VerfGBbg, Beschluss vom 19. Juni 2013 - VfGBbg 3/13 EA -
Verfahrensart: |
Verfassungsbeschwerde EA |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - LV, Art. 31 Abs. 1; LV, Art. 32 Abs. 1 - VerfGGBbg, § 30 Abs. 1 |
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Schlagworte: | - Wissenschaftsfreiheit - Selbstverwaltung der Hochschulen - Aussetzung des Inkrafttretens eines Gesetzes - Folgenabwägung - Erfordernis besonders wichtiger Gründe |
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Fundstellen: | - NVwZ 17/2013 S. 1149 f. - LKV 8/2013 S. 365f. |
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Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 19. Juni 2013 - VfGBbg 3/13 EA -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 3/13 EA
IM NAMEN DES VOLKES
B e s c h l u s s
In dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
Brandenburgische Technische Universität (BTU) Cottbus,
vertreten durch den Präsidenten,
Platz der Deutschen Einheit 1,
03046 Cottbus,
Antragstellerin,
Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte D.,
wegen des Gesetzes zur Neustrukturierung der Hochschulregion Lausitz vom 11. Februar 2013 (GVBl 2013 I Nr. 4)
hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dielitz, Dresen, Dr. Lammer, Nitsche, Partikel und Schmidt
am 19. Juni 2013
b e s c h l o s s e n:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen.
G r ü n d e:
A.
I.
Die Antragstellerin ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Brandenburgisches Hochschulgesetz (BbgHG) eine staatliche Hochschule. Durch das am 12. Februar 2013 verkündete und am 1. Juli 2013 in Kraft tretende Gesetz zur Neustrukturierung der Hochschulregion Lausitz vom 11. Februar 2013 (GVBl 2013 I Nr. 4 – Hochschulneustrukturierungsgesetz) sollen die Antragstellerin und die Hochschule Lausitz (FH) zum 1. Juli 2013 in der neu errichteten Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg aufgehen (BTUCS); die Fakultäten, die Studiengänge, das Hochschulpersonal und die Studenten der zusammengelegten Hochschulen werden von der BTUCS übernommen.
II.
Die Antragstellerin hat am 25. Februar 2013 den Erlass einer einstweiligen Verfügung beim Verfassungsgericht beantragt. Sie will erreichen, dass Teile des Hochschulneustrukturierungsgesetzes bis zu einer Entscheidung über die bereits erhobene Verfassungsbeschwerde (VfGBbg 10/13) nicht in Kraft treten. Die Antragstellerin sieht sich durch ihre Auflösung in ihrem Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit aus Art. 31 Abs. 1 der Landesverfassung (LV) sowie in ihrem Recht der Selbstverwaltung aus Art. 32 Abs. 1 LV verletzt. Der Landesgesetzgeber habe gegen Anhörungs-, Aufklärungs- und Abwägungspflichten verstoßen. Ihre Selbstverwaltungsorgane hätten sich im Gesetzgebungsverfahren nicht angemessen äußern können. Zudem seien die Mehrheit des Landtages und die Landesregierung schon vor der Anhörung auf ihre Auflösung festgelegt und daher „blind“ für Alternativen gewesen. Ferner habe der Gesetzgeber mangels hinreichender Sachaufklärung die durch seine Entscheidung entstehenden strukturellen Probleme verkannt.
Die ihr durch den Vollzug der angegriffenen Vorschriften drohenden Nachteile seien im Gegensatz zu den aus dem Erlass der einstweiligen Anordnung folgenden Nachteilen schwerwiegend und irreparabel:
So könnten infolge ihrer Auflösung die derzeit bestehenden Forschungskooperationen mit anderen Universitäten im In- und Ausland irreparabel zerstört werden. Die Kooperationen erfolgten profilbezogen auf Universitätsniveau und seien gefährdet, ginge sie in einer Gesamthochschule auf. Die neue Gesamthochschule hätte geringere Chancen als sie, Forschungskooperationen auf Universitätsniveau zu begründen, zu verlängern oder auszubauen. Wäre sie bis zu einer stattgebenden Hauptsacheentscheidung aufgelöst und lebte sie in deren Folge wieder auf, wären ihre Forschungsprojekte ohne ihre Beteiligung abgeschlossen oder nicht verlängert worden.
