VerfGBbg, Beschluss vom 20. Februar 2015 - VfGBbg 59/14 -
Verfahrensart: |
Verfassungsbeschwerde Hauptsache |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - LV, Art. 6 Abs. 1 - VerfGGBbg, § 47 Abs. 1; VerfGGBbg, § 21 Satz 1 |
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Schlagworte: | - Verfassungsbeschwerdefrist - Anhörungsrüge - effektiver Rechtsschutz |
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Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 20. Februar 2015 - VfGBbg 59/14 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 59/14
IM NAMEN DES VOLKES
B e s c h l u s s
In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren
des Herrn F.,
Beschwerdeführer,
wegen der Beschlüsse des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 19. Mai 2014 und 27. Oktober 2014
hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dielitz, Dresen, Dr. Lammer,
Nitsche, Partikel und Schmidt
am 20. Februar 2015
beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.
G r ü n d e:
A.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Behandlung eines Ablehnungsgesuchs in einem Strafverfahren.
I.
Die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) führte im Zusammenhang mit dem Inhalt eines E-Mail-Schreibens ein Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer, gegen den sie im Januar 2012 Anklage vor dem Amtsgericht Bad Freienwalde erhob. Das Amtsgericht ließ die Anklage am 1. März 2012 zum Hauptverfahren zu (31 Ds 256 Js 1228/12). Der Beschwerdeführer lehnte die den Beschluss über die Zulassung fassende Amtsrichterin im November 2012 als befangen ab. Nach Abgabe einer dienstlichen Äußerung der Abgelehnten und neuerlicher Stellungnahme des Beschwerdeführers wies das Amtsgericht das Ablehnungsgesuch durch eine andere Richterin im Dezember 2013 als unbegründet zurück. Der Beschwerdeführer erhob am 6. Januar 2014 sofortige Beschwerde mit der Maßgabe, dass diese erst ab dem Tag der Bekanntmachung eines Urteils in der gegen ihn geführten Strafsache als eingelegt gelten solle. Das Amtsgericht verurteilte ihn am 16. Januar 2014 wegen versuchter Nötigung zu einer Geldstrafe. Über die vom Beschwerdeführer eingelegte Berufung ist noch nicht entschieden.
Das Landgericht Frankfurt (Oder) verwarf die sofortige Beschwerde gegen die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs mit Beschluss vom 19. Mai 2014 als unzulässig. Dem Beschwerdeführer fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Da eine Zurückverweisung an das Amtsgericht gesetzlich ausgeschlossen sei und das Berufungsgericht nach § 328 Strafprozessordnung (StPO) unabhängig davon in der Sache zu entscheiden habe, ob die Ablehnung der Amtsrichterin zu Recht erfolgt sei, erweise sich eine Entscheidung über die Beschwerde für den Beschwerdeführer als nutzlos. Für eine solche neben der eingelegten Berufung nutzlose gerichtliche Entscheidung gebe es kein Rechtsschutzinteresse. Der Beschwerdeführer erhob am 25. Juni 2014 Anhörungsrüge, mit der er geltend machte, das Gebot effektiven Rechtsschutzes fordere eine Sachprüfung durch das Landgericht. Auch an sich erledigte Hoheitsakte müssten einer gerichtlichen Überprüfung unterzogen werden können. Insbesondere habe die Beschwerde deshalb nicht als unzulässig verworfen werden dürfen, da er einen absoluten Revisionsgrund im Sinne von § 338 Nr. 3 StPO vorfällig geltend gemacht habe und das Ablehnungsgesuch durch die Verwerfung der sofortigen Beschwerde einer vollumfänglichen Prüfung in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht durch das Revisionsgericht entzogen werde. Das im Ablehnungsgesuch zum Ausdruck kommende Rechtsschutzbegehren laufe auf diese Weise leer. Das Landgericht wies die Anhörungsrüge mit Beschluss vom 27. Oktober 2014 als unbegründet zurück. Die prozessuale Situation, die dem Beschluss vom 19. Mai 2014 zu entnehmen sei, führe dazu, dass sich ein näheres Eingehen auf das Beschwerdevorbringen und eine Auseinandersetzung damit erübrige.
II.
Der Beschwerdeführer hat am 17. Dezember 2014 Verfassungsbeschwerde erhoben, mit der er einen Verstoß gegen sein Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz (Art. 6 Abs. 1 der Landesverfassung - LV -) rügt. Die Verfassungsbeschwerde sei zulässig, denn es bestehe weiterhin ein schutzwürdiges Interesse an einer nachträglichen verfassungsrechtlichen Überprüfung der Behandlung des Ablehnungsgesuchs, die zu einer schwerwiegenden Missachtung des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz geführt habe. Durch die Gestaltung des Ablehnungsverfahrens sei ihm effektiver Rechtsschutz verwehrt worden, sodass er in seinem Grundrecht aus Art. 6 Abs. 1 LV verletzt sei. Die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs begründe einen schwerwiegenden Eingriff in das Recht auf den gesetzlichen Richter. Er habe die Amtsrichterin wegen eines von dieser begangenen Verstoßes gegen das Analogieverbot und damit wegen eines Verstoßes gegen das Willkürverbot abgelehnt, denn sein Handeln sei offensichtlich nicht tatbestandsmäßig gewesen. Das Landgericht habe ihm durch die Zurückweisung der Beschwerde als unzulässig die gebotene Feststellung der Rechtswidrigkeit der Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs verwehrt, die Teil der Rechtsweggarantie sei. Obwohl ein Rechtsschutzinteresse bei erledigten Akten der öffentlichen Gewalt auch dort gegeben sei, wo schwerwiegende Eingriffe in grundrechtsgleiche Rechte zum Tragen gekommen seien und Eingriffe auf objektiv willkürliches Verhalten zurückgeführt werden könnten, habe das Landgericht sein Begehren als mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig verworfen. Auf die Anhörungsrüge sei das Landgericht nicht bereit gewesen, sich selbst zu korrigieren und habe es ausdrücklich nicht einmal für nötig befunden, sich mit dem Vorbringen in der Sache auseinander zu setzen. Das sei mit der Rechtsweggarantie unvereinbar. Das Gebot effektiven Rechtsschutzes dürfe nicht leerlaufen.
