VerfGBbg, Beschluss vom 19. August 2010 - VfGBbg 25/10 -
Verfahrensart: |
Wahlprüfung/Verlust des Mandats Hauptsache |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - LV, Art. 22 Abs. 3 Satz 1 - VerfGGBbg, §§ 20 Abs. 1 S. 2; 59 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz - BbgLWahlG, § 31 - BbgLWahlV, § 42 |
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Schlagworte: | - Begründung - Mandatsverteilung - Wahlkampfkostenerstattung - Substantiierungslast - Stimmzettel |
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Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 19. August 2010 - VfGBbg 25/10 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 25/10
IM NAMEN DES VOLKES |
B E S C H L U S S |
In dem Wahlprüfungsbeschwerdeverfahren H., Beschwerdeführer, gegen den Beschluss des Landtages Brandenburg vom 24. März 2010 in der Wahleinspruchssache des Beschwerdeführers, Az.: WPA 5/LTW 09/2 hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg am 19. August 2010 b e s c h l o s s e n :
G r ü n d e : I. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen den Beschluss des Landtages Brandenburg vom 24. März 2010, durch den sein Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum 5. Landtag Brandenburg vom 27. September 2009 zurückgewiesen worden ist. Unter Hinweis auf Stimmennachzählungen in einigen Wahllokalen des Wahlkreises 27 sowie auf einen Pressebericht über eine nachträgliche Korrektur des Wahlergebnisses in Potsdam erhebt der Beschwerdeführer Einwände gegen die Korrektheit der Stimmenauszählung. Augenfällig sei die Divergenz der bei der Landtagswahl für die einzelnen Parteien abgegebenen Stimmen im Vergleich zu der Anzahl der Stimmen, die für die jeweiligen Parteien bei der am selben Tag abgehaltenen Bundestagswahl abgegebenen worden seien. Teilweise sei es zu falschen Stimmabgaben gekommen, weil in einigen Wahllokalen die Stimmzettel in einer Weise gefaltet gewesen seien, dass die Namen der Parteien im unteren Bereich des Stimmzettels für die Wähler nicht sichtbar gewesen seien. Dazu legt er eidesstattliche Versicherungen vor. Er weist darauf hin, dass die richtige Feststellung der auf eine Partei entfallenden Wählerstimmen entscheidend für die Höhe der Wahlkampfkostenerstattung sei. II. Die Beschwerde ist unzulässig. Gem. § 20 Abs. 1 Satz 2, § 59 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz Verfassungsgerichtsgesetz des Landes Brandenburg (VerfGGBbg) sind Anträge, die ein Wahlprüfungsverfahren vor dem Verfassungsgericht des Landes Brandenburg einleiten, zu begründen. § 20 Abs. 1 VerfGGBbg gilt als allgemeine Verfahrensvorschrift auch für Wahlprüfungsbeschwerden. Eine ordnungsgemäße Begründung verlangt eine hinreichend substantiierte, mit Tatsachen unterlegte und aus sich heraus verständliche Darlegung eines Sachverhalts, aus dem erkennbar ist, worin ein Wahlfehler liegen soll (vgl. zum Bundesrecht: BVerfGE 122, 304, 309). Relevant ist dabei nur ein Fehler, der Einfluss auf die Mandatsverteilung haben kann, weil das Wahlprüfungsverfahren ausschließlich dazu bestimmt ist, die richtige Zusammensetzung des Parlaments zu gewährleisten. Wahlfehler, die unterhalb der für eine mögliche Mandatsverschiebung erforderlichen Mindestzahl von Stimmen möglicherweise die Höhe der Wahlkampfkostenerstattung beeinflussen, sind nicht Gegenstand des Wahlprüfungsverfahrens (vgl. zum Bundesrecht: BVerfGE 40, 11, 29). Zu einer unrichtigen Mandatsverteilung enthält die Beschwerde aber keine Ausführungen. Die geltend gemachten Wahlfehler sind darüber hinaus auch nicht hinreichend substantiiert vorgetragen. Die Vermutung, dass außer