Irreparabel sei auch der Ansehensverlust, der durch die Ablehnung ihres Antrages auf Aufnahme in die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) entstünde. Diese Ablehnung drohe, wenn sich ab dem 1. Juli 2013 die für die Aufnahmeentscheidung maßgeblichen Kennziffern dadurch verschlechterten, dass sie – als Folge der Fusion mit der Hochschule Lausitz (FH) – auf der Grundlage einer mehr als doppelt so großen Anzahl von Professuren berechnet werden müssten.
Schwere Nachteile erlitte sie auch durch Maßnahmen des Lehr- und Forschungsbetriebs der BTUCS, die für sie nach einem Erfolg in der Hauptsache verbindlich blieben und ihre Gestaltungsspielräume einschränkten. So müsse sie von der BTUCS immatrikulierten Studenten in neu aufgelegten Studiengängen die satzungsmäßigen Abschlussmöglichkeiten gewährleisten und die Ergebnisse von Zwischenprüfungen sowie Zulassungsentscheidungen hinsichtlich Promovierender und Habilitanden anerkennen. Ein irreparabler Nachteil immaterieller Natur sei die Verleihung der Hochschulgrade Bachelor und Master unter dem Namen BTUCS an die Studenten der von der Hochschule Lausitz (FH) übernommenen Fachhochschulstudiengänge. Potentielle Arbeitgeber könnten an dem Abschluss nicht erkennen, ob er sich auf einen Hochschul- oder Fachhochschulstudiengang beziehe. Wegen dieser Verwässerung ihres universitären Profils verlöre sie an Attraktivität bei Studierwilligen. Nach einem Erfolg der Verfassungsbeschwerde dauere es mindestens drei bis fünf Jahre, ehe der Verlust an Studienanfängern wieder ausgeglichen sei. Auch habe sie bei Erfolg der Verfassungsbeschwerde von der BTUCS berufene Hochschullehrer zu übernehmen.
Schwere und nicht wiedergutzumachende Nachteile resultierten ferner daraus, dass ihre Hochschullehrer mit Inkrafttreten des Gesetzes bis zu einem Erfolg in der Hauptsache nicht mehr adäquat an der Selbstverwaltung ihrer Angelegenheiten mitwirken könnten. Der Gründungssenat und erweiterte Gründungssenat der BTUCS, die bis zum 31. Oktober 2013 zu wählen seien, gewährleisteten keine hinreichende „gruppendemokratische“ Vertretung ihrer Hochschullehrer in ihren Selbstverwaltungsangelegenheiten. Die BTUCS verfüge zudem ab dem 1. Juli 2013 auf unbestimmte Zeit (bis zur Bestellung eines Gründungspräsidenten) nicht über eine demokratisch legitimierte Hochschulleitung; der Gründungsbeauftragte werde vom für Hochschulen zuständigen Mitglied der Landesregierung bestellt und sei kein Organ der BTUCS. Wegen der wissenschaftsrelevanten Entscheidungen des Gründungsbeauftragten hätte ihren Hochschullehrern die Möglichkeit der Einflussnahme auf dessen Bestellung eingeräumt werden müssen.
Dem Gesetzgeber sei eine Aussetzung des Gesetzesvollzugs bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache zumutbar, weil hierdurch irreparable nachteilige Folgen nicht bewirkt würden. Auch sei der Vollzug der angegriffenen Vorschriften noch nicht ins Werk gesetzt. Eine Beeinträchtigung sonstiger Grundrechtspositionen durch die Aussetzung des Vollzugs der angegriffenen Vorschriften sei nicht erkennbar.
Wichtige Gründe des Gemeinwohls erforderten den Erlass der einstweiligen Anordnung. Die Verletzung ihrer Grundrechtspositionen und die ihrer Mitglieder stelle wegen der weitgehend irreparablen Vollzugsfolgen einen schweren Nachteil für das Gemeinwohl dar. Zudem könne die offenkundige Verletzung der Selbstverwaltungsgarantie aus Art. 32 Abs. 1 LV auch für eine Übergangszeit nicht hingenommen werden.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
im Wege der einstweiligen Anordnung anzuordnen, dass Art. 1, §§ 1, 5, 7, 8, 9, 12, 18, 20, 21 sowie Art. 2 des Gesetzes zur Neustrukturierung der Hochschulregion Lausitz vom 11. Februar 2013 (GVBl 2013 I Nr. 4) solange ausgesetzt sind, bis das Verfassungsgericht über die Verfassungsbeschwerde der Antragstellerin entschieden hat.
