VerfGBbg, Beschluss vom 18. Oktober 2013 - VfGBbg 25/13 -
Verfahrensart: |
Verfassungsbeschwerde Hauptsache |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - LV, Art. 32 Abs. 1 - VerfGGBbg, § 45 Abs. 1 |
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Schlagworte: | - Selbstverwaltungsrecht der Hochschulen - studentische Beteiligung an der Selbstverwaltung - Beteiligtenfähigkeit |
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Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 18. Oktober 2013 - VfGBbg 25/13 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 25/13
IM NAMEN DES VOLKES
B e s c h l u s s
In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren
Studierendenschaft der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) Cottbus,
vertreten durch das Studierendenparlament,
dieses vertreten durch den Studierendenrat,
dieser vertreten durch den Vorsitzenden,
Beschwerdeführerin,
Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte G.
wegen des Gesetzes zur Neustrukturierung der Hochschulregion Lausitz vom 11. Februar 2013 (GVBl 2013 I Nr. 4)
hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dielitz, Dresen, Dr. Fuchsloch, Dr. Lammer, Partikel und Schmidt
am 18. Oktober 2013
b e s c h l o s s e n:
Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.
G r ü n d e:
A.
I.
Die Beschwerdeführerin war bis zum 30. Juni 2013 die Studierendenschaft der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus (BTU), einer staatlichen Hochschule nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Brandenburgisches Hochschulgesetz (BbgHG) in der bis zum 30. Juni 2013 geltenden Fassung. Durch das am 12. Februar 2013 verkündete und am 1. Juli 2013 in Kraft getretene Gesetz zur Neustrukturierung der Hochschulregion Lausitz vom 11. Februar 2013 (GVBl 2013 I Nr. 4 – Hochschulneustrukturierungsgesetz) sind die BTU und die Hochschule Lausitz (FH) zum 1. Juli 2013 in der neu errichteten Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTUCS) aufgegangen, wobei diese die Fakultäten, Studiengänge, das Hochschulpersonal und die Studenten der zusammengelegten Hochschulen als deren Rechtsnachfolgerin übernommen hat. Die Beschwerdeführerin und die Studierendenschaft der Hochschule Lausitz (FH) wurden am 1. Juli 2013 zur Studierendenschaft der BTUCS (§ 18 Abs. 1 Hochschulneustrukturierungsgesetz).
II.
Die Beschwerdeführerin hat am 30. April 2013 Verfassungsbeschwerde erhoben. Zugleich hat sie einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt, mit dem sie erreichen wollte, dass Teile des Hochschulneustrukturierungsgesetzes bis zu einer Entscheidung über ihre Verfassungsbeschwerde nicht in Kraft treten. Diesen Antrag hat das Verfassungsgericht mit Beschluss vom 19. Juni 2013 (VfGBbg 5/13 EA) als unzulässig verworfen.
Die Beschwerdeführerin macht geltend, sie sei durch das Hochschulneustrukturierungsgesetz in ihrem Recht auf Selbstverwaltung aus Art. 32 Abs. 1 der Landesverfassung (LV) verletzt. Der Gesetzgeber habe sie im Gesetzgebungsverfahren nicht angehört, obgleich ihr aus Art. 32 Abs. 1 LV ein Recht auf Beteiligung zugestanden habe. Sie habe ein berechtigtes Interesse, die Zusammenlegung von BTU und Hochschule Lausitz (FH) mitzugestalten, weil diese die Rahmenbedingungen und die Ausformung des Studiums unmittelbar betreffe. Bereits im Februar 2012 habe die Neugründung der BTUCS unter Auflösung der BTU und der Hochschule Lausitz (FH) festgestanden; seitdem seien die Entscheidungsträger einer ergebnisoffenen Diskussion nicht mehr zugänglich gewesen. Die angegriffenen Vorschriften seien mit Blick auf diesen Anhörungsmangel auch materiell verfassungswidrig, weil der Gesetzgeber seine aus der Selbstverwaltungsgarantie resultierende Pflicht nicht erfüllt habe, den Sachverhalt umfassend zu ermitteln, seiner Regelung zugrundezulegen und die mit ihr einhergehenden Vor- und Nachteile zu gewichten und in die Abwägung einzustellen. Die unzureichende Sachverhaltsermittlung ergebe sich ferner daraus, dass der Gesetzgeber die Empfehlungen der beiden vom Land eingesetzten Expertenkommissionen nicht berücksichtigt habe, die BTU und die Hochschule Lausitz (FH) zu erhalten. Zudem habe sich der Gesetzgeber von sachfremden Erwägungen leiten lassen, indem er die Berichte der Expertenkommissionen evident fehlerhaft dahingehend interpretiert habe, dass sie eine Fusion der beiden Hochschulen befürworteten.
Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß
festzustellen, dass Art. 1 §§ 1, 5, 7, 8, 9, 12, 18, 20, 21 des Gesetzes zur Neustrukturierung der Hochschulregion Lausitz vom 11. Februar 2013 (GVBl 2013 I Nr. 4) sie in ihrem Recht der Selbstverwaltung aus Art. 32 Abs. 1 LV verletzt und nichtig ist.
III.
Der Landtag und die Landesregierung hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
B.
Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) als unzulässig zu verwerfen.
