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VerfGBbg, Beschluss vom 18. November 2004 - VfGBbg 237/03 -

 

Verfahrensart: Kommunalverfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 97; LV, Art. 98 Abs. 1
Schlagworte: - Gemeindegebietsreform
- kommunale Selbstverwaltung
- Verhältnismäßigkeit
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 18. November 2004 - VfGBbg 237/03 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 237/03



IM NAMEN DES VOLKES

 
B E S C H L U S S
In dem kommunalen Verfassungsbeschwerdeverfahren

Gemeinde Döberitz,
vertreten durch das Amt Premnitz,
dieses vertreten durch den Bürgermeister der Stadt Premnitz,
Liebigstraße 42,
14727 Premnitz,

Beschwerdeführerin,

Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwältin M.,

wegen: kommunale Neugliederung;
hier: Eingemeindung der Gemeinde Döberitz (Amt Premnitz) in die Stadt Premnitz

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Weisberg-Schwarz, Prof. Dawin, Havemann, Dr. Jegutidse, Dr. Knippel, Prof. Dr. Schröder und Prof. Dr. Will

am 18. November 2004

b e s c h l o s s e n :

Die kommunale Verfassungsbeschwerde wird teils verworfen, im übrigen zurückgewiesen.

G r ü n d e :

A.

Die Beschwerdeführerin, eine bisher dem Amt Premnitz angehörende Gemeinde, wehrt sich gegen ihre Auflösung durch Eingliederung in die Stadt Premnitz.

I.

1. Die Beschwerdeführerin liegt unmittelbar östlich der Stadt Premnitz im Landkreis Havelland. Sie grenzt östlich und nördlich an Gemeinden der Ämter Beetzsee (Landkreis Potsdam-Mittelmark) und Nennhausen sowie südlich an das bisherige Amt Milow mit der dort überwiegend die Grenze bildenden Havel. Die Beschwerdeführerin und die Stadt Premnitz - sowie bis zu ihrer vertraglichen Eingliederung zum 31. Dezember 2002 in die Stadt auch die Gemeinde Mögelin - gehörten dem nach dem sog. Amtsmodell 2 gebildeten Amt Premnitz an. Ende 2001 lebten von den etwa 10.800 Einwohnern des Amtsgebietes knapp 8.600, nach der Eingliederung Ende 2002 ca. 10.000, in der Stadt Premnitz und ca. 800 im Gebiet der Beschwerdeführerin. Das Amtsgebiet gehört zum Naturraum der Unteren Havelniederung.

2. Ende April/Anfang Mai 2002 versandte das Ministerium des Innern Anhörungsunterlagen für eine Anhörung der Beschwerdeführerin zu der beabsichtigten kommunalen Neugliederung mit der Gelegenheit zur Stellungnahme. In den ersten beiden Maiwochen wurden auch die Anhörungsunterlagen für die Anhörung der Bevölkerung an den Landrat des Landkreises Havelland versandt. Für die Anhörung der Bürger stand ein Monat zur Verfügung. Die Anhörung sollte vor dem Ende der Gemeindeanhörung abgeschlossen sein.

3. Im September desselben Jahres brachte die Landesregierung sechs Gesetzentwürfe zur landesweiten Gemeindegebietsreform in den Landtag ein. § 7 des Entwurfes zum Vierten Gesetz zur landesweiten Gemeindegebietsreform betreffend die

Landkreise Havelland, Potsdam-Mittelmark, Teltow-Fläming (4. GemGebRefGBbg) sah die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Stadt Premnitz und die Auflösung des bisherigen Amtes vor. Der Innenausschuß des Landtages, an den die Gesetzentwürfe nach der ersten Lesung verwiesen worden waren, führte am 23. Oktober 2002 vorab eine Anhörung zu grundsätzlichen Fragen durch. Für den 07. November 2002 erging zur Anhörung der Beschwerdeführerin eine Einladung an den ehrenamtlichen Bürgermeister, der zu dem Termin erschien und vor dem Ausschuß Stellung zu dem Vorhaben nahm. Das Gesetz wurde sodann im Frühjahr 2003 vom Landtag verabschiedet. § 7 des 4. GemGebRefGBbg vom 24. März 2003 (GVBl. I S. 73), am Tag der landesweiten Kommunalwahlen (26. Oktober 2003) in Kraft getreten (s. § 37 des 4. GemGebRefGBbg), lautet:

§ 7
Verwaltungseinheit Amt Premnitz

(1) Die Gemeinde Döberitz wird in die Stadt Premnitz eingegliedert.

