VerfGBbg, Beschluss vom 19. Juni 2013 - VfGBbg 5/13 EA -
Verfahrensart: |
Verfassungsbeschwerde EA |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - LV, Art. 32. 32 Abs. 1 - BbgHG, § 15 Abs. 1 - VerfGGBbg, § 30 Abs. 1; VerfGGBbg, § 45 Abs. 1 |
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Schlagworte: | - Selbstverwaltung der Hochschulen - Studierendenschaft - Beteiligtenfähigkeit |
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Fundstellen: | NVwZ 17/2013 S. 1150 f. | |
Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 19. Juni 2013 - VfGBbg 5/13 EA -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 5/13 EA
IM NAMEN DES VOLKES
B e s c h l u s s
In dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
Studierendenschaft der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) Cottbus,
vertreten durch das Studierendenparlament,
dieses vertreten durch den Studierendenrat,
dieser vertreten durch H.,
Antragstellerin,
Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte G.,
wegen des Gesetzes zur Neustrukturierung der Hochschulregion Lausitz vom 11. Februar 2013 (GVBl 2013 I Nr. 4)
hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dielitz, Dresen, Dr. Lammer, Nitsche, Partikel und Schmidt
am 19. Juni 2013
b e s c h l o s s e n:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird verworfen.
G r ü n d e:
A.
I.
Die Antragstellerin ist die Studierendenschaft der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus (BTU), einer staatlichen Hochschule nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Brandenburgisches Hochschulgesetz (BbgHG). Durch das am 12. Februar 2013 verkündete und am 1. Juli 2013 in Kraft tretende Gesetz zur Neustrukturierung der Hochschulregion Lausitz vom 11. Februar 2013 (GVBl I Nr. 4 – Hochschulneustrukturierungsgesetz) sollen die BTU und die Hochschule Lausitz (FH) zum 1. Juli 2013 in der neu errichteten Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTUCS) aufgehen, wobei die Fakultäten, die Studiengänge, das Hochschulpersonal und die Studenten der zusammengelegten Hochschulen von der BTUCS übernommen werden.
II.
Die Antragstellerin hat am 30. April 2013 den Erlass einer einstweiligen Anordnung bei dem Verfassungsgericht beantragt. Sie will erreichen, dass Teile des Hochschulneustrukturierungsgesetzes bis zu einer Entscheidung über die bereits erhobene Verfassungsbeschwerde (VfGBbg 25/13) nicht in Kraft treten. Die Verfassungsbeschwerde werde Erfolg haben. Die Antragstellerin sei in ihrem Recht der Selbstverwaltung aus Art. 32 Abs. 1 der Landesverfassung (LV) verletzt. Der Gesetzgeber habe sie im Gesetzgebungsverfahren nicht angehört, obwohl ihr insoweit aus Art. 32 Abs. 1 LV ein Recht auf Beteiligung zustehe. Bereits im Februar 2012 habe die Neugründung der BTUCS unter Auflösung der BTU und der Hochschule Lausitz (FH) festgestanden; seitdem seien die Entscheidungsträger einer ergebnisoffenen Diskussion nicht mehr zugänglich gewesen. Die angegriffenen Vorschriften seien mit Blick auf diesen Anhörungsmangel auch materiell rechtswidrig, weil der Gesetzgeber seine aus dem Selbstverwaltungsrecht resultierende Pflicht nicht erfüllt habe, den Sachverhalt umfassend zu ermitteln, seiner Regelung zugrundezulegen und die mit ihr einhergehenden Vor- und Nachteile zu gewichten und in die Abwägung einzustellen.
Die im Rahmen ihres Eilantrages vorzunehmende Folgenabwägung gehe ebenfalls zu ihren Gunsten aus. Ihr drohten schwerwiegende und irreparable Nachteile.
So würde der Gesetzesvollzug ihre Auflösung bewirken, ohne dass ihre Mitwirkungsrechte aus Art. 32 Abs. 1 LV berücksichtigt worden wären. Es würden Fakten geschaffen, die ihre Entscheidungskompetenzen und Funktionsfähigkeit stark beeinträchtigten. Schwerwiegende Nachteile ergäben sich auch aus den verwaltungstechnischen, organisatorischen und finanziellen Ungewissheiten und Problemen, die mit der Auflösung der BTU und der Gründung der BTUCS verbunden wären. Zudem wären ab dem 1. Juli 2013 die Studenten der BTU, bis dahin an einer Universität mit der allgemeinen Hochschulreife als Zugangsvoraussetzung eingeschrieben, Studenten an einer Gesamtfachhochschule, die auch für Studenten mit Fachhochschulreife zugänglich sei. Schließlich habe die anstehende Auflösung der BTU schon jetzt zu Verunsicherung unter den Studenten und zu einem Rückgang der Studienanfängerzahlen geführt.