dem alsbald korrigierten weitere Fehler bei der Stimmenauszählung aufgetreten seien, ist nicht belegt und genügt deshalb nicht, um eine Überprüfung der Stimmenauszählung bei der Landtagswahl insgesamt zu erreichen (vgl. zum Bundesrecht: BVerfGE 122, 304, 309). Soweit die Wahlprüfungsbeschwerde gestützt wird auf die Divergenz der Stimmen, die bei der Landtagswahl und der am selben Tag abgehaltenen Bundestagswahl jeweils für die einzelnen Parteien abgegebenen worden sind, fehlt es ebenfalls an Tatsachen, die Wahlfehler zu belegen geeignet sind. Wegen der unterschiedlichen Interessenlage auf Landes- und Bundesebene indiziert ein solches Stimmensplitting allein noch keine fehlerhafte Stimmenauszählung. Die Substantiierungslast ist dem Einspruchsberechtigten auch nicht deshalb nachzulassen, weil ihre Erfüllung im Einzelfall Schwierigkeiten, insbesondere im tatsächlichen Bereich begegnen mag (vgl. zum Bundesrecht: BVerfGE 40, 11, 32; 59, 119, 124). Soweit die Beschwerde auf den Umstand gestützt wird, dass in einigen Wahllokalen Stimmzettel gefaltet an die Wähler herausgegeben worden sind, ist der Vortrag nur hinsichtlich der Wahlkreise ausreichend substantiiert, die Gegenstand der beigefügten eidesstattlichen Versicherungen sind. Im übrigen kommt eine Überprüfung durch das Verfassungsgericht nicht in Betracht. Dass die Stimmzettel auch in anderen Wahlkreisen in der beanstandeten Weise gefaltet worden seien, stellt eine bloße, nicht belegte Vermutung des Beschwerdeführers dar. In seinem Wahlanfechtungsschreiben vom 31. Oktober 2009 hat er gegenüber dem Präsidenten des Landtags jedenfalls ausdrücklich verneint, dass landesweit Stimmzettel gefaltet ausgegeben worden sind. Im Übrigen wäre die auf das beanstandete Falten der Stimmzettel gestützte Wahlprüfungsbeschwerde, selbst wenn sie zulässig wäre, jedenfalls unbegründet. Denn die Faltung von Stimmzetteln vor Übergabe an die Wahlberechtigten widerspricht weder § 31 Brandenburgisches Wahlgesetz noch § 42 Brandenburgische Landeswahlverordnung, die Form, Inhalt und Aufbau der Stimmzettel festlegen. Auch die in Art. 22 Abs. 3 Satz 1 Landesverfassung Brandenburg niedergelegten Wahlgrundsätze sind nicht berührt. Das Falten von Dokumenten, die eine handliche Größe überschreiten, ist üblich und für den Wahlberechtigten nicht überraschend. Wie sich aus der vom Beschwerdeführer beigefügten Fotokopie ergibt, war die Faltung auch leicht erkennbar, weil lediglich der untere Teil des Stimmzettels verdeckt worden ist. Dass den auf den ersten unverdeckten Plätzen auf dem Stimmzettel vertretenen Parteien ein gewisser wahlpsychologischer Vorteil zugute kommen könnte, bedeutet keine Verletzung der Wahlrechtsgleichheit, denn der Wähler, von dessen Mündigkeit und von dessen Verantwortungsbewusstsein auszugehen ist, lässt sich regelmäßig bei seiner Stimmabgabe nicht von Wahlvorschlagsnummern und anderen Äußerlichkeiten, sondern von den Zielen der politischen Parteien und Wählergruppen sowie von der Beurteilung und der Zugkraft der Wahlbewerber leiten (vgl. zum Bundesrecht: BVerfGE 29, 154, 164). Deshalb ist nicht zu erwarten, dass ein Wähler, der eine bestimmte Partei wählen möchte, dies unterlässt, weil er sie auf den ersten, oberflächlichen Blick auf dem Stimmzettel nicht sogleich aufzufinden vermag. III. Das Verfassungsgericht hat einstimmig gemäß § 59 Abs. 3 VerfGGBbg von einer mündlichen Verhandlung abgesehen, weil die Rechtslage eindeutig ist. Die Entscheidung ist einstimmig ergangen, sie ist unanfechtbar.
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Postier | Prof. Dawin |
Dielitz | Dr. Fuchsloch |
Partikel | Schmidt |