges unter Alkoholeinfluss, der durch einen Vermerk eines Polizisten aktenkundig gemacht worden war, nicht zu widersprechen sei.
c) Schließlich genügt auch die Rüge des Beschwerdeführers, die Entscheidung des Landgerichts über die Versagung der Gewährung einer Entschädigung nach dem StrEG hätte nicht ohne die Durchführung einer Hauptverhandlung ergehen dürfen, den Begründungsanforderungen nicht. Beschlüsse über Ansprüche nach dem StrEG ergehen nach einfachem Recht ohne mündliche Verhandlung (§ 110 Abs. 2 Satz 2, § 46 Abs. 1 Ordnungswidrigkeitengesetz - OWiG - i. V. m. §§ 311, 309 Abs. 1 StPO). Die einfachgesetzliche Ausgestaltung des Verfahrens konkretisiert den verfassungsrechtlichen Anspruch auf rechtliches Gehör, da dieser nicht in jedem Fall einen Anspruch auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung umfasst. Es ist vielmehr grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, je nach Sachmaterie und Bedeutung der Verfahren für den Einzelnen zu entscheiden, in welchen Gerichtsverfahren auf welche Weise rechtliches Gehör gewährt werden soll. Die Modalitäten der Gehörsgewährung sind damit weitgehend der Ausgestaltung durch den Gesetzgeber in der jeweils einschlägigen Verfahrensordnung überlassen. Fehlen gesetzliche Vorgaben zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung, besteht von Verfassungs wegen kein genereller Anspruch der Verfahrensbeteiligten auf eine mündliche Verhandlung oder persönliche Anhörung (vgl. Urteil vom 24. Januar 2014 - VfGBbg 2/13 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de). Auf die einfachgesetzliche Rechtslage gesondert hinzuweisen, bestand ebenfalls kein Anlass.
d) Der Vortrag des Beschwerdeführers lässt schließlich eine Verletzung seiner Menschenwürde (Art. 7 Abs. 1 LV), seines Rechts auf körperliche Unversehrtheit (Art. 8 Abs. 1 LV), seines Persönlichkeitsrechts (Art. 10 LV) und seines Eigentumsrechts (Art. 41 Abs. 1 LV) von vornherein nicht erkennen.
II.
Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.
Möller | Dr. Becker |
Dielitz | Dresen |
Dr. Fuchsloch | Partikel |