VerfGBbg, Beschluss vom 17. September 2009 - VfGBbg 22/08 -
Verfahrensart: |
Verfassungsbeschwerde Hauptsache |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - LV, Art. 39; LV, Art. 41 Abs. 1 - VerfGGBbg, § 45 Abs. 2 |
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Schlagworte: | - Anschluss- und Benutzungszwang - Schilfbeetkläranlage - Berfreiung - Subsidiarität |
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Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 17. September 2009 - VfGBbg 22/08 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 22/08
IM NAMEN DES VOLKES |
B E S C H L U S S |
In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren J., Beschwerdeführer, Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt S. gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 04. Dezember 2007 und die Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 13. Februar 2008 und vom 04. März 2008 hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg am 17. September 2009 b e s c h l o s s e n : Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen. G r ü n d e : A. Der Beschwerdeführer wandte sich in dem Ausgangsverfahren gegen die mit einer Zwangsmittelandrohung verbundene Anordnung, sein Grundstück an die zentrale Schmutzwasseranlage eines Wasser- und Abwasserzweckverbandes anzuschließen. I. Der Beschwerdeführer ist Eigentümer des Grundstücks ... in E. Er betreibt eine Schilfbeetkläranlage. Mitte Februar 2002 stellte er beim Wasser- und Abwasserzeckverband Elsterwerda einen Antrag auf Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang, der mit Bescheid vom 23. April 2002 abgelehnt wurde; der Beschwerdeführer legte hiergegen keinen Widerspruch ein. Zwei Tage später, unter dem 25. April 2002, setzte der Verbandsvorsteher eine Gebühr über 8,23 € "entsprechend Ihres Antrags für die erteilte Befreiung vom Anschluss- und Benutzerzwang vom 23.04.2002" fest. Mit Bescheid vom 03. Juli 2003 verpflichtete der Verbandsvorsteher des Wasser- und Abwasserverbandes Elsterwerda den Beschwerdeführer unter Androhung eines Zwangsgeldes, das Grundstück an die zentrale Schmutzwasserentsorgungsanlage des Verbandes anzuschließen. Die nach erfolgloser Durchführung des Vorverfahrens gegen diesen Bescheid erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Cottbus mit Urteil vom 04. Dezember 2007 ab. Rechtsgrundlage der Anschlussverfügung sei die Entwässerungssatzung des Zweckverbandes vom 24. Oktober 2006 (EWS 2006). Diese sei sowohl formell als auch materiell nicht zu beanstanden, und zwar auch im Hinblick auf ihre rückwirkende Geltung. Die Satzung ihrerseits beruhe auf § 15 Abs. 1 Satz 1 der Gemeindeordnung des Landes Brandenburg. Der Zwang zum Anschluss und zur Benutzung der Abwasserentsorgung diene dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere der Volksgesundheit. Die Befreiungsregelung in der Satzung, nach der eine Ausnahme dann zugelassen werden könne, wenn der Anschluss bzw. die Benutzung dem Anschlussnehmer unter Berücksichtigung der Erfordernisse des Gemeinwohls unzumutbar sei, stehe im Einklang mit höherrangigem Recht. Eine Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang sei dem Beschwerdeführer nicht erteilt worden. Der Gebührenbescheid vom 25. April 2002 sei zwar missverständlich begründet, regele indessen lediglich die Festsetzung einer Verwaltungsgebühr. Ein möglicher Befreiungsanspruch des Beschwerdeführers habe zudem keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Anschlussverfügung. Den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung lehnte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg mit Beschluss vom 13. Februar 2008 ab. Eine bei dem Gericht eingelegte Anhörungsrüge wurde mit Beschluss vom 04. März 2008, zugestellt am 10. März 2008, zurückgewiesen. II. Mit seiner am 10. Mai 2008 erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 5 Abs. 2, Art. 10, Art. 39, Art. 41 Abs. 1 und Art. 52 Abs. 3 und 4 Verfassung des Landes Brandenburg (LV) und trägt im Wesentlichen vor: Seine Schilfbeetkläranlage weise einen höheren Umweltstandard auf als die von der Gemeinde betriebene Kläranlage. Die Ermessensentscheidung des Beklagten, ihn nicht vom Anschluss- und Benutzungszwang zu befreien, sei verfassungswidrig. Dass die Ermächtigungsgrundlage der Volksgesundheit diene, sei mittelalterlich, jedenfalls überholt. B. Die Verfassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. 