VerfGBbg, Urteil vom 19. August 2010 - VfGBbg 4/09 -
Verfahrensart: |
Kommunalverfassungsbeschwerde Hauptsache |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - LV, Art. 97 Abs. 1; LV, Art. 100 - VerfGGBbg, § 51 Abs. 1 - GUVG, § 2a |
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Schlagworte: | - Kommunale Selbstverwaltung - Grundsatz gemeindefreundlichen Verhaltens - Demokratieprinzip - Beschwerdebefugnis - Gewässerunterhaltungsverbände - Verbandsbeiträge |
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amtlicher Leitsatz: | Die Unterhaltung der Gewässer II. Ordnung obliegt im Land Brandenburg den Gewässerunterhaltungsverbänden in Form der sogenannten „funktionalen Selbstverwaltung“. Sie ist daher keine Selbstverwaltungsangelegenheit der Kommunen. | |
Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Urteil vom 19. August 2010 - VfGBbg 4/09 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 4/09
IM NAMEN DES VOLKES |
In dem kommunalen Verfassungsbeschwerdeverfahren Gemeinde Schöneiche bei Berlin, Beschwerdeführerin, Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt W., wegen § 2a Abs. 1 Satz 2 und Satz 4 sowie § 2a Abs. 4 Satz 3 des Gesetzes über die Bildung von Gewässerunterhaltungsverbänden in der Fassung des Art. 2 des Gesetzes zur Änderung wasserrechtlicher Vorschriften vom 23. April 2008 (GVBl. I S. 62) hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg am 19. August 2010 b e s c h l o s s e n : Die kommunale Verfassungsbeschwerde wird verworfen. Gründe: A. I. Die kommunale Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen § 2a Abs. 1 Satz 2 und Satz 4 sowie § 2a Abs. 4 Satz 3 des Gesetzes über die Bildung von Gewässerunterhaltungsverbänden in der Fassung des Art. 2 des Gesetzes zur Änderung wasserrechtlicher Vorschriften vom 23. April 2008 (- GUVG -, GVBl. I S. 62). Die am 30. April 2008 in Kraft getretenen Vorschriften betreffen die Rechte der nunmehr bei den Gewässerunterhaltungsverbänden zu bildenden Verbandsbeiräte. Die Beschwerdeführerin sieht sich durch die Gesetzesänderung in ihrem Recht auf kommunale Selbstverwaltung gemäß Art. 97 Abs. 1 der Verfassung des Landes Brandenburg (LV) verletzt. II. 1. Den Gewässerunterhaltungsverbänden obliegt gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Brandenburgisches Wassergesetz (BbgWG) grundsätzlich die Unterhaltung der Gewässer II. Ordnung. Mitglieder der Verbände sind seit dem Inkrafttreten des zuvor benannten Gesetzes zur Änderung wasserrechtlicher Vorschriften vom 23. April 2008 der Bund, das Land und die sonstigen Gebietskörperschaften für ihre Grundstücke sowie die Gemeinden für alle übrigen Grundstücke im Gemeindegebiet (§ 2 Abs. 1 GUVG n.F.). Die neu eingefügte und mit der kommunalen Verfassungsbeschwerde in Teilen angegriffene Regelung - des § 2a GUVG sieht die Bildung von Verbandsbeiräten für die Interessenvertretungen der von der Gewässerunterhaltung betroffenen Bauern, Fischer, Wald- und Grundbesitzer vor, räumt ihnen einen Sitz in den Vorständen der Verbände sowie ein Teilnahme-, Vorschlags- und Vortragsrecht ein und begründet für die Aufstellung der Gewässerunterhaltungspläne ein Einvernehmenserfordernis. 2. Die für das Verfahren wesentlichen Bestimmungen lauten (unter Hervorhebung der angegriffenen Regelungen) wie folgt:
III. 1. Mit ihrer am 5. Februar 2009 erhobenen kommunalen Verfassungsbeschwerde macht die Beschwerdeführerin geltend, durch die Regelungen in § 2a Abs. 1 Satz 2 und Satz 4 sowie in § 2a Abs. 4 Satz 3 GUVG in ihrem Recht auf kommunale Selbstverwaltung gemäß Art. 97 Abs. 1 LV verletzt zu sein. Sie ist der Ansicht, der verfassungsrechtliche Schutz der Eigenverantwortung der Gemeinden erstrecke sich auf die gesamte gemeindliche Verwaltung, mithin auch auf den Bereich der Wahrnehmung übertragener Aufgaben. Zu diesen gehöre die Gewässerunterhaltung. Mit der den Gemeinden gemäß § 80 Abs. 2 BbgWG obliegenden Verpflichtung, die Finanzierung der Verbandsbeiträge zu gewährleisten, habe das Land Brandenburg die Verbandslast kommunalisiert und dadurch staatliche und kommunale Aufgaben verflochten. Durch die dem Verbandsbeirat eingeräumten Befugnisse und die damit einhergehende Verringerung