VerfGBbg, Beschluss vom 19. Mai 2017 - VfGBbg 8/16 EA -
Verfahrensart: |
Verfassungsbeschwerde Hauptsache |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - LV, Art. 8 Abs. 1; LV, Art. 12 Abs. 1; LV, Art. 24 - VerfGGBbg, § 20 Abs. 1 Satz 1; VerfGGBbg, § 21 Satz 1; VerfGGBbg, § 46 - BbgBO, § 48 Satz 2; BbgBO, § 66; BbgBO; § 73 Abs. 1; BbgBO; § 73 Abs. 3 |
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Schlagworte: | - Verfassungsbeschwerde unzulässig - Begründung - Beschwerdebefugnis - Recht auf körperliche Unversehrtheit - Petitionsgrundrecht - Landesbauordnung |
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Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 19. Mai 2017 - VfGBbg 8/16 EA -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 8/16 EA
IM NAMEN DES VOLKES
B e s c h l u s s
In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren
J.,
Beschwerdeführer,
wegen Gesetz zur Novellierung der Brandenburgischen Bauordnung und zur Änderung des Landesimmissionsschutzgesetzes vom 19. Mai 2016 (GVBl. I Nr. 14)
hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
am 19. Mai 2017
durch die Verfassungsrichter Dielitz, Dr. Becker, Dresen, Dr. Lammer, Partikel und Schmidt
beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.
Gründe:
I.
Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) als unzulässig zu verwerfen.
Die Verfassungsbeschwerde ist im Hinblick auf das einzig vom Beschwerdeführer gerügte Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit nach Art. 8 Abs. 1 LV schon deshalb unzulässig, weil der Beschwerdeführer seine Beschwerdebefugnis nicht hinreichend dargetan hat. Die in § 45 VerfGGBbg vorausgesetzte Beschwerdebefugnis ist gegeben, wenn die behauptete Verletzung eigener Grundrechte möglich erscheint. Dies ist der Fall, wenn der Beschwerdeführer einen Sachverhalt zur Prüfung unterbreitet, nachdem er selbst, gegenwärtig und unmittelbar in seinen Grundrechten verletzt sein kann. Diesen Anforderungen wird die Verfassungsbeschwerde nicht gerecht.
Soweit der Beschwerdeführer in allgemeinen Ausführungen darlegt, dass der Gesetzgeber aus verschiedenen fachlichen Gründen heraus eine andere als die nunmehr durch Artikel 1 des Gesetzes zur Novellierung der Brandenburgischen Bauordnung und zur Änderung des Landesimmissionsschutzgesetzes vom 19. Mai 2016 (GVBl. I Nr. 14) vorgenommene Neufassung der Brandenburgischen Bauordnung (BbgBO) hätte vornehmen müssen, bzw. von einer Novellierung der vorliegenden Art grundsätzlich hätte Abstand nehmen müssen, so fehlt es bereits daran, dass der Beschwerdeführer konkrete Vorschriften benennt, die nach seiner Auffassung zu einer möglichen Verletzung des Grundrechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit führen könnten. Dass er insoweit ausführt, im Falle des Versagens von Trageteilen künftig errichteter Gebäude, die nicht den bisherigen Genehmigungsanforderungen unterliegen, an Leib und Leben geschädigt werden zu können, stellt allenfalls eine abstrakte Gefahr dar, die zur Begründung der Beschwerdebefugnis jedenfalls dann nicht ausreicht, wenn nicht anhand einzelner Vorschriften des Gesetzes dargelegt wird, dass der Gesetzgeber verfassungsrechtliche Anforderungen an den Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit missachtet hat.
