VerfGBbg, Beschluss vom 17. November 2005 - VfGBbg 54/03 -
Verfahrensart: |
Kommunalverfassungsbeschwerde Hauptsache |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - LV, Art. 97; LV, Art. 98 Abs. 1 |
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Schlagworte: | - kommunale Selbstverwaltung - Gemeindegebietsreform - Verhältnismäßigkeit |
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Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 17. November 2005 - VfGBbg 54/03 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 54/03
IM NAMEN DES VOLKES |
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In dem kommunalen
Verfassungsbeschwerdeverfahren
Gemeinde Briesen, Beschwerdeführerin, Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwältin M.,
hat das Verfassungsgericht des Landes
Brandenburg am 17. November 2005 b e s c h l o s s e n : Die kommunale Verfassungsbeschwerde wird teils verworfen, im übrigen zurückgewiesen. G r ü n d e : A. Die Beschwerdeführerin, eine bislang dem Amt Schenkenländchen angehörende Gemeinde, wehrt sich gegen ihre Eingliederung in die amtsangehörige Gemeinde Halbe. I. 1. Die Beschwerdeführerin, eine Gemeinde im äußeren Entwicklungsraum des Landes Brandenburg, gehörte zum nach dem sogenannten Modell 1 gebildeten Amt Schenkenländchen mit Sitz der Amtsverwaltung in Teupitz (Landkreis Dahme-Spreewald). Das Amt mit im Jahr 2001 insgesamt ca. 8.460 Einwohnern bestand bisher aus den beiden Städten Teupitz (knapp 1.900 Einwohner) und Märkisch Buchholz (ca. 880 Einwohner) sowie acht Gemeinden. Vier dieser Gemeinden - darunter die Beschwerdeführerin mit ca. 310 Einwohnern - hatten weniger als 500 Einwohner. In der Gemeinde Groß Köris lebten ca. 1.870, in der Gemeinde Halbe ca. 1.500 Einwohner. Die Beschwerdeführerin grenzte im Osten und Süden an ausgedehnte Waldgebiete des benachbarten Amtes Unterspreewald. Im übrigen war sie von den amtsangehörigen Gemeinden Freidorf (ca. 190 Einwohner) und Oderin (ca. 260 Einwohner) umgeben. Die Beschwerdeführerin war durch eine über das Gebiet der Gemeinde Oderin führende Kreisstraße mit der Gemeinde Halbe verbunden. Auf dem Gebiet der Beschwerdeführerin (Ortsteil Brand) sowie der Gemeinden Oderin, Groß Köris und Halbe gibt es Haltestellen der nach Berlin führenden Regionalbahnlinien RE 2 und RB 14. Im Ortsteil Brand wird eine große Halle für Freizeit- und Erholungszwecke genutzt („Tropical-Island“), die ursprünglich einem Industriebetrieb dienen sollte. Die Beschwerdeführerin gehörte zum Bezirk der Grund- und Gesamtschule in Halbe, Kleinkinder aus dem Gebiet der Beschwerdeführerin besuchen die Kindertagesstätte in Halbe. Das Amtsgebiet ist von zahlreichen Seen, Flußläufen und Kanälen sowie größeren Waldflächen geprägt. 2. Ende April/Anfang Mai 2002 versandte das Ministerium des Innern Anhörungsunterlagen (Referentenentwurf) für eine Anhörung der Beschwerdeführerin zu der beabsichtigten kommunalen Neugliederung und gab ihr Gelegenheit zur Stellungnahme. Gleichfalls im Frühsommer 2002 wurden die Unterlagen für die Anhörung der Bevölkerung an den Landrat des Landkreises Dahme-Spreewald versandt. Die Beschwerdeführerin sprach sich in einer Stellungnahme zum Referentenentwurf für ihren Fortbestand als eigenständige Gemeinde im Amt aus. 3. Im September/Oktober desselben Jahres brachte die Landesregierung sechs Gesetzentwürfe zur landesweiten Gemeindegebietsreform in den Landtag ein. Art. 