VerfGBbg, Beschluss vom 18. Mai 2006 - VfGBbg 5/04 -
Verfahrensart: |
Kommunalverfassungsbeschwerde Hauptsache |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - LV, Art. 97; LV, Art. 98 Abs. 1 | |
Schlagworte: | - Gemeindegebietsreform - kommunale Selbstverwaltung - Verhältnismäßigkeit |
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Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 18. Mai 2006 - VfGBbg 5/04 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 5/04

IM NAMEN DES VOLKES |
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In dem kommunalen
Verfassungsbeschwerdeverfahren
Gemeinde Ossendorf, Beschwerdeführerin, Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte E.
hat das Verfassungsgericht des Landes
Brandenburg am 18. Mai 2006 b e s c h l o s s e n : Die kommunale Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen. G r ü n d e : A. Die dem Amt Neuzelle angehörende Beschwerdeführerin wehrt sich gegen ihre Eingliederung in die amtsangehörige Gemeinde Neuzelle. I. 1. Die Beschwerdeführerin, eine Gemeinde im äußeren Entwicklungsraum des Landes Brandenburg, gehörte zum nach dem sogenannten Modell 1 gebildeten Amt Neuzelle mit Sitz der Amtsverwaltung in Neuzelle. Das im Landkreis Oder-Spree gelegene Amt grenzt im Süden an den Landkreis Spree-Neiße, im Westen an das Amt Schlaubetal, im Norden an die amtsfreie Stadt Eisenhüttenstadt und im Osten an die Republik Polen. Nachdem das Amt 1992 zunächst aus 17 Gemeinden gebildet worden war, reduzierte sich die Anzahl der amtsangehörigen Gemeinden durch den freiwilligen Zusammenschluß von elf Gemeinden zur Gemeinde Neuzelle und von vier Gemeinden zur neuen Gemeinde Neißemünde mit Wirkung zum 31. Dezember 2001 auf vier. Das Amt bestand fortan aus den Gemeinden Neuzelle, Neißemünde, Lawitz und der - vollständig von der Gemeinde Neuzelle umgebenen - Beschwerdeführerin. Das mit einer Fläche von ca. 182 km² über dem Landesdurchschnitt (161 km²) und einer Bevölkerungsdichte von ca. 39 Einwohnern pro km² unter dem Landesdurchschnitt (87 Einwohner pro km², im äußeren Entwicklungsraum 49 Einwohner je km²) liegende Amt hatte 7.215 Einwohner (Stichtag 31. Dezember 2001). Von diesen lebten ca. 4.410 in Neuzelle, ca. 1.900 in Neißemünde, ca. 700 in Lawitz und 208 in der Beschwerdeführerin. Nach einem in den Jahren 1992 bis 2001 im Amt mit 11 % zu verzeichnenden Bevölkerungsanstieg, der sich in der Beschwerdeführerin geringer auswirkte, soll nach statistischen Erhebungen bis 2015 ein Rückgang der Einwohnerzahl im Amt einsetzen. 2. Bei zwei Bürgerentscheiden im September 2001 und im Februar 2002 über einen freiwilligen Zusammenschluß mit den anderen amtsangehörigen Gemeinden zur Gemeinde Neuzelle sprachen sich 71 bzw. 69 Bürger gegen und 42 bzw. 50 Bürger für den Zusammenschluß aus. 3. Ende April/Anfang Mai 2002 versandte das Ministerium des Innern Anhörungsunterlagen für eine Anhörung der Beschwerdeführerin zu der beabsichtigten kommunalen Neugliederung mit der Gelegenheit zur Stellungnahme. In den ersten beiden Maiwochen wurden auch die Anhörungsunterlagen für die Anhörung der Bevölkerung an den Landrat des Landkreises Oder-Spree versandt. Die Gemeindevertretung der Beschwerdeführerin lehnte im Rahmen der Anhörung zum Neugliederungsentwurf des Ministeriums des Innern eine Eingliederung ab. 4. Im September/Oktober 2002 brachte die Landesregierung sechs Gesetzentwürfe zur landesweiten