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VerfGBbg, Beschluss vom 19. November 2010 - VfGBbg 39/10 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 2 Abs. 1; LV, Art. 5 Abs. 1; LV, Art. 6 Abs. 1; LV, Art. 10; LV, Art. 15; LV, Art. 52 Abs. 3;
   LV, Art. 52 Abs. 4; LV, Art. 111
- VwGO, § 161 Abs. 2 Satz 1
Schlagworte: - Eilverfahren
- Erledigung
- Kostenentscheidung
- Ermessen
- Anschlusszwang
- Willkürverbot
- Faires Verfahren
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 19. November 2010 - VfGBbg 39/10 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 39/10




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

 

 

   M.,

 

Beschwerdeführer,

 

 

 

wegen des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 7. Juni 2010 (Az.: VG 8 L 528/09)

 

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Postier, Prof. Dawin, Dielitz,Dr. Fuchsloch, Möller, Nitsche und Partikel

 

am 19. November 2010

 

b e s c h l o s s e n :

 

 

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

 

 

 

G r ü n d e :

 

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen eine Kostenentscheidung nach Erledigung eines verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens.

 

A.

 

I. Der Beschwerdeführer ist Eigentümer eines Grundstücks, das im Verbandsgebiet des Wasser- und Abwasserzweckverbandes „Nieplitz“ liegt und nicht an die zentrale leitungsgebundene  Schmutzwasserbeseitigungsanlage angebunden ist. Zwischen ihm und dem Verband bestand langjähriger Streit über die Beseitigung des auf dem Grundstück anfallenden Schmutzwassers. Während der Beschwerdeführer die Entwässerung zunächst durch Eigenabfuhr und später mittels einer Kleinkläranlage selbst vornehmen wollte, forderte der Verband die Errichtung einer Entwässerungsanlage und deren Entleerung durch einen zugelassenen Abfuhrbetrieb. Mit Bescheid vom 27. August 2009 gab er daher dem Beschwerdeführer unter Anordnung der sofortigen Vollziehung auf, bis zum 30. September 2009 auf seinem Grundstück eine ordnungsgemäße Grundstücksentwässerungsanlage für die dezentrale Entwässerung in Betrieb zu nehmen. Hiergegen legte der Beschwerdeführer Widerspruch ein und beantragte beim Verwaltungsgericht Potsdam die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes (Az.: VG 8 L 528/09). Nachdem die Sache zunächst am 9. Dezember 2009 vor dem Verwaltungsgericht Potsdam und sodann außergerichtlich erörtert worden war, übertrug die am Eilverfahren nicht beteiligte untere Wasserbehörde dem Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 3 Brandenburgisches Wassergesetz auf seinen Antrag hin die Abwasserbeseitigungspflicht. Darauf erklärten der Beschwerdeführer und der Verband das Eilverfahren für erledigt. Das Verwaltungsgericht Potsdam entschied sodann mit dem vorliegend angegriffenen Beschluss vom 7. Juni 2010, dem damaligen Verfahrensbevollmächtigten des Beschwerdeführers zugegangen am 9. Juni 2010, dass der Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Zur Begründung führte es aus, die Kostenentscheidung entspreche billigem Ermessen, da der Beschwerdeführer nach der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage voraussichtlich unterlegen wäre. Denn der Beschwerdeführer sei bis zur Genehmigung der von ihm beabsichtigten Kleinkläranlage verpflichtet gewesen, die anfallenden Abwässer durch den Zweckverband entsorgen zu lassen.

 

II. Mit seiner am 9. August 2010 erhobenen Verfassungsbeschwerde macht der Beschwerdeführer einen Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 und Art. 52 Abs. 3 und 4 der Verfassung des Landes Brandenburg (LV) geltend. Er ist der Ansicht, die Kostenentscheidung verstoße gegen das Willkürverbot, weil sie mit der Aktenlage nicht vereinbar sei. Für das Vorgehen des Verbandes fehle eine abwasserrechtliche Legitimation. Das Gericht habe seine Anträge auf Übertragung der Abwasserbeseitigungspflicht und deren schleppende Behandlung durch den Verband  ignoriert. Der Beschwerdeführer rügt weiter die Verletzung von Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 10 sowie Art. 15 LV und verweist auf Art. 111 LV.

 

B.