1 § 7 des Entwurfs zum sechsten dieser Gesetze, zugleich § 7 des Gesetzes zur landesweiten Gemeindegebietsreform betreffend die Landkreise Dahme-Spreewald, Elbe-Elster, Oberspreewald-Lausitz, Oder-Spree, Spree-Neiße (6. GemGebRefGBbg) sah u.a. vor, die Beschwerdeführerin sowie die Gemeinden Freidorf und Oderin in die weiterhin amtsangehörige Gemeinde Halbe einzugliedern. Zur Anhörung der Beschwerdeführerin vor dem Innenausschuß am 15. Januar 2003 wurde deren ehrenamtliche Bürgermeisterin geladen, die Anhörungsmängel rügen ließ. Die Gesetze wurden sodann im Frühjahr 2003 vom Landtag verabschiedet. § 7 des 6. GemGebRefGBbg vom 24. März 2003 (GVBl. I S. 93), am Tag der landesweiten Kommunalwahlen (26. Oktober 2003) in Kraft getreten (s. Art. 6 des Artikelgesetzes), lautet: § 7
II. Die Beschwerdeführerin hat am 19. Mai 2003 kommunale Verfassungsbeschwerde erhoben. Sie macht geltend, ihre Eingliederung in die Gemeinde Halbe sei schon deshalb verfassungswidrig, weil weder die Bevölkerung des unmittelbar betroffenen Gebietes noch sie selbst (als Gemeinde) ordnungsgemäß angehört worden seien. Die Anhörungsfehler seien „absolute Nichtigkeitsgründe“. Auf Fragen der Kausalität komme es nicht an. Daß sich von 302 Gemeinden, die der Gesetzgeber aufzulösen versucht habe, 250 mit kommunalen Verfassungsbeschwerden dagegen zu Wehr setzten, sei bereits „ernstes Indiz für die verfassungswidrige Gewalt der gesetzlichen Regelung“. Es fehle an dem Nachweis, daß die Beschwerdeführerin ungeeignet sei, den Anforderungen moderner Selbstverwaltung zu entsprechen. Der Abwägungsvorgang sei fehlerhaft, was u.a. auf Ermittlungsdefiziten beruhe. Die Beschwerdeführerin beantragt zu erkennen:
III. Der Landtag Brandenburg, die Landesregierung, der Städte- und Gemeindebund Brandenburg und die Gemeinde Halbe hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. B. Die kommunale Verfassungsbeschwerde bleibt ohne Erfolg. I. Sie ist in begrenztem Umfang zulässig. 1. Die kommunale Verfassungsbeschwerde ist insofern unzulässig, als sie sich auch gegen die Eingliederung der Gemeinden Freidorf und Oderin nach Halbe sowie der Gemeinde Löpten nach Groß Köris richtet. Die Beschwerdeführerin ist insoweit nicht beschwerdebefugt. Gesichtspunkte für eine Beschwer sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. 2. Im übrigen ist die kommunale Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin gemäß Art. 100 Verfassung des Landes Brandenburg (LV), §§ 12 Nr. 5, 51 Verfassungsgerichtsgesetz des Landes Brandenburg (VerfGGBbg) statthaft und auch sonst zulässig. Insbesondere ist die Beschwerdeführerin ungeachtet des zwischenzeitlichen Inkrafttretens der Neuregelung beteiligtenfähig. Eine Gemeinde gilt nach feststehender Rechtsprechung für die Dauer des gegen ihre Auflösung gerichteten Kommunalverfassungsbeschwerdeverfahrens als fortbestehend. II. Die kommunale Verfassungsbeschwerde erweist sich aber als unbegründet. Die Auflösung von Gemeinden durch den Staat ist, wie sich unmittelbar aus Art. 98 Abs. 1 und 2 LV ergibt, nicht von vornherein ausgeschlossen. Die dafür nach Art. 98 Abs. 1 sowie Abs. 2 LV gezogenen Grenzen sind hier nicht verletzt. 