Gemeindegebietsreform in den Landtag ein. Art. 1 § 20 des Entwurfs zum Sechsten Gemeindegebietsreformgesetz, zugleich Art. 1 § 20 des Gesetzes zur landesweiten Gemeindegebietsreform betreffend die Landkreise Dahme-Spreewald, Elbe-Elster, Oberspreewald-Lausitz, Oder-Spree, Spree-Neiße (6. GemGebRefGBbg) sah - zum Tag der nächsten landesweiten Kommunalwahlen - die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die dem Amt Neuzelle angehörende Gemeinde Neuzelle vor. Der Innenausschuß des Landtages, an den die Gesetzentwürfe nach der ersten Lesung verwiesen worden waren, führte am 23. Oktober 2002 vorab eine Anhörung zu grundsätzlichen Fragen durch. In der Anhörung der Beschwerdeführerin vor dem Innenausschuß am 22. Januar 2003 sprach sich der stellvertretende Bürgermeister gegen die Eingliederung der Beschwerdeführerin aus. Das Gesetz wurde sodann im Frühjahr 2003 vom Landtag verabschiedet. Art. 1 § 20 des 6. GemGebRefGBbg vom 24. März 2003 (GVBl. I S. 93), am Tag der landesweiten Kommunalwahlen (26. Oktober 2003) in Kraft getreten (s. Art. 6 des Artikelgesetzes), lautet: § 20
II. Die Beschwerdeführerin hat am 23. Januar 2004 kommunale Verfassungsbeschwerde erhoben. Sie macht geltend, die Neugliederungsmaßnahme sei schon deshalb verfassungswidrig, weil sie selbst (als Gemeinde) nicht ordnungsgemäß angehört worden sei. Die Art und Weise der Anhörung vor dem Innenausschuß am 22. Januar 2003 lasse nicht erkennen, wie die Ablehnungsgründe der Beschwerdeführerin in das Gesetzgebungsverfahren eingeflossen sind. Es habe sich der Eindruck einer Fließbandarbeit aufgedrängt. Fragen und Antworten aus der Mitte des Ausschusses seien ausgeblieben; ein Protokoll sei nicht geführt worden. Auch habe der Gesetzgeber den entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht umfassend ermittelt. Der Abwägungsvorgang sei fehlerhaft. Gründe des öffentlichen Wohls, die für eine Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Neuzelle sprächen, seien nicht vorhanden. Zwischen den Gemeinden bestehe weder ein baulicher noch ein wirtschaftlich-sozialer Zusammenhang. Die Beschwerdeführerin beantragt festzustellen:
III. Der Landtag Brandenburg, die Landesregierung, der Städte- und Gemeindebund Brandenburg und die Gemeinde Neuzelle hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. B. Die kommunale Verfassungsbeschwerde bleibt ohne Erfolg. I. Sie ist gemäß Art. 100 Verfassung des Landes Brandenburg (LV), §§ 12 Nr. 5, 51 Verfassungsgerichtsgesetz des Landes Brandenburg (VerfGGBbg) statthaft und auch sonst zulässig. Die Beschwerdeführerin ist ungeachtet des zwischenzeitlichen Inkrafttretens der Neuregelung beteiligtenfähig. Eine Gemeinde gilt nach feststehender Rechtsprechung für die Dauer des gegen ihre Auflösung gerichteten Kommunalverfassungsbeschwerdeverfahrens als fortbestehend. Ebenso wird die Beschwerdeführerin im kommunalen Verfassungsbeschwerdeverfahren weiter durch das bisherige Amt vertreten. II. Die kommunale Verfassungsbeschwerde erweist sich aber in der Sache selbst als unbegründet. Die Auflösung von Gemeinden durch den Staat ist, wie sich unmittelbar aus Art. 98 Abs. 1 und 2 LV ergibt, nicht von vornherein ausgeschlossen. Die dafür nach Art. 98 Abs. 1 sowie Abs. 2 LV gezogenen Grenzen sind hier nicht verletzt. 