VerfGBbg, Beschluss vom 20. Februar 2015 - VfGBbg 66/13 -
Verfahrensart: |
Kommunalverfassungsbeschwerde sonstige |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - LV, Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 - VerfGGBbg, § 22 Abs. 1; VerfGGBbg, § 21 |
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Schlagworte: | - Anhörungsrüge - Mündliche Verhandlung - Hinweispflicht |
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Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 20. Februar 2015 - VfGBbg 66/13 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 66/13
IM NAMEN DES VOLKES
B e s c h l u s s
In dem kommunalen Verfassungsbeschwerdeverfahren
der Gemeinde Schenkenberg,
vertreten durch das Amt Brüssow,
dieses vertreten durch den Amtsdirektor,
Prenzlauer Straße 8,
17326 Brüssow,
Beschwerdeführerin,
Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte M.,
wegen § 17a Brandenburgisches Finanzausgleichsgesetz in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Änderung des Brandenburgischen Finanzausgleichsgesetzes vom 18. Dezember 2012 (GVBl 2012 I Nr. 43) und in der Fassung des Vierten Gesetzes zur Änderung des Brandenburgischen Finanzausgleichsgesetzes vom 15. Oktober 2013 (GVBl 2013 I Nr. 29)
hier: Anhörungsrüge gegen den Beschluss des Verfassungsgerichts vom 29. August 2014
hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dielitz, Dresen, Dr. Lammer, Nitsche, Partikel und Schmidt
am 20. Februar 2015
b e s c h l o s s e n :
Die Anhörungsrüge wird zurückgewiesen.
G r ü n d e :
Die fristgerecht erhobene Anhörungsrüge ist unbegründet.
1. Die Rüge der Beschwerdeführerin, das Verfassungsgericht habe den durch Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 der Landesverfassung (LV) gewährleisteten Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, indem es ohne vorherigen Hinweis durch Beschluss entschieden und entgegen § 22 Abs. 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) keine mündliche Verhandlung durchgeführt hat, ist unbegründet.
a) In der Entscheidung ohne mündliche Verhandlung liegt keine Verletzung des Anspruchs der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör.
aa) Der verfassungsrechtliche Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst nicht in jedem Fall einen Anspruch auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Es ist grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, je nach Sachmaterie und Bedeutung der Verfahren für den Einzelnen zu entscheiden, in welchen Gerichtsverfahren auf welche Weise rechtliches Gehör gewährt werden soll. Die Modalitäten der Gehörsgewährung sind damit weitgehend der Ausgestaltung durch den Gesetzgeber in der jeweils einschlägigen Verfahrensordnung überlassen. Sehen diese eine mündliche Verhandlung vor und wird den Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit zur Äußerung in der Verhandlung dadurch versagt, dass das Gericht verfahrensgesetzeswidrig ohne mündliche Verhandlung entscheidet, so begründet dies einen Verstoß gegen die verfassungsrechtlich verbürgte Garantie rechtlichen Gehörs. Wenn entsprechende gesetzliche Regelungen fehlen, besteht von Verfassungs wegen kein genereller Anspruch der Verfahrensbeteiligten auf eine mündliche Verhandlung oder persönliche Anhörung, wenngleich auch dann – insbesondere bei unklarem entscheidungserheblichen Tatsachenvortrag - im Einzelfall eine persönliche Anhörung verfassungsrechtlich geboten sein kann (vgl. zu all dem Urteil vom 24. Januar 2014 - VfGBbg 2/13 -, www.verfassungsgericht.bran-denburg.de).
bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen liegt keine Gehörsverletzung vor, denn die Entscheidung über die kommunale Verfassungsbeschwerde ohne mündliche Verhandlung ist nicht verfahrensgesetzwidrig ergangen. Nach § 22 Abs. 1 VerfGGBbg entscheidet das Verfassungsgericht - von hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen - aufgrund mündlicher Verhandlung, „soweit nichts anderes bestimmt ist“. Eine andere Bestimmung in diesem Sinn ist die dem Verfassungsgericht eingeräumte Möglichkeit, durch Beschluss anstelle Urteils zu entscheiden, da dieser ohne mündliche Verhandlung ergeht (§ 22 Abs. 2 VerfGGBbg). Aus § 21 Satz 1 VerfGGBbg, der das Verfassungsgericht ermächtigt, unzulässige Anträge durch einstimmigen Beschluss zu verwerfen, ergibt sich die Befugnis, von der mündlichen Verhandlung abzusehen (vgl. zur parallelen Rechtslage im Bundesrecht Hömig, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 24 Rn. 19; von Coelln, in: ebd., § 25 Rn. 20). Davon hat das Verfassungsgericht vorliegend Gebrauch gemacht. Besondere Verfahrensvorschriften stehen dem nicht entgegen. Die hier einschlägigen Verfahrensvorschriften in den Fällen des § 12 Nr. 5 VerfGGBbg (Verfassungsbeschwerden der Gemeinden und Gemeindeverbände) enthalten keine von den allgemeinen Verfahrensvorschriften zur Entscheidungsmöglichkeit durch Urteil oder Beschluss abweichenden Regelungen. Insoweit besteht ein Unterschied zu den Fällen des § 12 Nr. 4 VerfGGBbg (Verfassungsbeschwerde), in denen die Entscheidung regelmäßig ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss ergeht (vgl. § 50 Abs. 1 Satz 1 VerfGGBbg) oder den Fällen des § 12 Nr. 6 VerfGGBbg (Abgeordnetenanklage), in denen das Verfassungsgericht aufgrund mündlicher Verhandlung entscheidet (vgl. § 57 Abs. 1 VerfGGBbg).