1. Die Anhörungserfordernisse nach der Landesverfassung sind eingehalten worden. Im Hinblick auf die insoweit von der Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerin in einer Vielzahl von Verfahren kommunaler Verfassungsbeschwerden im wesentlichen gleichlautend vorgebrachten Einwände wird auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtes des Landes Brandenburg (vgl. u.a. Urteil vom 18. Dezember 2003 - VfGBbg 101/03 -, LVerfGE 14, 203) Bezug genommen. Auch die von der Beschwerdeführerin in Auseinandersetzung mit dieser Rechtsprechung vorgebrachten Einwände im Schriftsatz vom 24. Februar 2004 geben keine Veranlassung zu einer anderen Beurteilung der Rechtslage (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluß vom 24. Juni 2004 - VfGBbg 162/03 -, zuletzt ausführlich: Beschluß vom 16. September 2004 - VfGBbg 118/03 -). 2. Die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Halbe bleibt auch in der Sache selbst im Einklang mit der Landesverfassung. a) In das Gebiet einer Gemeinde sowie - erst recht - in ihre körperschaftliche Existenz kann zufolge Art. 98 Abs. 1 LV nur aus Gründen des öffentlichen Wohls eingegriffen werden. Der Inhalt des Begriffes „öffentliches Wohl“ ist dabei im konkreten Fall vom Gesetzgeber auszufüllen, dem in dieser Hinsicht grundsätzlich ein Beurteilungsspielraum und politische Gestaltungsfreiheit in dem Sinne zukommt, daß er Ziele, Leitbilder und Maßstäbe festlegen kann. Das Verfassungsgericht überprüft zunächst, ob der Gesetzgeber den entscheidungsrelevanten Sachverhalt zutreffend und umfassend ermittelt hat. Dabei ist die verfassungsgerichtliche Kontrolle nicht eingeschränkt (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, ständige Rechtsprechung, u.a. Beschluß vom 27. Mai 2004 - VfGBbg 138/03 - [Königsberg]; BVerfGE 50, 50, 51 [Laatzen]). Das Verfassungsgericht prüft sodann, ob der Gesetzgeber den ermittelten Sachverhalt seiner Regelung zutreffend zugrundegelegt und die mit ihr einhergehenden Vor- und Nachteile in vertretbarer Weise gewichtet und in die Abwägung eingestellt hat. Hierbei darf sich das Verfassungsgericht nicht an die Stelle des Gesetzgebers setzen und hat seine Nachprüfung darauf zu beschränken, ob die Zielvorstellungen, Sachabwägungen, Wertungen und Einschätzungen des Gesetzgebers offensichtlich fehlerhaft, lückenhaft oder eindeutig widerlegbar sind oder der Wertordnung der Verfassung widersprechen. Die Bevorzugung einzelner und die gleichzeitige Hintanstellung anderer Belange bleibt dem Gesetzgeber so weit überlassen, als das mit dem Eingriff in den Bestand der Kommunen verbundene Abwägungsergebnis zur Erreichung der verfolgten Zwecke nicht offenkundig ungeeignet oder unnötig ist oder zu den angestrebten Zielen deutlich außer Verhältnis steht und frei von willkürlichen Erwägungen und Differenzierungen ist. Es ist dabei nicht die Aufgabe des Gerichts zu prüfen, ob der Gesetzgeber die beste und zweckmäßigste Neugliederungsmaßnahme getroffen hat (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteile vom 18. Juni 1998 – VfGBbg 27/97 –, LVerfGE 8, 97, 169 f. m.w.N. und vom 29. August 2002 – VfGBbg 34/01 –, a.a.O.; ständige Rechtspr., u.a. Urteil vom 18. Dezember 2003 – VfGBbg 101/03 -, a.a.O.). b) In Anwendung dieser Grundsätze hat sich hier der Gesetzgeber fehlerfrei auf den Standpunkt gestellt, daß für die Eingliederung der Beschwerdeführerin Gründe des öffentlichen Wohls vorliegen, und eine verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Regelung getroffen. Im einzelnen: aa) Der Gesetzgeber hat sich ausreichend mit den tatsächlichen Verhältnissen befaßt. Die örtlichen Verhältnisse und wesentlichen Strukturdaten der Beschwerdeführerin, der