VerfGBbg, Beschluss vom 17. September 2009 - VfGBbg 25/08 -
Verfahrensart: |
Organstreit Hauptsache |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - GO-LT, § 40; GO-LT, § 41 - VerfGGBbg, § 36 Abs. 1 |
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Schlagworte: | - Parlamentsrecht - Beratungsgegenstand - Tagesordnung - rechtserhebliche Maßnahme - Antragsgegner |
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Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 17. September 2009 - VfGBbg 25/08 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 25/08
IM NAMEN DES VOLKES |
B E S C H L U S S |
In dem Organstreitverfahren der Fraktion der DVU im Landtag Brandenburg, Antragstellerin, Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt S., gegen den Präsidenten des Landtags Brandenburg Antragsgegner, Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte M. hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg am 17. September 2009 b e s c h l o s s e n :
G r ü n d e : A. Die Antragstellerin wendet sich gegen die Behandlung ihres Antrags in der 39. Sitzung des Präsidiums des Landtages Brandenburg vom 16. Januar 2008. I. Die Antragstellerin ist eine Fraktion im Landtag des Landes Brandenburg. Am 6. Dezember 2007 stellte sie den Antrag (Drs. 4/5622), der Landtag möge beschließen, sich im Januar 2008 mit der Umsetzung des Handlungskonzeptes Tolerantes Brandenburg zu befassen. Zur Begründung führte sie aus, der Landtag Brandenburg habe am 13. April 2005 beschlossen, sich alljährlich im Vorfeld des Tages des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar mit der Umsetzung des Konzeptes Tolerantes Brandenburg zu befassen. Für eine Befassung des Landtages sei laut Geschäftsordnung des Landtages Brandenburg (GO-LT) ein Beratungsgegenstand nötig. Dieser liege nun mit dem Antrag der Antragstellerin vor. In der 39. Sitzung des Präsidiums des Landtags Brandenburg am 16. Januar 2008 beschloss das Präsidium für die Entwürfe der Tagesordnungen für die 61. und 62. Plenarsitzung am 23. und 24. Januar 2008 folgende Punkte:
Bezug nehmend auf den in der 61. Plenarsitzung zu behandelnden Tagesordnungspunkt Gegen Rechtsextremismus und fremdenfeindliche Gewalt für ein tolerantes und weltoffenes Brandenburg monierte die Abgeordnete Hesselbarth, MdL, dass der von der Antragstellerin eingebrachte Antrag Drucksache 4/5622 - nicht auf der Tagesordnung stehe. Sie äußerte die Ansicht, dass der am 13. April 2005 gefasste Beschluss des Landtages Drucksache 4/943 [ND]-B laut § 40 GO-LT keinen Beratungsgegenstand darstelle und damit auch nicht auf die Tagesordnung gesetzt werden dürfe. Der Präsident des Landtages entgegnete, dass der Beschluss des Landtages auf die Tagesordnung gesetzt werden könne, wenn sich der Landtag dementsprechend entschieden habe. Dem Präsidiumsprotokoll 4/422 vom 17. Januar 2007 sei zu entnehmen, dass sich das Präsidium bereits mit der Problematik befasst und in Auslegung der Geschäftsordnung entschieden habe, dass ein Beschluss des Landtages Beratungsgegenstand sei und auf die Tagesordnung gesetzt werden könne. Der am 6. Dezember 2007 von der Antragstellerin gestellte Antrag Drucksache 4/5622 sei kein materieller Antrag, sondern als Geschäftsordnungsantrag zu sehen, dem dadurch entsprochen würde, dass das Thema auf die Tagesordnung gesetzt würde. Da dies erfolgt sei, sei der Antrag obsolet. In der 61. Sitzung am 23. Januar 2008 beschloss der Landtag die Tagesordnung mit Tagesordnungspunkt 15 (Gegen Rechtsextremismus und fremdenfeindliche Gewalt für ein tolerantes und weltoffenes Brandenburg, Beschluss des Landtages Brandenburg vom 13.04.2005 Drucksache 4/943 [ND]-B) mit wenigen Gegenstimmen. II. Mit dem am 31. Mai 2008 eingeleiteten Organstreitverfahren begehrt die Antragstellerin die Feststellung, dass die Beurteilung ihres Antrags als Geschäftsordnungsantrag und nicht als materieller Antrag durch den Antragsgegner sie in ihren durch die Verfassung übertragenen Rechten verletze. Insbesondere sei Art. 56 Abs. 2 Verfassung des Landes Brandenburg (LV) verletzt. Ihr Antrag stelle einen in Wahrnehmung ihrer Rechte eingebrachten Antrag dar. Dass es sich nicht um einen bloßen Antrag zum geschäftsordnungsgemäßen Ablauf handelte, habe der Antragsgegner erkannt und dadurch zum Ausdruck gebracht, dass er diesen gemäß § 40 Abs. 2 GO-LT habe vervielfältigen und verteilen lassen. Da eine Zurückweisung des Antrags gemäß § 41 GO-LT nicht stattgefunden habe, hätte der Antrag beraten werden müssen. Der Präsident des Landtages sei der richtige Antragsgegner, weil es zu seinen Aufgaben gehöre, die Tagesordnung aufzustellen und über die Zurückweisung von Beratungsgegenständen zu entscheiden. III. Der Antragsgegner hält den Antrag bereits für unzulässig. Zuständig für den Beschluss über den Entwurf der Tagesordnung sei nicht der Präsident, sondern das Präsidium. Zudem fehle es