b) Auf die Absicht, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, musste die Beschwerdeführerin hier auch nicht hingewiesen werden.
aa) Die Befugnis des Verfassungsgerichts, durch Beschluss (ohne mündliche Verhandlung) und nicht durch Urteil (aufgrund einer mündlichen Verhandlung) zu entscheiden, folgt aus § 21 Satz 1 VerfGGBbg. Danach kann das Verfassungsgericht durch einstimmigen Beschluss u. a. unzulässige Anträge verwerfen. Die Unzulässigkeit der Kommunalverfassungsbeschwerde war kein rechtlicher Gesichtspunkt, auf den vorab hätte hingewiesen werden müssen. Nur wenn das Gericht bei seiner Entscheidung ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nicht zu rechnen brauchte, wird ihm rechtliches Gehör versagt (vgl. zu Art. 103 Abs. 1 GG z. B. BVerfGE 84, 188, 190; 86, 133, 144 f). Im vorliegenden Fall hatte nicht nur die Landesregierung in ihrer Stellungnahme vom 25. Februar 2014 in Bezug auf § 17a in Verbindung mit § 9 Abs. 2, 4 BbgFAG in der Fassung des Dritten Änderungsgesetzes maßgeblich mit der Unzulässigkeit des Antrags wegen entgegenstehender Rechtskraft des Urteils vom 6. August 2013 argumentiert; auch die Beschwerdeführerin selbst hatte dazu bereits in der Beschwerdeschrift Ausführungen gemacht. Die verfahrensrechtliche Folge eines unzulässigen Begehrens - die Möglichkeit der Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 22 Abs. 2 i. V. m. § 21 Satz 1 VerfGGBbg - ist für einen gewissenhaften und kundigen Prozessbeteiligten ebenso nicht überraschend. Im Übrigen geht auch das Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg ausdrücklich nicht von solch einer generellen Hinweispflicht aus. Nur im Falle von Beschlüssen ohne Begründung bedarf es eines vorherigen Hinweises (vgl. § 21 Satz 2 VerfGGBbg). Auf die Unzulässigkeit allgemein oder die Möglichkeit, wegen der Unzulässigkeit ohne mündliche Verhandlung entscheiden zu können, muss demnach nicht hingewiesen werden. Ein unterbliebener Hinweis bedingt „nur“, dass der das Begehren als unzulässig oder offensichtlich unbegründet zurückweisende Beschluss des Verfassungsgerichts zu begründen ist. Das ist vorliegend geschehen.
bb) Ungeachtet dessen geht die Rüge eines unterlassenen Hinweises auf die Absicht, ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zu entscheiden, auch deshalb fehl, weil nicht aufgezeigt ist, welchen Vortrag die Beschwerdeführerin auf einen entsprechenden Hinweis gehalten hätte.
Die Beschwerdeführerin hat weder in der Sache noch in der rechtlichen Bewertung Umstände vorgetragen hat, die zu einer anderen Sachentscheidung oder dazu geführt hätte, dass eine mündliche Verhandlung anberaumt worden wäre. Eine Entscheidung beruht nur dann auf einem Gehörsverstoß, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Anhörung der Beteiligten zu der Frage, zu der ein Hinweis hätte ergehen müssen, zu einer für die Beteiligten günstigeren Lösung geführt hätte (ausf. zur Möglichkeit der Heilung einer Verletzung des rechtlichen Gehörs durch ergänzende Erwägungen in einer die Anhörungsrüge als unbegründet zurückweisenden Entscheidung auch bei Änderung der Zusammensetzung des Spruchkörpers BVerfG NVwZ 2009, 580). Dafür ist hier nichts ersichtlich.
2. Dass die Beschwerdeführerin ansonsten neuerlich ihre Rechtsauffassung detailliert derjenigen des Gerichts gegenüberstellt, lässt einen Gehörsverstoß ebenso wenig erkennen, wie der neue, für das Verfahren der Anhörungsrüge von vornherein unbeachtliche Sachvortrag. Entgegen der offensichtlich vom Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerin vertretenen Ansicht folgt aus der Gewährung rechtlichen Gehörs keine Verpflichtung des Verfassungsgerichts, seiner Rechtsansicht zu folgen.
3. Die auf § 32 Abs. 4 VerfGGBbg beruhende Festsetzung einer Missbrauchsgebühr ist gleichfalls nicht unter Verletzung rechtlichen Gehörs ergangen. Ein Beschwerdeführer, dessen Verfahren als missbräuchlich angesehen wird, muss vor der Entscheidung hierauf nicht gesondert aufmerksam gemacht werden.
4. Der Beschluss ist unanfechtbar.
Möller | Dr. Becker |
Dielitz | Dresen |
Dr. Lammer | Nitsche |
Partikel | Schmidt |