Nachbargemeinden wie auch des Amtes sind in den Gesetzesunterlagen zutreffend angesprochen (s. sog. Neugliederungssachverhalt in LT-Drucksache 3/5021, S. 192 ff.). Insbesondere erfaßte der Gesetzgeber die Einwohnerzahlen, die wirtschaftliche Lage sowie die Entfernungsverhältnisse und Verkehrsverbindungen im Amt Schenkenländchen und darüber hinaus. Die Beschwerdeführerin ist über eine gut ausgebaute Kreisstraße mit der ca. sechs Kilometer entfernten Gemeinde Halbe verbunden. Die Gemeinde Halbe ist - anders als die Beschwerdeführerin - mit Versorgungseinrichtungen gut ausgestattet. Der Gesetzgeber geht in nicht zu beanstandender Weise davon aus, daß sich die Bewohner der Beschwerdeführerin in erheblichem Umfang in der nächstgelegenen größeren Gemeinde Halbe versorgen. Er stellte fest, daß die Grund- und Gesamtschüler aus dem Gebiet der Beschwerdeführerin die Schulen in Halbe besuchen. Gleichermaßen wird die Kindertagesstätte in Halbe in Anspruch genommen. Die Beschwerdeführerin hingegen verfügt weder über eine Schule noch eine Kindertagesstätte oder einen Hort. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber die nachbarschaftlichen Beziehungen der Beschwerdeführerin zu den Gemeinden Halbe, Freidorf, Oderin sowie der Stadt Märkisch Buchholz beschrieben, die bereits zu Zeiten der DDR im „Gemeindeverband Halbe“ eng zusammenarbeiteten. Zudem gibt es für diesen Bereich eine gemeinsame Kirchengemeinde Halbe. Die Haushaltssituation der Beschwerdeführerin sowie der Gemeinden Halbe, Briesen und Freidorf wies Schwankungen auf. Häufig wurden Haushaltsüberschüsse erzielt, jedoch lag die Investitionskraft zumeist deutlich unter dem Landesdurchschnitt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob vom Gesetzgeber sämtliche tatsächlichen Momente in allen Einzelheiten richtig erfaßt und gewürdigt worden sind. Wie verbunden die Gemeinden im Detail jetzt sind, ist bei der Prognoseentscheidung zur Gemeindegebietsneugliederung ersichtlich von untergeordneter Bedeutung. Ins Gewicht fällt vielmehr nur, ob der Gesetzgeber die für die Durchführung des gewählten Leitbildes bestimmenden Elemente in ihrem wesentlichen Gehalt richtig erkannt und daraus sachgerechte Folgerungen gezogen hat. Nur wenn die Richtigkeit einer die Entscheidung tragenden Tatsache bestritten und es möglich ist, daß bei Zugrundelegung der behaupteten abweichenden Situation die Neugliederung anders ausgefallen wäre, besteht eine Nachprüfungspflicht für das Verfassungsgericht (vgl. SächsVerfGH, LVerfGE 10, 375, 398 „[mit-]entscheidend“; VerfGH NW, Urteil vom 6. Dezember 1975 - VerfGH 39/74 -, UA S. 25; StGH BW, NJW 1975, 1205, 1213). Derartige Tatsachen sind indes weder von der Beschwerdeführerin vorgetragen noch sonst ersichtlich. bb) Der Gesetzgeber gliedert aus Gründen des öffentlichen Wohls im Sinne von Art. 98 Abs. 1 LV die Beschwerdeführerin neu. Ihre Einbeziehung in die nun größere amtsangehörige Gemeinde Halbe dient dazu, die bisherige Kleingliedrigkeit der Kommunen zu überwinden und erstrebt eine Stärkung ihrer Verwaltungskraft. Nachvollziehbar beruft sich der Gesetzgeber darauf, daß amtsangehörige Gemeinden regelmäßig nicht weniger als 500 Einwohner haben sollen; auch sollen Ämter - vom Ausnahmefall eines Ämterzusammenschlusses abgesehen - aus nicht mehr als sechs Gemeinden bestehen (LT-Drucksache 3/5021, Leitbild I. 2. b) aa) und cc)). Eine diesem Leitbild widersprechende Ausgangssituation