1. Die nach der Landesverfassung geltenden Anhörungserfordernisse sind eingehalten worden. Im Hinblick auf die insoweit in einer Vielzahl von Verfahren kommunaler Verfassungsbeschwerden im wesentlichen inhaltsgleichen Einwände wird auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtes des Landes Brandenburg (vgl. u.a. Urteile vom 18. Dezember 2003 - VfGBbg 101/03 -, LVerfGE 14, 203, sowie vom 16. Juni 2005 - VfGBbg 48/03 -, und Beschlüsse vom 16. September 2004 - VfGBbg 102/03 und 118/03 - www.verfassungsgericht.branden-burg.de) sowie auf das während der Anhörung vor dem Ausschuß für Inneres am 22. Januar 2003 erstellte Ausschußprotokoll 3/714, S. 37 ff. Bezug genommen. 2. Die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Neuzelle bleibt auch in der Sache selbst im Einklang mit der Landesverfassung. a) In das Gebiet einer Gemeinde sowie - erst recht - in ihre körperschaftliche Existenz kann zufolge Art. 98 Abs. 1 LV nur aus Gründen des öffentlichen Wohls eingegriffen werden. Der Inhalt des Begriffes „öffentliches Wohl“ ist dabei im konkreten Fall vom Gesetzgeber auszufüllen, dem in dieser Hinsicht grundsätzlich – in dem von der Verfassung gesteckten Rahmen – ein Beurteilungsspielraum und politische Gestaltungsfreiheit in dem Sinne zukommen, daß er Ziele, Leitbilder und Maßstäbe selbst festlegen kann. Das Verfassungsgericht überprüft zunächst, ob der Gesetzgeber den entscheidungsrelevanten Sachverhalt zutreffend und umfassend ermittelt hat. Dabei ist die verfassungsgerichtliche Kontrolle nicht eingeschränkt (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, ständige Rechtsprechung, u. a. Beschluß vom 27. Mai 2004 - VfGBbg 138/03 - [Königsberg]; Bundesverfassungsgericht - BVerfG - , BVerfGE 50, 50, 51 [Laatzen]). Das Verfassungsgericht prüft sodann, ob der Gesetzgeber den ermittelten Sachverhalt seiner Regelung zutreffend zugrundegelegt und die mit ihr einhergehenden Vor- und Nachteile in vertretbarer Weise gewichtet und in die Abwägung eingestellt hat. Hierbei darf sich das Verfassungsgericht nicht an die Stelle des Gesetzgebers setzen und hat seine Nachprüfung darauf zu beschränken, ob die Zielvorstellungen, Sachabwägungen, Wertungen und Einschätzungen des Gesetzgebers offensichtlich fehlerhaft, lückenhaft oder eindeutig widerlegbar sind oder der Wertordnung der Verfassung widersprechen. Die Bevorzugung einzelner und die gleichzeitige Hintanstellung anderer Belange bleibt dem Gesetzgeber so weit überlassen, als das mit dem Eingriff in den Bestand der Kommunen verbundene Abwägungsergebnis zur Erreichung der verfolgten Zwecke nicht offenkundig ungeeignet oder unnötig ist oder zu den angestrebten Zielen deutlich außer Verhältnis steht und frei von willkürlichen Erwägungen und Differenzierungen ist. Es ist dabei nicht die Aufgabe des Gerichts zu prüfen, ob der Gesetzgeber die beste und zweckmäßigste Neugliederungsmaßnahme getroffen hat (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, ständige Rechtsprechung, u. a. Urteile vom 18. Juni 1998 – VfGBbg 27/97 –, LVerfGE 8, 97, 169 f. m.w.N., vom 29. August 2002 – VfGBbg 34/01 –,[Kreuzbruch], LVerfGE Suppl. Bbg zu Bd. 13, 116 = LKV 2002, 573, 574, und vom 18. Dezember 2003 - VfGBbg 101/03 -, a.a.O., sowie Beschlüsse vom 22. April 2004 – VfGBbg 182/03 –und vom 15. September 2005 - VfGBbg 113/03 -). b) In Anwendung dieser Grundsätze hat sich hier der Gesetzgeber fehlerfrei auf den Standpunkt gestellt, daß für die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Neuzelle Gründe des öffentlichen Wohls vorliegen, und auf dieser