III.
Der Landtag und die Landesregierung hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
Die Landesregierung hält den Antrag für unbegründet. Die Verfassungsbeschwerde in der Hauptsache sei mangels Beschwerdebefugnis (Verletzung in eigenen Rechten) unzulässig, soweit mit ihr die Verfasstheit der neuen Hochschule angegriffen werde (etwa die Bestellung des Gründungsbeauftragten und Wahl des Gründungssenats sowie des erweiterten Gründungssenats), und im Übrigen offensichtlich unbegründet. Der Schutzbereich der Wissenschaftsfreiheit aus Art. 31 Abs. 1 LV und das Recht der Selbstverwaltung aus Art. 32 Abs. 1 LV erstreckten sich nicht auf den Fortbestand der einzelnen Hochschule. Ob die von der Antragstellerin angeführten verfassungsrechtlichen Anhörungs-, Aufklärung- und Abwägungspflichten überhaupt existierten, könne dahinstehen, weil der Landesgesetzgeber diese Pflichten jedenfalls nicht verletzt habe.
Darüber hinaus verbiete die Folgenabwägung den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung:
Die Auflösung der Antragstellerin wäre nach einem Erfolg der Verfassungsbeschwerde keineswegs unumkehrbar. Die Übernahme von Studenten, Doktoranden etc. und der vorübergehende Weiterbetrieb von Studiengängen führten nach einem Erfolg in der Hauptsache nicht zu einer – von der Antragstellerin nicht konkret vorgetragenen – Beschränkung ihrer Gestaltungsspielräume. Die BTUCS werde keine grundlegend andere Fächerstruktur haben als die Antragstellerin und die Hochschule Lausitz (FH); deren Studien- und Prüfungsordnungen würden jedenfalls bis zum 31. Dezember 2014 weiter gelten und könnten erst nach diesem Zeitpunkt geändert werden. Die Antragstellerin könne ohnehin nicht nach Belieben Studiengänge einrichten, ändern oder abschaffen, sondern bedürfe hierfür der Genehmigung durch die für die Hochschulen zuständige oberste Landesbehörde. Die Antragstellerin habe kein rechtlich geschütztes Interesse, dass an den von der BTUCS verliehenen Abschlussgraden (Bachelor, Master) abzulesen sein müsse, ob diese in einem Fachhochschul- oder in einem universitären Studiengang erworben wurden.
Dieser Gesichtspunkt gelte auch hinsichtlich der angeblich unzureichenden Möglichkeiten der Professoren der Antragstellerin, an der universitären Selbstverwaltung der BTUCS mitzuwirken, wie sie sich aufgrund der gesetzlichen Regelungen zum Gründungssenat und erweiterten Gründungssenat der BTUCS darstellten. Zudem könne Gegenstand der Betrachtung nur sein, ob die Auflösung der Antragstellerin verfassungsgemäß ist und nicht, ob die Errichtung der neuen Hochschule verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt.
Die Nachteile, die bei Erlass der einstweiligen Anordnung und Erfolglosigkeit der Hauptsache durch das verzögerte Inkrafttreten des Hochschulneustrukturierungsgesetzes einträten, wären demgegenüber gravierend. Die mangelhafte Auslastung vieler Studiengänge, Doppelangebote der gleichen Studiengänge setzten sich fort. Es entstünde ein Schwebezustand, der befürchten ließe, dass sich viele Studienanfänger im Wintersemester 2013/2014 gegen ein Studium in der Region entscheiden. Professorenberufungen müssten zurückgestellt werden, weil es an hinlänglich verlässlichen Rahmenbedingungen fehlte. Zwei neue Präsidenten, für die Antragstellerin und die Hochschule Lausitz (FH), wären zu bestellen, nachdem die Amtszeiten der bisherigen Präsidenten ausgelaufen seien. Ob in Anbetracht des nur vorläufigen Fortbestehens der Antragstellerin und der Hochschule Lausitz (FH) adäquate Bewerber zu finden wären, sei zweifelhaft. Die Hochschule Lausitz (FH) unterstütze die Gründung der BTUCS und würde gegen ihren Willen ihren jetzigen Status als Fachhochschule behalten. Der zwischen dem Land und den Gewerkschaften Ver.di und GEW ausgehandelte Tarifvertrag zur sozialverträglichen Begleitung der Neustrukturierung der Hochschulregion Lausitz liefe leer.
