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VerfGBbg, Beschluss vom 19. November 1998 - VfGBbg 37/98 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 15; LV, Art. 41 Abs. 1
- VerfGGBbg, § 21 Satz 1
Schlagworte: - Beschwerdebefugnis
- Eigentum
- Unverletzlichkeit der Wohnung
- Zivilprozeßrecht
- Zivilrecht, materielles
amtlicher Leitsatz:
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 19. November 1998 - VfGBbg 37/98 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 37/98



IM NAMEN DES VOLKES
B E S C H L U S S

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

C. und G. E.,

Beschwerdeführer,

Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt Dr. B.,

gegen das Berufungsurteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 28. August 1998 betreffend die Räumung und Herausgabe von Wohnraum

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Dr. Macke, Dr. Knippel,
Prof. Dr. Mitzner, Prof. Dr. Schöneburg, Prof. Dr. Schröder, Weisberg-Schwarz und Prof. Dr. Will

am 19. November 1998

b e s c h l o s s e n :

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

G r ü n d e :

A.

Die Beschwerdeführer greifen mit der Verfassungsbeschwerde ein Berufungsurteil des Landgerichts F. an, das sie zur Räumung und Herausgabe von Wohnraum verpflichtet. Die Vermieterin, zugleich Klägerin des Ausgangsverfahrens, hatte den Beschwerdeführern im Juli 1997 fristlos gekündigt. Der Kündigung waren verschiedene Beleidigungen seitens der Beschwerdeführer vorausgegangen, die nach den Feststellungen des Landgerichts in der Drohung gegenüber dem Ehemann der Vermieterin gipfelten, “daß er nicht mehr lange leben werde, wenn er so weitermache”. Die Räumungsklage der Vermieterin blieb vor dem Amtsgericht Fürstenwalde ohne Erfolg. Kündigungsgründe - so das Amtsgericht in dem Urteil vom 25. Januar 1998 - stünden der Klägerin nicht zur Seite, da sie erst nach den genannten Vorfällen Vertragspartei geworden sei. Die Berufung der Klägerin hatte hingegen Erfolg. Das Landgericht F. führte im Urteil vom 28. August 1998 aus, ein Dauerschuldverhältnis könne analog §§ 242, 626, 723 Bürgerliches Gesetzbuch auch dann gekündigt werden, wenn - wie hier - einer Seite eine Fortsetzung unter Abwägung aller Umstände, zu denen auch das vorvertragliche Verhalten zähle, schlechterdings nicht mehr zugemutet werden könne. Zum Beleg führte es die einzelnen, zum Teil durch Beweisaufnahme festgestellten Beleidigungen und Drohungen gegenüber der Vermieterin und ihrem Ehemann auf, die auch durch mögliches Fehlverhalten der Betroffenen nicht gerechtfertigt seien.

Mit der am 22. Oktober 1998 erhobenen Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 15 Abs. 1 Landesverfassung - LV - (Unverletzlichkeit der Wohnung) und Art. 41 Abs. 1 LV (Eigentum) und machen einen Verstoß gegen Art. 47 Abs. 2 LV (Räumungsschutz) geltend. Zur Begründung führen sie aus, das Landgericht habe bei seiner Abwägung die Umstände, die zu den Beleidigungen geführt hätten, wie etwa unangekündigte Umbaumaßnahmen, Abstellen der Wasserversorgung in einer Garage und Anweisungen zur Nutzung der Hoffläche, nicht hinreichend berücksichtigt. Auch seien sie, wie ebenfalls vor dem Landgericht vorgetragen, dauerhaft und schwer erkrankt.

B.

I.

Die Verfassungsbeschwerde ist gemäß § 21 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) zu verwerfen. Sie ist unzulässig. Eine Beeinträchtigung der von den Beschwerdeführern als verletzt gerügten Grundrechte der Landesverfassung durch das Berufungsurteil des Landgerichts F.- eine entsprechende Prüfungskompetenz des Verfassungsgerichts unterstellt - kommt von vornherein nicht in Betracht.