1. Die Verfassungsbeschwerde ist schon wegen des Grundsatzes der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde unzulässig. Zwar hat der Beschwerdeführer den Rechtsweg im Sinne des § 45 Abs. 2 S. 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) erschöpft. Der in § 45 Abs. 2 VerfGGBbg verankerte Grundsatz der Subsidiarität verlangt allerdings von einem Beschwerdeführer, dass dieser - über eine bloße Rechtswegerschöpfung im bereits durchgeführten Verfahren hinaus - alles im Rahmen seiner Möglichkeiten Stehende getan hat, um eine etwaige Grundrechtsverletzung zu beseitigen oder von vornherein zu verhindern; vor Anrufung des Verfassungsgerichts muss er alle ihm gegebenenfalls zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung ergreifen. Dies hat der Beschwerdeführer versäumt. Er hat ein auf die Erteilung einer Befreiung gerichtetes verwaltungsgerichtliches Verfahren bislang nicht durchlaufen; die Entscheidung des Zweckverbandes, ihn nicht vom Anschluss- und Benutzungszwang zu befreien, war nicht Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Vielmehr hat der Beschwerdeführer gegen den Bescheid vom 23. April 2002 weder Widerspruch eingelegt noch verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch genommen und die Ablehnung seines Befreiungsantrages bestandskräftig werden lassen. Überdies hat sich der Beschwerdeführer in seiner späteren Anfechtungsklage gegen den Bescheid über den Anschluss- und Benutzungszwang damit begnügt, aus dem Gebührenbescheid vom 25. April 2002 eine Befreiung herzuleiten, und darauf verzichtet, einen etwaigen Anspruch auf Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang hilfsweise mit einzuklagen. Für den Beschwerdeführer hätte dafür, schon weil von dem Beklagten in dem zum Anschluss- und Benutzungszwang ergangenen Widerspruchsbescheid vom 28. August 2003 der behauptete Regelungsgehalt des Gebührenbescheids mit seiner vermeintlichen Befreiung nachdrücklich in Abrede gestellt worden war, aller Anlass bestanden. Das Verwaltungsgericht Cottbus hatte zudem in einem Hinweis vom 13. Februar 2007 und erneut in der mündlichen Verhandlung vom 4. Dezember 2007 zu erkennen gegeben, dass es nicht von einer bereits erteilten Befreiung ausgehe. Den Anspruch auf Befreiung hilfsweise einzuklagen, wäre in einer solchen Situation offensichtlich zumutbar und prozessual nach Maßgabe des einfachen Rechts möglich gewesen. Hätte der Beschwerdeführer dies getan, hätten die Gerichte wohl Anlass gehabt, den von dem Beschwerdeführer wegen seiner Pflanzenbeetkläranlage in Anspruch genommenen Befreiungsanspruch zu prüfen; jedenfalls kann der Beschwerdeführer vor dem Landesverfassungsgericht nicht das nachholen, was er vor den Verwaltungsgerichten versäumt hat. 2. Im Übrigen ist in der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts des Landes Brandenburg geklärt, dass Anordnung und Durchsetzung des Anschluss- und Benutzungszwanges mit den in der Landesverfassung gewährleisteten Grundrechten vereinbar sind (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschlüsse vom 20. April 2006 - VfGBbg 5/06 sowie VerfGBbg 74/05 -). Insbesondere stellt der Anschluss- und Benutzungszwang eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums im Sinne von Art. 41 Abs. 1 Satz 2 LV dar. Besonderen Ausnahmefällen, in denen der Anschlusszwang zu unbilligen Härten führt, kann durch die Möglichkeit der Befreiung Rechnung getragen werden. Der Anschluss- und Benutzungszwang verstößt ferner nicht gegen die Bestimmungen über den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen in Art. 39 LV, die der Beschwerdeführer hier pauschal rügt. Art. 39 Abs. 4 und 5 LV verankern den Gesichtspunkt der Ressourcenschonung und das Prinzip der Vorsorge als Staatszielbestimmungen in der Landesverfassung. Als solche sind sie eine Richtschnur für staatliches Handeln und in besonderem Maße konkretisierungsbedürftig. Der Staatszielbestimmung wird hier bereits dadurch Rechnung getragen, dass der Wasser- und Abwasserzweckverband Elsterwerda Ausnahmen für Anlagen von Grundstückseigentümern zulassen kann, die einen höheren Umweltstandard aufweisen, als die vorhandene Einrichtung. Bei der Ausgestaltung und Handhabung dieser Ausnahmen kommt wiederum wie das Oberverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 13. Februar 2008 zutreffend ausgeführt hat - sowohl dem Gesetz- als auch dem Satzungsgeber ein erheblicher Gestaltungsspielraum zu.
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