(2) Das Amt Premnitz wird aufgelöst. Die Stadt Premnitz ist amtsfrei.

II.

Die Beschwerdeführerin hat am 01. Oktober 2003 kommunale Verfassungsbeschwerde erhoben. Sie macht geltend, ihre Eingliederung in die Stadt Premnitz sei schon deshalb verfassungswidrig, weil weder die Bevölkerung des unmittelbar betroffenen Gebietes noch sie selbst (als Gemeinde) ordnungsgemäß angehört worden sei. Die Anhörungsfehler seien „absolute Nichtigkeitsgründe“. Auf Fragen der Kausalität komme es nicht an. Daß sich von 302 Gemeinden, die der Gesetzgeber aufzulösen versucht habe, 250 mit kommunalen Verfassungsbeschwerden dagegen zu Wehr setzten, sei bereits „ernstes Indiz für die verfassungswidrige Gewalt der gesetzlichen Regelung“. Es fehle an dem Nachweis, daß die Beschwerdeführerin ungeeignet sei, den Anforderungen moderner Selbstverwaltung zu entsprechen. Der Abwägungsvorgang sei fehlerhaft.

Die Beschwerdeführerin beantragt festzustellen:

§ 7 des Vierten Gemeindegebietsreformgesetzes Brandenburg verletzt die Beschwerdeführerin in ihren verfassungsmäßigen Rechten und ist deshalb nichtig.

III.

Der Landtag Brandenburg, die Landesregierung, der Städte- und Gemeindebund Brandenburg und die Stadt Premnitz hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

B.

Die weitgehend zulässige kommunale Verfassungsbeschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.

I.

1. Die kommunale Verfassungsbeschwerde ist insofern unzulässig, als sie sich, wie die Verfahrensbevollmächtigte der Beschwerdeführerin zu gleichartigen kommunalen Verfassungsbeschwerden anderer Gemeinden des bisherigen Amtes Nauen-Land klargestellt hat, auch gegen die (hier in § 7 Abs. 2 des 4. GemGebRefGBbg bestimmte) Auflösung des bisherigen Amtes richten soll. Insoweit ist die Beschwerdeführerin nicht beschwerdebefugt. Eine amtsangehörige Gemeinde kann nach der Rechtsprechung des Landesverfassungsgerichtes, die entsprechend der (bloßen) verwaltungsmäßigen Hilfsfunktion des - wie immer zustandegekommenen bisherigen - Amtes für jedwede spätere Änderung der Amtszuordnung zu gelten hat, lediglich beanspruchen, daß ihr überhaupt eine geeignete (Amts-)Verwaltung, nicht aber, daß sie ihr in der bisherigen Form und in dem bisherigen Zuschnitt zur Verfügung steht (Beschluß vom 16. Mai 2002 - VfGBbg 57/01 -, LKV 2002, 515 sowie Urteil vom 29. August 2002 - VfGBbg 34/01 -, LKV 2002, 573, 574). Soweit sich die kommunale Verfassungsbeschwerde einer amtsangehörigen Gemeinde als begründet erweist und sie (folglich) als amtsangehörige Gemeinde fortbesteht, hat das Land dafür zu sorgen, daß ihr eine Verwaltung – durch Zuordnung zu einem Amt oder Bildung eines neuen Amtes, notfalls auch unter Wiederbelebung der früheren Amtsmodelle 2 oder 3 - zur Verfügung steht. Je nach Art der dann getroffenen Regelung, die also gegebenenfalls abzuwarten bleibt, mag Anlaß für eine darauf bezogene gerichtliche Überprüfung bestehen. Festhalten an dem einmal gefundenen Zuschnitt der Amtsverwaltung kann die einzelne Gemeinde das Land aber grundsätzlich nicht.

2. Im übrigen ist die kommunale Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin gemäß Art. 100 Verfassung des Landes Brandenburg (LV), §§ 12 Nr. 5, 51 Verfassungsgerichtsgesetz des Landes Brandenburg (VerfGGBbg) statthaft und auch sonst zulässig. Insbesondere ist die Beschwerdeführerin ungeachtet des zwischenzeitlichen Inkrafttretens der Neuregelung beteiligtenfähig. Eine Gemeinde gilt nach feststehender Rechtsprechung für die Dauer des gegen ihre Auflösung gerichteten Kommunalverfassungsbeschwerdeverfahrens als fortbestehend. Ebenso wird die Beschwerdeführerin im kommunalen Verfassungsbeschwerdeverfahren weiter durch das bisherige Amt vertreten. Die fortbestehende Beteiligtenfähigkeit erstreckt sich folgerichtig auf die Vertretungsverhältnisse.