B.
I.
Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) zu verwerfen. Sie ist unzulässig.
1. Die Verfassungsbeschwerde ist bereits deshalb unzulässig, weil sie nicht innerhalb der Zweimonatsfrist des § 47 Abs. 1 Satz 1 VerfGGBbg erhoben worden ist. Der Beschluss des Landgerichts vom 19. Mai 2014 ist dem Beschwerdeführer spätestens am 23. Juni 2014, dem Tag der Fertigung der Anhörungsrüge, bekannt gegeben worden, so dass die genannte Frist spätestens am Montag, den 25. August 2014 ablief. Die Frist für die Erhebung der Verfassungsbeschwerde begann nicht erst mit dem Zugang des die Gehörsrüge zurückweisenden Beschlusses vom 27. Oktober 2014. Die vom Beschwerdeführer erhobene Anhörungsrüge war nämlich offensichtlich aussichtslos und konnte deshalb die Frist für die Erhebung der Verfassungsbeschwerde nicht verlängern (st. Rspr., vgl. etwa Beschluss vom 16. Januar 2015 – VfGBbg 29/14 –, www.verfassungsgericht.brandenburg.de). Die Anhörungsrüge ist nicht gegen beliebige Rechtsverstöße, sondern allein gegen Verletzungen des Anspruchs auf rechtliches Gehör eröffnet. Einen möglichen Gehörsverstoß hat der Beschwerdeführer mit seiner Gehörsrüge aber nicht geltend gemacht. Nach seinem eigenen Vorbringen stand die Frage des effektiven Rechtsschutzes im Mittelpunkt seiner dortigen Erwägungen. Letztlich hat er seine materiell-rechtliche Sichtweise zur Frage der Zulässigkeit der Beschwerde bzw. der Notwendigkeit einer Feststellung der Rechtswidrigkeit des Beschlusses des Amtsgerichts derjenigen des Landgerichts gegenübergestellt. Damit ist das Grundrecht auf rechtliches Gehör von vornherein nicht angesprochen, das zudem nicht vor einer abweichenden (ggf. sogar unzutreffenden) Rechtsauffassung des Gerichts schützt (st. Rspr., vgl. etwa Beschluss vom 19. Oktober 2012 – VfGBbg 72/11 –, www.verfassungsgericht.brandenburg.de).
2. Darüber hinaus erschließt sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht, inwiefern ein Verstoß gegen das Gebot effektiven Rechtsschutzes darin liegen könnte, dass das Landgericht keinen Raum für eine Feststellung der Rechtswidrigkeit des das Ablehnungsgesuch zurückweisenden Beschlusses des Amtsgerichts gesehen hat. Die Effektivität des Rechtsschutzes im Sinne einer lückenlosen tatsächlich wirksamen Kontrolle wird im jeweiligen fachgerichtlichen Verfahren maßgeblich durch das Prozessrecht gesichert (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 2. Dezember 2014 - 1 BvR 3106/09 -, juris), das hier für die begehrte Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Beschlusses über ein Ablehnungsgesuch keine Grundlage bietet. Von Verfassungs wegen besteht zudem keine Notwendigkeit, eine solche Feststellung zu ermöglichen. Die Zwischenentscheidung über ein Ablehnungsgesuch dient dazu, die Anforderungen an den gesetzlichen Richter bei Erlass einer Endentscheidung zu wahren. Sie ist mit Ergehen der Endentscheidung überholt (vgl. BVerfGE 37, 67, 74), die Gegenstand der Überprüfung nach Maßgabe der jeweiligen Prozessordnung wird. Vorliegend steht dem Beschwerdeführer mit der Berufung gegen das amtsgerichtliche Urteil eine zweite Tatsacheninstanz offen, die eine vollständige Nachprüfung der gegen ihn erhobenen Vorwürfe durch den gesetzlichen Richter und damit die Heilung eines im amtsgerichtlichen Verfahrens möglicherweise eingetretenen Verstoßes ermöglicht.
3. Hinsichtlich des Beschlusses des Landgerichts vom 27. Oktober 2014 fehlt dem Beschwerdeführer das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Der genannte Beschluss enthält gegenüber dem Beschluss vom 19. Mai 2014 keine eigenständige Beschwer.
II.
Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.
Möller | Dr. Becker |
Dielitz | Dresen |
Dr. Lammer | Nitsche |
Partikel | Schmidt |