dem Antrag am Rechtsschutzbedürfnis. Die im Beschluss des Landtages vom 13. April 2005 - Drucksache 4/943 [ND]-B vorgesehene Befassung mit der Umsetzung des Konzeptes Tolerantes Brandenburg habe in der Plenarsitzung vom 23. Januar 2008 stattgefunden. Damit sei das mit dem Antrag vom 6. Dezember 2007 von der Antragstellerin verfolgte Ziel erfüllt worden. Im Übrigen sei der Antrag auch unbegründet. Bloße unterschiedliche Bewertungen von gestellten Anträgen seien von vornherein nicht geeignet, verfassungsrechtlich geschützte Positionen der Antragstellerin zu verletzen. IV. Die Landesregierung hat von einer Stellungnahme abgesehen. B. Der Antrag der Antragstellerin ist statthaft. Er zielt im Sinne von Art. 113 Nr. 1 LV, § 12 Nr. 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) auf die Auslegung der Landesverfassung aus Anlass einer Streitigkeit über den Umfang der Rechte und Pflichten von Beteiligten, die durch die Verfassung mit eigenen Rechten ausgestattet sind. Die Antragstellerin ist als Fraktion des Landtages gemäß Art. 67 LV und als Opposition gemäß Art. 55 Abs. 2 LV mit eigenen Rechten ausgestattet und damit gemäß Art. 113 Nr. 1 LV und § 35 i.V.m. § 12 Nr. 1 VerfGGBbg im Organstreitverfahren beteiligtenfähig. Der Antragsgegner ist als Verfassungsorgan ebenfalls beteiligtenfähig. Der Antrag ist jedoch unzulässig. Es fehlt an der Antragsbefugnis. Aus dem Sachvortrag der Antragstellerin ergibt sich nicht, dass sie durch den Antragsgegner in verfassungsrechtlichen Positionen beeinträchtigt sein könnte (§ 36 Abs. 1 VerfGGBbg). 1. Gemäß § 36 Abs. 1 VerfGGBbg ist ein Antrag im Organstreitverfahren nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, dass er durch eine Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners in seinen ihm durch die Verfassung übertragenen Rechten und Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet ist. Zulässiger Antragsgegenstand kann demnach nur eine Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners - hier also des Landtagspräsidenten - sein, wobei die zur Überprüfung gestellte Maßnahme rechtserheblich sein muss oder sich zumindest als ein die Rechtsstellung des Antragstellers beeinträchtigenden, rechtserheblichen Verhalten auszuwirken vermag (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 28. Juli 2008 VfGBbg 53/06; Urteil vom 18. April 1996 - VfGBbg 11/96 - LVerfGE 4, 159, 166). Bei der vom Antragsteller als Gegenstand des Organstreitverfahrens bezeichneten Beurteilung des Antragsgegners handelt es sich nicht um eine Maßnahme im Sinn des § 36 Abs. 1 VerfGGBbg. Gegenstand des Organstreitverfahrens ist ausweislich der Antragsschrift die durch den Präsidenten des Landtages ausgesprochene Beurteilung, dass der im Antrag näher bezeichnete Antrag als Geschäftsordnungsantrag zu sehen sei, dem dadurch entsprochen werde, dass das Thema auf die Tagesordnung gesetzt würde. Dieser Beurteilung kommt keine die Rechte der Antragstellerin beeinträchtigende Rechtserheblichkeit zu. Eine rechtserhebliche Maßnahme des Präsidenten läge dann vor, wenn dieser im Rahmen seines Zurückweisungsrechts nach § 41 Abs. 1 GO-LT gehandelt hätte (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluss vom 20. Februar 2003 - VfGBbg 112/02, LVerfGE 14, 139, 145). Dies ist hier nicht der Fall, wie auch die Antragstellerin in ihrer Antragsschrift zutreffend ausführt. Der Präsident hat von seinem Zurückweisungsrecht aus § 41 Abs. 1 GO-LT keinen Gebrauch gemacht, sondern den Antrag, wie es § 40 GO-LT vorsieht, zunächst als Drucksache verteilt. Die Einordnung des Antrags als Geschäftsordnungsantrag in der Sitzung des Präsidiums vom 16. Januar 2008 ist keine Zurückweisung eines Beratungsgegenstands durch den Präsidenten gemäß § 41 GO-LT, vielmehr hat das Präsidium entschieden, den - vom Präsidenten nicht zurückgewiesenen - Beratungsgegenstand nicht auf die Tagesordnung zu setzen. 2. Soweit die Antragstellerin die Verletzung ihrer verfassungsrechtlichen Positionen damit begründet, dass eine Zurückweisung des Beratungsgegenstandes nach § 41 GO-LT nicht stattgefunden hat, rügt sie in der Sache, dass ihr Antrag ohne eine förmliche Zurückweisung nicht mit der Formulierung, die sie ihm gegeben hat, Beratungsgegenstand geworden ist. Die Entscheidung, den Antrag der Antragstellerin nicht in der modifizierten Form auf den Entwurf der Tagesordnung zu setzen, ist eine Entscheidung des Präsidiums im Zusammenhang mit der Wahrnehmung seiner geschäftsordnungsmäßigen Aufgaben, nicht aber eine Entscheidung des Präsidenten (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 28. Januar 1999 - VfGBbg 2/98 - LVerfGE 10, 143). C. Das Landesverfassungsgericht hat einstimmig eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich gehalten (vgl. § 22 Abs. 1 VerfGGBbg).
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Möller | Nitsche |
Partikel | Schmidt |
Dr. Schöneburg |