 

Die Akten des Verfahrens des Verwaltungsgerichts Potsdam (Az.: VG 8 L 528/09) wurden beigezogen.

 

C.

 

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.

 

 

 

I. Ihrer Zulässigkeit steht allerdings nicht von vornherein entgegen, dass das Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht Potsdam in der Hauptsache eingestellt wurde und nicht Verfahrensgegenstand ist. Der behauptete Verfassungsverstoß betrifft gerade und ausschließlich die Nebenentscheidung. Die grundsätzlichen Bedenken gegen die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde gegen eine Gerichtsentscheidung, die den Beschwerdeführer nur noch in der Nebenentscheidung  über die Kosten belastet, bestehen in diesem Falle nicht (LVerfGE Suppl. Bbg. zu Bd. 13, 185, 188).

 

II. Die Verfassungsbeschwerde ist aber unzulässig, weil das Beschwerdevorbringen und die beigezogene Verfahrensakte nicht erkennen lassen, dass der Beschwerdeführer durch den angegriffenen Beschluss in einem in der Verfassung des Landes Brandenburg gewährleisteten Grundrecht verletzt sein könnte (§ 45 Abs. 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg).

 

1. Soweit der Beschwerdeführer einen Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 52 Abs. 4 LV rügt, ist eine Grundrechtsverletzung weder ausreichend dargelegt noch ersichtlich. Der Beschwerdeführer hat dazu lediglich behauptet, es habe sich um einen Schauprozess mit vorbestimmtem Urteil zugunsten einer Seite gehandelt, ohne dass ein realer Hintergrund hierfür ersichtlich wäre. Konkrete Hinweise darauf, dass das Gericht die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine objektive und faire Verfahrensführung und Entscheidungsfindung verkannt oder missachtet haben könnte, ergeben sich weder aus dem Beschwerdevorbringen noch aus der beigezogenen Akte. Zweifel an der Unparteilichkeit des Fachgerichts hätte der Beschwerdeführer außerdem gemäß dem Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde bereits im dortigen Verfahren im Wege eines Befangenheitsantrags nach § 54 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. § 42 Zivilprozessordnung geltend machen müssen (Beschluss vom 20. Mai 2010 - VfGBbg 2/10 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de).

 

2. Ein Verstoß gegen das aus Art. 52 Abs. 3 LV abgeleitete Willkürverbot liegt ebenfalls ersichtlich nicht vor.  Willkürlich ist eine Entscheidung – erst - dann, wenn sie unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbar ist und sich deshalb der Verdacht aufdrängt, sie beruhe auf sachfremden Erwägungen. Die Entscheidung muss ganz und gar unverständlich erscheinen und das Recht in einer Weise falsch anwenden, die jeden Auslegungs- und Bewertungsspielraum überschreitet (Beschluss vom 15. April 2010 - VfGBbg 5/10 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de). Dies ist hier nicht der Fall. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren entscheidet das Gericht bei übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten über die Kosten des Verfahrens gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes. Dabei entspricht es in der Regel billigem Ermessen, gemäß dem Grundsatz des § 154 Abs. 1 VwGO dem Beteiligten die Verfahrenskosten aufzuerlegen, der ohne die Erledigung in dem Rechtsstreit voraussichtlich unterlegen wäre. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass das Verwaltungsgericht bei seiner Einschätzung, der Beschwerdeführer wäre voraussichtlich mit seinem einstweiligen Rechtsschutzbegehren unterlegen, den ihm eingeräumten Ermessensspielraum in nicht nachvollziehbarer Weise überschritten hat. Die beanstandete Kostenentscheidung beruht auf der Überzeugung des Verwaltungsgerichts, der Beschwerdeführer sei bis zur Genehmigung der beabsichtigten Kleinkläranlage dazu verpflichtet, die auf seinem Grundstück anfallenden Abwässer dem Verband zur Entsorgung zu überlassen. Dieser Standpunkt ist im Hinblick auf die Regelungen in § 4 Abs. 2 und § 5 Abs. 2 sowie § 14 Abs. 1 der Satzung über die Schmutzwasserbeseitigung im Gebiet des Wasser- und Abwasserzweckverbandes „Nieplitz“ vom 25. Januar 2006 (Schmutzwasserbeseitigungssatzung) nachvollziehbar, wonach bei Grundstücken, die nicht an die zentrale Abwasserbeseitigung angeschlossen sind, grundsätzlich Grundstücksentwässerungsanlagen zu errichten sind und das anfallende Schmutzwasser dem Verband zur Entleerung anzudienen ist. Die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts ist auch nicht deswegen völlig unverständlich, weil sie – wie der Beschwerdeführer meint - im Widerspruch zur Aktenlage stehen würde. Insbesondere ergibt sich aus den Unterlagen nicht, dass der Beschwerdeführer den Anforderungen des Anschluss- und Benutzungszwangs Genüge getan hat. Zwar trägt dieser vor, er habe die Entsorgung durch Eigenabfuhr selbst vorgenommen. Die Eigenabfuhr ist aber nach der Schmutzwasserbeseitigungssatzung des Verbands keine zulässige Entsorgungsform (vgl. §§ 14 ff der Satzung). Der Kostenbeschluss erscheint auch nicht vollkommen unverständlich, soweit das Verwaltungsgericht die Anordnung der sofortigen Vollziehung auch in formeller Hinsicht nicht beanstandet hat. Diese Auffassung begründet angesichts der jahrelangen Streitigkeiten zwischen dem Verband und dem Beschwerdeführer über die Umsetzung des Anschlusszwangs jedenfalls nicht den Verdacht, das Gericht habe sich von sachfremden Erwägungen leiten lassen. Ob die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts im einzelnen zutreffend ist, ist dabei nicht maßgeblich. Selbst eine zweifelsfrei fehlerhafte Anwendung des einfachen Rechts begründet für sich genommen noch keinen verfassungsrechtlich relevanten Verstoß. Denn es ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichts, Gerichtsentscheidungen nach Art eines Rechtsmittelgerichts zu überprüfen. Aus diesen Gründen ist auch für die Annahme einer Verletzung des Grundrechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit nach Art. 10 LV kein Raum.

