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VerfGBbg, Beschluss vom 18. November 2011 - VfGBbg 32/11 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 52 Abs. 3; LV, Art. 52 Abs. 4
- VerfGGBbg, § 45 Abs. 2
- ZPO, § 321a
Schlagworte: - faires Verfahren
- rechtliches Gehör
- Rechtswegerschöpfung
- Anhörungsrüge
- Entbehrlichkeit
- Entscheidung in eigener Sache
- Voreingenommenheit
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 18. November 2011 - VfGBbg 32/11 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 32/11




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

 

   M.,

 

Beschwerdeführer,

 

Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt B.,

 

 

gegen die Urteile des Landgerichts Potsdam vom 14. Juli 2010 – 5 O 100/08 - und des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 25. Mai 2011 – 13 U 83/10 -

 

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Postier, Dr. Becker, Dielitz, Dr. Fuchsloch, Dr. Lammer, Nitsche, Partikel und Schmidt

 

am 18. November 2011

 

 

b e s c h l o s s e n :

 

 

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

 

G r ü n d e :

 

A.

Der Beschwerdeführer sieht sich durch Entscheidungen des Landgerichts Potsdam sowie des Brandenburgischen Oberlandesgerichts in seinen Grundrechten verletzt.

 

Der Beschwerdeführer hatte den Beklagten des Ausgangsverfahrens wegen Gewährleistungsansprüchen im Hinblick auf eine von diesem installierte Wärmepumpenanlage in Anspruch genommen. Die Klage blieb vor dem Landgericht erfolglos, weil der nach Abnahme der Werkleistung beweisbelastete Kläger einen Mangel der Anlage nicht bewiesen habe. Die Berufung des Beschwerdeführers wies das Brandenburgische Oberlandesgericht mit Urteil vom 25. Mai 2011 zurück. Zwar stehe nach dem erstinstanzlich eingeholten Sachverständigengutachten fest, dass die Anlage insgesamt mangelhaft sei. Dies beruhe allerdings auf den bereits vor der Beauftragung des Beklagten installierten Erdsonden. Hinsichtlich der Sonden oblag dem Beklagten zwar grundsätzlich eine Prüfungs- und Hinweispflicht. Da die Anlage bei der Abnahme aber unstreitig funktionstüchtig gewesen sei, könnten auch die Sonden zu diesem Zeitpunkt keinen Mangel aufgewiesen haben, der durch eine Prüfung des Beklagten aufzudecken gewesen wäre.

 

Mit seiner am 25. Juli 2011 eingegangenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung der Art. 52 Abs. 3 (rechtliches Gehör) und 4 (faires Verfahren) der Verfassung des Landes Brandenburg (LV). Er ist der Ansicht, der erstinstanzlich entscheidende Richter habe sein Recht auf ein faires Verfahren verletzt, indem er ihm die Beweislast für die Mangelhaftigkeit der Wärmepumpenanlage auferlegt und damit die Beweislastregeln verkannt habe. Sein Anspruch auf rechtliches Gehör sei berührt, weil das Landgericht nicht berücksichtigt habe, dass die Heizung nicht die vertraglich vereinbarte Leistung erbringe, die Wärmepumpe sich bei einem höheren Wärmebedarf abschalte und die Anlage deshalb mangelhaft sei. Das Brandenburgische Oberlandesgericht habe nicht zur Kenntnis genommen, dass der Beklagte eingeräumt habe, die Erdsonden vor dem Einbau der Wärmepumpe nicht untersucht zu haben, und sich nicht mit den Gewährleistungsansprüchen des Klägers auseinandergesetzt zu haben. Dies stelle ebenfalls eine Verletzung rechtlichen Gehörs und des Anspruchs auf ein faires Verfahren dar. Das Urteil sei nicht mehr verständlich, es verstoße gegen das Willkürverbot. Eine Anhörungsrüge gemäß § 321a Zivilprozessordnung (ZPO) habe nicht erhoben werden müssen; sie wäre von vornherein aussichtslos gewesen, weil sie von den Richtern, gegen die sich die Rüge richten würde, zu entscheiden gewesen wäre. Der Willkürakt habe im Wege der Anhörungsrüge nicht beseitigt werden können.

 

B.

Die Verfassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.

Sie ist als unzulässig zu verwerfen, weil der Beschwerdeführer entgegen § 45 Abs. 2 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) den Rechtsweg nicht erschöpft hat. Der Be­schwer­de­führer hat vor Erhebung der Verfassungs­be­schwerde alle nach Lage der Dinge ihm zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten zu ergreifen, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung ohne Inanspruchnahme des Verfassungsgerichtes zu erreichen (stän­dige Rechtsprechung, vgl. Beschluss vom 21. Januar 2011 – VfGBbg 63/10 - www.­ver­fas­sungsgericht.­bran­den­burg.­de). Hinsichtlich der Beanstandung des Beschwerdeführers, das Brandenburgische Oberlandesgericht habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 52 Abs. 3 LV) verletzt, steht ihm der Rechtsbehelf nach § 321a ZPO zur Verfügung. Es gehört zur Erschöpfung des Rechtswegs im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 1 VerfGGBbg, dass ein Beschwerdeführer im Zivilprozess die Möglichkeit einer Anhörungsrüge nutzt, bevor er Verfassungsbeschwerde erhebt (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschluss vom 21. Januar 2011, aaO). Die Durchführung des Gehörsrügeverfahrens war auch nicht entbehrlich. Zwar kann auf die Einlegung einer Anhörungsrüge nach § 321a ZPO verzichtet werden, wenn dieser Rechtsbehelf ohne jede Aussicht auf Erfolg ist (vgl. zum Bundesrecht: Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 18. Februar 2010 – 1 BvR 2477/08 -, NJW 2010, 1587). Dies wird etwa dann angenommen, wenn der Beschwerdeführer über Inhalt und Grenzen des Grundrechts auf rechtliches Gehör irrt und inhaltlich ein anderes Grundrecht als verletzt rügt, das er lediglich falsch bezeichnet (zum Bundesrecht: BVerfGK 7, 403, 407). Dies ist hier nicht der Fall. Der Beschwerdeführer rügt ausdrücklich, das Brandenburgische Oberlandesgericht habe Teile seines Vortrages, den er für relevant hält, unbeachtet gelassen. Danach kann der Schutzbereich des Art. 53 Abs. 3 LV berührt sein.