1. Die angegriffene Entscheidung verletzt die Beschwerdeführer offensichtlich nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 15 Abs. 1 LV. Zwar ist dieses Grundrecht - wie andere Grundrechte auch - bei der Anwendung und Auslegung zivilrechtlicher Vorschriften zu beachten, jedoch nur soweit sein Schutzbereich berührt ist. Art. 15 Abs. 1 LV schützt indessen nicht das Besitzrecht an einer Wohnung, um das es den Beschwerdeführern hier geht, sondern deren Privatheit. Er gewährleistet das Recht, in seinen eigenen Räumen in Ruhe gelassen zu werden (vgl. BVerfGE 32, 54, 75 zu Art. 13 Grundgesetz - GG -). Die Kündigung des Mietverhältnisses durch den Vermieter berührt die Privatheit der innegehabten Wohnung in diesem Sinne nicht. Der Schutzbereich des Art. 15 LV wird deshalb in einem Räumungsprozeß des Vermieters gegen den Mieter nicht betroffen (vgl. BVerfGE 89, 1, 11 zu Art. 13 GG).

2. Auch ein Eingriff in Art. 41 Abs. 1 LV ist nicht dargetan. Eine Verletzung dieses - auch das Besitzrecht des Mieters schützenden (vgl. BVerfGE 89, 1, 5 ff. zu Art. 14 Abs. 1 GG) - Grundrechts käme erst dann in Betracht, wenn das Landgericht die einfachgesetzlichen Vorschriften des Mietrechts in einer Weise falsch ausgelegt hätte, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der Eigentumsgarantie, insbesondere vom Umfang ihres Schutzbereichs, beruht (vgl. BVerfGE 68, 361, 372). So liegen die Dinge hier jedoch nicht. Das Landgericht hat nicht verkannt, daß eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund eine genaue Prüfung und Abwägung der wechselseitigen Belange erfordert und demgemäß auch zugunsten der Beschwerdeführer ins Gewicht fallende Gründe erörtert (z.B. das seinerseits möglicherweise überzogene Auftreten der Vermieterin), im Ergebnis aber gleichwohl die fristlose Kündigung als gerechtfertigt angesehen. Dabei ist es zwar nicht ausdrücklich auf alle Aspekte eingegangen, die die Beschwerdeführer jetzt mit der Verfassungsbeschwerde zu ihren Gunsten ins Feld führen, namentlich nicht auf ihre Erkrankung. Auch unter Einbeziehung dieser Umstände - wenn sie überhaupt sämtlich in dieser Form auch vor dem Landgericht geltend gemacht worden sind - erscheint jedoch die Entscheidung des Landgerichts nicht unvertretbar und jedenfalls nicht willkürlich. Unterhalb dieser Schwelle kann das Verfassungsgericht nicht eingreifen.

3. Eine Beeinträchtigung des Art. 47 Abs. 2 LV kommt ebenfalls nicht in Betracht. Diese Verfassungsnorm hindert nicht einen Räumungstitel, sondern greift ggfls. erst bei dem Vollzug einer Wohnungsräumung ein (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluß vom 19. Mai 1994 - VfGBbg 6/93, 6/93 EA -, LVerfGE 2, 105, 110 f.). Soweit die Beschwerdeführer ärztliche Bescheinigungen vorlegen, wonach ihnen ein kurzfristiger Umzug nicht möglich sei, sind sie darauf zu verweisen, ggfls. bei dem Vollstreckungsgericht Vollstreckungsschutz zu beantragen (§ 765a Zivilprozeßordnung - ZPO -) oder Erinnerung gegen die Art und Weise einer etwaiger Zwangsvollstreckung einzulegen (§ 766 ZPO).

II.

Der Beschluß ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

Dr. Macke Dr. Knippel
Prof. Dr. Mitzner Prof. Dr. Schöneburg
Prof. Dr. Schröder Weisberg-Schwarz
 
Prof. Dr. Will