Grundlage eine verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Regelung getroffen. Im einzelnen: aa) Der Gesetzgeber hat sich ausreichend mit den tatsächlichen Verhältnissen befaßt. (1) Die örtlichen Verhältnisse und wesentlichen Strukturdaten der Beschwerdeführerin, der Nachbargemeinden wie auch des Amtes sind in den Gesetzesunterlagen zutreffend angesprochen (s. sog. Neugliederungssachverhalt in LT-Drucksache 3/5021, S. 354 ff.). Insbesondere erfaßte der Gesetzgeber die Einwohnerzahlen, die wirtschaftliche Lage sowie die Entfernungsverhältnisse und Verkehrsverbindungen. Er sah, daß sowohl die Beschwerdeführerin als auch die Gemeinde Neuzelle nach dem Landesentwicklungsprogramm I (LEP I) Zentralörtliche Gliederung dem Mittelzentrum Eisenhüttenstadt zuzurechnen sind. Daß die Beschwerdeführerin nach dem Regionalplan – dort ausgewiesen als Ort mit Tourismus- und Erholungsfunktion - zum Nahbereich des Kleinzentrums Neuzelle gehört, hat der Gesetzgeber nicht unberücksichtigt gelassen. Der südöstliche Teil der Gemarkung Ossendorf ist im Landschaftsschutzgebiet Dorchetal und Fasanenwald Neuzelle gelegen. Die ca. 6 km von der Beschwerdeführerin entfernt gelegene Amtsverwaltung in Neuzelle ist über die Landesstraße L 452 und auch über den öffentlichen Personennahverkehr, der darüber hinaus auch eine direkte Verbindung zum Mittelzentrum Eisenhüttenstadt herstellt, erreichbar. Über die B 112 ist die Beschwerdeführerin auch an das Bundesstraßennetz angebunden. Gesehen hat der Gesetzgeber auch, daß die Betreuung der in der Beschwerdeführerin lebenden Kinder in den Ortsteilen Neuzelle und Treppeln der Gemeinde Neuzelle erfolgt. Den schulpflichtigen Kindern stehen die Gesamtschulen, Realschulen und auch das Oberstufenzentrum in der Stadt Eisenhüttenstadt sowie das deutsch-polnische Gymnasium Neuzelle zur Verfügung. Daß die Beschwerdeführerin neben Beziehungen auf sportlicher Ebene insbesondere aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Kulturlandschaft Stift Neuzelle auch über eine Vielzahl kirchlicher und kultureller Verbindungen zu den ehemaligen Nachbargemeinden, den jetzigen Ortsteilen der Gemeinde Neuzelle, verfügt, wurde vom Gesetzgeber erfaßt. Die Wirtschaftsstruktur ist dörflich geprägt. Auf dem Gebiet der Beschwerdeführerin ist allerdings ein Betrieb zur Containerherstellung angesiedelt. Der Gesetzgeber sah, daß gleichwohl der Strom der in der Beschwerdeführerin wohnhaften Arbeits- und Ausbildungspendler überwiegend auf das Mittelzentrum Eisenhüttenstadt ausgerichtet ist. Bei der haushaltswirtschaftlichen Betrachtung stellte der Gesetzgeber fest, daß der Haushalt der Beschwerdeführerin im Zeitraum von 1997 bis 2001 zwar immer Überschüsse auswies. Die Steuerkraft der Beschwerdeführerin lag jedoch unter dem Landesdurchschnitt. 26,3 % ihrer laufenden Einnahmen resultierten aus Schlüsselzuweisungen. Im Jahr 2000 erreichten die Investitionen der Beschwerdeführerin das Dreifache des Landesdurchschnittsvolumens. Mit 5.706 DM pro Einwohner wies die Beschwerdeführerin allerdings einen deutlich über dem Landesdurchschnitt (941 DM pro Einwohner im Jahr 2001) liegenden Schuldenstand auf. Daß die zur neuen Gemeinde Neuzelle zusammengeschlossenen elf Gemeinden ähnlich finanzschwach sind, ließ der Gesetzgeber dabei nicht unberücksichtigt. Ebenso wie auch sechs Ortsteile der neuen Gemeinde Neuzelle ist die Beschwerdeführerin Mitglied im Gubener Wasser- und Abwasserzweckverband. (2) Diese Sachverhaltsermittlung begegnet keinen verfassungsrelevanten Bedenken. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Gesetzgeber sämtliche tatsächlichen Momente in allen Einzelheiten richtig erfaßt und gewürdigt hat. Wie verbunden die Gemeinden im Detail jetzt sind, ist bei der Prognoseentscheidung zur Gemeindegebietsneugliederung von untergeordneter Bedeutung. Ins Gewicht fällt vielmehr nur, ob er die für die Durchführung des gewählten Leitbildes bestimmenden Elemente in ihrem wesentlichen Gehalt richtig erkannt und daraus sachgerechte Folgerungen gezogen hat. Nur wenn die Richtigkeit einer die Entscheidung tragenden Tatsache bestritten wird und es möglich ist, daß die Neugliederung bei Zugrundelegung des behaupteten abweichenden Sachverhalts anders ausgefallen wäre, besteht eine Nachprüfungspflicht für das Verfassungsgericht (vgl. SächsVerfGH, LVerfGE 10, 375, 398 „[mit-]entscheidend“; VerfGH NW, Urteil vom 6. Dezember 1975 - VerfGH 39/74 -, EA S. 25; StGH BW, NJW 1975, 1205, 1213). Derartige Tatsachen sind weder von der Beschwerdeführerin vorgetragen noch sonst ersichtlich. bb) Der Gesetzgeber gliedert aus Gründen des öffentlichen Wohls im Sinne von Art. 98 Abs. 1 LV die Beschwerdeführerin neu. Die Einbeziehung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Neuzelle überwindet die bisherige Kleingliedrigkeit der Kommunen und erstrebt eine Stärkung ihrer Verwaltungskraft. Nachvollziehbar beruft sich der Gesetzgeber darauf, daß Ämter als örtliche Verwaltungseinheit im äußeren Entwicklungsraum weiter bestehen sollen, soweit nicht nach dem Leitbild eine amtsfreie Gemeinde gebildet werden kann. Amtsfreie Gemeinden sollen im äußeren Entwicklungsraum dann gebildet werden, wenn es ausgeprägte Zentralorte als Kristallisationskerne größerer Gemeindestrukturen und entsprechende Zentralort-Umland-Verflechtungen gibt. Ein solcher Regelfall liegt in den Fällen vor, in denen amtsangehörige Zentralorte der Kategorie Grundzentrum bestehen, die in ihrer Regelausstattung den Grundzentren mit Teilfunktion eines Mittelzentrums nahe kommen und die eine vergleichsweise hohe, von den übrigen dem Amt angehörenden Gemeinden deutlich unterschiedliche Einwohnerzahl aufweisen (LT-Drucksache 3/5021, S. 357, Leitbild I. 2. a) bb) Sätze 1, 3). Das Amt soll nicht weniger als 5.000 und amtsangehörige Gemeinden sollen regelmäßig nicht weniger als 500 Einwohner haben. Auch sollten Ämter - vom Ausnahmefall eines Ämterzusammenschlusses abgesehen - aus nicht mehr als sechs Gemeinden bestehen (LT-Drucksache 3/5021, S. 356 f., S. 25 Leitbild I. 2 b) aa), bb) und cc)). Eine diesem Leitbild teilweise widersprechende Ausgangssituation hat der Gesetzgeber vorgefunden. (1) Daß eine Stärkung der Verwaltungskraft, die Straffung und Effizienzsteigerung der Kommunalverwaltungen, ein Grund des öffentlichen Wohls ist, der eine kommunale Neugliederung zu rechtfertigen vermag, hat das Landesverfassungsgericht bereits mehrfach entschieden, insbesondere zu dem Unterfall der Behebung von Strukturproblemen im Stadtumland (Urteile vom 18. Dezember 2003 - VfGBbg 101/03 -, a.a.O., und - VfGBbg 97/03 -) sowie zum vorausgegangenen Gesetz zur Reform der Gemeindestruktur und zur Stärkung der Verwaltungskraft der Gemeinden im Land Brandenburg vom 13. März 2001 (vgl. Urteil vom 29. August 2002 - VfGBbg 34/01 -, a.a.O.). Eine kommunale Neugliederung setzt nicht voraus, daß