Toolbar-Menü
Hauptmenü

VerfGBbg, Beschluss vom 19. Januar 2018 - VfGBbg 11/17 EA -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
EA
entscheidungserhebliche Vorschriften: - VerfGGBbg, § 30 Abs. 1
Schlagworte: - einstweilige Anordnung abgelehnt
- Verfassungsbeschwerde unzulässig
- Auswirkungen auf gemeines Wohl nicht dargelegt
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 19. Januar 2018 - VfGBbg 11/17 EA -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 11/17 EA




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

In dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung

J.,

Antragstellerin,

Verfahrensbevollmächtigte:              Rechtsanwältin D.

 

wegen            einstweiliger Untersagung einer Verfügung über das Grundstück Gemarkung D., Flur 10, Flurstück 16/4

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 19. Januar 2018

durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dielitz, Dr. Fuchsloch, Dr. Lammer, Nitsche und Partikel

beschlossen: 

 

 Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen.

 

 

G r ü n d e:

 

A

Die Antragstellerin ist nach ihren Angaben Eigentümerin des mit einem Bürohaus bebauten Grundstücks A. B. 2-8 in P. (Gemarkung D., Flur 10, Flurstück 16/2, eingetragen im Grundbuch von D. Blatt 1455). Dieses ging - wie das benachbarte Grundstück D. Straße 46a (Gemarkung D., Flur 10, Flurstück 16/4, eingetragen im Grundbuch von D. Blatt 4137) - aus einer Teilung des ehemaligen Flurstücks 16 hervor. Im Zusammenhang mit der Grundstücksteilung wurde im Grundbuchblatt 4137 eine „Grunddienstbarkeit (Stellplatznutzungs-, Geh- und Fahrrecht) für den jeweiligen Eigentümer Blatt 1455 BV Nr. 2; Flurstück 16/2, Flur 10, Gemarkung D.“ eingetragen.

 

In der Folge der von einer Grundschuldgläubigerin betriebenen Zwangsversteigerung des Grundstücks D. Straße 46a wurde dieses mit Beschluss des Amtsgerichts Potsdam vom 11. November 2015 der S. F. GmbH aus B. als Ersteherin zugeschlagen. Das Recht der Antragstellerin war nach den Versteigerungsbedingungen nicht in das geringste Gebot aufgenommen worden.

 

Nachdem das Amtsgericht der sofortigen Beschwerde der Antragstellerin abgeholfen hatte und die hiergegen gerichteten Beschwerden der Ersteherin und der Gläubigerin durch das Landgericht Potsdam zurückgewiesen worden waren, erachtete das Landgericht einen als Gehörsrüge nach § 321a ZPO gewerteten Rechtsbehelf der Ersteherin mit Beschluss vom 20. März 2017 als begründet und hob den die Beschwerde zurückweisenden Beschluss des Landgerichts vom 12. Mai 2016, den Nichtabhilfebeschluss des Amtsgerichts vom 31. März 2016 und den Abhilfebeschluss des Amtsgerichts vom 6. Januar 2016 auf. Damit sei der Zuschlagsbeschluss vom 11. November 2015 wiederhergestellt. Mit Beschluss vom 14. August 2017 berichtigte und ergänzte das Landgericht diesen Beschluss.

 

Die seitens der Antragstellerin hiergegen erhobenen Rechtsbehelfe blieben ohne Erfolg.

 

Die Antragstellerin hat am 18. Oktober 2017 Verfassungsbeschwerde gegen die Beschlüsse des Landgerichts Potsdam vom 20. März 2017 und 14. August 2017 wegen der Auswirkungen der Zwangsversteigerung des Nachbargrundstücks auf die zu ihren Gunsten auf dem Grundstück lastenden Dienstbarkeit erhoben.

 

Am 18. November 2017 hat die Antragstellerin zudem den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt, da die Ersteherin das benachbarte Grundstück inzwischen zum Verkauf anbiete und ein Käufer das Grundstück infolge § 892 BGB ohne Dienstbarkeit zu ihren Gunsten, die bereits gelöscht worden sei, erwerbe und sie eine Wiedereintragung diesem gegenüber nicht erlangen könne.

 

Die Antragstellerin beantragt,

 

im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu regeln, dass über das Grundstück der Gemarkung D., Flur 10, Flurstück 16/4 bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichts nicht wirksam verfügt werden kann,

 

hilfsweise,

 

einen Eintrag (Widerspruch) im Grundbuch zu veranlassen, aus dem hervorgeht, dass der Eigentümer möglicherweise nicht der Eigentümer ist.

 

B.

Der Antrag hat keinen Erfolg.

 

Der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung nach § 30 Abs. 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) kommt nicht in Betracht, da die in der Hauptsache erhobene Verfassungsbeschwerde (VfGBbg 81/17) unzulässig ist (vgl. Beschluss vom heutigen Tag) und die Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 VerfGGBbg auch im Übrigen nicht gegeben sind.

 

Nach § 30 Abs. 1 VerfGGBbg kann das Verfassungsgericht einen Zustand durch eine einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist.

 

Insoweit ist nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichts ein strenger Maßstab anzulegen. Die nachteiligen Folgen, die ohne die einstweilige Anordnung für den Fall des Obsiegens in der Hauptsache zu erwarten sind, müssen im Vergleich zu den nachteiligen Folgen, die sich bei Erlass der einstweiligen Anordnung für den Fall der Erfolglosigkeit in der Hauptsache ergeben, deutlich überwiegen, weil sie sonst bei vergleichender Betrachtungsweise nicht schwer genug im Sinne des Gesetzes sind („schwerer Nachteil“) bzw. keinen gleichwertigen „anderen“ Grund im Sinne des Gesetzes darstellen. Bei der Abwägung sind im Allgemeinen nur irreversible Nachteile zu berücksichtigen (vgl. Beschlüsse vom 24. Februar 2015 - VfGBbg 3/15 EA -; 22. Februar 2013 - VfGBbg 1/13 EA -; vom 6. Juli 2012 - VfGBbg 5/12 EA -; vom 20. Mai 2010 - VfGBbg 9/10 EA - und vom 30. September 2010 - VfGBbg 8/10 EA -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de). Zudem muss die einstweilige Anordnung im Sinne zusätzlicher Voraussetzungen „zum gemeinen Wohl“ und „dringend geboten“ sein (vgl. Beschlüsse vom 24. Februar 2015 - VfGBbg 3/15 EA; 22. Februar 2013 - VfGBbg 1/13 EA -, vom 6. Juli 2012 - VfGBbg 5/12 EA -, vom 20. Februar 2003 - VfGBbg 1/03 EA -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de; sowie Urteil vom 4. März 1996 - VfGBbg 3/96 EA -, LVerfGE 4, 109, 112 f m. w. Nachw.).

 

Danach kommt der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung nicht in Betracht. Es kann vorliegend offen bleiben, ob der Antragstellerin durch eine Veräußerung des benachbarten Grundstücks ein derart schwerer, irreversibler, die auf Ausnutzung der durch den Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren erworbenen Eigentümerposition gerichteten Interessen der Ersteherin deutlich übersteigender Nachteil entsteht. Jedenfalls sind Auswirkungen auf das „gemeine Wohl“, die abzuwenden „dringend geboten“ wären, bei dieser Einzelfallentscheidung weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Es geht der Antragstellerin vielmehr allein um eine in ihrem Individualinteresse liegende Aussetzung einer zivilrechtlichen Vollstreckungsmaßnahme.

 

C.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

Möller Dr. Becker
   
Dielitz Dr. Fuchsloch
   
Dr. Lammer Nitsche
   
Partikel