Soweit der Beschwerdeführer im Übrigen auf Akten des Petitionsausschusses des Landtages verweist, aus denen sich vermeintlich ergeben soll, dass die von ihm geäußerten Sicherheitsbedenken gegen die Novellierung der Bauordnung ungehört geblieben sind, so muss dies von vornherein außer Betracht bleiben. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, sich das verfassungsrechtlich Relevante aus den vorgelegten Unterlagen herauszusuchen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. März 2012 - 2 BvR 1382/09 -, Rn. 5, Juris), der Vortrag muss aus sich heraus verständlich sein, d. h. ohne Hinzuziehung von Akten und ohne Stellungnahme anderer Verfahrensbeteiligter. Dazu gehört auch, dass ein Beschwerdeführer deutlich macht, aus welchem rechtlichen Zusammenhang sich die behauptete Grundrechtsverletzung ergeben soll, d. h. welche Verfahrenshandlung oder materiell-rechtliche Würdigung des Gerichts welche Grundrechtsverletzung aus seiner Sicht bewirkt hat (vgl. StGH Hessen, Beschluss vom 15. August 2002 - P.St. 1619 -, Juris Rn. 19, m. w. Nachw.).
Auch im Hinblick auf die übrigen vom Beschwerdeführer im Einzelnen aufgeführten Vorschriften der BbgBO ist eine Beschwerdebefugnis nicht erkennbar. Der Beschwerdeführer hält im Wesentlichen eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung von seiner Meinung nach gleichgelagerten Sachverhalten für gegeben. Daraus lässt sich eine mögliche Verletzung des Grundrechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit nach Art. 8 Abs. 1 LV nicht ableiten. Dies gilt sowohl in Bezug auf die vom Beschwerdeführer gerügte Vorschrift des § 66 BbgBO n.F. (Einschränkung der Gebäudeklassen, die einer Kontrollpflicht durch Prüfingenieure unterliegen sowie bautechnische Nachweisführung), die unterschiedliche Regelung der Geltungsdauer einer Baugenehmigung in § 73 Abs. 1 und Abs. 3 BbgBO n.F., den Anforderungen an den Einbau von Rauchmeldern in Wohngebäuden (§ 48 Abs. 4 BbgBO n.F.) und schließlich auch hinsichtlich der Befreiung von der Pflicht zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung in § 46 Satz 2 BbgBO n.F.
Einen möglichen Verstoß gegen das Grundrecht auf Gleichheit nach Art. 12 Abs. 1 LV hat der Beschwerdeführer nicht gerügt. Selbst dann, wenn man seinen Ausführungen die sinngemäße Rüge einer Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes entnehmen könnte, genügt sein Vortrag nicht den Begründungserfordernissen der § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg. Insoweit hätte er insbesondere aufzeigen müssen, dass die angegriffene Norm nicht nur zu einer unterschiedlichen Behandlung miteinander vergleichbarer Personengruppen und dabei zu Nachteilen führt, sondern hierüber hinaus auch keine hinreichenden Gründe für die Ungleichbehandlung bestehen. Die Ungleichbehandlung auch vergleichbarer Sachverhalte ist nämlich nicht generell unzulässig, sondern kann durch einen „hinreichend gewichtigen Grund“ gerechtfertigt sein (BVerfGE 100, 138, 174). Der Beschwerdeführer setzt sich mit derartigen Gründen der von ihm dargestellten gesetzlichen Differenzierungen aber nicht ausreichend auseinander. Es fehlt im Übrigen auch eine fundierte verfassungsrechtliche Auseinandersetzung mit der Frage, inwieweit der Beschwerdeführer durch die genannten Vorschriften selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen ist. Dazu bestand jedenfalls im Hinblick auf die Vorschriften in § 73 Abs. 1 und 3 (Geltungsdauer der Baugenehmigung) und § 48 Abs. 4 BbgBO (Rauchmelder) ein besonderes Bedürfnis.
Schließlich ist die Verfassungsbeschwerde im Hinblick auf einen Verstoß gegen das Petitionsgrundrecht nach Art. 24 LV unzulässig, da der Beschwerdeführer die angegriffene Entscheidung des Petitionsausschusses nicht innerhalb der Beschwerdefrist vorgelegt hat und auch nicht hinreichend dargelegt hat, worin der Verstoß gegen das gerügte Grundrecht konkret zu erblicken ist.
II.
Damit erledigt sich zugleich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
III.
Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.
Dielitz | Dr. Becker |
Dresen | Dr. Lammer |
Partikel | Schmidt |