Im Verhältnis zu diesen konkreten Nachteilen würden die pauschal vorgetragenen und teilweise nicht über Befürchtungen hinausgehenden Beeinträchtigungen der Antragstellerin, die sich bei Nichterlass der einstweiligen Anordnung und anschließendem Erfolg der Verfassungsbeschwerde ergäben, nicht überwiegen.
B.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg; er ist als unbegründet zurückzuweisen.
Gemäß § 30 Abs. 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) kann das Verfassungsgericht einen Zustand durch eine einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Soweit sich das Begehren in der Hauptsache nicht von vornherein als unzulässig oder als offenkundig unbegründet erweist (I.), ist über die Begründetheit des Eilantrags nach Maßgabe einer Folgenabwägung zu entscheiden (II.).
I.
Unzulässig bzw. offensichtlich unbegründet ist die in der Hauptsache erhobene Verfassungsbeschwerde, die sich gegen die Auflösung der Antragstellerin richtet, nach der gebotenen summarischen Prüfung nicht. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass die Verfassungsbeschwerde unzulässig sein könnte, weil Organe der Antragstellerin sich in derselben Sache an das Bundesverfassungsgericht gewendet haben, § 45 Abs. 1 VerfGGBbg.
Das Grundrecht der Wissenschafts- und Forschungsfreiheit aus Art. 31 Abs. 1 LV ist auch den Hochschulen – vermittelt über das ihnen in Art. 32 Abs. 1 LV als lex specialis garantierte Selbstverwaltungsrecht – insoweit verbürgt, wie es der freien wissenschaftlichen Betätigung dient (Ernst, in: Lieber/ Iwers/Ernst, Kommentar zur Landesverfassung, 2012, Art. 31 Nr. 1.2, Nr. 1.3, Art. 32 Nr. 1). Diese können daher staatliche Eingriffe in ihre organisatorischen Strukturen, die den für die Entfaltung wissenschaftlicher Tätigkeit notwendigen Freiraum gewährleisten, abwehren. Zwar kommt nach einhelliger Ansicht der einzelnen Hochschule grundsätzlich kein Anspruch auf ihren Fortbestand als solcher zu, weil dies vom Schutzbereich des Grundrechts nicht umfasst ist (vgl. Bundesverfassungsgericht – BVerfG - BVerfGE 85, 360, 384 f; Pernice, in: Dreier, Kommentar zum Grundgesetz, 2. Aufl. 2004, Art. 5 Rn. 35; Bethge, in: Sachs, Kommentar zum Grundgesetz, 6. Aufl. 2011, Art. 5 Rn. 215 f; Mager, in Handbuch des Staatsrechts, Band VI, 3. Auflage 2009, § 166 Rn. 22); auch dürften den Hochschulen nach der Landesverfassung aus ihrem Selbstverwaltungsrecht wohl keine über den Schutzbereich von Art. 5 Abs. 3 Grundgesetz hinausgehenden Rechtspositionen zuwachsen (Ernst, a. a. O., Art. 32 Nr. 1). Allerdings wird vertreten, dass es für die Auflösung einer Hochschule oder anderen der Wissenschaft dienenden öffentlichen Einrichtung deren Anhörung (Starck, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz, Band I, 6. Aufl. 2010, Art. 5 Rn. 381; Lindner, in: Lindner/Möstl/Wolff, Kommentar zur Verfassung des Freistaates Bayern, 2009, Art. 108 Rn. 57 Fn. 96) und sachlicher Gründe bedarf, damit sich die Auflösung nicht als willkürliche Maßnahme darstellt (StGH Baden-Württemberg, Urteil vom 28. August 1981 – GR 1/81 -, NVwZ 1982, 32, 33; Braun, Kommentar zur Verfassung des Landes Baden-Württemberg, 1984, Art. 20 Rn. 14; Löwer, in: Löwer/Tettinger, Kommentar zur Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen, 2002, Art. 16 Rn. 28: Abwägung auf der Grundlage willkürfreier Prognose; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 11. März 2005 – 1 BvR 2298/04 -, NVwZ-RR 2005, 442, 443: Anspruch auf willkürfreie Entscheidung einer juristischen Fakultät hinsichtlich Aufhebung des rechtswissenschaftlichen Studiengangs).