Mängel in der bisherigen Aufgabenerfüllung bestehen oder eine Gemeinde keine ausreichende Verwaltungs- und Leistungskraft besitzt. Vielmehr kann auch eine weitere Verbesserung der Verwaltung des Gesamtraumes die Neugliederung rechtfertigen (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, u.a. Urteil vom 26. August 2004 - VfGBbg 230/03 - und Beschluß vom 16. September 2004 - VfGBbg 102/03 -). Einer solchen Verbesserung dient hier die Umsetzung der Leitbildbestimmungen. (2) Ein Neugliederungsbedarf ergab sich bereits aus der geringen Einwohnerzahl der Beschwerdeführerin von unter 500. Soweit der Gesetzgeber seine Abwägungsentscheidung maßgeblich darauf gestützt hat, daß die Beschwerdeführerin die Mindesteinwohnerzahl von 500 Einwohnern deutlich unterschreite (vgl. LT-Drucksache 3/5021, S. 356 und ebd. sein Leitbild unter I. 2. b) cc), S. 25), ist hiergegen verfassungsrechtlich nichts einzuwenden. Die Landesverfassung steht der Einschätzung, daß sich aus einer geringen Einwohnerzahl der Gemeinde typisierend Rückschlüsse auf die (verminderte) Leistungsfähigkeit der Gemeinde ergeben, nicht entgegen (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 29. August 2002 – VfGBbg 34/01 -, a.a.O.). Der Rückgriff auf die Einwohnerzahl als Indiz für die Leistungsfähigkeit der Gemeinde ist auch bei amtsangehörigen Gemeinden unbeschadet dessen statthaft, daß eine amtsangehörige Gemeinde im Land Brandenburg nicht selber Träger der „eigentlichen“ Verwaltung ist. Die Gemeindevertretung bleibt nämlich ungeachtet der administrativen Umsetzung durch das Amt für alle Angelegenheiten der Gemeinde zuständig. Nicht das Amt, sondern die einzelne Gemeinde ist Träger der gemeindlichen Einrichtungen und für den Unterhalt dieser Einrichtungen zuständig. Solche Einrichtungen können im Regelfall sinnvoll nur von bestimmten gemeindlichen Mindestgrößen an betrieben werden (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 29. August 2002 – VfGBbg 34/01 -, a.a.O., und Beschluß vom 18. November 2004 – VfGBbg 167/03 –, a.a.O., m.w.N.). Im übrigen hat der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang geprüft, ob geographische, historische oder soziokulturelle Gesichtspunkte ein Abweichen von der Regelmindesteinwohnerzahl rechtfertigen. Seine Einschätzung, daß dies nicht der Fall sei (vgl. LT-Drucksache 3/5021, S. 357), ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. (3) Es ist verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn der Gesetzgeber die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Neuzelle wegen deren Insellage innerhalb der Gemeinde Neuzelle, den gewachsenen vielfältigen engen Verflechtungsbeziehungen zwischen den ehemaligen amtsangehörigen Gemeinden und jetzigen Ortsteilen der Gemeinde Neuzelle sowie der Zugehörigkeit der Beschwerdeführerin zum Nahbereich des Kleinzentrums Neuzelle und zur Kulturlandschaft des Stiftes Neuzelle als sachgerecht und alternativlos betrachtet. Die seitens des Gesetzgebers damit verbundene Erwartung, daß durch die Eingliederung nicht nur finanzielle und touristische Potentiale gebündelt werden, sondern daß auch eine einheitliche Vermarktung erleichtert wird, orientiert sich am öffentlichen Wohl. cc) Zur Erreichung der Reformziele ist die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Neuzelle nicht offensichtlich ungeeignet. Das Landesverfassungsgericht vermag nicht zu erkennen, daß das Ziel einer Bereinigung der Klein- und Kleinstgemeindestruktur durch die Eingliederung der Beschwerdeführerin eindeutig verfehlt würde. dd) Die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Neuzelle ist auch nicht unverhältnismäßig. Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz müssen die für eine Auflösung der Gemeinde sprechenden Gründe des öffentlichen Wohls gegenüber den für den Fortbestand der einzugliedernden Gemeinde sprechenden Gründen erkennbar überwiegen (vgl. hierzu BayVerfGH BayVBl 1981, 399, 400 f.; s. auch NdsStGH OVGE 33, 497, 503; StGH BW NJW 1975, 1205, 1211). Da die kommunale Selbstverwaltung auch dazu dient, die Bürger zu integrieren, den Menschen ein Zugehörigkeitsgefühl („Heimat“) zu vermitteln und damit die Grundlagen der Demokratie zu stärken, ist die Reform der Gemeindestruktur nicht ausschließlich an Rationalisierung und Verbesserung der Effizienz der Verwaltungsorganisation zu messen. Eine Gemeinde darf nicht ohne Berücksichtigung von Besonderheiten allein aus Gründen der Strukturbereinigung aufgelöst werden. Andernfalls kann der Eingriff in die Existenz einer Gemeinde und die dadurch bewirkte Beeinträchtigung der örtlichen Verbundenheit außer Verhältnis zu dem angestrebten Vorteil geraten (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 29. August 2002 - VfGBbg 34/01 -, a.a.O.). Der Gesetzgeber hat die Vor- und Nachteile seines Neugliederungsvorhabens hier in nicht zu beanstandender Weise gegeneinander abgewogen und ist zu einem verfassungsrechtlich vertretbaren Ergebnis gelangt. Danach besitzen die für eine Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Neuzelle sprechenden Gründe das größere Gewicht. (1) Die Bedeutung der kommunalen Selbstverwaltung war dem Gesetzgeber gegenwärtig. Er hat die Belange der Einwohner im Blick gehabt und sich damit auseinandergesetzt, ablesbar aus der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfs (s. LT-Drucksache 3/5021, S. 352 ff.) und dem Protokoll zur Anhörung vom 22. Januar 2003 (Ausschußprotokoll 3/714, S. 37 ff.). Auf der anderen Seite hat er als gegenläufige Belange in zulässiger und vertretbarer Weise die niedrige Einwohnerzahl der Beschwerdeführerin berücksichtigt. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber zu dem Ergebnis gelangt, daß zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Verwaltung die Bildung einer größeren Verwaltungseinheit durch Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Neuzelle notwendig ist. Besonderheiten, die einen Fortbestand der Beschwerdeführerin als eigenständige Gemeinde gebieten, sind nicht ersichtlich. Daß ihre Haushalte im Zeitraum von 1997 bis 2001 Überschüsse aufwiesen und ihre Investitionen im Jahr 2000 das Dreifache des Landesdurchschnittsvolumens erreichten, genügt nicht, zumal ihr Schuldenstand deutlich über dem Landesdurchschnitt lag. Die Abwägungsentscheidung des Gesetzgebers erscheint daher vertretbar, soweit er mit der Schaffung größerer Verwaltungseinheiten insbesondere auch die Stärkung der Investitionskraft beabsichtigt. (2) Eine vorzugswürdige leitbildgerechte Alternative, die insbesondere den Bestand der Beschwerdeführerin erhalten würde, ist weder ersichtlich noch von der Beschwerdeführerin geltend gemacht worden. ee) Auch im übrigen läßt die Abwägung des Gesetzgebers keine seine Entscheidung in Frage stellenden Defizite erkennen. (1) Der Gesetzgeber war nicht durch die finanziellen Folgen an