Die Beschwerdeführerin ist nicht beteiligtenfähig, unabhängig von der Frage, ob sie für die Dauer des Verfahrens gegen den ihre Auflösung bewirkenden Rechtsakt als fortbestehend zu fingieren sein könnte (vgl. zur Auflösung von Gemeindeverbänden, Urteil vom 14. Juli 1994 – VfGBbg 4/93 – LVerfGE 2, 125, 133; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12. Juni 2003 – 8 B 640/03 -, zitiert nach juris Rn.6). Nach § 45 Abs. 1 VerfGGBbg kann jeder mit der Behauptung, durch die öffentliche Gewalt des Landes Brandenburg in einem in der Verfassung gewährleisteten Grundrecht verletzt zu sein, Verfassungsbeschwerde erheben. „Jeder“ in diesem Sinne – und damit beteiligtenfähig – ist dabei nur, wer Träger von Grundrechten sein kann. Kommen juristischen Personen oder Körperschaften des öffentlichen Rechts schon nur ausnahmsweise wehrfähige Grundrechtspositionen zu, so ist kaum denkbar, dass deren Behörden oder Organen nach allgemeinen Grundsätzen die verfassungsmäßige Befugnis zugewiesen sein kann, Eingriffe des Staates in diese öffentlich-rechtlich verfassten juristischen Personen oder Körperschaften abzuwehren (vgl. Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, Kommentar zum Bundesverfassungsgerichtsgesetz, Loseblatt, Stand März 2010, § 90 Rn. 145, 194).
Zwar ist die Beschwerdeführerin einfachrechtlich nach § 15 Abs. 1 Satz 2 Brandenburgisches Hochschulgesetz (BbgHG) eine rechtsfähige Teilkörperschaft der BTU. Allein die Universität ist jedoch die Trägerin des Selbstverwaltungsrechts aus Art. 32 Abs. 1 LV. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 BbgHG haben „sie“ – die staatlichen Hochschulen – „das Recht der Selbstverwaltung im Rahmen der Gesetze …“; die Beschwerdeführerin ist hieran nur beteiligt (Art. 32 Abs. 1 Hs. 2 LV, § 15 Abs. 1 Satz 4 Nr. 3 BbgHG). Damit leitet sich die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin von der der BTU ab und ist an diese gebunden. Sie ist auf ein Wirken im Rahmen der Wissenschafts- und Lehranstalt der BTU gerichtet und setzt deren Existenz voraus, auf welche die Beschwerdeführerin ihrerseits keinen originären (eigenen) Anspruch haben kann. Sollte der BTU selbst unter bestimmten Voraussetzungen ein Anspruch auf ihren Fortbestand zukommen können, so stünde die Geltendmachung dieses Anspruchs jedenfalls nicht der Beschwerdeführerin zu.
Soweit der von der Beschwerdeführerin als verletzt gerügte Art. 32 Abs. 1 LV die Studierenden an dem Recht auf Selbstverwaltung beteiligt, erscheint es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die Studierendenschaft einer Hochschule eine Verletzung verfassungsrechtlich geschützter studentischer Beteiligungsrechte mit der Verfassungsbeschwerde auch geltend machen könnte. Der Verfassungsgeber hat in Art. 32 Abs. 1 LV das in §§ 36 f Hochschulrahmengesetz (HRG) vorgezeichnete Modell der sog. Gruppenuniversität verankert, demzufolge alle an der Universität Beschäftigten, einschließlich der typischerweise keine Wissenschaftsfreiheit ausübenden Gruppen wie etwa Studierende oder das Verwaltungspersonal, an der Selbstverwaltung beteiligt und mitspracheberechtigt sind (Ernst, in: Lieber/Iwers/Ernst, Kommentar zur Landesverfassung, 2012, Art. 32 Nr. 2; zur grundsätzlichen Vereinbarkeit der Gruppenuniversität mit dem Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 Grundgesetz, dessen Schutz die universitäre Selbstverwaltung dient: BVerfGE 35, 79, 124 ff), und den Gesetzgeber in Art. 32 Abs. 5 LV mit der näheren Ausgestaltung dieses Modells beauftragt. Dieser hat im Brandenburgischen Hochschulgesetz mit der – nach § 41 HRG zulässigen - Einführung einer verfassten und ihre Angelegenheiten selbstverwaltenden Studierendenschaft als Zwangskorporation aller Studierenden (§ 15 Abs. 1 Satz 1, Satz 3 BbgHG) sowie der Regelung von deren Aufgaben (etwa Wahrnehmung der Interessen der Studierenden und Mitwirkung an der Erfüllung der Hochschulaufgaben, § 15 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 und 3 BbgHG), die organisatorische Grundentscheidung getroffen, dass die studentische Mitwirkung an der Selbstverwaltung jedenfalls teilweise durch die Studierendenschaft der jeweiligen Hochschule wahrgenommen wird.
Danach wäre die Beschwerdeführerin in verfassungsrechtlich geschützten Beteiligungsrechten nur dann betroffen – und damit prozessual beteiligtenfähig -, wenn die angegriffenen Regelungen die universitäre Selbstverwaltung der BTU (etwa in Gestalt der Aufgabenverteilung, der Organkompetenzen und der Organbildung), die studentische Mitwirkung an dieser oder die Verwaltungsautonomie der Beschwerdeführerin in ihren Angelegenheiten berührten. Um derartige binnenstrukturelle (horizontale) Einwirkungen auf die interne Organisation und Ausübung der Hochschulselbstverwaltung (vgl. hierzu Lindner, in: Lindner/Möstl/ Wolff, Kommentar zur Verfassung des Freistaates Bayern, 2009, Art. 108 Rn. 59 mit Fn. 99, Art. 138 Rn. 27 f) geht es bei der Entscheidung des Gesetzgebers, die BTU aufzulösen, jedoch nicht.
C.
Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.
Möller | Dr. Becker |
Dielitz | Dresen |
Dr. Fuchsloch | Dr. Lammer |
Partikel | Schmidt |