Der Einwand, die Gehörsrüge sei aussichtslos, weil die zur Entscheidung über die Anhörungsrüge berufenen Richter ihr eigenes Verhalten zu überprüfen hätten und deshalb notwendig voreingenommen seien, trägt nicht. Das Instrument der Anhörungsrüge setzt konzeptionell voraus, dass die Mitglieder eines Spruchkörpers ihre eigene Entscheidung unvoreingenommen einer kritischen Bewertung unterziehen. Die Gehörsrüge nach § 321a ZPO ermöglicht die Korrektur ansonsten unanfechtbarer Entscheidungen, die unter Verstoß gegen das Verfahrensgrundrecht des Art. 52 Abs. 3 LV ergangen sind. Die Entscheidung hat der Gesetzgeber den Fachgerichten selbst übertragen, weil diese sach- und zeitnah Abhilfe schaffen und damit die Effektivität des Rechtsschutzes sicherstellen können. Da sie nur gegen letztinstanzliche Entscheidungen eröffnet ist, hat der Spruchkörper, der die angefochtene Entscheidung getroffen hat, auch in eigener Sache über die Anhörungsrüge zu entscheiden. Das Instrument der Gehörsrüge dient der Verfahrenskontrolle, nicht der Sanktion richterlichen Verhaltens, deswegen ist allein wegen der Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf den mit der Ausgangsentscheidung befassten Richter mit einer Beeinträchtigung seiner Unparteilichkeit grundsätzlich nicht zu rechnen.

Konkrete Hinweise auf eine etwaige Voreingenommenheit der an dem Urteil vom 25. Mai 2011 beteiligten Richter bestehen nicht, insbesondere auch nicht deshalb, weil das angefochtene Urteil seinem Inhalt nach willkürlich wäre. Willkür wäre anzunehmen, wenn die Entscheidung ganz und gar unverständlich erschiene und auf einer Rechtsanwendung beruhte, die jeden Auslegungs- und Bewertungsspielraum überschritte (Beschlüsse vom 15. April 2010 - VfGBbg 5/10 – und vom 19. November 2010 – VfGBbg 39/10 –; jeweils www.verfas­sungs­­gericht.­bran­den­burg.­­­de). Dies wäre anzunehmen, wenn die Entscheidung unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar wäre und sich deshalb der Verdacht aufdränge, sie beruhe auf sachfremden Erwägungen (Beschlüsse vom 15. Oktober 2009 – VfGBbg 8/09 – und vom 19. November 2010 – VfGBbg 30/10 -, www.verfassungsgericht.­bran­den­burg.­­­de). Solche sind vorliegend nicht erkennbar: Das Brandenburgische Oberlandesgericht hat einen Gewährleistungsanspruch des Beschwerdeführers verneint, weil nach dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens die nicht ausreichende Leistungsfähigkeit der Anlage auf einem Defekt der Erdsonden beruhte, die bereits vor Installation der Wärmepumpenanlage bauseits vorhanden waren. Da die Wärmepumpenanlage zum Zeitpunkt der Abnahme funktionierte, ging das Gericht davon aus, das zu diesem Zeitpunkt die Erdsonden funktioniert haben müssen. Entsprechend hätte der Beklagte des Ausgangsverfahrens bei einer Überprüfung der Sonden vor Einbau seines Gewerks keinen Fehler feststellen können. Dass das Brandenburgische Oberlandesgericht somit im Ergebnis die Kausalität eines möglichen
Überwachungsfehlers verneint hat, ist nicht unvertretbar. Die Begründung bietet keinen Hinweis auf sachfremde Erwägungen.

Das Unterlassen der Einlegung des Rechtsbehelfs der Anhörungsrüge hat nicht nur zur Folge, dass die Verfassungsbeschwerde in Bezug auf die behauptete Verletzung des Anspruches auf rechtliches Gehör (Art. 52 Abs. 3 2. Alt LV) unzulässig ist. Vielmehr ist die Verfassungsbeschwerde dann – jedenfalls bei einem wie vorliegend einheitlichen Streitgegenstand des fachgerichtlichen Verfahrens – insgesamt, also auch hinsichtlich etwaiger weiterer Verstöße gegen Rechte des Beschwerdeführers aus der Landesverfassung unzulässig, weil nicht auszuschließen ist, dass die zur Fortsetzung des fachgerichtlichen Prozesses führende Anhörungsrüge auch bezogen auf diese Verstöße zur fachgerichtlichen Abhilfe geführt hätte (vgl. Beschluss vom 21. Januar 2011 – VfGBbg 63/10 – aaO).

C.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

Postier Dr. Becker
   
Dielitz Dr. Fuchsloch
   
Dr. Lammer Nitsche
   
Partikel Schmidt