einer Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Neuzelle gehindert. Für die Beurteilung am Maßstab des öffentlichen Wohls im Sinne des Art. 98 Abs. 1 LV ist nicht ausschließlich oder auch nur in erster Linie entscheidend, welche Lösung für die Einwohner der einzelnen Gemeinde die meisten Vorteile bietet. Entscheidend ist vielmehr, welche Lösung den Interessen des gesamten neu zu gliedernden Verwaltungsraumes und seiner Bevölkerung sowie darüber hinaus der Gesamtbevölkerung des Landes am besten entspricht. Erfahrungsgemäß kann der Wohlstand einer Gemeinde auf Lagevorteilen - etwa einer verkehrsgünstigen Lage an der Schnittstelle zwischen Autobahn und Bundesstraße - beruhen, wenn auch die sich aus der günstigen Lage ergebenden Chancen genutzt werden müssen. Umgekehrt kann Verschuldung jedenfalls teilweise aus Lagenachteilen herrühren, etwa wenn Infrastruktureinrichtungen unterhalten werden müssen, die zugleich den Menschen aus Nachbargemeinden zugute kommen, und gleichzeitig günstige Entwicklungsmöglichkeiten nicht vorhanden sind oder durch bestehende (Wohn-)Bebauung nicht lohnend genutzt werden können. Unabhängig davon ist die Finanzlage und damit auch der Beitrag, den die Einwohner mit einem neu zugeschnittenen Gebiet und Ressourcen zu leisten vermögen, naturgemäß nicht von Dauer, sondern veränderlich. Die wirtschaftliche Entwicklung des Gesamt-Neugliederungsgebietes ist so oder so nicht sicher einschätzbar. (2) Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist schließlich auch, wie der Gesetzgeber den geäußerten Willen der Bevölkerung gewichtet hat. Die Ergebnisse der Bürgerentscheide in der Beschwerdeführerin zur beabsichtigten Neugliederung waren dem Gesetzgeber bekannt und sind in das Gesetzgebungsverfahren eingeflossen(vgl. LT-Drucksache 3/5021, S. 352 f.). An das sich daraus ergebende Stimmungsbild ist der Gesetzgeber aber nicht gebunden. Die Beschlußfassung der Gemeindevertretung stellt vielmehr nur ein Merkmal unter weiteren Gesichtspunkten dar, die für die Ermittlung der Gründe des öffentlichen Wohles und damit für die Abwägungsentscheidung des Gesetzgebers von Bedeutung sind. Angesichts des Umstandes, daß beim zweiten Bürgerentscheid weniger Bürger gegen und mehr Bürger für einen Zusammenschluß mit Neuzelle votiert hatten als beim ersten Bürgerentscheid, konnte er auch davon ausgehen, daß eine deutliche Abwehrhaltung der Bürgerschaft in der Beschwerdeführerin einem Zusammenwachsen mit der Gemeinde Neuzelle nicht auf Dauer entgegenstehen wird. Letztlich geht es bei einer allgemeinen Gebietsreform auch darum, größere Räume neu zu gliedern, so daß nicht nur örtliche Gegebenheiten - wie etwa die Akzeptanz des Vorhabens bei den Bürgern der einzelnen Gemeinde - ins Gewicht fallen. Hiervon ausgehend hat sich der Landtag in den Grenzen seiner Entscheidungsfreiheit bewegt, als er nicht dem Beschluß der Gemeindevertretung der Beschwerdeführerin gefolgt ist, sondern den für die Eingliederung in die Gemeinde Neuzelle sprechenden Umständen mit dem Ziel, die Struktur des Amtes zu straffen und zu vereinfachen sowie seine Leistungsfähigkeit zu erhöhen, das höhere Gewicht beigemessen hat. C. Das Verfassungsgericht hat einstimmig eine
mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten, § 22 Abs. 1 2. Alt.
VerfGGBbg. |
Dr. Knippel | Prof. Dawin |
Prof. Dr. Dombert | Dr. Harms-Ziegler |
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