hat der Gesetzgeber vorgefunden. (1) Daß die Stärkung der Verwaltungskraft sowie die Straffung und Effizienzsteigerung der Kommunalverwaltungen Gründe des öffentlichen Wohls sind, welche eine kommunale Neugliederung zu rechtfertigen vermögen, hat das Landesverfassungsgericht bereits mehrfach entschieden, insbesondere zum Unterfall der Behebung von Strukturproblemen im Stadtumland (Urteile vom 18. Dezember 2003 - VfGBbg 101/03 -, a.a.O., und - VfGBbg 97/03 -) sowie zum vorausgegangenen Gesetz zur Reform der Gemeindestruktur und zur Stärkung der Verwaltungskraft der Gemeinden im Land Brandenburg vom 13. März 2001 (vgl. Urteil vom 29. August 2002 - VfGBbg 34/01 - [Kreuzbruch], LVerfGE Suppl. Bbg zu Bd. 13, 116 = LKV 2002, 573, 574). Eine kommunale Neugliederung setzt nicht voraus, daß Mängel in der bisherigen Aufgabenerfüllung bestehen oder eine Gemeinde keine ausreichende Verwaltungs- und Leistungskraft besitzt. Vielmehr kann auch eine weitere Verbesserung der Verwaltung des Gesamtraumes die Neugliederung rechtfertigen (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, u.a. Urteil vom 26. August 2004 - VfGBbg 230/03 - und Beschluß vom 18. November 2004 - VfGBbg 167/03 -). Einer solchen Verbesserung dient hier die Umsetzung der Leitbildbestimmungen. (2) Der Neugliederungsbedarf ergab sich bereits aus der geringen Einwohnerzahl der Beschwerdeführerin von nur ca. 310 Einwohnern. Soweit der Gesetzgeber seine Abwägungsentscheidung maßgeblich darauf gestützt hat, daß die Beschwerdeführerin die im Leitbild unter I. 2. b) cc) festgelegte Regel-Mindestgröße einer amtsangehörigen Gemeinde von 500 Einwohnern (LT-Drucksache 3/5021, S. 25) unterschreite, ist hiergegen verfassungsrechtlich nichts einzuwenden. Die Landesverfassung steht der Einschätzung, daß sich aus einer geringen Einwohnerzahl der Gemeinde typisierend Rückschlüsse auf die (verminderte) Leistungsfähigkeit der Gemeinde ergeben, nicht entgegen (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 29. August 2002, a.a.O.). Der Rückgriff auf die Einwohnerzahl als Indiz für die Leistungsfähigkeit der Gemeinde ist auch bei amtsangehörigen Gemeinden unbeschadet dessen statthaft, daß eine amtsangehörige Gemeinde im Land Brandenburg nicht selbst Träger der „eigentlichen“ Verwaltung ist. Die Gemeindevertretung bleibt nämlich ungeachtet der administrativen Umsetzung durch das Amt für alle Angelegenheiten der Gemeinde zuständig. Nicht das Amt, sondern die einzelne Gemeinde ist Träger der gemeindlichen Einrichtungen und für den Unterhalt dieser Einrichtungen zuständig. Solche Einrichtungen können im Regelfall sinnvoll nur von bestimmten gemeindlichen Mindestgrößen an betrieben werden (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 29. August 2002 - VfGBbg 34/01 -, a.a.O. und Beschluß vom 18. November 2004 – VfGBbg 167/03 – a.a.O., m.w.N.). Im übrigen hat der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang geprüft, ob geographische, historische oder soziokulturelle Gesichtspunkte ein Abweichen von der Regelmindesteinwohnerzahl rechtfertigen. Seine Einschätzung, daß dies nicht der Fall sei (vgl. LT-Drucksache 3/5021, S. 196), ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. (3) Auch soweit der Gesetzgeber darauf abstellt, daß bei einem Fortbestand der Beschwerdeführerin als selbständiger Gemeinde die leitbildgerechte Höchstzahl von sechs einem einzelnen Amt angehörenden Gemeinden überschritten