II.

Die kommunale Verfassungsbeschwerde erweist sich aber in der Sache selbst als unbegründet. Die Auflösung von Gemeinden durch den Staat ist, wie sich unmittelbar aus Art. 98 Abs. 1 und 2 LV ergibt, nicht von vornherein ausgeschlossen. Die dafür ebenfalls nach Art. 98 Abs. 1 sowie Abs. 2 LV gezogenen Grenzen sind hier nicht verletzt.

1. Die nach der Landesverfassung geltenden Anhörungserfordernisse sind eingehalten worden. Im Hinblick auf die insoweit von der Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerin in einer Vielzahl von Verfahren kommunaler Verfassungsbeschwerde im wesentlichen gleichlautend vorgebrachten Einwände wird auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtes (vgl. u.a. Urteil vom 18. Dezember 2003 - VfGBbg 101/03 - und zuletzt ausführlich Beschluß vom 16. September 2004 - VfGBbg 118/03 - www.verfassungsgericht.brandenburg.de) Bezug genommen.

2. Die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Stadt Premnitz bleibt auch in der Sache selbst im Einklang mit der Landesverfassung.

a) In das Gebiet einer Gemeinde sowie - erst recht - in ihre körperschaftliche Existenz kann zufolge Art. 98 Abs. 1 LV nur aus Gründen des öffentlichen Wohls eingegriffen werden. Der Inhalt des Begriffes „öffentliches Wohl“ ist dabei im konkreten Fall vom Gesetzgeber auszufüllen, dem in dieser Hinsicht grundsätzlich – in dem von der Verfassung gesteckten Rahmen – ein Beurteilungsspielraum und politische Gestaltungsfreiheit in dem Sinne zukommt, daß er Ziele, Leitbilder und Maßstäbe selbst festlegen kann.

Das Verfassungsgericht überprüft zunächst, ob der Gesetzgeber den entscheidungsrelevanten Sachverhalt zutreffend und umfassend ermittelt hat. Dabei ist die verfassungsgerichtliche Kontrolle nicht eingeschränkt (BVerfGE 50, 50, 51 [Laatzen]; SächsVerfGH, Urteile vom 18. Juni 1999 - Vf.51-VIII-98 -, LVerfGE 10, 375, 394 [Markkleeberg] und vom 05. November 1999 - Vf. 133-VII-98 -, UA S. 13; ThürVerfGH LVerfGE 5, 391, 427 f. [Jena]; Dombert, NordÖR 2004, 6, 7 m.w.N.; s. auch Stüer, DVBl 1977, 1, 3; zur verfassungsgerichtlichen Kontrolle gesetzlicher Planungsentscheidungen s. auch BVerfG, Beschluß vom 17. Juli 1996 - 2 BvF 2/93 -, BVerfGE 95, 1, 22 f. [Südumfahrung Stendal]; 76, 107, 121 f.).

Das Verfassungsgericht prüft sodann, ob der Gesetzgeber den ermittelten Sachverhalt seiner Regelung zutreffend zugrundegelegt und die mit ihr einhergehenden Vor- und Nachteile in vertretbarer Weise gewichtet und in die Abwägung eingestellt hat. Hierbei darf sich das Verfassungsgericht nicht an die Stelle des Gesetzgebers setzen und hat seine Nachprüfung darauf zu beschränken, ob die Zielvorstellungen, Sachabwägungen, Wertungen und Einschätzungen des Gesetzgebers offensichtlich fehlerhaft, lückenhaft oder eindeutig widerlegbar sind oder der verfassungsmäßigen Wertordnung widersprechen. Die Bevorzugung einzelner und die gleichzeitige Hintanstellung anderer Belange bleibt dem Gesetzgeber so weit überlassen, als das mit dem Eingriff in den Bestand der Kommunen verbundene Abwägungsergebnis zur Erreichung der verfolgten Zwecke nicht offenkundig ungeeignet oder unnötig ist oder zu den angestrebten Zielen deutlich außer Verhältnis steht und frei von willkürlichen Erwägungen und Differenzierungen ist. Es ist dabei nicht die Aufgabe des Gerichts zu prüfen, ob der Gesetzgeber die beste und zweckmäßigste Neugliederungsmaßnahme getroffen hat (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteile vom 18. Juni 1998 – VfGBbg 27/97 –, LVerfGE 8, 97, 169 f. m.w.N. und vom 29. August 2002 – VfGBbg 34/01 –, UA S. 20, LKV 2002, 573, 575; ständige Rechtspr., u.a. Urteil vom 18. Dezember 2003 – VfGBbg 101/03 -, a.a.O.).

