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VerfGBbg, Beschluss vom 20. März 2015 - VfGBbg 30/14 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 2 Abs. 5
- VerfGGBbg, § 32 Abs. 7; VerfGGBbg § 29 Abs. 1
Schlagworte: - Hauptsacheerledigung
- Bindungswirkung verfassungsgerichtlicher Entscheidung
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 20. März 2015 - VfGBbg 30/14 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 30/14




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

 

            P.,

Beschwerdeführer,

 

Verfahrensbevollmächtigter:        Rechtsanwalt H.

 

 

wegen der Beschlüsse des Landgerichts Potsdam vom 4. Februar 2014 und 2. April 2014 (4 S 19/12)

 

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dielitz, Dresen, Dr. Fuchsloch und Partikel

 

am 20. März 2015

 

b e s c h l o s s e n :

 

            Das Verfahren wird eingestellt.

 

Das Land Brandenburg hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.

 

Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt.

 

 

G r ü n d e :

I.

 

Eine gegen ein Urteil des Landgerichts Potsdam erhobene Verfassungsbeschwerde führte zur Aufhebung und zur Rückverweisung der Sache (Beschluss vom 19. Juni 2013 - VfGBbg 61/12 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de). Die Entscheidung des Landgerichts sei willkürlich. Sie ver­letze den Beschwer­­­deführer in seinem Gleich­heits­grund­­recht aus Art. 12 Abs. 1 der Landesverfassung (LV) in dessen Ausprägung als Ver­bot objek­ti­ver Willkür. Die Entscheidung erging mit 7 zu 1 Stimmen.

 

Im weiteren Verlauf des Verfahrens lehnte der Beschwerdeführer den Einzelrichter, der das aufgehobene Urteil gefällt hatte, ab. Dies wies das Landgericht mit Beschluss vom 4. Februar 2014 zurück. Die Besorgnis der Befangenheit bestehe nicht. Selbst wenn man der Ansicht des Verfassungsgerichts folge, ergäbe sich daraus keine Besorgnis der Befangenheit. Denn bei der Entscheidung des Verfassungsgerichts habe es „fachliche Gegenstimmen“ gegeben, die die Auslegung „nicht als objektiv rechtswidrig“ eingeschätzt hätten. Eine Anhörungsrüge wies das Landgericht zurück.

 

Der Beschwerdeführer hat am 23. Mai 2014 Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung zu dem Ablehnungsgesuch erhoben. Nachdem der Vertreter des abgelehnten Richters die Sache verhandelt und unter ausdrücklicher Anerkennung der Bindungswirkung der verfassungsgerichtlichen Entscheidung auch entschieden hat, hat der Beschwerdeführer die Verfassungsbeschwerde für erledigt erklärt und eine Kostenentscheidung beantragt.

 

II.

 

1. Das Verfahren ist entsprechend § 13 Abs. 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGbg), § 92 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung einzustellen, nachdem der Beschwerdeführer die Verfassungsbeschwerde für in der Hauptsache erledigt erklärt hat.

 

2. Das Verfassungsgericht ordnet im vorliegenden Fall nach § 32 Abs. 7 Satz 2    VerfGGBbg aus Gründen der Billigkeit die volle Erstattung der Auslagen des Beschwerdeführers an (vgl. eingehend zu den Maßstäben einer Billigkeitsentscheidung nach § 32 Abs. 7 Satz 2 VerfGGBbg Beschluss vom 21. März 2014 - VfGBbg 39/13 - www.verfassungsgericht.brandenburg.de). Im Rahmen dieser Billigkeitsentscheidung ist zu berücksichtigen, dass die Begründung des Landgerichts in seinem Beschluss vom 4. Februar 2014 über das Ablehnungsgesuch mit der Bindung des Gerichts an Gesetz und Recht (Art. 2 Abs. 5 LV) nicht zu vereinbaren war.

 

Die Bindung des Fachgerichts an Gesetz und Recht umfasst nach § 29 Abs. 1      VerfGGBbg auch die Bindung an die in einer verfassungsgerichtlichen Entscheidung enthaltene Feststellung, eine bestimmte Auslegung einer Norm oder deren Anwendung auf den Einzelfall sei nicht vereinbar mit der Verfassung. Diese Bindungswirkung erstreckt sich nicht nur auf die Entscheidungsformel, sondern auch auf die tragenden Gründe der Entscheidung. Ignoriert ein Gericht die bindende Wirkung verfassungsgerichtlicher Entscheidungen, so stellt dies einen eigenständigen Verfassungsverstoß dar, der mit der Verfassungsbeschwerde gerügt werden kann (vgl. BVerfGE 40, 88, 93 f; BVerfG NJW 2006, 3199; HessStGH LVerfGE 23, 143 153f; Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleib­treu/Klein/Beth­ge, BVerfGG, Stand: Dezember 2014, § 31 Rn. 20).

 

Von einem solchen Verstoß gegen die Landesverfassung ist vorliegend auszugehen. Das Landgericht durfte von Gesetzes wegen nicht mehr annehmen, dass seine frühere Entscheidung, obschon vom Verfassungsgericht bereits für verfassungswidrig erklärt, gleichwohl doch noch vertretbar und damit gerade nicht verfassungswidrig war. Die objektive Willkür des Urteils stand nämlich aufgrund des Beschlusses vom 19. Juni 2013 fest, der dies ausdrücklich tenoriert hatte. Statt von dieser von Gesetzes wegen verbindlich festgestellten objektiven Willkür auszugehen, stellt das Landgericht den Verfassungsverstoß wieder in Frage, wenn es meint, das Verfassungsgericht habe lediglich eine „Rechtsauffassung“ „kundgetan“, ohne dass es auch nur ansatzweise die Bindungswirkung des § 29 Abs. 1 VerfGGBbg in seine Überlegungen einbezieht und sogar ausdrücklich offenlässt, ob es dem Verfassungsgericht folgt.

 

Dass die Entscheidung des Verfassungsgerichts nicht einstimmig ergangen ist, ändert nichts an ihrer Verbindlichkeit. Aus einer Gegenstimme folgt zudem keineswegs, dass ein Mitglied des Verfassungsgerichts die angegriffene Entscheidung als rechtmäßig angesehen hätte, wie das Landgericht aber zu Unrecht und ohne jede Begründung annimmt.

 

3. Der Gegenstandswert ist nach § 33 Abs. 1, § 37 Abs. 2 Satz 2 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz auf 10.000,00 Euro festzusetzen.

 

 III.

 

Der einstimmig getroffene Beschluss ist unanfechtbar.

Möller Dr. Becker
   
Dielitz Dresen
   
Dr. Fuchsloch Partikel