II.
1. Im Rahmen der Folgenabwägung sind die nachteiligen Wirkungen, die ohne die einstweilige Anordnung für den Fall des Obsiegens in der Hauptsache zu erwarten sind, mit den nachteiligen Wirkungen, die sich bei Erlass der einstweiligen Anordnung für den Fall der Erfolglosigkeit in der Hauptsache ergeben, zu vergleichen und zu bewerten. Dabei ist in Anbetracht der weitreichenden Folgen einer einstweiligen Anordnung und vor dem Hintergrund, dass die Verfassungsbeschwerde eine aufschiebende Wirkung nicht entfaltet, sondern sich für gewöhnlich auf die nachträgliche Feststellung der Verfassungswidrigkeit eines Hoheitsaktes beschränkt, ein strenger Maßstab anzulegen (Beschluss vom 21. Oktober 2011 – VfGBbg 3/11 EA -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de); hiernach sind in die Folgenabwägung auf Seiten des Antragstellers regelmäßig nur irreversible Nachteile einzustellen (st. Rechtsprechung: (Beschluss vom 21. Oktober 2011 – VfGBbg 3/11 EA -; Beschluss vom 17. August 2012 – VfGBbg 6/12 EA -; zuletzt Beschluss vom 22. Februar 2013 – VfGBbg 1/13 EA -, www.verfassungsgericht.de). Diese müssen zudem in Ausmaß und Schwere deutlich ausgeprägter sein als die Nachteile, die bei Erlass der einstweiligen Anordnung und Erfolglosigkeit der Hauptsache eintreten können.
Müssen demnach bereits im Regelfall die Gründe für die begehrte einstweilige Anordnung so schwer wiegen, dass deren Erlass unabdingbar ist, so sind an einen Eilantrag, der darauf gerichtet ist, das Inkrafttreten eines Gesetzes zu verhindern bzw. dessen Vollzug auszusetzen, noch strengere Anforderungen zu stellen; denn einem solchen Antrag stattzugeben, ist mit einem erheblichen Eingriff in die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers verbunden (Beschluss vom 21. Oktober 2011, a. a. O.; Urteil vom 30. November 1993 – VfGBbg 3/93 -, LVerfGE 1, 205, 206 f; zum Bundesrecht: BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2012 – 1 BvR 367/12 -, zitiert nach juris Rn. 50). Es müssen daher besonders wichtige Gründe vorliegen, wenn das Gericht einem Anliegen zum – jedenfalls vorläufigen - Erfolg verhelfen soll, das dem erklärten Willen des Gesetzgebers widerspricht; insbesondere sind in einem derartigen Fall in der Folgenabwägung außer den Interessen des Antragstellers die Auswirkungen auf alle von dem Gesetz Betroffenen sowie alle in Frage kommenden und ggf. widerstreitenden Belange zu berücksichtigen (Beschluss vom 21. Oktober 2011, a. a. O.; zum Bundesrecht: BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2012, a. a. O.; BVerfGE 122, 63, 85; 121, 1, 17 f). Schließlich muss im Sinne einer weiteren Voraussetzung für ihren Erlass die einstweilige Anordnung nach § 30 Abs. 1 VerfGGBbg zum „gemeinen Wohl dringend geboten“ sein (Beschlüsse vom 17. August 2012 und 22. Februar 2013, a. a. O.).
2. Danach kann der Antrag keinen Erfolg haben. Besonders wichtige Gründe, welche das Nichtinkrafttreten des Hochschulneustrukturierungsgesetzes bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache rechtfertigen könnten, sind nicht feststellbar.
a. Mit dem Vollzug des Gesetzes bis zu einem Erfolg in der Hauptsache gehen besonders schwere und nicht revidierbare Nachteile für die Antragstellerin nicht einher.