b) In Anwendung dieser Grundsätze hat sich hier der Gesetzgeber fehlerfrei auf den Standpunkt gestellt, daß für die Eingliederung der Beschwerdeführerin Gründe des öffentlichen Wohls vorliegen, und auf dieser Grundlage eine verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Regelung getroffen. Im einzelnen:

aa) Der Gesetzgeber hat sich ausreichend mit den tatsächlichen Verhältnissen befaßt.

Soweit er seine Abwägungsentscheidung maßgeblich darauf gestützt hat, daß sich die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Stadt Premnitz als Beitrag zur Lösung der Stadt-Umland-Problematik im äußeren Entwicklungsraum darstelle (vgl. LT-Drucksache 3/4883, S. 173 ff. sowie dem folgend Beschlußempfehlung des Innenausschusses zu § 7 des 4. GemGebRefGBbg nach Antrag Nr. 17 in Anlage 2 zu LT-Drucksache 3/5550), hat er diese Zentralort-Umland-Problematik ausführlich untersucht und beschrieben (s. Gesetzesbegründung zum 4. GemGebRefGBbg, LT-Drucksache 3/4883, S. 40 ff., 74 ff.). Amtsfreie Gemeinden sollen dort gebildet werden, wo es ausgeprägte Zentralorte als Kristallisationskerne größerer Gemeindestrukturen und entsprechende Zentralort-Umland-Verflechtungen gibt. Dies sei im äußeren Entwicklungsraum des Landes u.a. regelmäßig dort der Fall, wo sich Zentralorte der Kategorie Mittelzentrum oder Grundzentren mit Teilfunktionen eines Mittelzentrums befinden (LT-Drucksache 3/4883, S. 32 zu 2. a) bb) des Leitbildes). Die örtlichen Verhältnisse sind in den Gesetzesunterlagen zutreffend angesprochen (s. die Beschreibung der Gemeinde im „Neugliederungssachverhalt“ in LT-Drucksache 3/4883, S. 169 ff.). Hierbei wurden für die einzelnen Gemeinden durchaus Besonderheiten gesehen, z.B. auf Seiten der Beschwerdeführerin eine - wenngleich durch Schwankungen auf der Einnahmenseite gekennzeichnete - gute finanzielle Situation, das Vorhandensein eines Norma-Einkaufsmarktes, einer Kindertagesstätte, eines Gemeindezentrums und einiger Industrie- und Gewerbebetriebe, von denen einige aus dem früheren Chemiefaserwerk Premnitz hervorgegangen sind oder sonst mit ihm im Zusammenhang stehen (vgl. LT-Drucksache 3/4883, S. 173 ff.; s. auch Beschlußempfehlung des Innenausschusses zu § 7 des 4. GemGebRefGBbg, Anlage 2 zu LT-Drucksache 3/5550, S. 2). Auch die Verhältnisse der Stadt Premnitz sind zureichend einbezogen (LT-Drucksache 3/4883, ebda.). Dabei bezieht sich der Gesetzgeber mit dem als entscheidend erachteten Gesichtspunkt, daß Premnitz ein Grundzentrum mit Teilfunktionen eines Mittelzentrums ist, nicht auf die Ausweisungen in Raumordnungsplänen. Vielmehr hat er die zentralen Funktionen und gegenwärtigen Verflechtungen, auf die er abstellt, selbst ermittelt. Als grundsätzlich wesentliche Elemente einer ausgeprägten Zentralort-Umland-Verflechtung finden sich außer dem Zahlenverhältnis von zuletzt ungefähr 10.000 Einwohnern der Stadt Premnitz gegenüber nur etwas über 800 Einwohnern der unmittelbar benachbarten Beschwerdeführerin mehrere Schulen (Grundschule, Gymnasium und allgemeine Förderschule), Kinderhort, umfängliche Einkaufs- und Dienstleistungseinrichtungen einschließlich des Gesundheitswesens, eine intensive Anbindung der Beschwerdeführerin an den nur 2 bis 3 km entfernten Ortskern von Premnitz auch durch öffentlichen Personennahverkehr und ein reger Berufsverkehr (200 Auspendler und über 300 Einpendler auf dem Gebiet der Beschwerdeführerin; vgl. LT-Drucksache 3/4883, S. 173 ff.). Nicht zu beanstanden ist, daß der Gesetzgeber auch darauf abgestellt hat, daß dem Rückgang der Einwohnerzahl von Premnitz von über 10.500 auf 8.600 zwischen 1992 und 2001 eine gewisse Bevölkerungszunahme in den umliegenden Gemeinden, am stärksten im jüngst vertraglich eingemeindeten Mögelin, aber auch auf dem Gebiet der Beschwerdeführerin, gegenübersteht (vgl. LT-Drucksache 3/4883, S. 169 und Angabe des ehrenamtlichen Bürgermeisters der Beschwerdeführerin in der Anhörung vor dem Innenausschuß, Ausschußprotokoll 3/649, S. 48). Denn dies verdeutlicht Zusammenhänge einer als typisch angesehenen Stadt-Umland-Wanderung. Darüber hinaus brauchte der Gesetzgeber nicht festzustellen, wie viele Bewohner der Beschwerdeführerin wie oft die in Premnitz vorgehaltenen öffentlichen Einrichtungen und sonstigen Angebote nutzen. Es liegt auf der Hand, daß diese von Bewohnern aus dem Umland mangels vergleichbarer und in der Nähe gelegener Alternativen in Anspruch genommen werden.