der Mitgliedschaftsrechte der Gemeinden verstoße der Landesgesetzgeber zudem gegen seine verfassungsrechtliche Verpflichtung, sich gemeindefreundlich zu verhalten und die kommunale Selbstverwaltungsgarantie zu wahren. Die Rechtsstellung der Beiräte gehe weit über die bisherigen Beteiligungsmöglichkeiten von Trägern besonderer Interessen hinaus und räume ihnen gegenüber den Mitgliedsgemeinden Vorrechte ein. Die damit einhergehende Verringerung der Mitgliedschaftsrechte der Gemeinden stelle einen Eingriff in die kommunale Selbstverwaltungsgarantie dar, für den eine Rechtfertigung fehle. Die Interessen der Vereinigungen nach § 2a Abs. 2 GUVG, deren Mitglieder als Grundstückseigentümer ohnehin über die Gemeinden im Verband vertreten seien, erhielten durch die Neuregelung ein Gewicht, das in keinem Verhältnis zur demokratisch legitimierten Interessenwahrnehmung durch die Gebietskörperschaften stehe.1. Den in den Vorstand zu wählenden Beiratsmitgliedern fehle die demokratisch-personelle Legitimation, da sie von privatrechtlichen Vereinen entsandt würden, die nicht ihrerseits demokratisch legitimiert seien. Eine solche Legitimation sei für die Organe und Amtswalter funktionaler Selbstverwaltung unabdingbar. Die Beschwerdeführerin beantragt festzustellen,
IV. 1. Der Landtag, die Landesregierung sowie der Städte- und Gemeindebund haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Der Landtag hat ebenso wie der Städte- und Gemeindebund von einer Äußerung abgesehen.2. Die Landesregierung hält die kommunale Verfassungsbeschwerde bereits für unzulässig. Nach dem Vortrag der Beschwerdeführerin bestehe keine Möglichkeit einer Verletzung ihres Rechts auf kommunale Selbstverwaltung. Die Gewässerunterhaltung sei keine Aufgabe der örtlichen Gemeinschaft gemäß Art. 97 Abs. 2 LV, sondern sei der sogenannten funktionalen Selbstverwaltung zuzuordnen. Jedenfalls sei die kommunale Verfassungsbeschwerde unbegründet. Die angefochtenen Bestimmungen stünden mit der Landesverfassung im Einklang. Insbesondere genügten sie den Anforderungen, die das Demokratieprinzip an die Einrichtungen funktionaler Selbstverwaltung stelle. B. Die kommunale Verfassungsbeschwerde bleibt ohne Erfolg. Die Beschwerdeführerin ist nicht beschwerdebefugt. Nach Art. 100 LV, § 51 Abs. 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) können Gemeinden Verfassungsbeschwerde mit der Behauptung erheben, dass ein Gesetz des Landes ihr Recht auf Selbstverwaltung verletzt. Dabei muss die beschwerdeführende Gemeinde einen Sachverhalt unterbreiten, aufgrund dessen der Schutzbereich der kommunalen Selbstverwaltung verfassungswidrig verletzt sein könnte (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluss vom 16. Mai 2002 - VfGBbg 40/01 -, LVerfGE Suppl. Bbg. zu Bd. 13, 99, 103). Daran fehlt es vorliegend. 1. Das kommunale Selbstverwaltungsrecht nach Art. 97 LV gewährleistet den Gemeinden gegenüber dem Land die eigenverantwortliche Wahrnehmung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, also derjenigen Bedürfnisse und Interessen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 20. Oktober 1994 - VfGBbg 1/93 -, LVerfGE 2, 183, 188). Es kann dahinstehen, dass die im Rahmen der Daseinsvorsorge wahrgenommene Tätigkeit der Gewässerunterhaltung bei funktionsbezogener Betrachtungsweise der Gemeindebevölkerung zugute kommen kann (vgl. zur Fernwasserversorgung als Angelegenheit der kommunalen Selbstverwaltung Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 20. Januar 2005 BVerwG 3 C 31/03 -, BVerwGE 122, 350). Der Landesgesetzgeber hat die Gewässerunterhaltung in § 5 Abs. 3 Satz 1 des Vorschaltgesetzes zur Regelung der Zuständigkeit auf dem Gebiet des Wasserrechts sowie der Gewässerunterhaltung und sanierung und des Gewässerschutzes vom 25. September 1991 (GVBl. 1991, 444) und ferner gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 2 BbgWG den Gewässerunterhaltungsverbänden übertragen und diese in § 3 GUVG den Bestimmungen des Wasserverbandsgesetzes (WVG) unterworfen. Danach werden die Verbände zur Erfüllung ihrer Aufgaben als Körperschaften des öffentlichen Rechts errichtet und verwalten sich selbst (§ 1 Abs. 1 und 2 WVG). Die