Das folgt im Wesentlichen bereits daraus, dass für den Fall der Begründetheit der Verfassungsbeschwerde eine Entflechtung bzw. Wiederherstellung der zusammengeführten und ggf. teilweise modifizierten Strukturen der Antragstellerin und der Hochschule Lausitz (FH) rechtlich, wenn auch unter Schwierigkeiten, aber doch möglich wäre. Ferner erscheint mit Blick auf die begrenzte Dauer des Hauptsacheverfahrens auch die Annahme fernliegend, bis zu einer Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde werde die Neuordnung der Hochschulregion Lausitz einen Grad der organisatorischen Verfestigung erreicht haben, dass sie in ihrem tatsächlichen und politischen Gewicht nicht mehr rückgängig gemacht werden könnte (vgl. zu diesem Gesichtspunkt BVerfGE 29, 318, 324). In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass die Neustrukturierung der Fächer, Studiengänge und Hochschulverwaltung der BTUCS nicht bereits am 1. Juli 2013 vollzogen sein wird, sondern – beginnend mit diesem Tag - schrittweise erfolgt und bis zum 31. Dezember 2014 dauern kann (vgl. § 14 Hochschulneustrukturierungsgesetz)
Vor diesem Hintergrund lässt der Vortrag der Antragstellerin den Eintritt schwerer und irreversibler Nachteile insbesondere bis zu einer - unterstellten - Wiedererrichtung nicht erkennen. Die von ihr angeführten Folgen, die sie nach einem Erfolg in der Hauptsache zu gewärtigen hätte (Übernahme von Studenten aus neuen Studiengängen der BTUCS, Übernahme durch die BTUCS neu berufener Professoren, Vakantbleiben von Lehrstühlen wegen Auslaufen von Studiengängen der Antragstellerin bei der BTUCS, Rückgang der Studienanfängerzahlen), würden den wiederaufgenommenen Universitätsbetrieb der Antragstellerin unzweifelhaft belasten und vor organisatorische Herausforderungen stellen, nicht jedoch nachhaltig lähmen oder gar unmöglich machen. Dies gilt auch und erst recht für die sonstigen von der Antragstellerin reklamierten Nachteile. Auch die Beeinträchtigung oder der Verlust von Forschungskooperationen oder der Wegfall von Fördergeldern können kompensiert werden.
b. Selbst wenn die Antragstellerin durch das Inkrafttreten des Gesetzes schwere Nachteile erlitte, so überwögen diese jedenfalls nicht deutlich die Nachteile, die bei einem Aufschub des Inkrafttretens des Gesetzes einträten, wenn die Hauptsache erfolglos bliebe.
Es widerspräche dem Gebot der Rechtssicherheit und beeinträchtigte das allgemeine Vertrauen der Bevölkerung in den Bestand formell gültig erlassener Gesetze, stellte sich heraus, dass durch eine einstweilige Anordnung das Inkrafttreten eines verfassungsgemäßen Gesetzes unterbunden wurde, ohne dass dafür besonders wichtige Gründe vorgelegen hätten (vgl. Beschluss vom 21. Oktober 2011, a. a. O.).
Die Landesregierung hat nachvollziehbar dargetan, dass von einer einstweiligen Anordnung in ihren Planungen und Dispositionen unmittelbar auch Dritte betroffen wären, etwa Studienanfänger, die sich für ein Studium an der BTUCS zum Wintersemester 2013/2014 entschieden haben, aber nicht aufnehmen könnten, würde die Errichtung der BTUCS auf unbestimmte Zeit hinausgeschoben. Ebenso könnten bei Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung Verfahren zur Berufung neuer Professoren an die BTUCS erst mit Zurückweisung der Verfassungsbeschwerde eröffnet werden.
c. Vor dem Hintergrund, dass die Antragstellerin infolge der bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache währenden Geltung des Hochschulneustrukturierungsgesetzes besonders schwere Nachteile nicht erleiden wird bzw. die ihr drohenden Nachteile jedenfalls nicht deutlich gewichtiger wären als die Einbußen, welche den von einem vorläufigen Aufschub des Gesetzesvollzugs Betroffenen entstünden, ist der Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung zum gemeinen Wohl nicht dringend geboten.
C.
Der Beschluss ist mit 7 zu 1 Stimmen ergangen. Er ist unanfechtbar.
Möller | Dr. Becker |
Dielitz | Dresen |
Dr. Lammer | Dr. Nitsche |
Partikel | Schmidt |