bb) Dem Gesetzgeber stehen im Sinne von Art. 98 Abs. 1 LV Gründe des öffentlichen Wohls zur Seite. Er beruft sich ausweislich der Gesetzesbegründung und der Beschlußempfehlung des Innenausschusses für die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Stadt Premnitz wesentlich auf den Änderungsbedarf der brandenburgischen Gemeindestruktur im Umland regionaler Zentren des äußeren Entwicklungsraums und auf das Ziel der Ablösung des sog. Amtsmodells 2 durch Bildung größerer amtsfreier Gemeinden (vgl. 2. a) bb) und cc) des Leitbildes, LT-Drucksache 3/4883, S. 19 f.).

Daß die Behebung von Strukturproblemen im Stadtumland ein Grund des öffentlichen Wohls ist, der eine kommunale Neugliederung zu rechtfertigen vermag, hat das Landesverfassungsgericht bereits in seinen Urteilen vom 18. Dezember 2003 - VfGBbg 101/03 - und - VfGBbg 97/03 - (in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung anderer Landesverfassungsgerichte, s. etwa SächsVerfGH SächsVBl 1999, 236, 239; ThürVerfGH NVwZ-RR 1997, 639, 643) entschieden. Auch im Schrifttum wird dies grundsätzlich nicht in Zweifel gezogen (s. etwa Hoppe/Stüer, DVBl 1992, 641, 642 f.; v. Unruh/Thieme/Scheuner, Die Grundlagen der kommunalen Gebietsreform, 1981, S. 116, 118 f.). Das Stadt-Umland-Verhältnis wirft eine Reihe schwieriger Abklärungs- und Koordinationsfragen auf. Planung und Betrieb öffentlicher Einrichtungen - Kindergärten und -krippen, Schulen (einschließlich weiterführender Schulen), Horte, Sportstätten, Bibliotheken, Schwimmbäder, Feuerwehren, Kultureinrichtungen (etwa: Kulturhäuser, Heimatmuseen) - erfordern Abstimmung und Absprache. Auch für Infrastrukturausbau, Wirtschaftsförderung, Abfall- und Abwasserbeseitigung sowie Trinkwasserversorgung empfiehlt sich ein gemeinsames Handeln.