wäre (LT-Drucksache 3/5021, S. 196 ff.), orientiert er sich an einem dem öffentlichen Wohl dienenden Neugliederungsziel. Die Ausführungen in der Begründung des Gesetzentwurfs, wonach Ämter mit einer größeren Anzahl amtsangehöriger Gemeinden eine Vielzahl und große Verschiedenheit der von einem Amt wahrzunehmenden Verwaltungsaufgaben bedingten, z.B. die Betreuung und Beratung der Vertretungskörperschaften und ihrer Ausschüsse, die Vorbereitung von Satzungs- und Beschlußvorlagen sowie von Wahlen und Abstimmungen, die gemeindescharfe Berechnung von Haushaltsdaten, Steuern, Beiträgen und Gebühren und daß Verrechnungen zwischen den amtsangehörigen Gemeinden etwa für Kindertagesstätten, Schulen oder einen gemeinsam genutzten Bauhof des Amtes einen erheblichen Verwaltungsaufwand erforderten (LT-Drucksache 3/5021, S. 42 f.), sind nachvollziehbar. Eine Straffung und Vereinfachung der Amtsstruktur zwecks Erhöhung der Leistungsfähigkeit des Amtes anzustreben, ist im Hinblick auf den darin liegenden Vorteil für die Bürger und - gegebenenfalls neugegliederten - Gemeinden des Amtes von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluß vom 18. November 2004 - VfGBbg 167/03). cc) Zur Erreichung dieser Reformziele ist die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Halbe nicht offensichtlich ungeeignet. Das Landesverfassungsgericht vermag nicht zu erkennen, daß das Ziel einer Bereinigung der Klein- und Kleinstgemeindestruktur durch die Eingemeindung der Beschwerdeführerin eindeutig verfehlt würde. dd) Die Eingliederung ist auch nicht unverhältnismäßig. (1) Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz müssen die für eine Auflösung der Gemeinde sprechenden Gründe des öffentlichen Wohls gegenüber den für den Fortbestand der einzugliedernden Gemeinde sprechenden Gründen erkennbar überwiegen (vgl. hierzu BayVerfGH BayVBl 1981, 399, 400 f.; s. auch NdsStGH OVGE 33, 497, 503; StGH BW NJW 1975, 1205, 1211). Da die kommunale Selbstverwaltung auch dazu dient, die Bürger zu integrieren, den Menschen ein Zugehörigkeitsgefühl („Heimat“) zu vermitteln und damit die Grundlagen der Demokratie zu stärken, ist die Reform der Gemeindestruktur nicht ausschließlich an Rationalisierung und Verbesserung der Effizienz der Verwaltungsorganisation zu messen. Eine Gemeinde darf nicht ohne Berücksichtigung von Besonderheiten allein aus Gründen der Strukturbereinigung aufgelöst werden. Andernfalls kann der Eingriff in die Existenz einer Gemeinde und die dadurch bewirkte Beeinträchtigung der örtlichen Verbundenheit außer Verhältnis zu dem angestrebten Vorteil geraten (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 29. August 2002 - VfGBbg 34/01 -, a.a.O.). (2) Der Gesetzgeber hat die Vor- und Nachteile seines Neugliederungsvorhabens in nicht zu beanstandender Weise gegeneinander abgewogen und ist zu einem verfassungsrechtlich vertretbaren Ergebnis gelangt. Ihm war die Bedeutung der kommunalen Selbstverwaltung gegenwärtig. Er hat die Belange der Einwohner im Blick gehabt und sich damit, ablesbar aus der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfs (s. LT-Drucksache 3/5021, S. 190 f.) und den Beratungen im Landtag und seinen Ausschüssen (Beschlußempfehlung des Innenausschusses zu § 7 des 6. GemGebRefGBbg, Anlage 2 zu LT-Drucksache 3/5550), auseinandergesetzt. Auf der anderen Seite hat er jedoch als gegenläufige Belange in zulässiger und vertretbarer Weise im Bereich