Dem Gesetzgeber hingegen sei eine Aussetzung des Gesetzesvollzugs bis zu einer Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde zumutbar, weil ihm hierdurch keine irreversiblen Nachteile entstünden.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
im Wege der einstweiligen Anordnung zu beschließen, dass Art. 1 §§ 1, 5, 7, 8, 9, 12, 18, 20, 21 des Gesetzes zur Neustrukturierung der Hochschulregion Lausitz vom 11. Februar 2013 (GVBl I Nr. 4) solange ausgesetzt sind, bis das Verfassungsgericht über die Verfassungsbeschwerde der Antragstellerin entschieden hat.
III.
Der Landtag und die Landesregierung hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Landesregierung hat davon Gebrauch gemacht.
B.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zu verwerfen.
Gemäß § 30 Abs. 1 VerfGGBbg kann das Verfassungsgericht einen Zustand durch eine einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Soweit sich das Begehren in der Hauptsache nicht von vornherein als unzulässig oder als offenkundig unbegründet erweist, ist über die Begründetheit des Eilantrags nach Maßgabe einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei sind die nachteiligen Wirkungen, die ohne die einstweilige Anordnung für den Fall des Obsiegens in der Hauptsache zu erwarten sind, mit den nachteiligen Wirkungen, die sich bei Erlass der einstweiligen Anordnung für den Fall der Erfolglosigkeit in der Hauptsache ergeben, zu vergleichen und zu bewerten.
Danach kann der Antrag keinen Erfolg haben. Die Verfassungsbeschwerde ist bereits unzulässig. Die Antragstellerin ist nicht beteiligtenfähig. Nach § 45 Abs. 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) kann jeder mit der Behauptung, durch die öffentliche Gewalt des Landes Brandenburg in einem in der Verfassung gewährleisteten Grundrecht verletzt zu sein, Verfassungsbeschwerde erheben. „Jeder“ in diesem Sinne – und damit beteiligtenfähig – ist dabei nur, wer Träger von Grundrechten sein kann. Kommen juristischen Personen oder Körperschaften des öffentlichen Rechts schon nur ausnahmsweise wehrfähige Grundrechtspositionen zu, so ist kaum denkbar, dass den Behörden oder Organen derselben nach allgemeinen Grundsätzen die verfassungsmäßige Befugnis zugewiesen sein kann, Eingriffe des Staates in diese juristischen Personen oder Körperschaften abzuwehren (vgl. Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/ Bethge, Kommentar zum Bundesverfassungsgerichtsgesetz, Loseblatt, Stand März 2010, § 90 Rn. 145, 194).
Zwar ist die Antragstellerin einfachrechtlich nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BbgHG eine rechtsfähige Teilkörperschaft der BTU. Allein die Universität ist jedoch die Trägerin des Selbstverwaltungsrechts aus Art. 32 Abs. 1 LV. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 BbgHG haben „sie“ – die staatlichen Hochschulen – „das Recht der Selbstverwaltung im Rahmen der Gesetze …“; die Antragstellerin ist hieran nur beteiligt (Art. 32 Abs. 1 Hs. 2 LV, § 15 Abs. 1 Satz 4 Nr. 3 BbgHG). Damit leitet sich die Rechtsstellung der Antragstellerin von der der BTU ab und ist an diese gebunden; sie ist auf ein Wirken im Rahmen der Wissenschafts- und Lehranstalt der BTU gerichtet und setzt deren Existenz voraus. Zwar mag unter bestimmten Voraussetzungen einer Hochschule ein Anspruch auf ihren Fortbestand zukommen, doch steht die Geltendmachung dieses Anspruchs der Antragstellerin von vornherein nicht zu.
Soweit der von der Antragstellerin als verletzt gerügte Art. 32 Abs. 1 LV die „Studierenden“ an dem Recht auf Selbstverwaltung beteiligt, erscheint es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die deren Interessen wahrnehmende Studierendenschaft (§ 15 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 BbgHG) eine Verletzung verfassungsrechtlich geschützter studentischer Beteiligungsrechte mit der Verfassungsbeschwerde geltend machen kann; doch erforderte dies jedenfalls, dass es um Regelungen der universitären Selbstverwaltung, der organisatorischen Selbstbestimmung der Studenten oder ihrer Mitwirkung an der Hochschulselbstverwaltung geht. Das ist hier jedoch nicht der Fall (vgl. zur fehlenden Beteiligtenfähigkeit der Studierendenschaft BerlVerfGH, Beschlüsse vom 16. August 1995 – VerfGH 7/95 -, LVerfGE 3, 47, 48 f und 27. Januar 1999 – VerfGH 66/98 – NVwZ 2000, 549).
C.
Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.
Möller | Dr. Becker |
Dielitz | Dresen |
Dr. Lammer | Dr. Nitsche |
Partikel | Schmidt |