Ebenso ist das vom Gesetzgeber hier des weiteren herangezogene Ziel der Ablösung des sog. Amtsmodells 2 von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Der Gesetzgeber verläßt den Rahmen seiner politischen und organisatorischen Gestaltungsfreiheit und den ihm durch die Verfassung insoweit gewährleisteten Beurteilungsspielraum nicht, wenn er grundsätzlich an die Stelle der - durch einen hinsichtlich der weiteren amtsangehörigen Gemeinden einer auch nur mittelbaren demokratischen Legitimation entbehrenden hauptamtlichen Bürgermeister einer geschäftsführenden Gemeinde gekennzeichneten - Verwaltungsstruktur künftig das Modell der amtsfreien Gemeinde mit ihrer Direktwahl des hauptamtlichen Bürgermeisters durch die Gemeindebürger (vgl. § 62 GO) setzt (vgl. LT-Drucksache 3/4883, S. 33). Daß der Gesetzgeber konsequent der unmittelbaren demokratischen Legitimation den Vorrang zugesprochen hat, indem er - abgesehen vom Fall einer sinnvoll erscheinenden ämterübergreifend größeren Struktur (Zusammenschluß zweier Ämter oder von Teilen mehrerer Ämter) (vgl. 2 a) cc) Satz 2 des Leitbildes, LT-Drucksache 3/4883, S. 20) - ausschließt, daß nach der Auflösung eines Amtes des Modells 2 ein Amt des Modells 1 geschaffen wird, ist vertretbar. Er vermeidet damit, daß eine „Herabstufung“ der bislang geschäftsführenden Gemeinde dergestalt geschieht, daß sie nicht allein die Geschäftsführungsbefugnis für weitere Gemeinden verliert, sondern ihr zudem weitreichend Verwaltungsbefugnisse für die eigene Gemeinde bzw. Stadt ohne Kompensation entzogen werden. Auch würde der Amtsdirektor der nach dem Modell 1 erst neu zu schaffenden Amtsverwaltung lediglich von mittelbarer demokratischer Legitimation getragen, während der Amtsdirektor des Modells 2 immerhin als Bürgermeister seiner eigenen Gemeinde unmittelbar demokratisch legitimiert war und vielmehr der Bürgermeister einer künftig amtsfreien Gemeinde diese Legitimation für die gesamte Gemeinde innehat (vgl. LT-Drucksache 3/4883, S. 33).

cc) Zur Bewältigung dieser Strukturfragen ist die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Stadt Premnitz nicht offensichtlich ungeeignet. Das Landesverfassungsgericht vermag nicht zu erkennen, daß das Ziel einer Bereinigung der Strukturprobleme im Premnitzer Stadt-Umland-Bereich durch die Zusammenführung in einen einheitlichen Aufgaben- und Verwaltungsraum eindeutig verfehlt würde.

dd) Die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Stadt Premnitz ist nicht unverhältnismäßig.

So lassen sich die hier in Frage stehenden Stadt-Umland-Probleme entgegen der Einschätzung der Beschwerdeführerin nicht etwa ebenso gut durch interkommunale Zusammenarbeit bewältigen. Interkommunale Zusammenarbeit, in welcher Form auch immer (in Gestalt von Zweck- oder Planungsverbänden, Arbeitsgemeinschaften oder Kapitalgesellschaften oder durch öffentlich-rechtliche Kooperationsverträge), kann typischerweise jeweils nur einen Teilbereich der Probleme lösen helfen. Sie wirft zudem ihrerseits Abstimmungs- und Kooperations- sowie Rechts- und Personalfragen auf. Im Vergleich zu einer gemeindlichen Neuordnung ist die interkommunale Zusammenarbeit schwächer und instabiler.

Auch ansonsten ist eine geeignetere Alternative zu der Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Stadt Premnitz nicht auszumachen. Der Gesetzgeber hat die damit verbundenen Vor- und Nachteile in nicht zu beanstandender Weise gegeneinander abgewogen und ist zu einem verfassungsrechtlich vertretbaren Ergebnis gelangt.

Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz müssen die für eine Auflösung der Gemeinde sprechenden Gründe des öffentlichen Wohls gegenüber den für den Fortbestand der einzugliedernden Gemeinde sprechenden Gründen erkennbar überwiegen (vgl. hierzu BayVerfGH BayVBl 1981, 399, 400 f.; s. auch NdsStGH OVGE 33, 497, 503; StGH BW NJW 1975, 1205, 1211). Dies ist hier - nach der vertretbaren Wertung des Gesetzgebers - der Fall. Da die kommunale Selbstverwaltung auch dazu dient, die Bürger zu integrieren, den Menschen ein Zugehörigkeitsgefühl („Heimat“) zu vermitteln und damit die Grundlagen der Demokratie zu stärken, ist die Reform der Gemeindestruktur nicht ausschließlich an Rationalisierung und Verbesserung der Effizienz der Verwaltungsorganisation zu messen. Eine Gemeinde darf nicht ohne Berücksichtigung von Besonderheiten allein aus Gründen der Strukturbereinigung aufgelöst werden. Andernfalls kann der Eingriff in die Existenz einer Gemeinde und die dadurch bewirkte Beeinträchtigung der örtlichen Verbundenheit außer Verhältnis zu dem angestrebten Vorteil geraten (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 29. August 2002 - VfGBbg 34/01 - [Kreuzbruch], UA S. 23, LKV 2002, 573 = NJ 2002, 642).