des Amtes Schenkenländchen namentlich die geringe Größe der Beschwerdeführerin und weiterer Gemeinden des Amtes berücksichtigt. Es ist nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber von der Notwendigkeit der Bildung einer größeren Verwaltungseinheit durch Eingliederung der Beschwerdeführerin sowie der kleinen Gemeinden Freidorf und Oderin in die Gemeinde Halbe ausging. Besonderheiten, die ihren Fortbestand als eigenständige (amtsangehörige) Gemeinde gebieten, hat die Beschwerdeführerin nicht geltend gemacht. Solche sind auch nicht ersichtlich. Eine vorzugswürdige Alternative gegenüber der vom Gesetzgeber gewollten Neuordnung (vgl. dazu Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 29. August 2002 – VfGBbg 34/01 -, a.a.O.) ist nicht erkennbar. Es ist angesichts der Verbundenheit der Beschwerdeführerin mit der Gemeinde Halbe verfassungsrechtlich unbedenklich, daß der Gesetzgeber gerade ihren Zusammenschluß bestimmt hat. Es ist nicht fehlsam, wenn der Gesetzgeber seiner Neugliederungsentscheidung insbesondere zugrundelegte, daß die Beschwerdeführerin mit der Gemeinde Halbe verkehrsmäßig - durch eine Kreisstraße und zwei Regionalbahnlinien - am besten verbunden ist und ihre Einwohner in erheblichem Umfang die Versorgungs- und Dienstleistungseinrichtungen in Halbe nutzen. Zudem entsprach die Entscheidung des Gesetzgebers der Orientierung der Beschwerdeführerin auch insoweit, als die in Frage kommenden Kinder der Beschwerdeführerin die Kindertagesstätte sowie die Grund- und Gesamtschule der Gemeinde Halbe besuchen. Auch die Umstände, daß die Beschwerdeführerin mit weiteren kleineren Gemeinden und der Gemeinde Halbe bereits zu Zeiten der DDR in einem „Gemeindeverband Halbe“ eng zusammengearbeitet hatte und daß es eine für diesen Bereich gebildete Kirchengemeinde Halbe gibt, lassen die Eingemeindung als sachgerecht - jedenfalls nicht als verfassungsrechtlich unvertretbar - erscheinen. Überdies hat der Gesetzgeber eine Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Stadt Märkisch Buchholz ebenso erwogen wie einen Zusammenschluß mit den beiden kleinen Gemeinden Freidorf und Oderin. Beides durfte er ablehnen. Beziehungen zur Stadt Märkisch Buchholz waren bereits deshalb nur schwächer ausgeprägt, weil die Stadt vom Gebiet der Beschwerdeführerin aus nur über durch die Gemeinde Halbe führende Straßen erreicht werden kann. Einem Zusammenschluß allein der Gemeinden Freidorf und Oderin mit der Beschwerdeführerin durfte der Gesetzgeber zum einen entgegenhalten, daß dann dem Amt leitbildwidrig immer noch sieben Gemeinden angehört hätten und zum anderen, daß die Vereinigung dieser drei kleinen Gemeinden - ohne die Gemeinde Halbe - keine wesentliche Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Leistungskraft zur Folge haben würde. Schließlich haben auch die Beschwerdeführerin und ihre Bürger in Stellungnahmen - außer einem Festhalten am bisherigen Zustand als Kleinstgemeinde - anderweitige Präferenzen, die insoweit neue Erwägungen hätten veranlassen können, nicht geäußert. ee) Auch im übrigen läßt die Abwägung des Gesetzgebers keine seine Entscheidung in Frage stellenden Defizite erkennen. (1) Ein bestehendes starkes bürgerschaftliches Engagement in der Beschwerdeführerin „als historisch gewachsener Gemeinde“ steht der Eingliederung nicht entgegen. Daß die örtliche Verbundenheit der Einwohner und deren Teilnahme am Gemeindegeschehen dauerhaft