 

3. Mangels Beschwerdebefugnis ist die Verfassungsbeschwerde weiter unzulässig, soweit der Beschwerdeführer einen Verstoß gegen  Art. 15 Abs. 1 LV  geltend macht. Eine Verletzung des Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung kommt nicht in Betracht. Gegenstand des angegriffenen Beschlusses ist allein die Entscheidung über die Kosten des erledigten Eilverfahrens; ein Eingriff in den von Art. 15 LV geschützten privaten Lebensraum des Beschwerdeführers ist damit offenkundig nicht verbunden.

 

4. Das Beschwerdevorbringen lässt die Möglichkeit einer Verletzung der in Art. 6 Abs. 1 LV gewährleisteten Rechtsschutzgarantie nicht erkennen. Die Unanfechtbarkeit des beanstandeten Kostenbeschlusses beruht auf § 158 Abs. 2 VwGO, die als bundesrechtliche Regelung einer Überprüfung durch das Landesverfassungsgericht nicht zugänglich ist (§ 45 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg). Überdies umfasst die Rechtsschutzgarantie nicht das Recht des Bürgers auf Eröffnung eines Instanzenzuges (Beschluss vom 20. August 2009 - VfGBbg 5/09 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de).

 

5. Der Beschwerdeführer kann seine Verfassungsbeschwerde auch nicht zulässigerweise auf eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 und Art. 5 LV stützten. Art. 2 LV beschreibt die wesentlichen staatlichen Strukturelemente des Landes. Als Staatszielbestimmung begründet sie keine subjektiv-öffentlichen Rechte des Bürgers (vgl. Lieber in: Lieber/Iwers/Ernst, Verfassung des Landes Brandenburg, Kommentar, Februar 2008, Anm. 1. zu Art. 2). Die Bestimmung ist deshalb im Verfassungsbeschwerdeverfahren – ebenso wie Art. 5 LV - nicht rügefähig (Beschluss vom 28. September 2006 – VfGBbg 19/06 – www.verfassungsgericht. brandenburg.de).

 

6. Schließlich liegen die Voraussetzungen eines Verfahrens nach Art. 111 LV (Richteranklage) ersichtlich nicht vor.

 

 

 

 

D.

 

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

 

 

 

 

Postier                      Prof. Dawin

 

 

Dielitz                      Dr. Fuchsloch

 

 

Möller                       Nitsche

 

 

Partikel