Vorliegend besitzen indes nach der vertretbaren Abwägung des Gesetzgebers die für die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Stadt Premnitz sprechenden Gründe das größere Gewicht. Dem Gesetzgeber war die Bedeutung der kommunalen Selbstverwaltung gegenwärtig. Er hat die Belange der Einwohner durchaus im Blick gehabt und sich damit, ablesbar aus der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfs (s. LT-Drucksache 3/4883, S. 167 ff.; s. auch S. 63 ff., 80 f.) und den Beratungen im Landtag und seinen Ausschüssen (Beschlußempfehlung des Innenausschusses zu § 7 des 4. GemGebRefGBbg, Anlage 2 zu LT-Drucksache 3/5550, S. 2 f.), auseinandergesetzt. Auf der anderen Seite hat er jedoch als gegenläufige Belange in zulässiger und vertretbarer Weise außer der Bereinigung der Stadt-Umland-Probleme im Raum Premnitz namentlich die Steigerung der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Verwaltung durch die Zusammenführung in eine einheitliche Kommune, Gesichtspunkte der Raumordnung sowie das Ziel der Ablösung des sog. Amtsmodells 2, einer Aufgabenwahrnehmung durch den hinsichtlich der weiteren Gemeinden einer unmittelbaren demokratischen Legitimation entbehrenden hauptamtlichen Bürgermeister einer geschäftsführenden Gemeinde, in seine Abwägung eingestellt und ihnen die größere Bedeutung beigemessen (vgl. LT-Drucksache 3/4883, 2 a) bb) und cc) des Leitbildes, S. 33, 173 ff. sowie S. 2 der Beschlußempfehlung des Innenausschusses zu § 7 des 4. GemGeb-RefGBbg, Anlage 2 zu LT-Drucksache 3/5550).

Zu der Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Stadt Premnitz gibt es auch im übrigen keine zur Erreichung des gesetzgeberischen Ziels mindestens ebenso geeignete Alternative. Der Gesetzgeber durfte seiner Entscheidung zugrundelegen, daß die Strukturaussage 2 d) bb) seines Leitbildes für den Regelfall anstrebt, daß Gemeinden innerhalb der Grenzen der bestehenden Ämter zusammengeschlossen werden und es daher konsequent und leitbildgerecht ist, sämtliche Gemeinden des bisherigen Amtes Premnitz zu vereinigen, also unter Einbeziehung auch der Beschwerdeführerin, da ein Abweichungsfall, ähnlich den in 2 d) bb) Satz 2 des Leitbildes angeführten Beispielen (zur Stärkung der Zentralorte nach Landesentwicklungsplan I bzw. nach den Regionalplänen sowie zur Schaffung von Verwaltungseinheiten annähernd gleicher Leistungskraft geboten), nicht ersichtlich ist (vgl. u.a. VfGBbg, Beschluß vom 24. Juni 2004 - 148/03 - [Altglietzen], S. 24 f. des EA; aber zur Nichtanwendbarkeit dieser Leitbildregelung, wenn das bisherige Amt durch das Gesetz ohnehin amtsgebietsüberschreitend neugegliedert wird: VfGBbg Beschlüsse vom 27. Mai 2004 - 63/03 und 138/03 [Herzsprung, Königsberg], S. 18 EA). Es ist von Verfassungs wegen nichts dagegen zu erinnern, wenn der Gesetzgeber unter Meidung einer aufwendigen Vermögensauseinandersetzung (vgl. § 21 Abs. 1 Satz 4, § 22 des 4. GemGebRefGBBg) an ein regelmäßig seit Jahren stattfindendes Zusammenwirken von Gemeinden eines Amtes anknüpft und nach Ablösung des Amtsmodells 2 durch eine amtsfreie Gemeinde eine Fortführung der Gemeinschaft in Gestalt der amtsfreien Gemeinde präferiert, soweit - wie hier - keine besonderen Umstände stärker für eine (ggf. nur partiell) die bisherigen Amtsgrenzen überschreitende Lösung sprechen. Dies wird zudem noch dadurch unterstrichen, daß der von der Beschwerdeführerin als erwägenswert angesehenen Variante einer Anknüpfung an das bisherige Amt Milow die trennende Wirkung der Havelniederung südlich der Beschwerdeführerin und die fehlende direkte Verkehrsanbindung - wie dies auch in nördlicher Richtung zur bisherigen Gemeinde Bamme des Amtes Nennhausen zutrifft - hinderlich sind. In beiden Fällen müssen Einwohner der Beschwerdeführerin einen Umweg über Premnitz oder die im Nachbarkreis Potsdam-Mittelmark gelegene Stadt Havelsee nehmen. Eine - auch von der Beschwerdeführerin nicht in nähere Erwägung gezogene - Alternative ihrer kreisgrenzenüberschreitenden Gliederung zum Amt Beetzsee durfte der Gesetzgeber mit Blick auf die Festsetzung 2 d) aa) seines Leitbildes mangels Ausnahmefalles ausscheiden.