beeinträchtigt oder gar beseitigt werden würde, vermag das Verfassungsgericht nicht zu erkennen. (2) Der Gesetzgeber war nicht durch die finanziellen Folgen an einer Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Halbe gehindert. Für die Beurteilung am Maßstab des öffentlichen Wohls im Sinne des Art. 98 Abs. 1 LV ist nicht ausschließlich oder auch nur in erster Linie entscheidend, welche Lösung für die Einwohner der einzelnen Gemeinde die meisten Vorteile bietet. Entscheidend ist vielmehr, welche Lösung den Interessen des gesamten neu zu gliedernden Verwaltungsraumes und seiner Bevölkerung sowie darüber hinaus der Gesamtbevölkerung des Landes am besten entspricht. Erfahrungsgemäß kann der Wohlstand einer Gemeinde auf Lagevorteilen - etwa einer verkehrsgünstigen Lage an der Schnittstelle zwischen Autobahn und Bundesstraße - beruhen, wenn auch die sich aus der günstigen Lage ergebenden Chancen genutzt werden müssen. Umgekehrt kann Verschuldung jedenfalls teilweise aus Lagenachteilen herrühren, etwa wenn Infrastruktureinrichtungen unterhalten werden müssen, die zugleich den Menschen aus Nachbargemeinden zugute kommen, und gleichzeitig günstige Entwicklungsmöglichkeiten nicht vorhanden sind oder durch bestehende (Wohn-)Bebauung nicht lohnend genutzt werden können. Unabhängig davon ist die Finanzlage und damit auch der Beitrag, den die Einwohner mit einem neu zugeschnittenen Gebiet und Ressourcen zu leisten vermögen, naturgemäß nicht von Dauer, sondern veränderlich. Die wirtschaftliche Entwicklung des Gesamt-Neugliederungsgebietes ist so oder so nicht sicher einschätzbar. (3) Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist schließlich auch, wie der Gesetzgeber den geäußerten Willen der Bevölkerung gewichtet hat. Die zumeist nur wenigen Stellungnahmen aus der Anhörung der Bevölkerung der Beschwerdeführerin (30) und der weiteren Gemeinden des Amtsgebiets (vgl. LT-Drucksache 3/5021, S. 190 f.) zur beabsichtigten Neugliederung lagen im Landtag vor und sind damit in das Gesetzgebungsverfahren eingeflossen. An das sich daraus ergebende Stimmungsbild ist der Gesetzgeber aber nicht gebunden. Das Ergebnis der Anhörung der Bevölkerung stellt vielmehr nur ein Merkmal unter weiteren Gesichtspunkten dar, die für die Ermittlung der Gründe des öffentlichen Wohles und damit für die Abwägungsentscheidung des Gesetzgebers von Bedeutung sind. Bei einer allgemeinen Gebietsreform geht es eben auch darum, größere Räume neu zu gliedern, so daß nicht nur örtliche Gegebenheiten - wie etwa die Akzeptanz des Vorhabens bei den Bürgern der einzelnen Gemeinde - ins Gewicht fallen. Hiervon ausgehend hat sich der Landtag in den Grenzen seiner Entscheidungsfreiheit bewegt, als er nicht dem Ergebnis der Anhörung der Bevölkerung gefolgt ist, sondern den für die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Halbe sprechenden Umständen mit dem Ziel, einerseits eine möglichst bürgernahe Selbstverwaltung der Gemeinden in einem Amt des äußeren Entwicklungsraums zu erhalten, zu diesem Zweck andererseits die Struktur des Amtes zu straffen und zu vereinfachen sowie seine Leistungsfähigkeit zu erhöhen, das höhere Gewicht beigemessen hat. C. Das Verfassungsgericht hat einstimmig eine
mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten, § 22 Abs. 1 2. Alt.
VerfGGBbg. Der Beschluß ist unanfechtbar. |
Weisberg-Schwarz | Prof. Dawin |
Havemann | Dr. Jegutidse |
Dr. Knippel | Prof. Dr. Schröder |