Gewässerunterhaltungsverbände des Landes sind mithin der sogenannten funktionalen Selbstverwaltung zuzuordnen, also dem Bereich der Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch verselbständigte Selbstverwaltungseinheiten unter Beteiligung der sachnah Betroffenen außerhalb der kommunalen Selbstverwaltung (vgl. BVerfGE 107, 59, 89). Dies wird auch durch die Regelung in § 86 BbgWG deutlich. Danach stellt die Wasserbehörde und nicht die Gemeinde im Streitfall fest, wem die Pflicht zur Gewässerunterhaltung obliegt. Einer eigenverantwortlichen Wahrnehmung der Angelegenheiten in Fragen der Gewässerunterhaltung ist die Gemeinde folglich enthoben. Die Beschwerdeführerin hat die konzeptionelle Grundentscheidung des Gesetzebers, mit der Gewässerunterhaltung die Gewässerunterhaltungsverbände zu betrauen, nicht angegriffen und muss sie daher hinnehmen. 2. Die Beschwerdebefugnis folgt auch nicht aus dem Vortrag der Beschwerdeführerin, die beanstandeten Regelungen beschränkten ihre Möglichkeiten, die Entscheidungen des Verbandes zu beeinflussen, und griffen in ihre Finanzhoheit ein. Mit den streitigen Bestimmungen über die Rechte der bei den Gewässerunterhaltungsverbänden zu bildenden Verbandsbeiräte sind keine Eingriffe in den verfassungsrechtlich geschützten gemeindeinternen Bereich der Beschwerdeführerin verbunden, insbesondere ist ihre Finanzhoheit nicht betroffen. Nach dem Finanzierungssystem der Gewässerunterhaltung gegen das die kommunale Verfassungsbeschwerde sich nicht wendet sind die Gemeinden auf der ersten Stufe durch ihre Verpflichtung zur Beitragszahlung mit der (Vor-)Finanzierung der Gewässerunterhaltung belastet (§ 80 Abs. 1 Satz 1 BbgWG). Den von ihnen geleisteten Beitrag können sie auf der zweiten Stufe in Höhe des Anteils, der auf die nicht in ihrem Eigentum stehenden Grundstücke entfällt, durch Erhebung einer Gewässerunterhaltungsumlage einschließlich der bei der Umlage entstehenden Verwaltungskosten auf die Grundstückseigentümer abwälzen (§ 80 Abs. 2 BbgWG). Soweit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin die Befürchtung zu entnehmen ist, infolge der Mitwirkungsrechte der Beiräte erhöhe sich das dem System innewohnende Risiko der Gemeinden, Beiträge nicht (vollständig) im Wege der Umlage refinanzieren zu können, fehlt es an substantiiertem Vortrag. Die Beschwerdeführerin hat zwar ausführlich die mit den angegriffenen Bestimmungen verbundene Änderung der Organ- und Entscheidungsstruktur bei den Gewässerunterhaltungsverbänden aufgezeigt und dargelegt, dass diese möglicherweise zu Erschwernissen bei der Verbandsarbeit und zu einer Verringerung der den Mitgliedsgemeinden zustehenden Verbandsrechte führen. Sie hat aber nicht erläutert, aus welchen Gründen sich dadurch Belastungen für den Gemeindehaushalt und infolgedessen ein Eingriff in ihre verfassungsrechtlich geschützte finanzielle Eigenverantwortung ergeben könnten. Diese Besorgnis ist rein spekulativ. Im Übrigen ist die Gemeinde nur dazu verpflichtet, rechtmäßig erhobene und damit umlagefähige - Beiträge zu entrichten. 3. Die Beschwerdeführerin kann sich auch nicht auf eine Verletzung des Grundsatzes gemeindefreundlichen Verhaltens berufen. Das Rücksichtnahmegebot, das andere Hoheitsträger im Wesentlichen dazu verpflichtet, gemeindliche Belange als abwägungserheblichen Gesichtspunkt in ihre Entscheidungsfindung einzustellen, vermittelt den Gemeinden außerhalb des verfassungsrechtlich geschützten Bereichs kommunaler Selbstverwaltung keine mit der kommunalen Verfassungsbeschwerde durchsetzbare eigenständige Rechtsposition. 4. Entsprechendes gilt auch für den Einwand der Beschwerdeführerin, die vorgesehene Beteiligung von Beiratsmitgliedern in den Verbandsvorständen verstoße gegen das Demokratieprinzip. Im Rahmen einer kommunalen Verfassungsbeschwerde können Gemeinden eine Verletzung des Demokratieprinzips nur bei einem möglichen Eingriff in ihre kommunale Selbstverwaltung mit Erfolg geltend machen. C. Eine mündliche Verhandlung ist hiernach nicht erforderlich gewesen (§ 22 Abs. 1 VerfGGBbg). Die Entscheidung ist einstimmig ergangen. Sie ist unanfechtbar. |
Postier | Prof. Dawin |
Dielitz | Dr. Fuchsloch |
Partikel | Schmidt |