ee) Auch im übrigen läßt die Abwägung des Gesetzgebers keine seine Entscheidung in Frage stellenden Defizite erkennen.

Er hat die Problematik der Verlagerung der Finanz- und Planungshoheit gesehen und demgegenüber dem Vorteil der Bündelung der finanziellen Möglichkeiten infolge der Neugliederung im Verbund der Gesamtabwägung und mit Blick auf gestärkte Instrumente der Ortschaftsverfassung (§§ 54 - 54 e GO) sowie die Pflicht einer jeden Gemeinde und Stadt, für das soziale, kulturelle und wirtschaftliche Wohl aller ihrer Einwohner, für eine harmonische Gestaltung der Gemeindeentwicklung, zu sorgen (vgl. u.a. § 1 Abs. 2 Sätze 2 und 3, § 3 Abs. 2 GO), in vertretbarer Weise höheres Gewicht zuerkannt (vgl. LT-Drucksache 3/4883, S. 84 f.).

Der Gesetzgeber war an einer Eingliederung der selbst - wenngleich mit Schwankungen auf der Einnahmenseite - finanzkräftigen Beschwerdeführerin in die einwohnerbezogen nur wenig finanzschwächere Stadt Premnitz auch nicht durch deren - unter dem Landesdurchschnitt liegende - Verschuldung gehindert. Diese Verschuldung beruht jedenfalls teilweise auch darauf, daß (Infrastruktur-)Einrichtungen geschaffen worden sind, die zugleich den Menschen aus dem Umland zugute kommen. Insofern ist eine Beteiligung des Umlandes an der Kosten- und Schuldenlast nicht unangemessen. Unabhängig davon ist die Finanzlage naturgemäß nicht von Dauer, sondern veränderlich. Die wirtschaftliche Entwicklung des Gesamt-Neugliederungsgebietes ist so oder so nicht sicher einschätzbar.

Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist schließlich auch, wie der Gesetzgeber den geäußerten Willen der Bevölkerung gewichtet hat. Die aus der Anhörung der Bevölkerung der Beschwerdeführerin resultierenden Stellungnahmen und das Ergebnis des Bürgerentscheids vom 20. Januar 2002 (vgl. LT-Drucksache 3/4883, S. 167 f.) zur beabsichtigten Neugliederung lagen im Landtag vor und sind damit in das Gesetzgebungsverfahren eingeflossen (vgl. LT-Drucksache 3/4883, S. 167 f., 174 f.). An das sich daraus ergebende Stimmungsbild ist der Gesetzgeber aber nicht gebunden. Das Ergebnis der Anhörung der Bevölkerung stellt vielmehr nur ein Merkmal unter weiteren Gesichtspunkten dar, die für die Ermittlung der Gründe des öffentlichen Wohles und damit für die Abwägungsentscheidung des Gesetzgebers von Bedeutung sind. Bei einer allgemeinen Gebietsreform geht es eben auch darum, größere Räume neu zu gliedern, so daß nicht nur örtliche Gegebenheiten - wie etwa die Akzeptanz des Vorhabens bei den Bürgern der einzelnen Gemeinde - ins Gewicht fallen. Hiervon ausgehend hat sich der Landtag in den Grenzen seiner Entscheidungsfreiheit bewegt, als er nicht dem Ergebnis der Anhörung der Bevölkerung gefolgt ist, sondern den für die Eingliederung der Beschwerdeführerin nach Premnitz sprechenden Umständen, dem Ziel der Schaffung eines einheitlichen Lebens-, Arbeits- und Wirtschaftsraumes im Umfeld größerer brandenburgischer Städte, auch hier das höhere Gewicht beigemessen hat.

C.

Das Verfassungsgericht hat einstimmig eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten, § 22 Abs. 1 2. Alt. VerfGGBbg.
 

Havemann Prof. Dawin
   
Dr. Knippel Dr. Jegutidse
 
Prof. Dr. Will Prof. Dr. Schröder